Der Wasserthurm in Kiel

Der Wasserthurm in Kiel

Die Stadt Kiel ist im Besitze einer ausgezeichneten 1887/88 erbauten Grundwasser- Versorgungsanlage. Die grosse Vermehrung der Bevölkerung von 25 000 Köpfen in den sechziger Jahren bis auf fast 100 000 heute und die Erwartung, dass dieser Zuwachs, wenn auch nicht in demselben Maasse, so doch stetig und schnell weiter erfolgen dürfte, gab zu einer umfangreichen Erweiterung der Wasserleitung im Jahre 1893 Veranlassung.

Das Werk ist heute so eingerichtet, dass es bei einer Höchstleistung von 15 000 cbm für 1 Tag einer Bevölkerung von 150 000 Seelen genügt. Die Anlagen zur Wassergewinning sind etwa 3,5 km in südöstlicher Rückverlängerung der Föhrde, im Gebiete des von der Eider durchflossenen Schülensees gelegen. Sie bestehen aus schmiedeisernen genieteten Schachtbrunnen und einer grossen Zahl von Röhrenbrunnen, die theils in dem zum See gerichteten Grundwasserstrome, theils im See selbst und an dessen Ufern stehen. Aus ihnen wird das Wasser nach den Pumpenbrunnen hin durch Dampfstrahl-Injektoren gehebert. Die Förderanlage steht unmittelbar am Schulensee. Sie besteht aus 3 Pumpmaschinen, liegenden Verbundmaschinen mit Roh- und Reinwasserpumpen, die beiden älteren mit je, 1500 cbm, die dritte neuere mit 10 000 cbm grösster Tageseistung.

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Das gewonnene Wasser enthält Eisenoxydul, das durch eine 1894 erbaute Enteisenungs-Anlage mittels Rieselung durch Schichten von Schmelzkokes, Ziegelbrocken und Weidengeflecht gefällt wird (Entlüftung). Ausserdem muss das Wasser gedeckte Filter aus Kleinschlag, Kies und Sand passiren. Diese verlässt es als ein völlig reines, klares, vorzügliches Trink- und Gebrauchswasser. Durch die Förderanlage wird das Wasser in die Stadt gedrückt, die heute in ihren bebauten Theilen, abgesehen von der unfertig angelegten Vorstadt Wiek, eine Längenausdehnung von 5 km und eine grösste Breite von 1,5 km aufweist. Die Dichtigkeit der Bevölkerung ist je nach der Bauart in dem betreffenden Stadttheil verschieden.

Der Wasserthurm in Kiel - Unterbau
Der Wasserthurm in Kiel – Unterbau
Der Wasserthurm in Kiel - Grundriss vom Erdgeschoss
Der Wasserthurm in Kiel – Grundriss vom Erdgeschoss

Kiel ist eine Bergstadt. In den bebauten Stadttheilen kommen Höhenunterschiede im Gelände von + 2 m bis zu + 35 m über N.N. vor. Nachdem die Bebauung in neuerer Zeit sich bis in diese hochgelegenen Stadttheile erstreckt hatte, genügten die beiden im Süden auf dem Studentenberge und im Norden auf dem Ravensberge erbauten massiven Hochbehälter nicht mehr, um in den Häusern erwähnter Stadtbezirke das Wasser bis in die obersten Stockwerke zu führen. Von dem für Feuerlöschzwecke wünschenswerthen Druck von 20 m über Strassenflucht war schon lange keine Rede mehr. Demgemäss wurde der Bau eines mit seiner Sohle 10 m über dem Wasserspiegel des auf dem isolirten Kegel des Ravensberges gelegenen Behälters erforderlich.

Dieser letztere, ein zylindrischer massiver Bau von 23,7 m lichtem Durchmesser und 6 m Höhe, überwölbt und seitlich wie oben mit Erde überdeckt, war 1886 erbaut worden. Um nun nicht unnöthig viel Wasser auf diese Höhe zu pumpen, wurde die Stadt je nach ihrer Höhenlage in 2 Zonen, eine Hoch- und eine Niederzone, getheilt und zur Versorgung der ersteren der neue Hochbehälter bestimmt. Derselbe ist ein schmiedeiserner zylindrischer Ringbehälter nach Intze’schem System auf massiver Untermauerung, die ihrerseits ihr Fundament auf den Ringmauern des alten Hochbebhälters findet.

Der Wasserthurm in Kiel - Schnitt
Der Wasserthurm in Kiel – Schnitt

Der neue Hochbehälter hat bei 1500 cbm Fassungsraum einen äusseren Durchmesser von 26,7 m, einen inneren von 15,9 m bei 5 m Höhe. In dem unter dem Behälter verbleibenden Raume sind 2 Gasmotoren von je 15 H.-P. mit 2 Pumpen von je 125 cbm Stundenleistung zum Heben des Wassers aus dem Unter- in den Oberbehälter aufgestellt. Die eine Anlage dient als Reserve; für eine dritte später aufzustellende ist Platz gelassen.

Der Wasserthurm in Kiel
Der Wasserthurm in Kiel

Der neue Wasserthurm beherrscht in seiner Lage das Stadtbild auf grosse Ferne. Namentlich nach der See hin kommt er schon von sehr weit zur Erscheinung. Es war geboten die durch seine Grundform, seine etwas gedrückte Höhe und die starke Auskragung des Behälters gegebenen ungünstigen Verhältnisse durch reichere Gliederung der Aussenfront einigermaassen wett zu machen. Die Runde zeigt einen gothisirenden Rohbau aus schlesischen Verblendsteinen unter Zuhilfenahme von rothem Sandstein für Konsolen, Säulchen und Wappenverzierungen. Die zehneckige Laterne, in Eisen konstruirt und mit Ziegeln und Kupfer verblendet, von welcher man eine umfassende und schöne Rundsicht geniesst, ist durch Eisentreppen im Innern zugänglich gemacht. „Die Spitze des Thurmes liegt 85 m über dem Ostseespiegel. Einige neu geplante Strassen sind so gelegt, dass sie den Thurm als point de vue zeigen werden; ausserdem soll er von einem in dem von Hrn. Geh. Brth. Stübben in Köln bearbeiteten Bebauungsplane vorgesehenen Park umgeben werden. Auf diese Weise ist beabsichtigt, ihn zu einer Zierde der nördlichen Stadttheile werden zu lassen. Der Bau kostete einschl. der maschinellen Einrichtungen 210 000 M.

Die 1893/94 ausgeführte Erweiterung des Wasserwerkes und die Reinigungsanlage ist nach den Entwürfen und unter Leitung des Direktors der städtischen Gas- und Wasserwerke Hrn. Pippig, der neue Wasserthurm von demselben gemeinsam mit dem Unterzeichneten in den Jahren 1896/97 erbaut. Die Gasmotoren-Pumpenanlage lieferte die Maschinenfabrik Daevel in Kiel, den eisernen Behälter und die Dachkonstruktionen die Berlin-Anhaltische Maschinenfabrik.

R. Schmidt, Stadtbrth. in Kiel.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.02.1899 in der Deutsche Bauzeitung.