Der Rathhaus-Neubau der Stadt Duisburg

Am 3. Mai 1902 vollzog die Stadt Duisburg am Rhein die festliche Weihe eines neuen Rathhauses als eine Blüthe jenes intensiven Entwicklungs-Prozesses, welchen die deutschen Städte mit nur ganz geringen Ausnahmen nach dem deutsch-französischen Kriege durchmachten. Die Stadt Duisburg besass bis dahin ein recht unscheinbares Rathhaus, welches in seinen Anfängen 500 Jahre hindurch den Bedürfnissen des Verwaltungs- und Gerichtswesens gedient hatte und bei der zunehmenden Vermehrung der Geschäfte wohl erweitert und durch Zukauf benachbarter Privathäuser entlastet wurde, welches aber im Laufe der Zeit zu einem Sammelbegriff so heterogener, die Verwaltung erschwerender Bautheile wurde, dass sich eine durchgreifende Aenderung durch Errichtung eines Neubaues umso weniger mehr von der Hand weisen liess, je mehr das 19. Jahrhundert seinem Ende zueilte.

Im Frühjahr 1895 beschloss daher die Stadtverordneten-Versammlung, der Errichtung eines neuen Rathhauses näher zu treten und bestimmte für dasselbe das durch Zukauf benachbarter Häuser vergrösserte Gelände des alten Rathhauses. Demgemäss wurde für den Neubau die zwischen dem Burgplatz und dem Alten Markt gelegene Fläche gewählt und zwischen dem neuen Rathhause und der Salvatorkirche die Anlage einer neuen Strasse in Aussicht genommen (s. Lageplan). Zur Erlangung eines geeigneten Entwurfes für das neue Haus wurde ein Preisausschreiben erlassen, in welchem der I. Preis den Architekten und Assistenten an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, F. Ratzel und C. Boes zuerkannt wurde, während der II. Preis Hrn. H. Jennen in Karlsruhe, der II. Preis den Hrn. Reinhardt & Süssenguth in Charlottenburg zufiel. Da jedoch keiner der preisgekrönten Entwürfe unmittelbar zur Ausführung geeignet erschien, so wurde Hr. Architekt Fr. Ratzel in Karlsruhe mit der Verfassung eines neuen Entwurfes betraut und ihm aufgrund desselben die Ausführung der Einzelzeichnungen und die künstlerische Oberleitung des Baues übertragen, während die Ausführung der technischen Arbeiten dem Stadtbauamte in Duisburg, an seiner Spitze Hr. Stadtbaurath Quedenfeldt, übergeben wurde. Auf die Anordnung der Räume war ein von letzterem bearbeiteter Grundriss von wesentlichem Einfluss. Die schlichte und übersichtliche Anlage des Gebäudes, sowie die Vertheilung der einzelnen Raumgruppen gehen aus unseren Grundrissen hervor; es ist dazu kaum etwas zu bemerken, es sei denn ein Hinweis auf die geschickte, malerische Art, mit welcher der Anschluss des Rathhauses an die unregelmässige Häusergruppe am Weinhaus-Markt mittels eines Durchganges, über welchem sich der Rathhausthurm erhebt, gesucht und gefunden wurde.

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Die in der Gestaltung des Aufbaues zum Ausdruck kommenden Absichten der Stadtverwaltung finden in dem Beschluss vom 20. Oktober 1896 ihre Grundlage, welcher eine Erhöhung der anfänglich vorgesehenen Bausumme herbeiführte zu dem Zwecke, „das Rathhaus als Monumentalbau in Haustein-Schauseiten und ebenso im Inneren unter Verwendung der besten Baumaterialien auszuführen.“

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg – Lageplan

Am 31. Mai 1897 wurde mit den Abbruchsarbeiten an einem Theile der alten Baulichkeiten auf der Rathhausbaustelle begonnen, am 20. Juli 1897 wurde der erste Spatenstich gethan und am 15. Aug. 1897 mit der Ausführung des Mauerwerkes angefangen. Die günstigen Witterungsverhältnisse der Jahre 1898 und 1899 und die dadurch mögliche erhöhte Bauthätigkeit förderten den Bau so rasch, dass der erste Bauflügel bereits am 1. April 1900 bezogen und der Abbruch des alten Rathhauses, in welchem bis dahin die Verwaltung weiter geführt wurde, in Angriff genommen werden konnte, um auch an die Errichtung des zweiten und dritten Bautheiles zu schreiten. Im Laufe der Bauarbeiten erwies sich der Erwerb der Häuser Weinhausmarkt 12 u. 12a und Burgplatz 15 als nöthig und möglich und es wurde unter Nachbewilligung einer Summe von 150 000 M. hier ein dritter Bauflügel geplant, welcher Gelegenheit zu der bereits berührten anziehenden malerischen Gestaltung gab. Die Festschrift über die Einweihung des neuen Rathhauses sagt darüber: „Durch die Ausgestaltung der Bogenstrasse zu einem weiten Hof des Rathhauses, welcher gleichzeitig dem Durchgangsverkehr vom Burgplatz zum Weinhausmarkt und zur Schwanen- resp. Beekstrasse dienen sollte, konnte die äussere Erscheinung des Rathhauses an diesem Theile einen besonders malerischen Reiz gewinnen, wenn dieser Hof nur für den Fussgängerverkehr eingerichtet wurde… Durch den grossen Bogen im Thurm am Burgplatz, sowie durch den grossen durch zwei Geschosse reichenden Bogen am Weinhausmarkt wurden prächtige Einblicke in diesen Innenhof geschaffen, in welchem durch eine grosse Treppenanlage, in der ganzen Breite desselben, das starke Gefälle nach dem Weinhausmarkt überwunden wurde.“

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg – Grundriss

Durch diese in der ursprünglichen Planung nicht enthaltene Hofanlage wurde der Fortschritt der Bauarbeiten etwas unterbrochen, dieselben wurden aber weiterhin so gefördert, dass April 1901 der zweite Bauflügel im Rohbau fertig und unter Dach gebracht war und die Arbeiten am dritten Bauflügel ihm schnell folgten, sodass trotz des sehr reichen Innenbaues die Einweihung des in allen seinen Theilen fertigen Hauses am 3. Mai 1902 erfolgen konnte.

Der reichen Ausbildung des Aeusseren entspricht das in entsprechend gesteigertem Reichthum gehaltene Innere. Die dem Wettbewerbe zugrunde gelegte Bausumme von 500 000 M. und die dann thatsächlich verbrauchte dreimal höhere Bausumme von 1 500 000 M. lassen erkennen, mit welcher Entschiedenheit die Stadtverwaltung darauf bedacht war, in ihrem neuen Rathhause für Duisburg und für ihr Theil die glanzvolle Ueberlieferung des alten deutschen Rathhauses am Niederrhein wieder aufleben zu lassen.

Die einzelnen Geschosse sind durch Wendeltreppen und durch eine stattliche Haupttreppe mit einander verbunden; reiche Steinarbeit schmückt ihre Zugänge, ihre Wangen, ihre Brüstungen. Reiche Malerei leuchtet von den ihre Vorplätze überdeckenden Gewölben herab.

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg

Es ist die köstliche mittelalterliche Lust am Werke, die in allen diesen Arbeiten zum Ausdruck kommt.

Man wird an den japanischen Metallarbeiter erinnert, der auf die von ihm verfertigte Vase schrieb: „Ich empfand Freude, indem ich sie machte.“ Diese reine Freude am Werk kommt im höchsten Grade zum Ausdruck in den Räumen, welche vermöge ihrer Bedeutung auf eine reichere Ausstattung einen natürlichen Anspruch erheben konnten. Im Untergeschoss liegt der in spätgothischen Formen gehaltene, mit einer Holzdecke versehene und reich ausgemalte Trausaal; die dunkeln Töne seines Eichenholzes geben dem durch eine schwere Säule getheilten Raum den Eindruck ernster Würde. Die gewölbte Eingangshalle im Erdgeschoss ist ein dreischiffiger Raum, in welchem vier zierliche Säulchen die Kreuzgewölbe der Decke tragen. Von hier aus führt die stattliche Haupttreppe empor zur reichen Treppenhalle des ersten Obergeschosses, die wir am Kopfe abbilden. An ihr liegt der grosse Sitzungssaal, in welchem die künstlerische Ausschmückung ihren Höhepunkt und eine vornehme Pracht erreicht. Wir gaben in der Beilage zu No. 1 eine Gesammtansicht des Raumes wieder und wir fügen in dieser Nummer zwei Einzelansichten hinzu. Woher die Anregung zu diesem selten schönen Raume stammt, ist unschwer zu erkennen. Bei seiner Beschreibung nimmt die Festschrift auch eine ausgesprochene Stellung zur modernen Bewegung in der Baukunst, indem sie ausführt, es sei gelungen, in ihm einen Raum zu schaffen, „der, obwohl anlehnend an die Formensprache der deutschen italienisirenden Renaissance, einen, im besten Sinne, modernen Geist zeigt und der beweist, dass zur Vertiefung unserer Baukunst und zu ihrer fortschrittlichen Entwicklung eines vor Allem noththut: die Tradition.“ – Eine selbständige künstlerische Ausbildung, gegen die Bedeutung des Sitzungssaales entsprechend abgestuft, haben dann ferner erhalten das Vorzimmer zum Sitzungssaal, der Kommissions-Sitzungssaal, einige kleinere Berathungszimmer, der Saal für die Sitzungen des Stadtausschusses und des Gewerbegerichtes, die Räume für den Oberbürgermeister, das Dienstzimmer des Stadtbaurathes, das Sitzungszimmer für die Baukommission usw. Aber nicht nur diese Räume mit besonderer Bedeutung, auch die gewöhnlichen Diensträume sind, wieder in entsprechender Abstufung, in die künstlerische Harmonie des ganzen Hauses mit einbezogen, sodass dieses von einer reifen künstlerischen Einheit durchzogen wird.

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg

Die Festschrift über das Rathhaus sagt von der Wirksamkeit des Architekten und von den gegenseitigen Beziehungen zwischen ihm und seinem Werke treffend: „Seiner unermüdlichen Thätigkeit im Entwerfen und Zeichnen selbst des kleinsten Details ist die harmonische Ausbildung und Durchbildung des ganzen Baues in seiner gesammten Erscheinung als sein eigenstes und alleiniges Verdienst zuzuschreiben, während es andererseits wohl nicht oft einem Architekten geboten sein dürfte, einen so hervorragenden und umfangreichen Bau ganz allein nach seinen Intentionen, nach seinem alleinigen künstlerischen Empfinden und Können durch andere, weit von ihm, ausgeführt zu sehen. Wenn auch manchmal Bedenken gegen seine Ideen und Entwürfe im Einzelnen laut wurden, so wusste er doch stets dieselben zu überwinden und auch die Zustimmung zu finden für die dadurch verursachten höheren Kosten“. Diese ungewöhnlich warme und seltene Anerkennung eines Bauherrn für das fertige Werk, welcher sich alle Beurtheiler desselben rückhaltlos anschliessen dürften, lässt auf ein liebevolles und selbstloses Zusammenwirken aller Theile am Bau schliessen und dieser Eindruck strahlt auch von dem Werke als Ganzem aus.

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg – Ansicht des großen Sitzungssaals

Das neue Rathhaus in Duisburg gehört ohne Zweifel zu den gemüthvolleren Werken seiner Art; in ihm ist in einem höheren, vertiefteren Sinne und mit glücklicherem Erfolge die glorreiche Ueberlieferung des alten deutschen Rathhauses fortzusetzen oder wenn man will, wiederzuerwecken versucht, als an manchem anderen Rathhausbau der Neuzeit.

Künstlerische Mitarbeiter des Architekten waren u. a. die Bildhauer Fritz Heinemann in Berlin für die Statuen Karls des Grossen, Wilhelms des Grossen, für die heraldischen Löwen, die Wasserspeier, die Kinderköpfe, für den Fries mit der Darstellung von Rhein und Mosel usw.; Prof. Dietsche in Karlsruhe für die Eckfiguren Adam und Eva am Thurmbogen, für das Wappen von Duisburg, die Figur des Roland, für den monumentalen Brunnen im Rathhaushof, für den Salvator Mundi am Eingangsportal zum Sitzungssaal usw. Die ornamentalen Bildhauer-Arbeiten der Fassaden stammen von Hrn. Bildhauer Rutz in Düsseldorf. Weiterhin wirkten mit dem Architekten künstlerisch zusammen Prof. A. Linnemann in Frankfurt a. M. und de Bouche in München bei den Glasmalereien und Hr. Kunstmaler J. Mössel, Mitinhaber der Firma Schmidt & Co. in München, welcher den grössten Theil der dekorativen Malereien ausführte und namentlich die interessanten Malereien des Sitzungssaales nach eigenen Entwürfen schuf.

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg – Einzelheiten aus dem Sitzungssaal

Die örtliche Bauleitung war dem städtischen Bauamte in Duisburg übertragen; in persönlicher Beziehung übten dieselbe die Hrn. Stadtbrth. Quedenfeldt als Oberleiter und Stadtbmstr. Lüdecke auf der Baustelle „mit grosser Hingabe und Verständniss“ aus. Es werden vom Personal des städtischen Hochbauamtes fernerhin noch die Architekten Rahne, Marggraf und Passehl als an der Ausführung des Baues verdienstvoll betheiligt erwähnt.

Die Hauptarbeiten des Rohbaues hatte die Baufirma Gebr. Kiefer in Duisburg übernommen. Die Niedermendiger Basaltlava des Sockels und den Tuffstein der Obergeschosse lieferten Ph. Holzmann &Co. Aus ihren Brüchen bei Weibern und aus anderen Brüchen der Eifel; der Ruhrsandstein des Unterbaues am Alten Markt kam aus den Schüller’schen Steinbrüchen bei Herdecke. Für die ornamentalen Gliederungen der Schauseiten wurde Römerberger Sandstein, für die des Inneren Lauterthaler Sandstein verwendet; für die Säulen und Treppen des Inneren wurde weisser Granit aus den Brüchen bei Passau gewählt. In diese Steinlieferungen theilten sich Gebr.

Kiefer in Duisburg und Ph. Holzmann & Co. in Frankfurt a M. Für die Fussböden über den Decken und Gewölben in Beton zwischen Trägern oder Rippen aus Tuffstein wurden teils Eichenstab- und Riemenfussböden in Asphalt, theils Thonfliesen aus Schwandorf durch Rosenfeld & Co. in Berlin verlegt; die Dächer sind mit Ziegeldachpfannen von Gebrüder Schrooten in Bergheim eingedeckt. Die Dachdeckungs-Arbeiten und ihre Vergoldungen führten Riegels und Genner, die Kunstschmiede-Arbeiten der Thurmspitzen, Fenstergitter, Treppen usw. Rottmann & Portmann, Wilhelmi, Reinen und Stuhlfahrt, sämmtlich in Duisburg aus.

Der Rathaus-Neubau der Stadt Duisburg – Ansicht am Weinhausmarkt

Die elektrische Beleuchtung wurde durch Lahmeyer & Cie., die elektrische Sprechleitung durch die kaiserliche Telegraphen-Verwaltung und durch Herm. Schmalhausen, die Gas- und Wasserleitung durch das städtische Wasserwerk in Duisburg angelegt. Die Thurm-Uhr, die elektrische Zentral-Uhr, die Anlagen für Feuermeldung usw. stammen von C. Ph. Wagner in Wiesbaden. An der inneren Ausstattung durch Möbel, durch Schlosser- und Schmiede-Arbeiten usw. waren die Firmen Gebr. Kiefer und Guillaume & Wegmann in Duisburg betheiligt. Die Beleuchtungskörper der hervorragenderen Räume wurden nach Zeichnungen des Architekten von Riedinger in Augsburg hergestellt. Die Teppiche und die Stoffdekorationen lieferten Chr. Gatermann und C. Hengefeld in Duisburg. Die Einrichtung der feuerfesten und diebessicheren Gewölbe hatte H. Verlohr, die Pflaster-, Asphalt- und anderen Arbeiten besorgten Jul. Carstanjen & Co., C. Weyand und D. Wenz, gleichfalls sämmtlich in Duisburg. Die Heizung ist eine Niederdruck-Dampfheizung; mit ihr in Verbindung steht eine Ventilations-Einrichtung mit elektrischem Antrieb; beide wurden von der Hannoverschen Zentralheizungs- und Apparate-Bauanstalt geliefert.

Die Errichtung des Rathhauses erforderte eine Summe von insgesammt 2 600 000 M., davon entfallen auf die Freilegung des alten historischen Burgplatzes (500 000 M.) und auf die Erweiterung des Rathhaus-Bauplatzes (600 000) zusammen 1 100 000 M. Die Baukosten haben rd. 1 500 000 M. betragen; da das Gebäude nach Abzug der Lichthöfe eine Fläche von rd.

2045 qm bedeckt und etwa 43 640 cbm enthält, so entfallen von den gesammten Bauausgaben auf den qm Fläche etwa 733 M., auf den cbm Raum nicht ganz 30 M.

Dieser Artikel erschien zuerst 1903 in der Deutschen Bauzeitung.