Das neue Posthalterei-Gebäude in Leipzig

Architekt Paul Jäger in Berlin. Für die Posthalterei in Leipzig wurde seit d. J. 1878 eine Anlage benutzt die – nach den Plänen des kaiserl. Postauraths Zopf – in Verbindung mit dem Gebäude des Packet- und Zeitungs-Postamtes auf dem Grundstücke Hospitalstrasse 4-8 errichtet worden war.

Sie bestand aus einem an der Hinterseite des Grundstücks angeordneten, grösseren Bau, der in den beiden unteren Geschossen die Stallungen, darüber die Speicher zur Lagerung der Futter-Vorräthe enthielt, und aus 2 schmalen, an den Seitengrenzen befindlichen und mit dem vorderen Hauptgebäude des Postamts durch bedeckte Durchfahrten verbundenen Flügelgebäuden, in welchen die Wagenhallen, die Werkstätten für Schmiede, Stellmacher und Sattler, sowie die übrigen Diensträume untergebracht waren. (Ein Grundriss, sowie eine Ansicht der Anlage sind auf S. 145 u. f. von „Leipzig und seine Bauten“ mitgetheilt.) Der Unternehmer, an welchen der Betrieb der Posthalterei verdungen ist, hatte für die Benutzung der Anlage eine entsprechende Miethe zu entrichten.

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Gegenüber dem stetig und in ungeahntem Grade wachsenden Umfange des Verkehrs waren diese Einrichtungen schon längst unzulänglich geworden. Denn einerseits erheischten die Räume des Packet- und Zeitungs-Postamtes auf das dringendste eine Vergrösserung, die bei den Verhältnissen des nicht erweiterungsfähigen Grundstücks nur durch Verwerthung der der Posthalterei eingeräumten Gebäude zu ermöglichen war, andererseits entsprachen auch die letzten nicht annähernd mehr dem thatsächlichen Bedürfniss. In der Zeit von 1878 bis 1894 war die Zahl der von der Posthalterei verwendeten Pferde von 85 auf 224, die Zahl der Postillone von 56 auf 156, die Zahl der im Besitze der Postverwaltung befindlichen Wagen von 87 auf 175, diejenige der Posthalterei-Wagen von 24 auf 49 gestiegen. Es hatte daher schon längst zu dem manche Betriebs-Störungen verursachenden Auskunftsmittel gegriffen werden müssen, einen Theil des Pferdebestandes anderweitig unterzubringen.

Erdgeschoss
Obergeschoss

Unter diesen Umständen war die Errichtung eines neuen, erheblich grösseren Posthalterei-Gebäudes auf anderer Baustelle nicht zu vermeiden. Die Postverwaltung sah jedoch davon ab, diese Aufgabe wiederum selbst in die Hand zu nehmen, sondern überliess die selbständige Lösung derselben dem gegenwärtigen Unternehmer des Leipziger Postfuhrbetriebes, Hrn. Posthalter Jäger.

Das von diesem, nach den Plänen seines Sohnes, des Architekten Paul Jäger in Berlin hergestellte Gebäude liegt in der Nähe des Eilenburger Bahnhofs und umfasst das ganze, zwischen der Göschenstrasse und Crusiusstrasse einerseits, dem Täubchenweg und der Nostizstrasse andererseits gelegene Bauviertel. Es hat auf die Beachtung der Fachkreise um so mehr Anspruch, als es durchaus nicht in dem früher üblichen Rahmen eines schablonenmässig zugestutzten Bedürfnissbaues sich hält, sondern – gleich anderen, zum Glück immer zahlreicher werdenden Schöpfungen neuerer Zeit – darthut, dass auch Aufgaben dieser Art ohne überflüssigen Aufwand eigenartig und anziehend sich lösen lassen, wenn sie nur mit entsprechender Liebe angefasst werden.

Aussicht des Hofes mit dem Blicke auf das Post-Stallgebäude

Das Mittel, durch welches dieses Ziel im vorliegenden Falle erreicht wurde, ist einfach genug. Der Architekt ist nicht davon ausgegangen, einen einheitlichen Bau nach bestimmtem Architektur-Schema zu schaffen, sondern hat – der grossen Verschiedenheit der in der Anlage zu befriedigenden Bedürfnisse Rechnung tragend – den einzelnen Theilen derselben eine gewisse Selbständigkeit verliehen, ohne deshalb den Zusammenhang des Ganzen zu vernachlässigen. Statt eines Einheitsbaues, dessen „Grossartigkeit“ jedenfalls von seiner Langweiligkeit übertroffen worden wäre, hat sich demzufolge ein Gruppenbau ergeben, der bewegt und malerisch wirkt, dem aber doch in keiner Weise das Gepräge des Gesuchten anhaftet. Das als unregelmässiges Vierseit von 74,50 bezw. 83,15 m und 66,90 bezw. 60,65 m gestaltete Grundstück ist auf 3 Seiten vollständig umbaut. Auf der vierten westlichen Seite – nach der Göschenstrasse hin – öffnet sich eine 10,50 m breite Lücke, in welcher neben einander die Einfahrt nach dem etwa 1800 qm grossen inneren Posthofe, sowie die Ausfahrt aus demselben angeordnet sind; zwischen beiden hat ein als Träger einer elektrischen Bogenlampe dienender Sandstein-Obelisk Aufstellung gefunden.

Links von dieser Thoröffnung, an der Ecke der Göschen-Strasse und des Täubchen-Weges, erhebt sich in 3 stattlichen Geschossen der hervorragendste Bautheil der ganzen Anlage. Im Erdgeschoss desselben sind neben den Geschäftszimmern des Posthalters die Diensträume eines (aus dem Eilenburger Bahnhofe nach hier verlegten) Postamtes untergebracht, dem es zugleich obliegt, den Verkehr der Posthalterei mit sämmtlichen Post-Dienststellen Leipzigs zu vermitteln und dem später alle auf das Post-Fuhrwesen der Stadt bezüglichen Amtsgeschäfte übertragen werden sollen. Die beiden oberen Geschosse enthalten Wohnungen für den Posthalter und seine Familie. – Als Gegenstück zu diesem Gebäude ist auf der anderen Seite der Thoröffnung ein dreigeschossiges, freilich bei weitern kleineres Wohnhaus errichtet worden, in welchem 3 Wohnungen für Beamte der Posthalterei sich befinden. – Alle übrigen Theile des Gebäudes sind zweigeschossig angelegt; doch sind die Ecken durch höhere Aufbauten betont, von denen derjenige an der Ecke des Täubchen-Weges und der Crusius-Strasse eine vierte Beamten-Wohnung enthält, Ueber die Bestimmung der einzelnen Räume geben die Grundrisse Auskunft. Im mittleren Theile des Flügels am Täubchen-Wege liegt eine Wagenhalle, in deren oberes Geschoss die Wagen mittels Fahrstuhls befördert werden. Der mit ihm unmittelbar zusammenhängende nördliche Theil des Flügels an der Crusius-Strasse, wird im Erdgeschoss von den Werkstätten für die in der Posthalterei die Gesammtlänge des Flügels reichenden Stallhalle und zwei Nebenställen sich zusammen; zwischen beiden liegt an der Hofseite eine Halle eine 3 m breite Raumzone, in welcher die Zugänge sowie die Nebengelasse sich befinden. Aus den unteren Ställen, deren Fussboden um 80 cm gegen die Hofgleiche vertieft ist, führen 2 in den Ecken des Hofe ausmündende Rampen nach aussen empor, während die oberen Ställe durch 2 neben dem Mittelbau anfangende Rampen erstiegen werden. Unter einander sind die beiden Stallgeschosse durch 3 Treppen und 2 neben der mittleren Treppe angeordnete Aufzüge verbunden, welche die Vorräthe an Futterkorn bezw. an Heu und Stroh, nachdem sie vorher auf der davor liegenden Wage gewogen worden sind, in das zu ihrer Lagerung bestimmte Dachgeschoss fördern; hier werden dieselben durch auf Gleisen laufende Wagen und durch eine Schneckenmaschine nach den für sie bestimmten Lagerstollen bezw. zu den Haferquetsch- und Häcksel-Maschinen geleitet, während der Tagesbedarf an Futter den Futterkammern der Ställe durch Holzschächte zugeführt wird. Die bauliche Anordnung der Stallräume an sich, deren gewölbte Decken auf Eisenbalken und Eisensäulen ruhen, deren Wände mit Borsdorfer Verblendziegeln (über den Krippentischen mit Mettlacher Fliesen) bekleidet sind und deren Fussböden in den Stallgängen aus Zahnaer oder Marienberger Platten auf Zementbeton, in den Pferdeständen aus Zementbeton bestehen, bietet nur insofern Besonderes, als Jauche-Abzugsrinnen nicht angelegt sind. Der Bauherr glaubt für Reinlichkeit im Stall besser durch reichliche Verwendung und öftere Erneuerung der Streu sorgen zu können, da er für den hierdurch gewonnenen (in 2 zwischen den Rampen liegenden und mit Rolladen überdeckten Behältern gesammelten) Dung in seiner umfangreichen Landwirthschaft gute Verwendung findet. Selbstverständlich ist jedoch für eine Spülung und Reinigung des Fussbodens Sorge getragen und zu diesem Zwecke den Pferdeständen nach den Quergängen sowie diesen nach dem (mit Entwässerungsgittern versehenen) Haupt-Stallgange hin je 3 cm Gefäll gegeben. Unter den Stalleinrichtungen ist die Trennung der einzelnen Pferdestände durch in den Flankirbäumen eingelassene Cocos-Matten, vor allem aber die Art der Versorgung der Pferde mit Trinkwasser hervorzuheben. Letzte erfolgt von einer Zentralstelle aus, indem die zu jedem Stande gehörige, von 2 Futtermuscheln umgebene Wassermuschel selbstthätig aus einem gemeinschaftlichen, mit der Wasserleitung in Verbindung stehenden Behälter gespeist wird. Das Pferd hat auf diese Weise stets Wasser zur Verfügung, dessen Temperatur annähernd derjenigen des Stalles entspricht; es ist demnach auch nicht zu befürchten, dass es durch einen Trunk in erhitztem Zustande Schaden leiden könnte.

Aussicht aus der Göschen-Strasse

Die Beleuchtung des ganzen Gebäude erfolgt durch elektrisches Licht. Die zur Beschaftung desselben eigerichtete besondere Maschinenanlage, welche 2 Dynamos von 6 und 12 P.S. mit einer Akkumulatoren-Batterie umfasst, liefert zugleich den Strom für die zum Betriebe der im Futterboden aufgestellten Maschinen und der zugehörigen Aufzüge dienenden Elektromotoren. Der grosse Fahrstuhl der Wagenhalle wird dagegen nur durch Handbetrieb bewegt. Die Heizung des Gebäudes erfolgt durch eine Niederdruck-Dampfheizung.

Von der architektonischen Erscheinung der Anlage, welcher im wesentlichen die Formen deutscher Renaissance zugrunde gelegt sind, gewähren die mitgetheilten beiden Ansichten eine Vorstellung. Die bewegte Umrisslinie des Ganzen und die farbige Haltung der Fassaden (gelbliche Putzflächen, Architektur Glieder aus blassrothen Verblendsteinen und entsprechendem Werkstein, tiefrothe Ziegeldächer) vereinen sich zu gelungener Wirkung. An einigen hervorragenden Stellen ist auch für Schmuck durch Malerei gesorgt.

Der umfangreiche Bau, dessen Maurer- und Zimmer-Arbeiten durch Hrn. Steib hergestellt wurden, während die Steinmetz-Arbeiten durch Hrn. Ehmig, die elektrische Anlage durch Schuckert & Co. die Heizanlage durch W. Raven und die Maschinen-Einrichtungen durch Unruh & Liebig geliefert wurden, hat zu seiner Ausführung wenig mehr als Jahresfrist vom 17. Juli 1893 bis zum 31. Juli 1894 – erfordert,

(Benutzt ist eine in No. 18, Jahrg. 94 des „Archivs für Post und Telegraphie” erschienene Abhandlung.)

Dieser Artikel erschien am 21.09.1895 in der Deutschen Bauzeitung.