Der Frauenleseverein in Kopenhagen

Unter der Frauenwelt Skandinaviens hebt man ohne Zweifel mit Recht die dänischen Frauen als diejenigen hervor, die am regsten an den Zeit- und Litteraturströmungen des In- und Auslandes teilnehmen und sie eifrig verfolgen.

Den sprechendsten Beweis dafür sehen wir in dem auf der ganzen Welt wohl einzig dastehenden Frauenleseverein („Kvindelig Laeseforening“) in Kopenhagen, aus dessen behaglich schönem Heim wir heute einige interessante Interieurs vorführen. Dasselbe umschließt eine Bibliothek von dem stattlichen Umfang von 200 000 Bänden, die von 2 000 Damen sowie deren Angehörigen so eifrig benutzt wird, daß im Jahr 1901 86 000 Entleihungen verzeichnet wurden! Ueber die völlig modern eingerichtete Sammlung verschafft ein nach dem Deweyschen Dezimalsystem geordneter Katalog, der gedruckt in den Händen aller Mitglieder ist, einen vorzüglichen Ueberblick. Die dänische Regierung bekundet ihr Interesse an dem Unternehmen durch einen jährlichen Staatszuschuß von 2 000 Kronen.

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Rekapitulieren wir kurz die Geschichte des Vereins. seine Begründerin war im Jahr 1822 Fräulein Sophie Petersen (gestorben 1874), die unter Assistenz ihrer Mitarbeiterinnen Frau Charlotte Klein und Frau Roosing eine bewunderungswürdige Thatkraft in der Ueberwindung so vieler Vorurteile und Schwierigkeiten entfaltete. Es galt, die thörichte Furcht der Menge, die Frau könne allzu gebildet werden, zum schwinden zu bringen und auf das hinzuarbeiten, was die Begründerin in die Worte faßte: „Den Frauen den Zugang zu den Schätzen der Litteratur zu erleichtern, damit sie durch stille, ungestörte Beschäftigung mit diesen ihr Denken und Fühlen, ihre ganze Lebensauffassung bereichern und so die Entwicklung ihres Charakters zu wahrer Persönlichkeit fördern könnten.“

Frl. Sophie Alberti
Vorsaal des Kopenhagener Frauenlesevereins

Einen ganz besonderen Aufschwung hat der Leseverein genommen, seitdem er vor kurzem seinen Einzug in neue Räumlichkeiten halten konnte. Die Bibliotheksräume, die Lesezimmer und das ganz reizend eingerichtete Café sind in praktischer und ästhetischer Hinsicht mustergiltig. Vor allem gilt dies vom Journalzimmer, in dem 35 Zeitschriften ausliegen.

Lesezimmer
Bücherausgabe

Die liebenswürdige Herrscherin in diesem Reich, die sich stolz Mutter all der Herrlichkeit rühmen könnte, wiese sie nicht unser begeistertes Lob bescheiden zurück, gewährte mir noch ein Plauderstündchen bei einer Tasse Thee in der Konditorei. sie ist die letzte in der stattlichen Reihe bedeutender dänischer Frauen, die als Leiter dieses Instituts unermüdlich an seiner Entwicklung arbeiteten, Fräulein Sophie Alberti, die dem Verein ihre reiche Begabung und ganze Sorgfalt und Zeit widmet. Fräulein Alberti, die Schwester des dänischen Justizministers, ist wie geschaffen, zu repräsentieren. Wer einmal das Glück gehabt hat, an einem Vortragsabend, wie ihn der Verein von Zeit zu Zeit seinen Mitgliedern bietet, teilzunehmen, wird nicht so bald die zwanglose und doch echt vornehme Stimmung vergessen, die da über dem Ganzen herrscht.

Dieser Artikel von H. K. Hugason erschien zuerst am 30.08.1902 in Die Woche.