Auf den Kruppschen Schiessplätzen in Essen und Meppen

Wenn ein modernes Geschütz den ungemein schwierigen und langwierigen Herstellungsprozeß in der großen Fabrik von Krupp in Essen glücklich durchlaufen hat, wandert es auf den Schiessplatz, wo es in letzter Instanz auf seine Kriegsbrauchbarkeit geprüft wird.

Und gar hohe Anforderungen werden an ein modernes Kanonenrohr gestellt; es muß nicht nur sein Geschoß auf Entfernungen schleudern, die man früher einfach lächelnd in das Gebiet der Fabel verwiesen hätte, es muß auch so widerstandsfähig sein, daß es selbst in den unglücklichsten Zufällen, wenn eine der modernen Brisanzgranaten im Rohr selber platzen sollte, seine Festigkeit bewahrt, so daß die Mannschaft niemals gefährdet ist.

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Die Firma Krupp hat zwei Schießplätze; der eine liegt in Essen selbst in unmittelbarer Nähe der Fabrik, ist aber wegen seiner verhältnismäßig geringen Ausdehnung nur für kleinere Kaliber zu gebrauchen; die Riesengeschütze öffnen auf den weiten Flächen des großen Schießplatzes bei Meppen in der Provinz Hannover zum erstenmal ihren ehernen Mund.

Geschutzexerzieren chinesischer Artillerieschüler auf dem Schiessplatz in Essen

Auf dem Schießplatz ist immer reges Leben. Die Vertreter der verschiedensten Nationen finden sich dort zusammen. Bald kommt eine Offiziersabteilung vom Sultan, um über Schnellfeuergeschütze sich zu unterrichten, dann treffen Abgesandte der südamerikanischen Republiken ein, um Bestellungen auf Schiffskanonen zu machen. Auch der bezopfte Bürger aus dem Reich der Mitte fehlt nicht in dieser internationalen Gesellschaft. Unser erstes Bild, auf dem auch der Geheime Kommerzienrat Krupp sichtbar ist, zeigt, daß die chinesischen Artillerieschüler schon viel gelernt haben und fast so stramm wie ein deutscher Kanonier ihr Geschütz bedienen.

Marineschnellfeuergeschütz (47 cm) in Wiegenlaffette mit Schutzschild

Die modernen Geschütze haben sich immer mehr zu wahren Riesenmaschinen herausgebildet. Während man früher das Kaliber, das heißt den Durchmesser der Seele, immer mehr erhöhte, hat man in letzter Zeit mehr Gewicht auf die Ausdehnung der Rohrlänge gelegt, weil so die Pulvergase möglichst lange und intensiv auf das Geschoß wirken können. Daher rührt die außerordentliche Länge der modernen Schiffsgeschütze.

Bedienung eines schweren Küstengeschützes durch chinesische Artillerieschüler

Das Bedürfnis nach einem anhaltenden Schnellfeuer zeitigte das moderne Schnellfeuergeschütz. Das heißt; die Ladevorrichtungen sind so eingerichtet, daß sie in denkbar kürzester Zeit das Einsetzen neuer Geschosse gestatten. Um hierbei auch an Zeit zu sparen, hat man die Granate und die Pulverladung vereinigt wie bei der Patrone des Infanteriegewehrs. Welch eine Größe diese Patronen erreichen, zeigt unsere Abb. der 15 cm-Schnellfeuerkanone, deren Geschoß fast der Höhe eines Mannes gleichkommt.

Drehbarer Panzerturm mit zwei 21 cm Marinegeschützen

Um diese teilweise sehr komplizierten Ladevorrichtungen vor Beschädigung durch kleinere Sprengstücke zu decken und zugleich die Bedienung zu schützen, tragen diese Kanonen Panzerschilde, die zwar einem Anprall schwerer Vollgeschosse nicht widerstehen können, aber doch gegen das Feuer der Mittelartillerie hinreichend Deckung gewähren. Man teilt nämlich die Armierung eines Kriegsschiffes in drei Klassen, die leichte, mittlere und schwere Artillerie. Von jeder Gattung geben wir eine Abbildung wieder.

Einschiessen von neuen Schnellfeuerfeldgeschützen auf dem Schiessplatz in Essen

Die leichte Artillerie ist repräsentiert durch das 4,7 cm-Schnellfeuergeschütz, eine Waffe, die hauptsächlich gegen Torpedoboote und ähnliche kleinere Gegner bestimmt ist und deswegen auch meistens hoch in den Masten oder auf den Deckaufbauten postiert ist. Eine ungleich gefährlichere Waffe ist die 15 cm Schnellfeuerkanone, die speziell von der deutschen Marine als Mittelartillerie verwendet wird. Sie dient hauptsächlich zum Zerstören der ungepanzerten Teile des gegnerischen Schiffes. Die Schlacht bei Cavite wurde z. B. hauptsächlich durch das Feuer dieser mittleren Geschütze gewonnen, die den Gegner mit einem Hagel von Geschossen überschütteten und bald alle brennbaren Teile entzündeten.

Lange Schnellfeuerkanone (5 cm) in Pivotwiegenlaffette mit Panzerschutz

Die schwere Artillerie. von der wir das 21 Zentimeter Schnellfeuergeschütz abbilden, dient zur Zerstörung der gepanzerten Ziele. Man stellt sie meistens zu zweien in einen Panzerturm. Die beiden großen Schnellfeuergeschütze werden dann zu gleicher Zeit abgefeuert, wodurch eine ganz gewaltige Eisenmasse au einmal gegen den Gegner geschleudert wird.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche. Er war gekennzeichnet mit „O. M.“