Der Minister-Sitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin

Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin

Arch.: Prof. Alfred Messel in Berlin. In der künstlerischen Ausbildung genügt die theoretische Unterweisung allein nicht. Das ist insbesondere bei den Künsten der Fall, welche zu ihrer vollen Geltung über die Darstellung in der Fläche hinaus ihre Wirkung in der räumlichen Gestaltung suchen, also bei der Architektur und bei dem von ihr abhängigen Kunstgewerbe.

In letzterer Beziehung haben das die grösseren Kunstgewerbeschulen erkannt; sie besitzen Mittel, hervorragende Entwürfe zur Ausführung zu bringen und den Schüler an dieser zu unterweisen. So besteht an der Kunstgewerbeschule des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien der sogenannte Hoftitel-Taxfond, mit dessen Hilfe eine grosse Reihe hervorragender kunstgewerblicher Werke geschaffen wurde, und es besitzt das Kunstgewerbe-Museum in Berlin zu gleichem Zwecke den 150 000 Mark-Fond.

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Als man nun vor der Berliner Gewerbe-Ausstellung des Jahres 1896 stand und in der Schulabtheilung für die Unterrichtsanstalt des königl. Kunstgewerbe-Museums in Berlin einen würdigen Ausstellungs-Gegenstand zu beschaffen trachtete, da fiel die Wahl auf die künstlerische Durchbildung eines Innenraumes und zwar des im Verbindungsbau zwischen dem neuen Abgeordnetenhause und dem im Bau begriffenen neuen Herrenhause gelegenen Sitzungssaales der Minister. Zu den etwa 50 000 M. betragenden Kosten der Herstellung wurden aus dem Baufond des Abgeordnetenhauses rd. 10 000 M., aus dem genannten 150 000 Mark-Fond des Museums etwa 40 000 M. beigesteuert. Den Entwurf zu dem Saale lieferte der damalige Lehrer der Unterrichts-Anstalt Hr. Prof. A. Messel; in seiner Klasse 1 a. wurden sowohl der architektonische Theil des Entwurfes, wie auch die Entwürfe zu .den sämmtlichen Theilen der dekorativen Ausschmückung bearbeitet. Die Modelle zu den Holzbildhauerarbeiten und diese selbst wurden in der Klasse IV. unter der Leitung des Hrn. Taubert gefertigt, während die Herstellung der Kaminmodelle unter Leitung des Hrn. Prof. Behrendt die Klasse II. übernommen hatte. In der Klasse VII. wurden unter Leitung des Hrn. Malers Max Seliger die Kartons für die Ledertapeten bearbeitet, welche Hirschwald lieferte, in der Klasse VIII a. unter Leitung des Hrn. Prof. E. Doepler die Gitter und Wappen entworfen, deren erstere Paul Marcus ausführte. Die Einzelzeichnungen zu dem grossen, den Boden bedeckenden Teppich wurden in Klasse VIII b. unter Leitung des Hrn. Maler Timler entworfen, die Malerarbeiten der Decke durch die Klasse V. unter Leitung des Hrn. Maler V. Schmitt ausgeführt. Kleinere Arbeiten überwachten in ihren bez. Klassen die Hrn. Bastanier und Rohloff. Die Ausführung der vorzüglichen Tischlerarbeiten der Wände und Decke hatte Tischlermstr. G. Olm übernommen, die Möbel lieferte Aschenbach, den Marzana-Kalkstein des Kamines Plöger.

Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin

Unter der Oberleitung des Architekten und der verständnissvollen und unterordnenden Zusammenwirkung dieser hervorragenden künstlerischen Kräfte und Kunsthandwerker ist ein Innenraum entstanden, welcher, im Geiste der schönsten Innenräume der französischen und nordischen Renaissance, etwa des Musee Plantin in Antwerpen geschaffen, ein Meisterstück feingestimmter Innen-Dekoration ist und zu den hervorragendsten Theilen des neuen Monumentalbaues an der Prinz Albrecht-Strasse zählt. Unsere Abbildungen dieser Nummer geben von dem schönen Raum eine so ausreichende Vorstellung, dass wir uns eine weitere Erläuterung versagen können.

Wandarchitektur im Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Wandarchitektur im Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Wandarchitektur im Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin
Wandarchitektur im Ministersitzungssaal des neuen Abgeordnetenhauses zu Berlin

Dieser Artikel erschien zuerst am 11.02.1899 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.