Blitzgefahr für Luftballons

Vor einiger Zeit hat sich der erste Fall ereignet, daß der Blitz in einen Ballon eingeschlagen hat. Bei einer Uebung der bayrischen Luftschifferabteilung befand sich der Fesselballon System von Sigsfeld und von Parseval, ein sogenannter Drachenballon, in etwa 500 Meter über dem Lechfeld mit dem Leutnant Hiller im Korb, um gelegentlich einer Truppenübung Beobachtungen auszuführen.

Beim Herannahen einer ziemlich tiefziehenden dunklen Haufenwolke bemerkten die Leute, denen die Bedienung des Windewagens, auf dem das Stahlkabel der Fesselung aufgerollt ist, obliegt, daß sie stärkere Schläge beim Berühren des Drahtes erhielten. Der leitende Offizier ließ sofort auf diese Meldung hin den Versuch machen, den Ballon dadurch schnell niederzuholen, daß eine auf das Kabel gelegte Rolle durch Mannschaften in der Windrichtung nach vorwärts bewegt und dabei der Ballon allmählich zur Erde heruntergezogen wurde. Es gelang aber dies Manöver des deshalb nicht, weil die Leute beim Auflegen der Rolle sehr starke Schläge erhielten. Ehe weitere Maßnahmen angeordnet werden konnten, schlug ein Blitz aus der inzwischen nähergekommenen Wolke in den Ballon, fuhr am Fesselkabel herunter und betäubte dort die Leute, die sich in unmittelbarer Nähe des Windewagens befanden; der zu Pferd sitzende Offizier stürzte ebenfalls mit seinem Pferd zu Boden.

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Während die Leute und dieser Offizier wieder zum Bewußtsein kamen, hatte der Blitz den Ballon entzündet, und dieser stürzte aus 500 Meter Höhe zur Erde. Sogar der Korb brannte und löste sich vorher von dem Ring, an dem er befestigt war. Der Offizier hatte jedoch die Geistesgegenwart und kletterte in diesen Ring. Unfehlbar würde er aber zerschmettert sein, wenn nicht der sogenannte Drachenschwanz. der sich etwa 30 bis 50 Meter hinten unterhalb des Ballons befindet, den Fall gebremst hätte. Dieser Schwanz besteht nämlich aus 6 bis 8 Windtuten, die an einer Leine in der Weise angeknüpft sind, daß beim Hineinblasen des Windes jede wie ein umgekehrter Regenschirm mit einem Loch an der Spitze aussieht. Die Windtuten vermochten beim Herunterfallen, die Stellung von Fallschirmen einnehmend, den Ballon in seinem Fall so zu bremsen, daß der Leutnant Hiller mit einem Rippen- und doppelten Beinbruch davonkam. Daß das im Ballon befindliche Wasserstoffgas nicht zur Explosion kam sondern langsam abbrannte, lag daran, daß sich das Gemisch von Gas und Luft, das man mit Knallgas bezeichnet, nicht gebildet hatte. Bemerkenswert ist es, daß nur ein Blitz aus dieser Wolke beobachtet wurde, und daß kein Regen erfolgte.

Der Fesselballon wird eingebracht

Zu Besorgnissen darf dieser Vorfall keine Veranlassung geben, da ein solcher Ausgleich zwischen der mit positiver Elektrizität geladenen Wolke und der negativen Elektrizität der Erde äußerst selten so plötzlich ohne länger vorhergehende elektrische Ladung des Kabels erfolgt. Die verschiedensten meteorologischen Observatorien der Erde benutzen schon lange zur Erforschung der höheren Schichten der Atmosphäre Drachen oder Drachenballons, die, an Stahlkabeln gefesselt, bis in Höhen von über 5000 Meter gestiegen sind und noch nicht die plötzliche Entladung erfahren haben. Bekannt sind ja die Versuche von Franklin, der seine Drachen beim Herannahen eines Gewitters steigen ließ und dabei allerlei elektrische Experimente anstellte.

Beim Aufsteigen mit einem Freiballon dürfte wohl jegliche Gefahr fehlen, da ja die Verbindung mit der Erde fehlt.

Man muß allerdings vermeiden, mit einem Ballon direkt in ein Gewitter hineinzugeraten. Aber weniger die Blitzgefahr ist zu fürchten, als die Gewalt, mit der der Ballon in der Gewitterwolke herumgerissen wird; das Gas wird zum größten Teil herausgedrückt, und später geht der Ballon in rapidem Sturz zur Erde.

Wie ein Fesselballon entleert wird

Nach der Landung hat man noch einmal besondere Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung einer Katastrophe zu treffen. Es ist vorgekommen, daß in dem Augenblick, wo das Metallventil die Erde berührte, ein Funken übergesprungen ist und das Gas zur Explosion oder zum Abbrennen gebracht hat. Man beseitigt diese Gefahr dadurch, daß man den Ballon innen mit Chlorcalcium bestreicht und ihn leitend macht; es wird also eine plötzliche Entladung damit ausgeschlossen.

Wie ein Fesselballon entleert wird, zeigen unsere Bilder; die Leute holen den Ballon erst so weit herunter, daß sie den Gurt fassen können, und drücken dann den Ballon dessen Entleerungsöffnung aufgebunden ist, fest zur Erde nieder und pressen so das Gas heraus.

Dieser Artikel erschien zuerst am 05.07.1902 in Die Woche.