I. Der Neubau eines städtischen Museums in Magdeburg.
Bekanntlich war für die Erlangung eines Entwurfes zum Neubau eines Museums für die Kunst- und Kunstgewerbe-Sammlungen der Stadt Magdeburg ein Preisausschreiben veranstaltet worden, über dessen Ergebniss in der „Deutschen Bauzeitung“ seinerzeit eingehend berichtet ist (Vergl. Jahrgang 1898, No. 71 und 72.). Von den 79 eingegangenen Entwürfen waren vom Preisgericht 5 Entwürfe mit Preisen bedacht, 3 weitere zum Ankauf empfohlen worden.
Die mit dem ersten Preise bedachte Arbeit der Architekten K. und M. in Strassburg stellte sich leider nachträglich als so wesentlich in den Grundzügen übereinstimmend mit einem früheren Entwurfe für einen Museums-Neubau in Reichenberg in Böhmen heraus, dass von der bereits in Aussicht genommenen Ausführung nach dem preisgekrönten Vorschlage billigerweise nicht mehr die Rede sein konnte.
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Auf Empfehlung der damaligen Preisrichter Wallot, von Thiersch und Licht beschloss der Magistrat, mit dem Urheber des ursprünglichen Planes für Reichenberg, der auch dort nur in veränderter Fassung zur Verwirklichung gelangt war, in Verbindung zu treten zwecks Aufstellung eines neuen, für die Magdeburger Verhältnisse passenden Entwurfes, aber unter Anlehnung an die bisherigen Grundgedanken, die schon für die Preisertheilung maassgebend gewesen waren und der an erster Stelle ausgezeichneten Arbeit thatsächlich zum Siege verholfen hatten.
Der Verfasser dieser Originalarbeit für Reichenberg war der Architekt Professor Fr. Ohmann, damals in Prag, inzwischen zur Leitung der Bauten der kaiserlichen Hofburg nach Wien berufen. Derselbe leistete der Aufforderung, sich der Umarbeitung, erforderlichenfalls der Neuaufstellung eines Museums-Entwurfes für Magdeburg nach Studium der örtlichen Verhältnisse zu unterziehen, gern Folge und gelangte nunmehr zu einer wesentlich anderen Auffassung der Aufgabe und damit zur Unterlage einer endgiltigen Lösung.
Das Ergebniss seiner eingehenden Vorarbeiten war ein neuer, durchaus eigenartiger Entwurf, der, abgesehen von einigen, bei weiterer Durcharbeitung leicht zu erledigenden Abänderungen vom Magistrate der Stadtverordneten-Versammlung zur Annahme vorgelegt und von letzterer kürzlich einstimmig zur Ausführung genehmigt wurde.
Damit ist denn endlich die Frage der Errichtung eines Museums für Magdeburg zum Abschluss gebracht worden, nachdem der unglückliche Verlauf des Wettbewerbes die Angelegenheit in ein recht bedenkliches Fahrwasser hineingesteuert hatte! Der Entschluss, auf den Vater des ursprünglichen Gedankens zurückzugreifen, ist wohl allgemein in der Fachgenossenschaft als der einzig richtige Ausweg anerkannt worden und damit dem Meister Ohmann eine Genugthuung geschehen, die ihm nach dem mannichfachen Aerger, den er bei seinem Reichenberger Entwurf hatte, wohl von Herzen zu gönnen ist. Namentlich in österreichischen Fachkreisen hat die erfreuliche Lösung der peinlichen Sache wohlthuend berührt!
Für Magdeburg aber hat die Annahme des Ohmannschen Entwurfes aus einer Verlegenheit geführt, die für die weitere Förderung des bisher mit Begeisterung verfolgten Museums-Gedankens vielleicht recht verhängnissvoll, jedenfalls auf nicht abzusehende Zeit verschleppend gewirkt hätte.
Nach dieser ungewöhnlichen Vorgeschichte des Magdeburger Museums-Entwurfes wird es die Leser der „Deutschen Bauzeitung“ interessiren, von dem gegenwärtig beschlossenen Bauplan des Professors Ohmann Kenntniss zu erhalten. Es sind zu dem Zwecke das Schaubild von der Ecke der Kaiser-und der Oranienstrasse, der Grundriss des Erd- und des ersten Obergeschosses, ferner der Lageplan beigegeben, welcher die Aenderungen gegen den des früheren Vorschlages im preisgekrönten Entwurf – derselbe wird des besseren Vergleiches halber noch einmal beigefügt – mit einem Blick erkennen lässt.
Während bisher fast der ganze zur Verfügung stehende Bauplatz für das Gebäude mit seiner Erweiterung in Anspruch genommen wurde, ist jetzt ein grösserer freier Raum vor der Nordseite an der Oranienstrasse geblieben, welcher bezweckt, das Museum von hier aus besser zur Geltung zu bringen. Wenn die eine Front an der Kaiserstrasse die Bestimmung des Hauses für kunstgewerbliche Sammlungen in ihrer Verschiedenartigkeit berücksichtigt, betont die Nordseite mit ihren grossen, loggienartig aneinander gereihten Fensteröffnungen den Charakter des Kunstmuseums. Die in zwei Geschossen angeordneten Kabinette verlangen unbehindertes reichliches Nordlicht; schon aus diesem Grunde ist die Schaffung eines möglichst weiten Abstandes von dem gegenüber liegenden Provinzial-Steuerdirektions-Gebäude nothwendig. Zugleich wird von diesem mit gärtnerischen Anlagen zu zierenden Platze ein freier Ausblick nach dem Dom gewährt, der mit seinen mächtigen beiden Thürmen das Bild auf der Ostseite abschliesst. Auch das malerische Thurmpaar der ehrwürdigen Sebastians-Kirche erscheint in allernächster Nähe, wenn man nur bis zur Ecke der Heydeckstrasse schreitet und den Blick in dieselbe hinein nach Norden wendet. So wird sich das Museum gerade an dieser Stelle bedeutsam erheben und von selbst die Umgebung mit ihren zumtheil nüchternen Wohnhäusern beherrschen. Bei dem unmittelbaren Zugang vom Breiten Weg her hat die Nordseite vor der eigentlichen Hauptfront an der Kaiserstrasse den Vorzug voraus, dass sie zunächst sich den Beschauern darbietet, die zumeist von der Hauptverkehrs-Strasse Magdeburgs sich zum Museum begeben werden. Darum war auch die Vernachlässigung, die merkwürdiger Weise fast in allen Entwürfen des Wettbewerbes dieser Seite zutheil geworden war, nicht gerechtfertigt, und die Verlegung des Haupteinganges auf die Ecke der Kaiser- und Oranienstrasse musste als Lösung, die den örtlichen Verhältnissen am besten entspricht, anerkannt und darum auch jetzt in der neuen Ohmann’schen Bearbeitung beibehalten werden.
Möglicherweise wird eine Vorschiebung der ganzen Gebäudeanlage noch etwas mehr nach Norden an die Oranienstrasse heran stattfinden, was in den bisherigen Berathungen als Wunsch ausgesprochen wurde, um auf der Südseite des Platzes eine entsprechend grössere Fläche für die zukünftige Erweiterung zu gewinnen. Sonst werden sich hier und da noch Aenderungen, einige Raumverschiebungen usw. bei der endgiltigen Durcharbeitung zur Ausführung ergeben, die aber wesentlichen Einfluss auf die Grundrisseintheilung oder die Fassadengestaltung nicht mehr auszuüben vermögen. Damit ist die Verwirklichung des schönen Planes gesichert, zu dessen weiterer Erläuterung unter Verweisung auf die beigefügten Grundrisse und das Schaubild nichts mehr hinzugefügt zu werden braucht.
Zufolge der dem Prof. Ohmann aufgegebenen Umarbeitung des Entwurfes für die thatsächlichen Verhältnisse der Oertlichkeit ist auch von den Voraussetzungen des früheren Wettbewerbes in manchen Beziehungen Abstand genommen worden. Insbesondere ist nicht weiter an der damaligen Verpflichtung festgehalten, die Baukostenhöhe im ersten Baustadium auf 600 000 M., einschliessl. einer als zulässig erachteten – Ueberschreitung von 10 %, also auf 660 000 M. zu begrenzen. Der gegenwärtig vorliegende Entwurf wird sich wesentlich theurer stellen, was hauptsächlich darin begründet ist, dass bereits für das erste Baustadium vielmehr Grundfläche, namentlich für die Gemälde-Ausstellung und für die kunstgewerblichen Sammlungen, auch für die Skulpturen-Gallerie berücksichtigt ist, als nach dem bisherigen Raumprogramm vorgesehen war. Hiernach wird also das Museum von vornherein grösser werden als geplant; darum ist auch nicht zu verwundern, wenn jetzt die Bausumme auf 800 000 M. geschätzt ist – normale Gründung vorausgesetzt und ausschl. der Ausstattung. Dafür wird aber auch auf längere Zeit für die Bedürfnisse des Museums gesorgt sein, dessen schon jetzt ganz ansehnliche Sammlungen erfreulich von Jahr zu Jahr durch reiche Zuwendungen in ungeahnter Weise anwachsen. Gerade aus diesem Grunde ist angeregt worden, die ganze Gebäudeanlage etwa um 10 m nach der Oranienstrasse zu vorzurücken, um auf der anderen Seite dem zurzeit noch gar nicht zu übersehenden Erweiterungs-Bedürfniss in möglichst ausgiebiger Weise Rechnung zu tragen. Jedenfalls wird aber nach dem jetzt zur Ausführung genehmigten – Ohmann’schen Entwurfe für die nächste Zukunft an den Ergänzungsbau zur vollständigen Fertigstellung – des Gesammtbauplanes nicht gedacht zu werden brauchen. Auf diesen vorläufigen Abschluss ist vortrefflich Rücksicht genommen, indem bis zur Ausführung der Erweiterungsflügel der Blick ungehindert auf den Kreuzgang mit dem Rundbau – in Anlehnung an die berühmte Anlage des Klosters Unserer lieben Frauen zu Magdeburg – fällt; auch kann auf den überaus malerischen späteren Museumshof von vornherein die – gärtnerische Einrichtung zugeschnitten werden.
Die Ausführung ist in der Weise gedacht, dass Prof. Ohmann die künstlerische Oberleitung über die Aufstellung des endgiltigen Entwurfes sowie über die Bauausführung behält, während die Geschäfte der Veranschlagung, Ausschreibung, Vergebung, Kontrolle der Arbeiten, der Abrechnung usw. in der üblichen verwaltungsmässigen Erledigung dem städtischen Bauamte anheimfallen. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 02.12.1899 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Peters“.
Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen.
I. Das Nordböhmische Gewerbe-Museum in Reichenberg;
Architekten: Prof. Fr. Ohmann-Wien und Grisebach & Dinklage Berlin
Wer der volkswirthschaftlichen Bedeutung gerecht werden will, die in dem Umstande liegt,dass das Nordböhmische Gewerbe-Museum in Reichenberg als eine private Anstalt der Provinz mit einem Kostenaufwande von rund 800 000 Kronen ein stattliches Monumental-Gebäude für seine Sammlungen errichten und vor nahezu einem Jahre einweihen konnte, der muss einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des industriellen Bildungswesens in Oesterreich während des letzten Vierteljahrhunderts werfen, die der gleichen Entwicklung im grössten Theile von Deutschland weit voran geeilt ist: Im Jahre 1873, als eine Wirkung der Wiener Weltausstellung und aus Anlass der Feier des 25-jährigen Regierungs-Jubiläums des Kaisers Franz Josef des I. wurde das Nordböhmische Gewerbe-Museum mit den bescheidensten Anfängen gegründet und seine bunte Waare, die mehr ein guter Wille, als ein zielbewusstes Verständniss zusammengebracht hatte, in den Dachräumen eines Schulhauses des nordböhmischen Manchester ausgebreitet. 25 Jahre später, wieder aus Anlass eines kaiserlichen Jubiläums, im Dezember des Jahres 1898, im Jubeljahre der 50-jährigen Regierung des Kaisers Franz Josef, wurde der stolze Monumentalbau an der Kaiser Josefsstrasse in Reichenberg festlich geweiht. In diesen fünf Lustren liegt die Entwicklungsgeschichte des österreichischen industriellen Bildungswesens. Ein Zweig dieser reichen, zielbewussten und in ihrer Wirkung mit Scharfblick vorausberechneten Entwicklung bildet das Musealwesen, welches, in der Hauptstadt der Donaumonarchie beginnend, bald sein Netz über die Provinz-Hauptstädte verbreitete und aller Orten Sammlungsstätten schuf, deren Gegenstände dem Volke zur Lehr und zum Vorbild dienen sollten. So entstand das Oesterreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien, es entstanden die Landes- oder Gewerbe-Museen in Graz, Brünn, Linz, Salzburg, Prag, Pilsen, Budweis usw., und als eines der ältesten das von Reichenberg.
Wien erhielt durch Ferstel sein Museumsgebäude am Stubenring, ein Haus nach dem System des Kastenbaues, das eine Zeit lang typisch war. Eine ähnliche Stätte erhielten die kunstgewerblichen Sammlungen in Brünn. Die kleineren Museen mussten sich lange mit Provisorien begnügen, die nur die dringendsten Bedürfnisse befriedigen konnten, und wenn ein Neubau den vorübergehenden Zustand ablöste, so erhob er sich kaum über das Mittel, welches die öffentlichen Bauwerke des Ortes im allgemeinen zeigten. Eine Ausnahme hiervon machte Reichenberg, dessen Museum in Organisation und Wirksamkeit immer an der Spitze sämmtlicher Provinzial-Museen Cisleithaniens marschirte, und welches auch bei der Errichtung seines neuen Museums-Gebäudes mit derselben Folgerichtigkeit auf ein grosses Ziel zusteuerte, die seine gesammte industrielle Thätigkeit auszeichnet und ihm den Ehrennamen des österreichischen Manchester eingetragen hat.
Alljährlich wiederholten sich mit immer grösserer Dringlichkeit die Klagen über die Unzulänglichkeit der Räume für die Sammlungen des Museums, die im Laufe der 25 Jahre dreimal gewechselt worden waren. Weder die regelmässigen Bedürfnisse der Anstalt, die sich trotz ihres privaten Charakters allmählich zu einer Zentral-Anstalt für Studienmittel für die sämmtlichen industriellen Bildungsanstalten Nordböhmens und des Handelskammerbezirkes Reichenberg entwickelt hatte, noch viel weniger aber ausserordentliche Veranstaltungen, wie grössere Ausstellungen, Vorträge bekannter Redner usw. fanden die Räume, welche der Bedeutung der Veranstaltung entsprachen; und auch als es gelang, Räume des Clam-Gallas’schen Schlosses, dieser oder jener Schule oder nach Fertigstellung des neuen Rathhauses die Volkshalle desselben für die verschiedenen Anlässe zu gewinnen, war der Zustand wohl ein etwas erträglicherer, keineswegs aber ein solcher, dass man das sehnlichst begehrte Endziel aller Bestrebungen – ein zweckmässiges eigenes Haus – auf längere Zeit noch hätte aus dem Auge lassen können. Wohl hatte die Sparkasse in Reichenberg, eine gleichfalls aus privater Anregung hervorgegangene Anstalt mit gemeinnützigem Charakter, bei ihren segensreichen Bestrebungen schon früh auch daran gedacht, auf ihrem stattlichen und gut gelegenen Gelände an der Schloss- und Bräuhofgasse dem Museum ein zukünftiges Heim zu bieten, für welches auch schon verschiedene Pläne vorlagen. Als diese Anstalt jedoch zunächst sich selbst einen Palast errichtet hatte und zu demselben gelegentlich ein Gegenstück zu errichten beabsichtigte, zeigte sich, dass der dann für das Museum noch übrig gebliebene Platz sowohl nach Form wie nach Lage nicht mehr den ihm zugedachten Zwecken entsprechen würde. Der Platz wurde zu langgestreckt, entbehrte der freien Beleuchtung und durch den Umstand, dass das Museum hätte an Nachbarbauten angebaut werden müssen, war eine gewisse Feuersgefahr schon durch die äusseren Umstände gegeben. So kam es, dass man mit der festen Absicht im Herzen, nunmehr einem Neubau näher zu treten, auf die Suche nach einem geeigneten Bauplatze ging und man fand denselben dank der grossen Opferwilligkeit der Stadt in einem herrlich gelegenen Gelände an der Kaiser Josef-Strasse, der vornehmsten Strasse an der Peripherie der Stadt, an einer Strasse, an welcher die umfangreiche Baugruppe der Staatsgewerbeschule liegt und an der sich andere Schulen, wie die Rudolfs- und die Webeschule befinden und an welcher die Handels- und Gewerbe-Kammer ihren neuen Palast errichtet. So liegt das Museum in nächster Nachbarschaft der gewerblichen Bildungsanstalten, welchen es die werthvolle Ergänzung des Unterrichtsmateriales sein soll. Mit Beschluss vom 26. März 1895 überwiesen die Stadtverordneten das Gelände im Werthe von 33 000 fl. dem Museumsverein und sofort begannen die Vorberathungen über die Raumfrage und die Aufstellung des Raumprogrammes durch das Mitglied des Kuratoriums, den Architekten Gustav Sachers. Zur Erlangung geeigneter Entwürfe entschied man sich für einen allgemeinen Wettbewerb unter deutsch-österreichischen und deutschen Baukünstlern, aus welchem der Architekt Prof, Friedrich Ohmann, damals in Prag, mit einem meisterhaften Entwurf als Sieger hervorging, Es bestand nun die Absicht, dem Architekten Ohmann auch die Ausführung des Baues zu übertragen und er wurde zunächst mit einer Umarbeitung des Entwurfes betraut. In der Folge aber sah sich das Kuratorium des Museums veranlasst, auf seine Mitarbeit zu verzichten und es wandte sich an die Architekten Grisebach & Dinklage in Berlin, welche unter Beibehaltung der Grundzüge des Ohmann’schen Entwurfes die Ausführungs-Zeichnungen bearbeiteten und im Einzelnen die für sie charakteristische Formensprache wählten.
Diese Kompromissarbeit ist es, welche im Nachstehenden einer kurzen Besprechung unterzogen werden soll.
In der Anlage des Grundrisses hat Ohmann die Bedingungen der Lage des neuen Gebäudes dadurch erfüllt, dass er die Räume nach zwei senkrecht aufeinander stossenden Axen anordnete, die sich in dem gegen die Stadt gewendeten Vestibül treffen. An der einen, von Nord nach Süd laufenden Axe, reihte er im Erdgeschoss die Bibliothek und die Räume für das Kuratorium und die Verwaltung auf, in der anderen Axe liegen die Garderobe, der kirchenartig gestaltete Raum für wechselnde Ausstellungen mit dem Chorausbau, dem Klosterhof usw. Ueber die Vertheilung im Einzelnen dieses Geschosses und über die Anlage des Obergeschosses geben die Grundrisse die entsprechende Auskunft. Bemerkenswerth ist, dass sämmtliche Räume, – in welchen die Besucher verkehren, die das Museum nicht zum Studium der Sammlungs-Gegenstände aufsuchen, also die Bibliothek, der Vortragssaal, die Zeichensäle usw. grundsätzlich von den Sammlungsräumen getrennt sind. Im übrigen ist für das Haus das gruppirte System gewählt und das Kastensystem verlassen. Nach dem Vorgange des Germanischen National-Museums in Nürnberg, des Musée de Cluny in Paris, des schweizerischen National-Museums in Zürich und des Museums in Basel bedarf es kaum noch der Erwähnung der künstlerischen und praktischen Vorzüge einer solchen Anlage, die zu den malerischsten Ausbildungen im Inneren und Aeusseren Anlass giebt, die Errichtung jedes Theilabschnittes zulässt und jede Erweiterung, die später nöthig wird, ohne Zwang erlaubt. Das sind so ausschlaggebende Vorzüge, dass dafür die Nachtheile, die in einer erhöhten Kostensumme und in einer etwas erschwerten Verwaltung usw. bestehen, kaum ins Gewicht fallen.
Mit seiner phantasievollen Empfindung für das deutsche Alterthum und für seine malerischen, aus dem Wechsel der Zeiten heraus geborenen Gestaltungen hat Ohmann seinen trefflichen Entwurf geschaffen, und als Grisebach & Dinklage an seine Stelle traten, konnten sie nichts Besseres thun, als was sie thaten: den Entwurf in allen seinen wesentlichen Theilen beizubehalten und nur das neu zu schaffen, was noch nicht geschaffen war. Hierbei standen, und das darf nicht unberücksichtigt bleiben, die Architekten unter dem Einfluss der ihnen auferlegten Hast. Denn viel Zeit war verronnen, bis die Vorarbeiten so weit gediehen waren, dass zum Baubeginn geschritten werden konnte, und eröffnet musste das neue Gebäude noch im Jubiläumsjahre des Kaisers werden; spät genug (18. Dezember) ist es in diesem Jahre denn auch geworden. Wer diese Erschwerung der Bearbeitung würdigen kann, wird über Manches hinweg sehen, was nicht aus Herz und Seele gekommen erscheint und wer die Baugeschichte des Hauses im Einzelnen verfolgt, wird auch bei allem Bedauern, dass es dem Verfasser des siegreichen Entwurfes des Wettbewerbes nicht vergönnt war, diesen zur Ausführung zu bringen, die Selbstverleugnung anerkennen müssen, mit welcher die nachfolgenden Künstler von ausgesprochener Eigenart in eine im Gedanken fertige Aufgabe eintraten, um sie lediglich in Stein zu übersetzen. – (Schluss folgt.)
Dieser Artikel erschien zuerst am 09.12.1899 in der deutsche Bauzeitung.
Neuere Kunst- und Gewerbe-Museen.
II. Das Nordböhmische Gewerbe-Museum in Reichenberg
Arch.: Prof Fr. Ohmann-Wien u. Grisebach & Dinklage-Berlin.
Beim Aufbau des Gebäudes waren Umstände zu berücksichtigen,die sich aus den besonderen Verhältnissen der bedeutenden nordböhmischen Industriestadt heraus ergaben. Als ein Zeichen deutscher Kraft und als ein Kampfmittel in der Erhaltung nationalen Volksthumes und deutscher Kultur und Sitte gegen slavische Bedrängung musste das Gebäude in seiner künstlerischen Erscheinung einen ausgesprochen deutschen Charakter tragen Diese Eigenschaft besass schon der Ohmann’sche Entwurf und sie ist auch in der Bearbeitung der Berliner Künstler erhalten geblieben. – Ferner schien es erwünscht, auch an dem Neubau des Museums der örtlichen Ueberlieferung, der geschichtlichen Pietät und der Kulturgeschichte Raum zu gönnen. Man that dies um so bereitwilliger, als Reichenberg seit dem 30 jährigen Kriege an seinen ohnedies nicht allzu reichen Kunstschätzen starke Einbusse erlitten hatte und sie noch in unseren Tagen durch die unerbittlichen Forderungen des modernen Verkehres erdulden musste. Als mit dem Ausgang der achtziger Jahre die Frage des Neubaues eines Rathhauses aus den vorbereitenden Erwägungen zu festen Beschlüssen übergegangen war, entspann sich ein harter Kampf um das bestehende alte Rathhaus, um einen charaktervollen Bau der deutschen Renaissance schlesisch-sächsischen Gepräges, ein Kampf, der auch bis in diese Zeitung seine Wellen geschlagen hat (siehe Dtsch. Bztg. 1888 S. 30).
Man war auf der einen Seite so sehr von der Möglichkeit der Erhaltung des alten Hauses auf einem räumlich allerdings nicht sehr ausgedehnten Platze überzeugt, dass sich bei dem engeren Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für das neue Rathhaus mehre Entwürfe auf der Annahme dieser Erhaltung aufbauten. So unter anderen der interessante Hauberissersche und der nicht minder eigenartige Griesebach’sche Entwurf (siehe Dtsch. Bztg. 1887 No. 97 u. 103).
Es kam anders: die Strömung gegen das alte Rathhaus siegte und dasselbe wurde abgetragen. Neben seiner genauen architektonischen Aufnahme aber glaubte man einen, den werthvollsten Bestandtheil, wenn auch nur in der Nachbildung erhalten zu sollen. Man fügte den Thurm des alten Hauses als ein die Umrisslinie bereicherndes Moment in die südöstliche Fassade des neuen Museums ein (siehe die linke Abbildung).
Der kulturgeschichtlichen Vergangenheit trug man Rechnung durch die Einrichtung einer ortsgeschichtlichen Abtheilung, und um dieser Abtheilung auch von aussen ihre Bestimmung aufzuprägen, gab man ihr die ansprechende Form eines jener schmucken, zweigeschossigen Altreichenberger Wohnhäuser, die durch künstlerisch bedeutsame Putzfassaden mit eigenartiger Ornamentik ausgezeichnet und in mehren guten Beispielen noch erhalten sind. Eine Abbildung dieses Theiles des Museums tragen wir in No. 101 nach.
Die Vorarbeiten zum Bau wurden noch in Januar 1897 durch die Reichenberger Baufirma Gustav und Ferdinand Miksch begonnen und die Bauarbeiten selbst mit solcher Thatkraft durchgeführt, dass am 24. März 1897 mit der Aufmauerung der Fundamente begonnen und der Grundstein unter dem Rathhausthurm verlegt werden konnte. Ein günstiger Winter von 1897 auf 1898 kam den Rohbauarbeiten sehr zu statten und trug nicht unwesentlich mit dazu bei, dass die Eröffnung des neuen Gebäudes, in allen Theilen fertig, noch im Jubiläumsjahre des Kaisers, am 18. Dez. 1898, stattfinden konnte. Das Gebäude ist mit Ausnahme des Altreichenberger Wohnhauses durchweg in Haustein errichtet, der Sockel in einem schönen blaugrauen Granit von Voigtsbach, der Aufbau in dem prächtigen warmen, goldgelben Sandstein aus den Brüchen bei Horitz in Böhmen. An Stellen, die durch ihre Lage ausgezeichnet sind (siehe die Abbildung), sind nach den Modellen von Prof. E. Gerhart in Reichenberg und Bildhauer O. Giesecke in Berlin Bildhauerarbeiten angebracht, durch die hauptsächlich der Mittelbau und das Treppenhaus des Inneren ausgezeichnet sind (siehe die Abbildung). Die für das Gebäude noch in Aussicht genommenen Freifiguren, wie zwei Portallöwen, Baldachinfiguren usw. sind mangelnder Mittel wegen für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht genommen. Dasselbe gilt von einer architektonischen Abgrenzung des geräumigen Platzes vor dem Museum gegen die Kaiser-Josefs-Strasse. Hier dürfte einmal eine nach architektonischen Gesichtspunkten angelegte Gartenanlage geschaffen werden, in welcher Bautheile alter Denkmäler zur Aufstellung gelangen können und die, in terrassenartiger Anordnung, dem höher gelegenen Museum eine wirkungsvolle Einrahmung darbietet. Der an der Rückseite des Museums gelegene freie Raum ist einer später zu errichtenden kunstgewerblichen Unterrichtsanstalt mit Pflanzengarten für das Studium der Naturformen vorbehalten.
Die Ausführung des Baues war, wo möglich, Firmen aus Reichenberg oder doch aus dem deutschen Böhmen übertragen. Nur für einzelne Theile musste man weiter greifen. An der Ausführung des Baues wirkten, so weit nicht schon genannt, mit die Actien-Gesellschaft für Marmorindustrie Kiefer in Oberalm bei Hallein durch Lieferung der Marmorstufen und Marmormosaikarbeiten; die Bildhauer und Stein’metzmeister Ferd. Czastka und Anton Herzog in Reichenberg, Jacob Kozourek in Prag, Jos. Kunze in Grottau für die Bildhauerarbeiten in Stein, Holz und Stuck; Toffolo & Clemente in Reichenberg und Toffolo in Prag durch Herstellung der Mosaik- und Terrazzoböden, Jos. Altmann, Carl Czastka, Anton Engel, Ferdinand Hübner, Rudolf Konschitzky, Wendelin Köhler, sämmtlich in Reichenberg, sowie Hugo Ulbrich in Gablonz durch Lieferung der Holz- und Tischlerarbeiten. Die Holzdecke des Zentralraumes war an Portois & Fix, die Eichenholzarbeit an Ludwig Bernhard in Wien übertragen. In die Glaserarbeiten theilten sich Josef Bartel, Franz Klaus und Philipp Pohl in Reichenberg. Die Kunst- und anderen Schlosserarbeiten hatten übernommen Anton Hein, Gustav Hönig und W. Matznar in Reichenberg, sowie Emil Klingenstein in Prag. Die Blechnerarbeiten waren an Vincenz Hillebrand und Josef Knobloch in Reichenberg übertragen. Die Rabitz- und andere Putzarbeiten des Inneren fertigte Arw. Thamerus in Gablonz, die Schieferdeckerarbeiten E. Dittmar in Reichenberg. Die Zentralheizungsanlage rührt von J. B. Körting in Wien, die Wasserleitungsanlage von Christian Linser in Reichenberg, die elektrischen Anlagen von den Oesterreichischen Schuckertwerken in Wien, die Brunnenanlage von Ulbrich in Paulsdorf her. Die Eisenlieferung hatte Otto Müller in Harzdorf; in die Anstreicher- und dekorativen Malerarbeiten theilten sich Ernst Meininger und Heinrich Wünsche in Reichenberg. –
Die Architekten wurden auf der Baustelle in umsichtiger Weise durch die Hrn. Arch. August Kraus (von Marz bis November 1897) und Marde Hertling (von da bis zur Fertigstellung) vertreten.
Die Errichtung des neuen Gebäudes des Nordböhmischen Gewerbemuseums in Reichenberg darf von uns Deutschen im Reich in mehr als einer Beziehung als eine stolze, tapfere That betrachtet werden. In mehr als einer Beziehung sind die Männer, die in hartem Ringen und emsigem Schaffen sammelten und sorgten, um in dem neuen Hause eine bis in ferne Jahrhunderte dauernde geistige Wehr im nationalen Kampfe, eine unbesiegbare Burg deutscher Kraft und deutschen Volksthumes im starken deutschen Lande zu schaffen, aus dem Grau des Alltages in den Feuerschein der Geschichte herauszuheben. Vor allem glänzen da die Namen Heinrich von Liebieg und Willy Ginzkey. Was sie geleistet und noch leisten werden, was unter ihrer Führung eine Gruppe durch Edelsinn ausgezeichneter Männer in Rath und That geschaffen, das dauert ewig in der Geschichte der leidenschaftlichen nationalen Kämpfe des unglücklichen und doch so reichen Landes Böhmen. Und ewig wie diese Verdienste dauere auch das Haus. Es sei die Stätte der reinen und unvergänglichen Kunst, deren milder Einfluss den Kampf stillt und die Leidenschaften dämpft. Es sei fest gegründet gegen slavischen Ansturm, es stehe stark im Streite der Meinungen, es trotze den Strömungen des Tages. Es bleibe immerdar eine Stätte deutschen Geistes und deutscher Gesittung.
Dieser Artikel erschien zuerst am 16.12.1899 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Albert Hofmann“.