Reiseeindrücke aus Dänemark und Schweden-Norwegen

I.

Ich dachte für etwa 14 Tage den Staub Berlins von meinen Füssen zu schütteln und hatte diesmal die Richtung nach Norden gewählt. Von Stockholm und seiner Ausstellung war mir so viel zu Augen und Ohren gekommen, dass es mich mächtig dorthin zog, und ich dachte den Genüssen der Ausstellung einige Genüsse der landschaftlichen Schönheiten Norwegens leicht angliedern zu können.

Hierin sollte ich mich, in meiner begreiflichen Unkenntniss über die Ausdehnung der nordischen Länder getäuscht haben. Was ich von Norwegen zu Gesicht bekommen habe, ist nur ein winziges Stück von etwa 200 km Längenausdehnung und dazu der am wenigsten interessante südliche Zipfel des Landes, das sich bekanntlich über nicht weniger als 13 Breitengrade, mit etwa 1800 km Länge, von Christiansand bis zum Nordkap hin ausdehnt.

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Inbezug auf die Auswahl der besonderen Ziele und der Aufenthaltspunkte hatte ich mir die volle Freiheit gewahrt, da kein zusammenstellbares Fahrscheinheft mich an eine feste Marschroute band. Sind auch die Preisermässigungen auf der einen Seite nicht gering, so wird man auf der anderen Seite durch das Fahrscheinheft doch in Ländern, in denen noch nicht jeder Schritt einige Dutzend mal abgelaufen ist, einem zu merkbaren Zwange unterstellt und geräth in die Gefahr Anordnungen getroffen zu haben oder erst zu treffen, die sich zuguterletzt als verfehlt herausstellen. Für die Nordländer mit ihrer spärlichen Zahl von Eisenbahnen und den überaus langen Touren, scheint mir das „wahlfreie“ Reisen den Vorzug zu verdienen, und dies um so mehr, als Ersparnisse an den Reisekosten auch durch die Benutzung von Rückfahrtkarten und Gesellschaftsfahrten erzielbar sind. Sie werden in jenen Ländern im allgemeinen sehr begünstigt, wogegen die Preise der einfachen Karten in nichts hinter den auf den norddeutschen Bahnen gewohnten hohen Preisen zurückbleiben.

Meinem ersten Reiseziel Hamburg spendete ich nicht mehr als ¾ Tag. Der grösste Theil der Zeit galt der Gartenbau-Ausstellung, welche inbezug auf die allgemeine Anordnung, den Zuschnitt des Ganzen, die Raumwirkung des Hauptgebäudes und noch Anderes selbst ein verwöhntes Auge überrascht, während sie inbezug auf Pflanzenreichthum zurzeit meines Besuchs – Mitte Juli – nicht viel mehr bot, als was auch anderweit auf grossen Gartenbau-Ausstellungen zu sehen gewesen ist. Aber mit den Aeusserlichkeiten der Hamburger Gartenbau-Ausstellung 1897 haben alle zur Mitwirkung Berufenen hohe Ehre eingelegt.

Von Hamburg wendete ich mich auf dem Umwege über Lübeck nach Kiel. Die reichen, auch landschaftlich hoch ansprechenden Gegenden und die geschichtlichen Stätten, die man auf dieser Fahrt berührt, sind zu bekannt, als dass sie selbst nur eine kurze Erwähnung an dieser Stelle vertrügen. Dasselbe gilt auch von Kiel, das im meteorologischen Sinne augenscheinlich das Zentrum eines geographischen „nassen Dreiecks“ bildet, da in ihm die Zahl der Regentage diejenigen der Tage ohne Niederschläge erheblich übertreffen wird; auch während meines mehrstündigen Verweilens in diesem Zentrum hielt Jupiter Pluvius alle Schleusen aufgezogen.

Die ostholsteinische Eisenbahn Kiel-Flensburg, der ich mich von Kiel ab anvertraute, erwies sich durch das öftere Klingeln, das vom vorderen Ende des Zuges vernommen ward, als eine Bahn zweiter Ordnung; doch war die etwa dreistündige Fahrt bis Flensburg unterhaltend genug. Der Hauptgegenstand des technischen Interesses auf dieser Fahrt: die Hochbrücke über den Nordostseekanal bei Levensau, wird schon bald nach der Ausfahrt von Kiel erreicht. Die Anrampungen, welche für die Bahn angelegt worden sind, um über dem Wasserspiegel des Kanals die freie Lichthöhe von 42 m zu schaffen, haben die bei der schmalen eingleisigen Ausführung des Bahnkörpers etwas beängstigende Höhe von 23 m erhalten und dehnen sich zu beiden Enden der Brücke ein paar Kilometer weit aus. Wenn man bedenkt, dass die Ostholsteinische Eisenbahn in beiden Richtungen täglich nicht mehr als 4 durchgehende Personenzüge hat, kann man der Frage kaum ausweichen, ob nicht eine um mehre Millionen billigere Drehbrücke an dieser Stelle ebenfalls ausgereicht haben würde? Nach nicht langer Fahrt legt sich die Bahn an den Rand der Eckernförder Bucht, vom Wasserspiegel nur durch den Damm der zwischenliegenden Chaussee geschieden. Ein einfaches Monument ruft die Erinnerung an das Ereigniss vom Jahre 1849 wach, wo hier die beiden dänischen Kriegsschiffe Christian VIII. und Gefion vom Geschick ereilt wurden, das erstere in die Luft gesprengt, das letztere, durch einen seltenen Zufall wehrlos gemacht und genommen ward.

Dem in der Dunkelheit ankommenden Reisenden bietet das nach kaum 3 Stunden Fahrzeit erreichte Flensburg mit der elektrischen Beleuchtung der Kais seiner Föhrde einen vielversprechenden Anblick, welcher anderen Tags bei einer Durchwanderung der Stadt freilich nicht bestätigt wird. Die Lage Flensburgs an langer Küstenstrecke ist malerisch und die Stadt hat an der Rückseite Erhebungen des Geländes, von denen man herrliche Fernsichten auf die Föhrde und ihre Verzweigungen geniesst. In der Ferne nördlich gewahrt man die Gegend, in der die Kämpfe, welche das Schicksal Schleswig-Holsteins besiegelten, sich abspielten, das „Sundewitt“ usw. Die Stadt ist gewerb- und handelsreich, wobei namentlich eine Schiffs- und Maschinenbauanstalt zu erwähnen ist, auf der grosse Oceandampfer gebaut und vollkommen ausgerüstet werden können.

Die Anstalt verfügt auch über ein grosses eisernes Schwimmdock mit einseitiger Brüstung, welches durch Ketten, die von einer eisernen Rüstung ausgehen, in lothrechter Stellung erhalten wird. – Ein Theil von Flensburg, und zwar derjenige, bei welchem man von Kiel aus ankommt, ist in architektonischer Hinsicht nicht uninteressant, sowohl durch einiges Alte als auch Neueres. Hier trifft man die frühesten Spuren der Thätigkeit von Meister Otzen: ein Privathaus, das schon den Stempel der späteren „Echtheit“ seines Schöpfers an sich trägt. Ein weiteres Flensburger Werk des Meisters ist bekanntlich das Hauptgebäude der Staatsbahn, ein im ganzen und im einzelnen höchst anmuthendes Werk, in welchem man jedoch das Gefühl einer gewissen Enge nicht los wird. Die Räume, Gänge usw. sind im allgemeinen etwas klein und tragen mehr den Charakter häuslicher zum Verweilen einladender Traulichkeit als den der blossen Durchgangsstätte für einen in immerwährendem und raschem Wechsel sich vollziehenden Verkehr. Unter den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung Flensburgs ist namentlich Schloss Glücksburg zu erwähnen, welches, in einen umwaldeten See hineingebaut, im Aeusseren ein höchst reizvolles Bild bietet.

Von Flensburg aus gelangt man in etwa zweistündiger Eisenbahnfahrt, auf welcher mehre Orte berührt, werden, deren Namen aus dem schleswig-holsteinischen Befreiungskriege bekannt sind (darunter namentlich Kolding), nach der dänischen Grenzstation Vamdrup, wo die nicht allzu strenge Zollrevision stattfindet, und alsdann in etwa einstündiger Fahrt an die Küste des Kleinen Belt bei Friedericia. Das Trajektschiff, welches wir hier besteigen, trägt ein Doppelgleis und wird durch Räder bewegt. Es macht die Ueberfahrt nach Strib in etwa 20 Min.; die Reisenden werden aber nicht in denselben Wagen, mit welchen sie angekommen sind, befördert, sondern gehen an Bord des Schiffes, um in einem neuen Zuge durch Fünen weiter befördert zu werden.

Die Fünen’sche Landschaft bietet auf dem Strich, den die Eisenbahn durchzieht, wenig Abwechslung und überhaupt wenig Interesse; an manchen Stellen ist sie dürftig. Etwa 50 km von Strib entfernt wird aber die freundlich ausschauende Stadt Odense erreicht und etwa 80 km von Strib entfernt sind wir bei der grösseren Stadt Nyborg an der Ostküste der Insel am Grossen Belt angelangt. Wiederum Uebergang auf einen Trajekt genau wie der zwischen Friedericia und Strib, der uns in etwa 1 ¼ Stunden über den hier etwa 25 km breiten Meeresarm nach Korsör auf der Insel Seeland bringt.

Das landschaftliche Bild Seelands ist ein völlig anderes als das von Fünen. Das Gelände ist im allgemeinen mässig und nur stellenweise stärker bewegt; einzelne Hügel erheben sich zu nicht unbeträchtlichen Höhen. In den Niederungen ziehen sich grössere und kleinere Wasserläufe und breiten sich zuweilen auch Seen von ansehnlicher Grösse. Die Vegetation ist überall reich und wechselvoll, und entsprechend ist die Lage der Ortschaften eine ziemlich dichte. Den Hauptschmuck der Insel bilden aber Buchenwaldungen, die gerade hier in einer nicht oft gesehenen Ueppigkeit angetroffen werden.

Seeland besitzt ein vielverzweigtes Netz von Eisenbahnen und es werden demzufolge bei der etwa 100 km langen Fahrt quer durch die Insel, bis Kopenhagen, eine ganze Anzahl von Knotenpunkten angetroffen; der wichtigste darunter ist Roskilde, eine uralte Stadt, die etwa 30 km von Kopenhagen entfernt liegt.

Roskilde, die alte vielhundertjährige Hauptstadt Dänemarks, mit seiner Umgebung ist eine Art Nationalheiligthum der nordischen Völker. Es ist der Mittelpunkt der nordischen Sagenwelt, an welchem einst Thor und Freya gewallt haben. Bis etwa um das Jahr 1000 sind hier auch die heidnischen und von da an die christlichen dänischen Könige bestattet worden. Es ist eine stattliche Reihe derselben: 31 christliche Könige sind im Roskilder Dom (gegründet 1084), die vorhergegangenen heidnischen in der unmittelbaren Nähe von Roskilde, in Leyre, beigesetzt. Wer die Zeit dazu hat, wird an dieser geschichtlichen Stätte gern einige Stunden Aufenthalt nehmen, um an seinem leiblichen und geistigen Auge die Vergangenheit vorüberpassiren zu lassen.

Da mir die Zeit leider fehlte, fuhr ich an ihr vorüber, um zurzeit des halben Vormittags nach etwa 11 stündiger Fahrt von Flensburg aus in der heutigen Hauptstadt Dänemarks anzukommen.

Obwohl seiner Einwohnerzahl von etwa 450 000 nach nicht grösser als eine ganze Reihe anderer Städte, hat doch Kopenhagen vor vielen den Vorzug voraus, als „Weltstadt“ angesprochen werden zu können. Seine ganze Erscheinung, sein Verkehr und sein Gesellschaftsleben berechtigen es dazu. Die Stadt ist abgesehen von einzelnen Theilen (der alten Stadt) weiträumig aufgebaut, und ruft an keiner Stelle – die Altstadt nicht ausgenommen – den Eindruck der Enge hervor. In sorgfältigster Pflege stehende weiträumige – doch eingefriedigte – Gartenanlagen im Sommer mit dem denkbar üppigsten Blumenflor besetzt, eine Anzahl grosser Plätze, einige breite Boulevards, grosse Flächen stehenden Wassers mitten in der Stadt, sauber gehaltene Strassen, eine wenn auch oft trockene, doch wechselvolle Architektur der Gebäude, der reiche Schiffahrtsverkehr, schliesslich auch die vornehme Ausstattung der Läden und Geschäftsräume vereinigen sich zu einem Ensemble, welches auf den Fremden bestechend wirkt, ihn von vornherein für die Stadt einnimmt. Ein Stadtbild von grosser Wirkung gewährt der Blick von der See aus, während bei dem nur mässigen Reichthum Kopenhagens an Thürmen der Anblick von der Landseite aus wenig grossartig und wechselvoll ist.

Um das eben Gesagte ein wenig genauer darzulegen, sei angeführt, dass von dem etwa 2200 ha grossen Stadtgebiete rd. 200 ha in Garten- und Friedhofsflächen liegen, mehr als 100 ha in Wasserflächen; der Hafen im engeren Sinne ist hierin einbegriffen. Die freien Plätze und Strassen im Stadtgebiet machen etwa 550 ha aus, so dass von dem ganzen Stadtgebiet rd. 850 ha oder fast 40 %, in freien Flächen bestehen: eine Weiträumigkeit, die in älteren Grosstädten kaum je, in neueren wohl nur selten angetroffen wird. Dabei entsteht aber in Kopenhagen an keiner Stelle der Stadt der Eindruck der Leere, dessen man sich beispielsweise bei einigen der überbreiten neueren Strassen Berlins nicht ganz erwehren kann. Eine etwas malerische Anordnung zeigen die Strassen Kopenhagens nur in den älteren beiden, durch den Hafen getrennten Stadttheilen, während in der Neustadt die Strassenfluchten durchaus von Lineal und Zirkel beherrscht sind und zwar in dem engeren Sinne, dass möglichst viele rechteckige Baublöcke geschaffen wurden. Vom Standpunkt des Verkehrs aus aber ist das Kopenhagener Strassennetz als recht gut zu bezeichnen.

Von der Strassenpflege in Kopenhagen kann man im allgemeinen als „genügend“ sprechen. Das Pflaster ist zwar nicht erstklassig, aber doch allgemein von guter Beschaffenheit. Nicht gerade selten trifft man Makadam- und vereinzelt Asphaltpflaster. Zweckmässig ist oft die Befestigung der Promenadenwege. Man benutzt für die breiteren darunter Makadamisirung und legt auf die Mitte einen 0,7-1,2m breiten Streifen Asphaltirung, wobei diese Wege jederzeit trocken und sauber sind.

Auch die Strassenreinlichkeit kann man nur als „genügend“ bezeichnen; zu Besserungen würde reichlich Gelegenheit gegeben sein. Auffällig ist bei dem Reichthum der Stadt an Wasserflächen ein gewisser Mangel an Wasser in den Strassen. Laufbrunnen oder Strahlbrunnen kommen nur spärlich vor; von Sprenghähnen wird jedenfalls kein Ueberfluss bemerkt. Deshalb scheint die Strassenbesprengung auch nur nothdürftig ausgeführt zu werden. In auffallendem Kontrast zu dem sonstigen vornehmen Aussehen der Stadt und zu der Pflege der eingefriedigten öffentlichen Gärten sieht man die Baumpflanzungen in den Strassen nicht gerade sorgfältig behandelt; die Schutzvorkehrungen, die man ihnen zuwendet, sind zuweilen abstossend roh gehalten.

Die Brücken, welche zahlreich in der Stadt vorkommen, sind vielfach massiv, zuweilen in Eisen, vereinzelt auch aus Holz erbaut. Bis auf ein paar Ausnahmen sind es reine Konstruktionsbauten, bei denen künstlerische Gesichtspunkte ganz bei Seite gelassen sind; einer nicht kleinen Zahl der Brücken ist trotzdem eine gewisse Stattlichkeit eigen.

Das Strassenbahnwesen ist in Kopenhagen ziemlich entwickelt und die Fahrpreise sind niedrig, da 5 Pfennig-Strecken bestehen. Elektrischer Betrieb scheint bei einer oder zwei Linien erst in letzter Zeit begonnen zu haben; alle übrigen werden mit Pferden betrieben. Es giebt keine festen Haltestellen, sondern es kann überall ein- und ausgestiegen werden.

Die Strassenbeleuchtung muss dem Auge des inbezug auf Lichtfülle stark verwöhnten Berliners als mässig erscheinen. Bogenlicht wird nur sporadisch angetroffen, überwiegend dienen der Beleuchtung Laternen mit gewöhnlichen Schnittbrennern; wo man grössere Lichtmengen braucht, setzt man Doppelbrenner auf. Ueber die Schaufenster-Beleuchtung habe ich ein sicheres Urtheil nicht gewinnen können, glaube aber, dass auch hierin Kopenhagen erheblich hinter Berlin zurückbleibt.

Die Architektur des Privatbaues ist im allgemeinen schlicht; die neuere präsentirt sich durchaus ähnlich derjenigen Berlins aus der Zeit von etwa 1840-1880. Die neuesten Schöpfungen der Kopenhagener Architekten sind aber meist aufwändiger gehalten, und es macht sich eine Wendung zum Backsteinbau bemerkbar. Zuweilen tritt derselbe unter reicher Verwendung von Terrakotten auf, wie beispielsweise an der gegen den Vestre Boulevard gekehrten Hauptfront des Tivoli und an der von dem Brauer Jacobsen gestifteten Glyptothek, an der übrigens Umrahmungen, Gesimse usw. in Werkstein ausgeführt sind und das Ganze in edlen griechischen Formen gehalten ist. Das nahe dem Schloss stehende Gebäude der Reichsbank schliesst sich in den Formen und im farbigen Schmuck durchaus dem älteren Tbeile unserer Reichsbank an und darf als eine verkleinerte Nachahmung derselben bezeichnet werden.

Kopenhagen erbaut sich zurzeit ein neues Rathhaus; der Bau steckt zum grossen Theil noch in den Gerüsten; man konnte aber an dem in Stockholm ausgestellten Modell und einigen Zeichnungen einen gewissen näheren Einblick in das Drum und Dran dieser neuesten Schöpfung gewinnen. Das Gebäude steht in bevorzugter Lage der Stadt, mit der Langfront dem Tivoli gegenüber an dem Vestre-Boulevard. Seine eine kurze Front richtet sich gegen den Rathhausplatz, die zweite Langfront gegen die Vester Volo, während die zweite kurze Front auf eine kleine Strasse ausgeht, an der ihm gegenüber die in stattlichem Backsteinbau hergestellte grosse Hauptfeuerwache erbaut ist. So ergiebt sich ein Ensemble, das dem Architekten zu einer reichen Entfaltung seines Könnens Gelegenheit hätte geben sollen. Wer der Künstler eigentlich ist, habe ich indessen nicht ermitteln können; weder durch Nachfrage, noch auch aus den ausgestellten Plänen, die – bezeichnender Weise – ohne Unterschrift gelassen waren. Es handelt sich daher um eine namenlose Persönlichkeit und diesem entspricht denn auch die ganze Haltung des Werks, eines Langbaues von 138 bezw. 69 m Abmessungen, dessen eines Ende 3geschossig, das andere 4geschossig aufgeführt ist; der Bau umschliesst zwei grosse innere Höfe und an einem an der Innenseite verlaufenden Korridor liegen die ganz gleichwertbig ausgebildeten Einzelräume neben einander aufgereiht. Aeusserlich stellt sich der Bau so schlicht als denkbar dar. Kein Risalit und kein Zwischengesims bringt etwas Leben in die starre Masse, sondern alles, was den Ansprüchen ästhetischer Art nachgegeben ist, beschränkt sich darauf, dass in den oberen Geschossen Bänder aus Werkstein in die Backsteinfäche eingelegt, die Fenster dreitheilig sind, ein kleiner Giebel auf die Mitte der Hauptfront aufgesetzt und ein aus der Mitte der Masse aufragender viereckiger stumpf abschliessender Thurn binzugefügt worden ist.

II.

Die Ueberfahrt von Kopenhagen nach Malmö giebt Gelegenheit, einen flüchtigen Eindruck von den eben vollendeten gewaltigen Befestigungswerken der Seeseite Kopenhagens zu gewinnen, die sich in geschlossener Kette etwa 5 km lang ausdehnen und an beiden Enden der Kette noch in Einzelwerken zu erheblich grösserer Länge fortgeführt werden. Selbstverständlich ist auch die Landseite der Stadt in weitem Bogen mit vorgeschobenen Werken umgeben. Man kann sich des Bedauerns über die erkleckliche Anzahl von Millionen, die hier ins Wasser geworfen ist, nicht erwehren und dazu nur wünschen, dass die Ausgabe für immer nutzlos gemacht sein möchte.

Von Kopenhagen bis Malmö braucht man etwa 1 ½ Stunden Fahrzeit. Das erste, was dem Blick auffällt, wenn man den kurzen Weg zum Innern der Stadt einschlägt, ist ein kolossales Reiterstandbild, das, von ferne gesehen, die ganze Strasse, welche zum Rathhausplatz führt, gewissermaassen zuschliesst. Es stellt Karl X. dar und ist erst 1896 errichtet worden.

Der Granitsockel und das Standbild – namentlich aber der erstere – sind zu ganz übermässigen Grössen gesteigert; dabei ist der erstere in den Formen und der Bearbeitung des Materials so wenig belebt gehalten, dass mit Hinzunahme der kahlen Umgebung das Ganze trotz einer derben Realistik des Standbildes einen recht nüchternen Eindruck hinterlässt. Es mag hier gleich eingeschaltet werden, dass dieser Eindruck bei einer ganzen Anzahl von schwedischen Standbildern, die ich gesehen, wiederkehrt, sowohl bei alten als neuen. Die Figuren sind zuweilen recht wirkungsvoll, wogegen der architektonische Theil des Denkmals meist recht kümmerlich behandelt ist. Es scheint beinahe, dass in Schweden bisher die Mitwirkung von Architekten bei Errichtung von Standbildern für entbehrlich angesehen worden ist, und der Bildhauer das Ganze macht. Man kann aber auch zu dem Glauben kommen, dass derselbe auf den Unterbau nur denjenigen geringen Theil der Geldmittel verwendet, der ihm nach Vollendung der Statue verbleibt.

Von älteren interessanten Bauwerken hat Malmö insbesondere das am Marktplatz stehende Rathhaus, dessen in neuerer Zeit wiederhergestellte Renaissance-Fassade zwar nicht allzuviel Anziehendes bietet, wogegen eine Besichtigung der Innenräume allerdings lohnt. Dicht dahinter auf einem eingegangenen Kirchhof von unregelmässiger Form steht die alte Petrikirche, ein wuchtiger gothischer Bau von sehr einfachen Formen, der aber in seiner Gesammthaltung von grosser Wirkung ist. Weiterhin an einem Hauptstrassenzuge trifft man die neuere deutsche Caroli-Kirche, einen Zentralbau – eigentlich einen kreuzförmigen Bau, mit kurzen abgeschrägten Seiten zwischen den vortretenden Kreuzarmen, und von eisernen (gebündelten) Säulen getragener Decke. – Der Bahnhof in Malmö ist Kopfstation für mehre dort einlaufende Linien. Das Hauptgebäude ist vor einigen Jahren erneuert worden, wobei die älteren seitlich liegenden Theile erhalten geblieben sind. Der neue in gothischen Formen gehaltene Kopfbau ist dem in Renaissance-Formen gehaltenen alten Theile recht gut angefügt. Die grosse Halle ist derjenigen des Bahnhofs Alexanderplatz nachgebildet, mit der Abweichung, dass die Fenster zu einiger Höhe hinauf in die schräge Dachfläche eingebaut sind. – Bei den neueren Bauten der Stadt kann man im allgemeinen den Uebergang vom Putzbau zum Backsteinbau und Neigung zu grösserer Aufwändigkeit anstelle der älteren grossen Einfachheit der Haltung bemerken. Uebrigens ist Malmö ein belebter Hafenplatz mit reichem Verkehr und auch einer Anzahl grösserer Fabrikanlagen in engerer und weiterer Nähe; die Umgebung leidet aber an Sumpfigkeit.

Von Malmö ging die Reise mit der schwedischen Eisenbahn weiter. Das Netz dieser Bahnen ist abgesehen von der südlichen Spitze des Landes und dem Landstrich, der etwa nordöstlich von Norwegen liegt, etwas grossmaschig, der Verkehr auf demselben auch nicht besonders lebhaft. Während aber Schweden über ein Bahnnetz von etwa 10 000 km verfügt, gebietet Norwegen nur über ein paar einzelne Linien, die zusammen wohl nicht viel über 1500 km Länge haben mögen.

Besonderheiten der nordländischen Bahnen giebt es mehre. Darunter ist eigentlich nur eine, die dem an rasches Reisen gewöhnten Ausländer nicht zusagt. Es giebt nur wenige Züge auf diesen Bahnen und alle Züge fahren sehr langsam. Selbst bei Benutzung der „Hurtig“-Züge kommt man nicht über 40 km in der Stunde weiter, womit freilich nicht gesagt ist, dass die Schnellzüge überhaupt nicht grössere Geschwindigkeiten erreichen. Aber als Durchschnitt stimmt die obige Angabe, und das erklärt sich besonders daraus, dass selbst auf den nordländischen Hauptlinien Lokal- und Fernverkehr noch nicht von einander getrennt sind, alle Zugsarten daher in der Nähe der Hauptstationen auf allen kleinen Stationen – deren es viele giebt – halten und dann nicht vermögen, auf den entlegeneren Strecken die Fahrgeschwindigkeit so weit zu vergrössern, dass ein wesentlich höherer, als der obige Durchschnittssatz herauskommt. Was der ausländische Reisende sonst auf den nordländischen Bahnen gewahr wird, ist zur Hauptsache befriedigend. Die Wagen sind gut ausgestattet, im allgemeinen besser als bei uns; angenehm ist namentlich der grössere Raum und die grössere Fensterfläche; die Breite des Seitenganges geht in den neueren Bahnen bis auf etwa 75 cm hinauf. Die Wagenpolsterungen sind mit besonderer Rücksicht auf Nachtfahrten eingerichtet, so dass ein Bedürfniss nach eigenen Schlafwagen – die allerdings in manchen Zügen laufen – kaum besteht. Die Beleuchtung der Wagen ist eine reichliche. Als besondere Bequemlichkeit wird es der lange Strecken zurücklegende Reisende anerkennen, dass in jedem Wagen mehre Wasserkaraffen mit Gläsern anzutreffen sind, die alle paar Stunden neu gefüllt werden. Ein Spiegel, der sich fast in jedem Wagenabtheil findet, wird von den meisten Reisenden wohl nicht als „überflüssige“ Bequemlichkeit betrachtet werden. Von anderen auf langen Fahrten nothwendigen Wagen-Einrichtungen zu geschweigen, sei nur noch erwähnt, dass der Verkehr des Betriebspersonals mit dem Reisenden sich allgemein in mehr höflichen Formen vollzieht, als wir es auf deutschen Bahnen, wo der militärische „Schneid“ herrscht, gewohnt sind und dass auch die freie Bewegung des Reisenden dort viel weniger als bei uns durch Ge- und Verbote aller Art, die theils in den Wagen selbst, theils auf den Bahnhöfen angeschlagen sind, gehemmt wird. Ueber den Anschlag in den Wagen „Roekare“ oder „Roekning forbuden“ glaubt man auf den nordländischen Bahnen kaum hinausgehen zu müssen. Alle Anschläge z. B. wegen Aufenthalt auf den Trittbrettern, Hinauslehnen aus den Fenstern, Nichtöffnen der Wagenthüren, Verbot des Ueberschreitens der Schienen auf Bahnhöfen und noch andere Reglementirungen, die man bei uns für unerlässlich ansieht, entfallen dort. Ich will aber, um nicht missverstanden zu werden, hinzufügen, dass meine Wahrnehmungen im allgemeinen nur vom Reisen in II. Wagenklasse hergenommen sind; doch habe ich mich bei gelegentlichen Benutzungen der III. Wagenklasse überzeugen können, dass auch von dieser Gleichartiges gilt.

Von Malmö nach Stockholm giebt es verschiedene Reisegelegenheiten. Abgesehen von der Dampferfahrt längs der südlichen und östlichen schwedischen Küste, hat man drei Eisenbahnlinien zur Verfügung. Man kann die längste Tour über Helsingborg, Gothenburg und Falköping, die mittellange über Nässjö, Jönköping und Katrineholm, oder die kürzeste über Nässjö, Norrköping und Katrineholm wählen. Die längste Linie ist etwa 750, die mittellange Linie 725, die kürzeste noch 620 km lang. Wer nicht Eile hat, wird vielleicht die Strecke bis Gothenburg mit der Eisenbahn reisen, von da aber den Wasserweg durch den berühmten Göta-Elf-Kanal benutzen.

Er gebraucht dann allerdings 70 Stunden Fahrzeit gegen etwa 20, die man zur Reise auf der kürzesten der drei Bahnlinien nöthig hat. Man kann indessen gewissermaassen einen Mittelweg einschlagen, indem man einen Theil der Reise mit der Eisenbahn und den anderen auf dem Kanal macht. Man wählt dann entweder die östliche Kanalstrecke von Gothenburg ab und besteigt in Törreboda, Wadstena oder Motala wieder die Eisenbahn; oder man reist von Malmö mittels Bahn bis Jönköping und legt den östlichen Theil der Strecke auf dem Kanal zurück. Man gebraucht dann etwa 50 Stunden Fahrzeit, wovon im ersten Fall rd. 20, im zweiten rd. 10 Stunden auf die Eisenbahnfahrt kommen.

Wer von Gothenburg ab die Kanalfahrt antritt, passirt an den berühmten Trolhättafällen vorbei und hat die schöne Fahrt über den grossen Wettersee; wer erst von Jönköping aus den Kanal wählt, hat die gleichfalls schöne Fahrt über den grossen Wettersee, demnächst den Genuss der Stockholmer Schären und der landschaftlich überaus reizvollen Erreichung von Stockholm auf dem Wasserwege, die einen grossartigen Eindruck hinterlässt. Meinerseits gebe ich dem zweiten Reisewege den Vorzug, zumal die Trolhättafälle auf verschiedenen anderen Wegen bequem erreicht werden können, indem die Stelle in der unmittelbaren Nähe des Eisenbahn-Knotenpunktes Wenersborg liegt und Trolhätta übrigens selbst Station an einer der beiden kreuzenden Linien ist. Es kommt hinzu, dass, wenn man etwa „kanalmüde“ wird, man auf dem zweiten Reisewege häufigere Gelegenheit hat, den Kanal mit der Eisenbahn zu vertauschen, als auf dem ersten. Und es gehört in der That ein grosses Maass von Geduld dazu, 30-40 Stunden recht langsamer Kanalfahrt ohne starke Ermüdung auszuhalten, weil die Kanalschiffe an Bequemlichkeit nur wenig bieten und auch die Landschaft auf langen Strecken nur wenig wechselvoll ist. Aber an manchen Stellen – z. B. auch am Roxensee – ist sie recht interessant. Für Unterhaltung der Reisenden geschieht auf den Kanalschiffen gar nichts.

Näheres über die verschiedenen Reiserouten und was am Wege zu sehen ist bieten alle Reisehandbücher mit dem allen gemeinsamen Uebelstande, dass in der Schilderung der interessanten Einzelheiten die ausreichende Abstufung vermisst wird, wodurch es kommt, dass manche Sehenswürdigkeit, die in den Reisehandbüchern glänzt, uns arg enttäuscht. Der weitere und nähere höchst reizvolle Zugang zu Stockholm und die überaus malerische Lage der Stadt ist so oft beschrieben worden, dass ein Eingehen darauf sich erübrigt.

Stockholm liegt seinem Haupttheile nach am nördlichen Ufer eines Hauptarmes der zahlreichen seeartigen Gewässer, deren Gesammtheit Mularsee genannt wird. Gegenüber breitet sich auf einer grossen, etwa 5 km langen und 1.5 km breiten Insel der zweite südliche, für den Fremden weniger inbetracht kommende Stadttheil, und zwischen beiden liegen auf den beiden kleinen Inseln Riddarholmen und Helgeandsholmen die ältesten Theile der Stadt, auf erster unter anderen Bauwerken aus Alterer Zeit die Riddarkirche und Riddarhuset, auf letzter das grosse königliche Schloss. Die Eisenbahn übersetzt die verschiedenen Seearme und Inseln und hat im südlichen Stadttheile eine Kopfstation, im nördlichen einen Durchgangs-Bahnhof.

Die Einwohnerzahl Stockholms erreicht zurzeit nahezu 300 000. Die Stadt bietet aber dabei, sowie bei ihrem ganzen „Um“ und „An“ für mich noch nicht ganz das Bild einer „Weltstadt“; hierin ist ihr z. B. Kopenhagen nicht unerheblich voraus. Der Schiffsverkehr Stockholms ist beschränkt, schon weil der Zugang zur Stadt leicht durch Eis gehemmt wird. Aber Stoccholm ist eine schöne, insbesondere von der Natur reich bedachte Stadt, deren Zauber sich der Fremde nicht erwehren kann. Freilich darf ein künstlerisch oder technisch geschultes Auge manche Einzelheiten nicht allzu genau betrachten, wenn der günstige Eindruck ungeschmälert erhalten bleiben soll. Da ist zunächst der Stadtplan, von dem man sagen kann, dass er in seinem immer und überall wiederkehrenden Schema der sich rechtwinklig kreuzenden, ausschliesslich in geraden Richtungen – und im allgemeinen gleichwerthigen Strassen unwillkürlich an die monotonen Strassennetze amerikanischer Städte erinnert, und der um so unangenehmer wirkt, als durch recht grosse Hôhenunterschiede und durch das zahlreiche Vorkommen von Felskuppen im Weichbilde viele besonderen Anlässe gegeben wären, eine mehr wechselvolle, malerische Gestaltung des Stadtplans durchzuführen. Dazu sind die geraden Strassenstrecken im allgemeinen sehr lang: die Königinstrasse (Drottninggatan), die vornehmste Geschäftsstrasse der Stadt, hat nicht mehr als 11 m Breite; die meisten Strassenbreiten bewegen sich zwischen 5 und 9 m und erst ein paar Anlagen aus der neuesten Zeit weisen heutigen Anforderungen entsprechende stattliche Abmessungen auf. Da an den Strassen Häuser von 3-5 Wohngeschossen in geschlossenen Reihen stehen und sehr zahlreich für sich und unter einander gebildete offene Lichtschachte dahinter liegen, ist eine gewisse Ernüchterung, die sich beim Anblick solcher Zustünde unserer bemächtigt, wohl verständlich.

Grossere Plätze und Schmuckanlagen kommen im Stadtbilde selbst nur vereinzelt vor, letztere sind aber offen und werden sorgfältig gepflegt. Der Humlegarden, in dem das Standbild Lioné’s aufgestellt ist, kann geradezu als eine Prachtanlage bezeichnet werden. Inbezug auf Strassen-Pflaster, -Beleuchtung und Pferdebahnwesen gilt dasselbe, was von Kopenhagen im 1. Artikel mitgetheilt ist. Vielfach sieht man im Innern der Stadt Makadam in der Strassenmitte und zu beiden Seiten desselben breite Pflasterstreifen; dieser Zustand ist überall anzutreffen, wo die Ansteigung der Strassen über etwa 1/30 hinausgeht. Die Strassenreinigung befriedigt; doch scheint auf Strassensprengung kein Werth gelegt zu werden. Die Höfe hinter den Gebäuden sind oft recht unsauber gehalten und dabei von „kleinen“ Wohnungen umgeben. Anstatt der – erwarteten Wasserklosets habe ich nur Luftklosets angetroffen. Markthallen und einen Schlachthof besitzt Stockholm bisher nicht.

Strassenbild aus Stockhom

Die Architektur der neuern öffentlichen und Privatgebäude ist stark von Deutschland, insbesondere Berlin beeinflusst. Zwei Hauptschöpfungen aus der neueren Zeit; das Theater und die Kunstakademie entbehren im Aeussern des warm pulsirenden Lebens, dem der in grossen Mengen verwendete und wuchtige Formen verlangende Granit, wie es hier scheinen könnte, feindlich gegenübersteht. – Das s. Z. von Stüler erbaute Kunstmuseum ist ein sprechender Beweis von den Wandlungen der Ansichten über die passende Innenausstattung von Museumsräumen und von den Fortschritten, die inbezug hierauf in der neueren Zeit gemacht worden sind. Gegen die weissen Säulen und hellen Wände der Räume verschwindet der Kontur der davor stehenden Statuen usw. fast vollständig. – Die neueren Kirchenbauten Stockholms folgen der Otzen’schen Richtung. Von dem Charakter der neueren Privat-Bauthätigkeit giebt die beigefügte Abbildg. eine gewisse Anschauung. Dieselbe stellt die Häuserreihe am Strandvägen, einer mit Baumreihen besetzten breiten und vornehmen Strasse am Wasser dar, die nicht gerade verkehrsreich ist. Charakteristisch für die neueren Leistungen der Stockholmer Architektur, bei denen Werkstein in reichem Maasse zur Anwendung kommt, ist die scheinbar vorhandene Scheu vor stärkeren Reliefs an den Fassaden. Die Zwischengesimse sind fast auf den Rang blosser Leisten zurückgeführt, Füllungen mit ornamentalem Schmuck, immer höchst zierlich gehalten, ebenso Aufbauten über dem Hauptgesims. Das Ganze wirkt entsprechend, etwas einförmig und sogar trocken. Eine neuzeitliche Hinneigung zum Backsteinbau, die in Kopenhagen sichtlich hervortritt, ist in Stockholm nicht zu gewahren, vielleicht, weil feinere Ziegelwaare im Lande nur in geringen Mengen erzeugt wird. Wenigstens darf dies aus dem nur vereinzelten Vorkommen solcher Waare auf der gegenwärtig stattfindenden Stockholmer Ausstellung wohl geschlossen werden. – An den Verkehrsstrassen trifft man zuweilen Geschäftsräume auch in dem 1. Obergeschoss und ganz neuerdings treten in Stockholm auch Geschäftshäuser engeren Sinnes auf, in welchen die ganze Fassade in Pfeiler und Glasflächen aufgelöst ist.

Auf die Stockholmer Ausstellung gehe ich in einem besonderen Artikel ein. Ich verliess nach 4tägigem Aufenthalt Stockholm, um mit dem Nachtschnellzuge nach Christiania zu fahren; die Fahrt dauert etwa 14 Stunden, obwohl die beiden nordischen Hauptstädte nur 575 km auseinander liegen. Ob das Stadtbild Stockholms, ob dasjenige Christianias reizvoller sei, ist eine nicht zu entscheidende Frage; bei der Lage Christianias am offenen Meere und der grösseren Bewegtheit des Geländes in und um die Stadt, ist dem Stadtbilde von Christiania mehr das Grossartige eigen, wogegen dasjenige Stockholms mehr den Charakter des Lieblichen trägt. Aber sonst drängen sich dem Besucher doch grosse Unterschiede nicht nur in dem Aeussern der beiden Städte, sondern in ihrer ganzen Haltung auf. Stockholm scheint mehr die Stadt des Genusses und lässt äusserlich nicht viel von Belang erkennen, was Verkehr und Arbeit betrifft. Christiania hat ein rascher pulsirendes Leben, ist in erster Linie Verkehrs- und Arbeitsplatz und strebt nicht darnach seine natürlichen Schönheiten dem Fremden in möglichst angenehmer Fassung anzubieten, um ihn zum wohligen Lebensgenusse einzuladen. Hier handelt es sich vor allem um das Geschäft und erst in zweiter oder dritter Linie um den Genuss. Da nun auch, was Schitffsverkehr betrifft Christiania seiner Nachbarhauptstadt weitaus überlegen ist, ergeben sich in den künstlich geschaffenen Zügen der beiden Schwesterhauptstädte grosse Verschiedenheiten. Christiania hat verhältnissmässig breite, nicht aber in sonderlich guter Verfassung gehaltene Strassen. Man hatte mir vor der Reise die Sauberkeit der Stadt gerühmt: ich muss sagen, dass dieses Lob nicht gerechttertigt ist. Nach den Eindrücken, die ich während eines 2tägigen Aufenthalts empfing, kann ich den Reinlichkeitszustand nicht besser, denn als mittelmässig bezeichnen. Schmuck-Anlagen, die nicht gerade reichlich vorhanden sind, waren nur wenig gut gepflegt; vielleicht hatte aber eine lang anhaltende Dürre den Zustand sehr verschlechtert. Bei dem Bestehen einer reichlichen Wassersorgung indessen würde für die Haltung der Pflege der Anlagen und der Strassenreinlichkeit wohl etwas mehr geschehen können, als thatsächlich der Fall ist; man sieht daran, dass Christiania andere Aufgaben näher liegen. Um aber streng gerecht zu sein, muss ich hinzufügen, dass die Stadt in dem an und auf einem steilen Felsen gelegenen öffentlichen Garten „St. Hans Haugen“ eine Anlage besitzt, auf die es stolz sein kann und auf welche auch grosse Sorgfalt verwendet wird. Auf dem höchsten Punkte derselben (80 m über Meer) liegt das (offene) durch Quellenzuführung gespeiste 9000 cbm fassende Reservoir der Wasserleitung, dessen Wasserinhalt sich täglich etwa 3 mal erneuert. – Den Mangel an Markthalle und Schlachthof theilt Christiania mit Stockholm.

Ueber die Architektur der Stadt ist nicht viel zu sagen. Die Privatbauten bieten im allgemeinen wenig, was die Aufmerksamkeit des Fremden auf sich zieht, und ähnlich verhält es sich auch mit den öffentlichen Gebäuden der neueren Vergangenheit sowie der Gegenwart. Das in romanischen Formen aus gelbgrauen Ziegeln vor fast 40 Jahren erbaute Reichstagsgebäude ist im Aeussern recht bescheiden gehalten und macht auf der – niedrigen Eingangsseite einen geradezu kümmerlichen Eindruck. – Die im Anfang des Jahrhunderts errichteten Universitäts-Gebäude sind trotz Schinkel’scher Beeinflussung schematisch-trockne griechisch-dorische Bauwerke ohne Leben. – Im Bau oder eben vollendet ist ein Nationaltheater, das an seiner Stirnseite in Goldbuchstaben als Inschrift die Namen Holberg (in der Mitte), Ibsen (links) und Björnson (rechts) trägt. Die Formen des Baues, an welchem Granit zu reichlicher Verwendung gekommen, sind äusserst wuchtige; die Haltung ist im übrigen einfach. Ein gewisses Leben wird in den Bau durch die über dem Bühnenhause errichtete 4eckige Kuppel hineingetragen. Von mehr Interesse waren mir ein paar Neubauten; ein Hospitalbau in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche, der in gothischen Formen unter reichlicher Verwendung von glasirten und farbigen Ziegeln aufgeführt war, mit auffällig geschweiften, mit Terrakotten gekrönten Giebeln, und ferner ein in der Fassade in Pfeiler und Glasflächen aufgelöstes Geschäftshaus von sehr üppiger Durchführung in der unmittelbaren Nachbarschaft des Reichstags-Gebäudes. Im übrigen trifft man unter den älteren Gebäuden der Stadt vielfach solche, in denen 2 und selbst 3 Geschosse blos zu Geschäftszwecken ausgenutzt werden.

Zum Schluss sei auf die auffällige Thatsache hingewiesen, dass, während in Stockholm sowohl als in Christiania das Telephonwesen ganz ausserordentlich entwickelt ist, die Benutzung der Elektrizität zu Licht- und Kraftzwecken noch wenig auf sich hat. Es wird davon weder bei den Strassenbahnen noch bei der Beleuchtung ein nennenswerther Gebrauch gemacht. Indessen schienen mir die Beleuchtungs-Einrichtungen beider Städte sowohl was die öffentliche Beleuchtung als was die Laden-Beleuchtung betrifft – recht weit hinter demjenigen zurückzubleiben, was wir z. B. in Berlin seit lange gewohnt sind.

Meine letzten Reisestationen in Schweden waren die Prolhättan-Fälle und Gothenburg (liegt 460 km südlicher als Christiania). Von der Mächtigkeit dieser Fälle, die in kurzem Abstande liegend, eine Hohe von 20 m hinabstürzen, macht man sich nicht leicht eine Vorstellung, da die sekundlich herabstürzende Wassermenge zu etwa 22 000 cbm angegeben wird. Bedauerlicherweise ist der Genuss des gewaltigen Naturschauspiels durch zahlreiche Fabrikanlagen am Ufer und auf den Klippen zwischen den Fällen stark beeinträchtigt.

Gothenburg hinterlässt dem Reisenden einen fast unerwartet angenehmen Eindruck. Ein reiches Hafenleben vereinigt sich hier mit einer so vornehmen Art und Weise der Stadt, dass man sich unwillkürlich angezogen fühlt. Breite gut gehaltene Strassen, überhaupt eine gewisse Grossräumigkeit, über das Gewöhnliche ziemlich weit hinausgehende Strassen-Architekturen, Monumentalbauten, wohlgepflegte Schmuckplätze, Gärten und grosse Wasserflächen geben ein Ensemble von nicht oft erreichter Gesammtwirkung, die durch eine im allgemeinen etwas wilde Umgebung noch verstärkt wird. Auf Einzelnes einzugehen verbietet der Raum.

Mein Weg führte mich auf der kürzesten Linie über Trelleborg und Sassnitz wieder heim. An beiden Orten haben die Häfen, welche den Umschlag zwischen Wasser und Eisenbahn vermitteln, dem Meere abgewonnen werden müssen. An beiden Stellen waren diese ziemlich bedeutenden Anlagen zurzeit meiner Reise noch nicht ganz vollendet. Für die Erhaltung der langen Fahrrinne zum Trelleborger Hafen scheinen dauernde Baggerarbeiten nothwendig zu sein; vorläufig gestalten sich Ein- und Ausfahrt dort noch etwas schwierig.

III.

Die im Gange befindliche Stockholmer Ausstellung kann insofern als eine Art Weltausstellung bezeichnet werden, als die damit verbundene Kunstausstellung eine internationale ist und als sich an der Industrie-Ausstellung ausser Schweden-Norwegen auch Dänemark und Russland betheiligt haben, letzteres Land allerdings nur in sehr geringem Umfange. Sie ist die vierte unter den „Nordischen Ausstellungen“, deren erste im Jahre 1866 ebenfalls in Stockholm abgehalten wurde, während die zweite und dritte in den Jahren 1872 und 1888 in der Hauptstadt Dänemarks stattgefunden haben. Die Industrie-Ausstellung ist zu wenig umfang- und artenreich, als dass bei ihr von jener umfassenderen Bedeutung die Rede sein könnte, wogegen die Kunstausstellung – namentlich die Bilderabtheilung derselben – so zahlreich und so vielseitig beschickt worden ist – der Katalog weist im ganzen 1823 Nummern auf – dass sie allerdings auf den Namen einer Weltausstellung im Kleinen Anspruch machen darf.

Abbildg. 1 – Lageplan der Kunst- und Industrieausstellung zu Stockholm 1897

Räumlich und inhaltlich gegen internationale Unternehmungen und sogar gegen sogen. Landes- und Provinzial-Ausstellungen, wie sie mehrfach dagewesen sind, zurückbleibend. hat doch die allgemeine Kunst- und Industrie-Ausstellung 1897 in Stockholm so mancherlei Reize und eigenartige Zuge, dass ein Besuch derselben ausserordentlich lohnend ist. Vielleicht liegt gerade in dem relatiy geringen Umfange derselben und jenem bei alledem in gewissem Grade vorhandenen Gepräge einer Weltausstellung einer der Hauptreize derselben. Was der Ausstellung aber ihre besondere Anziehungskraft verleiht, ist die unvergleichlich schöne Lage derselben am Wasser und eine so bequeme Erreichbarkeit von allen Theilen der Stadt aus, dass man in dieser Hinsicht von einem geradezu idealen Zustande sprechen kann. Die beigefügten Lagepläne (der Bildbeilage), in welchen auch die Verkehrs-Gelegenheiten angedeutet sind, machen diese Vorzüge ersichtlich, ohne dass es nöthig wäre, mehr als die kurze Angabe hinzuzufügen, dass die Dauer des Weges vom Mittelpunkt der Stadt, wenn man denselben zu Fuss zurücklegt, nicht über 20 Minuten, und bei Benutzung von Pferdebahn oder Dampfboot nicht über 15 Minuten beträgt. Ein anderer „zugkräftiger“ Umstand liegt in der maassvollen Beschränkung von allerlei Beiwerk theilweise bedenklichen Charakters, das zwar auf das sogen. Massenpublikum anziehend, auf ein anders geartetes jedoch nur abstossend wirkt. Zwar hörte ich vereinzelt die Ansicht aussprechen, dass die Unternehmer der Ausstellung in dem „vergnüglichen Theil“ ihres Werkes zu sehr gekargt hätten. Ich kann aber nach den Beobachtungen über den Besuch nicht glauben, dass dadurch der Ausstellung ein nennenswerther Abbruch geschehen ist und meine, dass wenn am Massenbesuch vielleicht einiges eingebüsst wird, dafür voller Ersatz in der Qualität der Ausstellungsbesucher sich ergiebt. In jedem Falle ist durch die Zurückhaltung, welche die Ausstellungs-Leiter in diesem Punkte geübt haben, ihrem Werke der Charakter der Vornehmheit in einem Grade gewahrt geblieben, dass der aus der Fremde zu ernsteren Zwecken hergekommene Besucher sich wohlthätig berührt fühlt.

So viel über das Allgemeine des Aeussern der Ausstellung, die ein mit öffentlicher Unterstützung ins Leben gerufenes Privat-Unternehmen ist. Die Ausgaben waren zum voraus auf die verhältnissmässig recht hohe Summe von 4,8 Mill. M. veranschlagt worden, von welchen durch öffentliche Beihilfe etwa 0,8 und durch den Verkauf von Eintrittskarten etwa 1,1 Mill. M. gedeckt werden sollten. Die Wirklichkeit dürfte sowohl an den Ausgaben, als an den Einnahmen Aenderungen in dem Sinne mit sich gebracht haben, dass das Verhältniss zwischen beiden sich nicht wesentlich verschoben hat.

Ein Faktor, der bei diesem günstigen Zustande sehr erheblich betheiligt ist, wird wohl die räumliche Beschränkung des Ausstellungsgeländes sein, an die man sich gebunden hat; es ist dadurch dem kostspieligen „Indieferneschweifen“ ein unnachgiebiger Riegel vorgeschoben worden. Das Ausstellungsgebiet engeren Sinnes umfasst nur etwa 15 ha Fläche. Es ist zwar überall besetzt, gewährt keine grossen Fernsichten und bietet auch nicht die Möglichkeit langer Promenaden unter schattigen Bäumen, lässt aber andererseits, Dank einer geschickten Anordnung der Gebäude auch nicht das Gefühl der Enge entstehen. Wohlthätig wird es empfunden, dass die Maschinenhalle mit ihrem betäubenden Lärm vollständig abgetrennt von den Hauptaufenthaltsstellen der Besucher ihre Stelle erhalten hat (vergl. Plan). Der Uebertragung des Geräusches in die unmittelbar daneben stehende Kunsthalle ist nach meinen Beobachtungen wirksam vorgebeugt. Ob dazu besondere Mittel angewandt sind, habe ich nicht ermitteln können; einen gewissen Schutz geniesst aber die Kunsthalle dadurch, dass die Berührung der beiden Gebäude auf ein nur kurzes Stück Wand beschränkt und dazwischen noch eine Luftschicht belassen worden ist.

Ansicht von der Seite des Haupteingangs

Die Ausstellung hat nur zwei Zugänge: einen von der Wasserseite hinter der Maschinenhalle, der von Allen benutzt werden muss, welche mit den kleinen Dampfern aus verschiedenen Stadtgegenden kommen. Um die Haupttheile der Ausstellung zu erreichen, müssen diese Besucher den Weg durch die Maschinenhalle oder hinter derselben nehmen und eine der drei Brücken überschreiten, welche die in das Gelände einbezogene, aber nicht ganz ausser Benutzung gesetzte Strasse übersetzen. Der Hauptzugang wird von der neuen Strasse Strandvägen aus genommen.

Hier überschreiten zwei Brücken, eine dauernde aus Eisen und eine dicht daneben liegende, hölzerne eine Wasserverzweigung; letztere Brücke – die mit der Ausstellung zugleich wieder verschwinden wird – dient ausschliesslich für die Pferdebahn, deren Halteplatz unmittelbar neben dem langgestreckten Eingangs-Portal angeordnet ist. Au dieser Stelle sowohl als hinter dem Portal, wo ein grosser Platz frei geblieben ist, von dem aus ein kurzer breiter Weg zum Hauptgebäude führt, kann sich selbst ein grosser Verkehr glatt abwickeln. Beim erstgenannten Eingang ist das allerdings nicht der Fall.

Wenn man durch das etwas zu lang gestreckte und dabei sehr niedrige Hauptportal eingetreten ist, sieht man hinter einem gestreckten Rasenplatz, auf dem die Kunstgärtnerei in Teppichbeet-Anlagen einen kleinen Triumph feiert, unmittelbar das mehr in die Höhe, als in die Breite strebende Hauptgebäude vor sich, das sich mit seinen 4 Eckthürmen, in denen zwei elektrische Aufzüge liegen, während in die beiden anderen Treppen eingebaut sind, etwas phantastisch ausnimmt. Zur rechten Seite des Auganges erhebt sich der stattliche Bau des nordischen (ethnographischen) Museums, der eine dauernde Anlage ist, die man in die Ausstellung einbezogen und für den Zweck derselben vorübergehend um ein etwa 70 m langes Stuck in Fachwerkbau verlängert hat.

Hinter dem Hauptgebäude und links davon sind die verschiedenen Gebäude (Pavillons), welche Sonderausstellungen, Wirthschaften usw. enthalten, errichtet, darunter als bedeutendstes der Pavillon der Stadt Stockholm und derjenige für die Bergbau-Ausstellung. Am Aussersten Ende links hat man, dem Vorbilde Berlins 1896 folgend, ein Stück Alt-Stockholm aufgebaut: das alte Schloss Tree Kronor, die älteste Kirche der Stadt, das alte Rathhaus mit Markt und eine Anzahl Privathäuser. Das Ganze ist malerisch recht gelungen und erfreulicher Weise von den übeln Zuthaten frei geblieben, die den Genuss von Alt-Berlin zu gewissen Zeiten fast unmöglich machten. Auf dem durch die oben erwähnte Strasse abgeschnittenen Geländestück sind ausser der Maschinen- und der Kunsthalle die grossen Sonderausstellungen der schwedischen Armee und Marine angeordnet worden, die in einer ganz unerwarteten Reichhaltigkeit ausgestattet sind und deshalb sehr zugkräftige Theile der Gesammtausstellung bilden.

An grösserem Beiwerk, das auf den Besuch anziehend wirken soll, sind ausser dem schon erwähnten Alt-Stockholm eine kleine Bergbahn mit Seilbetrieb eingerichtet und ist aus Stein und Zement in das Wasser die sogen. Sagangrottan (Märchen- oder Zauber-Grotte) hineingebaut, in der während der Befahrung mit einem Boot dem Besucher hübsche Beleuchtungs-Effekte vorgeführt werden. Endlich hat man, wie in Berlin 1896, auch Marineschauspiele eingerichtet.

Das Hauptgebäude der Ausstellung, in T-Form errichtet, bedeckt bei etwa 180 m Ausdehnung des längeren und 56 m des kürzeren Arms, dabei übereinstimmenden Breiten von 70 m fast 16 000 qm Grundfläche. Das Schiff erreicht eine sehr bedeutende Hohe und hat am ganzen Umfang seines geraden Theils Emporen von bedeutender Breite erhalten, die durch eine Mehrzahl von Treppenanlagen erreicht werden. Der Dachstuhl liegt, abgesehen von dem die russische Industrie-Ausstellung enthaltenden Halbrund, offen; in letzterem ist eine gerade Decke aus crémefarbigem Stoff eingezogen. Ueber der Eingangshalle steigt die mit der Bekronung bis zu fast 100 m Höhe reichende Kuppel, flankirt von 4 Seitenthürmen, auf, die durch 4 breite Brücken mit einem über dem Kuppelscheitel angeordneten grossen Plateau verbunden sind; von dieser Hohe aus hat man einen weiten Blick in die bezaubernd schone Umgebung. Den hervorstechendsten konstruktiven Zug des Hauptgebäudes bildet seine Herstellung ganz in Holzbau. Wenn nicht etwa in Amerika, wo das Aussergewöhnliche heimisch ist, dürfte vielleicht ein gleich grosser – namentlich ein gleich hoher – Bau nur in Holz bisher nirgend aufgeführt worden sein; man kann sagen, dass die Holzbaukunst hier einen Triumph feiert. Die Kuppelsparren sind als kastenförmige Binder aus Fachwerk hergestellt, die Binder des Schiffs als einfache Gittersparren. Die Einfachheit der Konstruktionen, in welchen Eisentheile nur sehr nebensächlich zur Verwendung gekommen zu sein scheinen, ist im höchsten Maasse anerkennenswerth und macht dem Schöpfer derselben, dem Architekten Bobertag alle Ehre. Dass in Deutschland nach den Erfahrungen mit der Hygiene-Ausstellung 1883 der Holzbau bei grossen Ausstellungsbauten verpönt ist, kann für den Nordländer nur in erheblich geringerem Maasse als zutreffend angesehen werden, weil dort bei der beträchtlich grösseren Tageslänge in den Sommermonaten die Nothwendigkeit abendlicher Beleuchtung entfällt. Es verbleiben dann allerdings noch andere Quellen von Feuersgefahr, gegen welche die zahlreich getroffenen Vorkehrungen (wohin wohl auch die Belegung des Holzfussbodens mit Linoleum rechnet) sich gewiss nicht ausreichend erweisen würde. Das beim Bau des Hauptgebäudes gegebene Beispiel ist maassgebend für alle übrigen Gebäude, grosse und kleine, geworden: alle sind in Holzbau mit Verbretterungen oder Schuppenbekleidung hergestellt mit nur einer einzigen Ausnahme: der Maschinenhalle (140 zu 40 m), für die man bei der grossen Spannweite und der Raumfreiheit, die man bedurfte, Eisenbau gewählt hat.

Bindersystem des Anbaus an das Nordische Museum
Bindersystem der Maschinenhalle

Die beigefügten Handskizzen geben das konstruktive Gerippe des grösseren Holzanbaues am Nordischen Museum und das Bindersystem der Maschinenhalle. Es sei aber bemerkt, dass sich gleich kühne oder gleich interessante Holzkonstruktionen wie die ersterwähnte auch noch bei manchen anderen Ausstellungs-Gebäuden wiederfinden. Dies gilt insbesondere von den mehrfach vorkommenden rotundenähnlichen Gebäuden, wie z. B. dem für die chemische Ausstellung, von einer Fischereihalle, dem Gebäude für die Sport-Ausstellung und noch anderen. Für die Kunst-Ausstellung ist ein (gleichfalls nach den Plänen des Archit. Bobertag) errichtetes weitschichtiges Gebäude abseits erbaut, das aus 35 Räumen grösstentheils mässiger Grösse besteht; den Kern bildet eine kreuzförmige Skulpturenhalle. Die Räume werden ausschliesslich durch Oberlicht beleuchtet, unter welchem eine Decke aus crémefarbigem Stoff gespannt ist; die Beleuchtung ist im allgemeinen sehr gelungen, wozu die eingehaltene Beschränkung der Saalgrössen wohl wesentlich beiträgt. Dagegen wird eine auf die übersichtliche Anordnung und Vermeidung von Gefahren bei Brandfällen berechnete Anordnung und Zugänglichkeit der Räume allerdings in einigem Grade vermisst. Dem Aeusseren des Baues, der nur nach einer Seite hin frei und zugänglich liegt, ist dadurch etwas aufgeholfen worden, dass ein kurzes Stück der Front zu Loggien ausgebildet wurde; im übrigen hat der Architekt sich begnügt, mit den billigen Mitteln: Leinwand (oder Draht?) und Gips dem Gebäude ein schlichtes, doch ansprechendes Aeussere zu verschaffen. – Das Gebäude des Nordischen Museums (mit dem Anbau 80 x 36 +60 x 27 m gross) ist schon oben mit Bezug auf die vorübergehende Erweiterung, die dasselbe für den Ausstellungszweck erhalten hat, erwähnt worden. Der bleibende Theil des Bauwerks (in der Bildbeilage das Gebäude rechter Seite) präsentirt sich mit seinem Hauptthurm, den Nebenthürmen und der gewaltigen Höhe zu der es aufragt, mehr als ein Kirchenbau denn als ein Museum; erst wenn man in die Nähe kommt und die breiten unkirchlich gehaltenen Fenster zwischen schmalen Pfeilern sieht, ist die Bestimmung des Gebäudes verständlich. Aber das Innere hat mit seinen hohen Sterngewölben, einer Apsis, den Pfeilerstellungen und breiten Emporen einen durchaus kirchlichen Anstrich. Dieses Museum enthält chirurgische und hygienische Ausstellungen, eine reichhaltige kulturgeschichtliche Ausstellung, in der Hauptsache aber – und in den Anbau hinübergreifend wissenschaftliche und technische Ausstellungsstücke. Unter ihnen sind es namentlich die Arbeiten der „Technischen Schule“ Stockholms – welcher der „Rang“ einer Hochschule bisher vorenthalten zu sein scheint, während das Schwesterinstitut in Christiania als „Technische Hochschule“ bezeichnet wird – der Fach- und Fortbildungsschulen usw. usw., die viel Interesse und Anlass zu Vergleichungen namentlich mit den Leistungen der norwegischen gleichartigen Anstalten bieten. Nach den kurzen Eindrücken, die ich leider nur gewinnen konnte, scheinen mir die Leistungen der norwegischen Schulen im Vorzuge zu sein. Uebrigens ist hinzuzufügen, dass der Fremde von der Mannichfaltigkeit des nordischen gewerblichen Schulwesens und von dem breiten Raum, der dem Zeichnen dort eingeräumt wird, geradezu überrascht sein muss.

Auf die vielen grösseren und kleineren Pavillonbauten besonders einzugehen muss ich unterlassen, obwohl sich darunter mancherlei Hochinteressantes befindet. In der Kunst des Holzbaues, in der Fähigkeit, aus wenigen „Elementen“ unter Zuhilfenahme von Fachwerk, Farben, Glas usw. höchst wirkungsvolle kleine Werke zu schaffen, haben es, so lehrt die Stockholmer Ausstellung, die nordländischen Architekten weit gebracht; viele höchst anmuthige kleine Bauten erweisen dies. Selbstverständlich fehlen daneben auch solche nicht, die in die Klasse der Sonderbarkeiten eingereiht werden können. Eigenartiger Reiz wohnt den Fischereihallen, den Gebäuden der lappländischen und finnländischen Ausstellungen bei; bei ihnen kommt der Gegensatz zwischen Ursprünglichkeit und dem benachbarten vorgeschrittenen Luxus zur vollen Geltung. Recht deutlich ist in den der Armee- und Flottenausstellung dienenden Gebäuden der Charakter dieser Ausstellungen zum Ausdruck gebracht.

Blick auf den östlichen Theil der Ausstellung

Ueber die Schöpfer der kleinen und grossen Anlagen der eben erwähnten Art ist aus den Veröffentlichungen der Ausstellung nichts zu erfahren. Ich vermag dazu weiter nichts mitzutheilen, als dass als Architekten genannt werden; beim Bau des Nordischen Museums Lindegren, beim Bau der Fischereiballen Thorburn, bei den Bauten der Armee- und Flottenausstellung E. Josephson. Als „Konstrukteur“ für das Hauptgebäude und die Maschinenhalle wird der Ingenieur F. Soderberg genannt und ausserdem finde ich als „Architekten“ im Ausstellungs-Komitee noch die Hrn. Lilljekvist, Wickmann und Dahlberg, und als Ingenieure die Hrn. F. Almquist und G. Lindberg verzeichnet. Mit nur wenigen Bemerkungen auf die Gegenstände der Ausstellung eingehend – so weit dies im Vorstehenden nicht schon in beiläufiger Weise geschehen ist – möchte ich zunächst anführen, dass unter den Werken der Kunstausstellung auch die nordländische Architektur verhältnissmässig reich vertreten ist; man hat derselben 5 kleine, allerdings abgelegene Räume zugetheilt. Abgesehen von der Ungunst der Lage scheint es mir, dass die ausgestellten zahlreichen Blätter viel zu wenig auf die Ausstellung gearbeitet sind. Es sind im allgemeinen einfach gehaltene Pläne und Werkzeichnungen, die kaum anlockend wirken können. Weniger wäre in diesem Sinne mehr gewesen. Eine Ausnahme macht der Architekt, in dessen Händen die Restauration des Drontheimer Domes liegt, der in bestechend ausgeführten grossen Federzeichnungen und in einem Modell vom Innern des Chors eine „glänzende“ Ausstellung zu Stande gebracht hat.

Grosse Industrie-Halle

Auf gewerblichem Gebiete entbehren die Nordländer noch viel, was bei uns schon in einer gewissen Ueberfulle auftritt. Beispielsweise sind chemische und optische Industrie, die Papierindustrie, die Industrie der Bronze, die feinere Bearbeitung des Eisens, die keramische und Glasindustrie, das sogen. Installationsgewerbe und die graphischen Gewerbe noch wenig entwickelt. Das sogenannte Konfektionsgewerbe ist nur in Anfängen vorhanden, die Maschinenindustrie weist nur geringe Mannichfaltigkeit auf.

In der schwedischen Abtheilung nimmt das Eisen in den verschiedenen Zwischenformen zwischen roher und feiner Bearbeitung eine beherrschende Stellung ein; daneben kommen natürliche Gesteine von mancherlei Art voll zur Geltung, während von künstlichen Steinen (Ziegeln und Formstücken) nur wenig zu sehen ist. Von dem Reichthum und der Mannichfaltigkeit der natürlichen Steine, über die Schweden verfügt, und von der Fertigkeit in der Bearbeitung derselben gewährt die Ausstellung einen guten Ueberblick. Verhältnissmässig reich sind die Ausstellungen aus den Gebieten der Musikinstrumente, sowie der sog. Hausindustrie, wohin z. B. auch gewöhnliche und etwas feinere Holzwaaren gerechnet werden mögen. Besondere Erwähnung verdienen die bergbauliche Ausstellung, welche aus einer wissenschaftlich gehaltenen Abtheilung und einer gewerblichen sich zusammensetzt, alsdann die Sonderausstellung der Stadt Stockholm, in der die städtische Verwaltung in Berichten, Zeichnungen, Modellen, statistischen Tabellen und graphischen Darstellungen gewissermaassen Rechnung von ihrer Thätigkeit und von dem Werden der Stadt ablegt.

Norwegens Industrie bleibt auf der Ausstellung im allgemeinen hinter der schwedischen zurück. Sie ist weniger artenreich als diese, scheint dagegen in einzelnen Zweigen der schwedischen überlegen. Dies gilt z. B. von Möbelstoffen und Vorhängen, auch solchen gewöhnlicher Art, unter denen sich viel Anziehendes findet. Zahlreich enthielt die norwegische Ausstellung auch Holzmöbel, die indess meist Prunkstücke zu sein schienen, mit Schmucktheilen überladen waren und nicht oft eine Durchbildung aus dem Zweck heraus verriethen. Bemerkenswerth waren reiche Ausstellungen von edlen Gesteinen in allen Zuständen der Verarbeitung, auch einige feinere keramische und Glassachen, nicht die Schmucksachen mittlerer Qualität aus edlen und halbedlen Metallen und Steinen. Die gewöhnlichen Glassachen hatten meist Bemalung mit leicht stilisirten Wasserpflanzen und Thieren. In Pelzwaaren entwickelte Norwegen einen gewissen Glanz, wurde aber hierin noch von Russland etwas übertroffen. Den Haupttrumpf hatte aber Norwegen in seiner Ausstellung von Schularbeiten ausgespielt, welche das gewerbliche Unterrichtswesen des Landes auf einer Höhe zeigte, die man in der Ferne nicht vermuthet.

Dänemark hatte die Ausstellung reich beschickt. Abgesehen von einer Anzahl Sachen aus dem Gebiete der Architektur und des Ingenieurwesens handelte es sich vielfach um Thon- und Glassachen von mittlerer und feinerer Beschaffenheit. In der Ausschmückung dieser Gegenstände ist immer noch Thorwaldsen maassgebend; doch fanden sich auch vielfach Stücke mit naturalistisch gehaltenem, unmittelbar der Pflanzenwelt entlehntem Schmuck von leichter Stilisirung. Zahlreich waren einfache Holzarbeiten (Möbel und Geräthe) vertreten und besonders ansprechend darunter sogen. Korbmöbel, die zuweilen sehr eigenartige Konstruktionen und Formen aufweisen; auch eine Anzahl reicher Zimmerausstattungen ist zu verzeichnen. Erwähnung verdienen viele Ausstellungs-Gegenstände aus dem Gebiete der graphischen Gewerbe und feine Lederarbeiten, Büchereinbände usw., und schliesslich mag auch noch der Ausstellung vom Gebiete des gewerblichen Schulwesens gedacht werden, die einen ziemlichen Reichthum und eine gute Leistungsfähigkeit dieser Schulgattung erkennen liess.

Ueberall, wo Russland auf Ausstellungen erscheint, geschieht dies mit einer absichtlichen Ueberlegenheit. Alles Gewöhnliche wird dabei fern gehalten und nur Auserlesenes zur Stelle gebracht; man verzichtet auf die Quantität, um an Qualität desto mehr zu bieten. So auch in Stockholm, wo die russische Abtheilung nur klein, aber in der Beschränkung eine wahre Prunkleistung ist. Für solche Art von Ausstellung giebt feines Pelzwerk, wenn in Massen ausgestellt, immer einen höchst tragfähigen Untergrund; dass er hier vorhanden war, braucht kaum gesagt zu werden. Daneben glänzten reiche Seiden- und Möbelstoffe, Bilder, Bilderrahmen, Büchereinbände und Aehnliches, endlich Spielwaaren und einiges Andere; immer aber in peinlichster Auswahl, so dass in dieser Ausstellung ein mit den Leistungen der übrigen nordischen Länder vergleichbares Bild nicht gewonnen werden konnte.

Nach dem vorstehenden gedrängten Ueberblick über die Stockholmer Ausstellung möge die Bemerkung gestattet sein, dass es mir fern gelegen hat, selbst in der Gedrängtheit etwas Vollständiges zu bieten, dass daher Mängel und selbst kleine Irrthümer nicht ausgeschlossen sind. Indem ich dieselben auf Rechnung sowohl der Kürze meiner Besuchszeit, als des begrenzten Raumes, der mir zur Verfugung stand, zu setzen bitte, ich als allgemeines Gesammtergebniss meiner Arbeit den Schluss ziehen zu dürfen, dass ein Besuch Schwedens und der allgemeinen Stockholmer Ausstellung (welche bis 1. Oktober geöffnet bleibt) Mühe und Kosten in reichlichem Masse lohnt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 28.08., 04.09. & 18.09.1897 in der Deutsche Bauzeitung.