Berliner Neubauten 53 – Das Geschäftshaus „Zum Hausvoigt“

Zwischen Mohrenstrasse und Hausvoigtei-Platz, Architekt: Reg.-Baumstr, Otto March in Charlottenburg. Wie einzelne Stadttheile und Strassenzüge Berlins von bestimmten Zweigen des Handels und der Industrie bevorzugt werden, so der Hausvoigtei-Platz und die benachbarten Strassen von dem Verkauf von Frauengewändern gemeinhin „Confection“ genannt. Das in den Abbildungen dargestellte Gebäude enthält ausschliesslich Geschäftsräume und ist in sämmtlichen Geschossen den Bedürfnissen des erwähnten Geschäftszweiges entsprechend eingerichtet.

Die ursprüngliche Form des Grundstücks erfuhr dadurch eine Veränderung, dass es der Stadt Berlin erwünscht war, durch Erwerbung eines Stückes Hinterland – eines Theils des jetzt zugeschütteten früheren Grünen Grabens – den Hof der Mohrenstrasse 41 gelegenen Gemeindeschule in Interesse besserer Luft- und Lichtzuführung zu vergrössern, und dass diese Erwerbung gegen Austausch eines 2 m breiten Streifens am Hausvoigtei-Platz die Genehmigung aller betheiligten Behörden erhielt. Auf die von mancher Seite geäusserte Ansicht, dass im Sinne einer Verschönerung des Platzes das in diesen einspringende Bauland besser unbebaut geblieben wäre, ist anzuführen, dass die an und für sich unschöne Form des Hausvoigtei-Platzes, die noch die Linien der vom Grossen Kurfürsten an der stumpfwinkligen Verschneidung des Ober- und Niederwalls errichteten Bastion erkennen lässt, durch Freilassen der Baustelle eine günstige Veränderung in dem Grade nicht erfahren haben würde, dass sie zu den bedeutenden, der Stadt aus der Gründerwerbung erwachsenden Kosten in angemessenem Verhältniss gestanden hätte.

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Da ein Theil des Grundstücks hinter den im Jahre 1789 von Langhans erbauten Brücken-Kolonnaden in der Mohrenstrasse liegt, musste von den zuständigen königlichen Behörden die Genehmigung eingeholt und baupolizeilicherseits bestätigt werden, Fenster oberhalb dieser Kolonnaden in dem an dieser Grenze belegenen Gebäudetheil anzulegen. Diese Erlaubniss wurde ertheilt unter der aus Rücksicht für die selbständige Wirkung des alten Baudenkmals gestellten Bedingung, oberhalb der Kolonnaden mit der Gebäudefront 2,15 m hinter der Kolonnadenwand zurück zu bleiben. Ein Ersatz für den dadurch bewirkten erheblichen Ausfall an Ausnutzungsfähigkeit der bebauten Grundfläche wurde dadurch erzielt, dass der Bezirksausschuss in die Theilung des Grundstückes in zwei Grundbuchnummern willigte und bei dem in den Hausvoigtei-Platz einspringenden Theil in anbetracht der von 3 Seiten bestehenden, aussergewöhnlich günstigen Zuführung von Licht und Luft von der Anlage eines Hofes ganz absah,.

Grundriss

Zur Erzielung eines einheitlichen Strassenbildes ist das Gebäude, dessen Grundriss- Anordnung einer besonderen Erläuterung nicht bedarf, den vorhandenen Mohren-Kolonnaden entsprechend in Barockformen ausgeführt. Sämmtliche Zwischendecken sind in Moniergewölben mit durchschnittlich 4 m Spannweite unverbrennlich hergestellt. Die in Gegenwart eines Vertreters des Königl. Polizei – Präsidiums am 27. Sept. v. J. vorgenommenen Probebelastungen sind sehr günstig ausgefallen; besonders hat die Probe mit Belastung eines halben Gewölbefeldes nachgewiesen, dass die Kappen die berechnete bewegliche Belastung von 500 kg ohne wesentliche Formveränderung tragen können. Die Probebelastung erfolgte mit 800 kg auf 1qm. Die grösste Durchbiegung erfolgte bei voller Belastung des ganzen Gewölbefeldes und zwar im Scheitel um 2,5 mm; nach Entlastung verblieb sie auf 0,5 mm, während die beiden seitlichen Träger nach Durchbiegung von 1 mm in die frühere Lage zurück gingen.

Ansicht aus der Mohrenstrasse

Die Ausführung des Baues erfolgte durch die Firma Held & Francke in Berlin. Die 5 Personen- und Lasten-Aufzüge, welche mit den Treppenhäusern unmittelbar verbunden sind, wurden von der Firma Otis Brothers & Co., New-York geliefert. Das verbrauchte Wasser wird aus Sammelbassins im Keller durch Gasmotoren zur Wiederverwendung nach den Bassins auf dem Boden hinauf gepumpt. Für das Haus ist Gas- und elektrische Beleuchtung vorgesehen. Die Erwärmung erfolgt durch Löhnholdt’sche Oefen. Die Figur auf dem durch Dispens des Bezirks-Ausschusses genehmigten Giebel am Hausvoigtei-Platz ist von Bildhauer Westphahl, der auch die übrigen Modelle für die architektonischen Zierformen geliefert hat, modellirt und von Fr. Peters in Kupfer getrieben worden. Ihr Gewicht beträgt 150 kg.

Die Baukosten belaufen sich einschliesslich aller Nebenanlagen auf 850 000 M., oder etwa 660 M. Für 1 qm bebauter Fläche.

Dieser Artikel von K. Schmülling erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung.