Die Feuersicherheit in den Berliner Theatern

Von Fritz Leybold, Königlicher Brandmeister, Berlin. Wie dringend notwendig und durchaus erforderlich alle Maßnahmen zur Verhütung von Feuersgefahr im Theater sind, braucht im Hinblick auf die zahlreichen mit mehr oder weniger Verlusten an Menschenleben verbundenen Theaterbrände, selbst aus jüngster Zeit, nicht erst erörtert zu werden.

Die furchtbare Katastrophe des Wiener Ringtheaterbrandes am 9. Dezember 1881, wobei über 450 Personen ihr Leben einbüßten, der Brand der Opera Comique am 25. Mai 1887, bei dem 160 Menschen umkamen, und der Brand der Comedie Francaise zu Paris am 8. März 1900, sowie der Brand der Stadttheater in Stuttgart und in Barmen aus allerjüngster Zeit sind noch frisch in aller Gedächtnis.

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Es wird daher für weite Kreise von Interesse sein, zu erfahren, welche Maßnahmen ergriffen worden sind, um in Berliner Theatern die Feuersgefahr möglichst herabzumindern, und welche Vorkehrungen man getroffen hat, um einem etwa im Bühnen- oder Zuschauerhaus ausgebrochenen Brand wirksam entgegentreten zu können.

Bühnenposten mit Löschdecke, Axt und Laterne
Blick in den Zuschauerraums durch die Thür im eisernen Vorhang

Zufolge der Polizeiverordnung vom 31. Oktober 1889 sind umfassende Vorschriften für die innere Einrichtung von Theatern, Zirkusgebäuden und öffentlichen Versammlungsräumen, sowie für Neubauten und Umbauten von Theatern im Stadtkreis Berlin erlassen, die darauf hinzielen, eine möglichst massive Bauart zu sichern. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß fast alle Berliner Theater bereits vor dem Jahr 1889, also vor dem Inkrafttreten dieser Polizeiverordnung, erbaut worden sind. Es ist jedoch beständig darauf hingewirkt worden, nach Möglichkeit den in obiger Polizeiverordnung geforderten Grad von feuersicherer Bauart zu erreichen.

Die Umfassungswände eines Theatergebäudes, die Trennungswand zwischen Bühnen- und Zuschauerhaus, sowie die Wände, die Treppen umschließen, müssen aus Steinen, die inneren Scheidewände, mit Ausnahme der Trennungswände zwischen den Logen, müssen ebenfalls aus Steinen oder aus anderm unverbrennlichen Material hergestellt sein. Das äußere Deckmaterial der Dächer von Zuschauer- und Bühnenhaus muß gegen Uebertragung eines Feuers von außen her sicheren Schutz gewähren. Die Fußböden der Flure, Vorsäle und Korridore müssen aus unverbrennlichem Material bestehen. Desgleichen sind aus unverbrennlichem Material herzustellen: die Decken der Durchfahrten, Flure, Korridore und Treppenräume. Vor allem ist der Breite, der Zahl und der Art der Treppen und der Ausgänge ein Hauptaugenmerk geschenkt. Alle Berliner Theatergebäude sind mit Blitzableitern versehen. An den Außenfronten und in den Höfen sind eiserne, in einer Höhe von 3 bis 4 Meter über dem Fußboden beginnende Leitern angelegt, die sowohl als Angriffswege für die Feuerwehr, als auch als Not- und zweite Rückzugswege für das Theaterpersonal dienen sollen. Um einer Ueberfüllung der Theater vorzubeugen, wird die zulässige höchste Personenzahl, die Breite und die Anzahl der Sitze und der Abstand der Reihen voneinander, sowie deren Zahl von der Polizeibehörde nach bestimmten Grundsätzen festgestellt. Die Breite der Gänge im Zuschauerraum und die Anzahl und Breite der auf die Korridore führenden Thüren ist nach dem Verhältnis von 1 Meter für 70 Personen bemessen. Die Ausgänge müssen mit großer Schrift als solche kenntlich gemacht sein, und die nächsten Wege zu den Ausgängen sind durch Richtungspfeile an den Wänden bezeichnet. Alle Thüren müssen nach außen aufschlagen; an den Hauptausgängen sind in der Regel sogenannte Pendelthüren angebracht, die, geöffnet, festgestellt werden können. Die Verschlüsse der Thüren müssen derartig eingerichtet sein, daß sie durch einen einzigen Griff von innen leicht zu öffnen sind. Das Bühnenhaus ist vom Zuschauerhaus durch eine massive Wand getrennt, während die Bühnenöffnung, wenn nicht gespielt wird, beständig durch einen eisernen Vorhang geschlossen ist. Auch während des Spiels kann durch einen Handgriff der eiserne Vorhang sofort herabgelassen werden, um bei Bühnenbränden den Feuerherd wenigstens so lange vom Zuschauerraum abzuschließen, bis das Publikum sich entfernt hat. Derartige eiserne Vorhänge sind nach dem Brande des Wiener Ringtheaters nicht nur in Berlin, sondern fast in ganz Deutschland eingeführt worden. In Berlin bestehen diese Schutzvorhänge aus starkem Eisenwellblech; sie sind in Bezug auf leichte Gangbarkeit einer ständigen Kontrolle unterworfen. Die zwei Bewegungsvorrichtungen für diese Schutzvorhänge sind so angeordnet, daß der eiserne Vorhang einmal von der Bühne aus herabgelassen werden kann, während die zweite Vorrichtung an einer solchen Stelle angebracht sein muß, daß sie auch bei einem Brand auf der Bühne noch sicher erreicht werden kann. In diesen eisernen Vorhängen befinden sich in der Regel eine oder zwei kleine Thüren, um Verspäteten, vom Feuer Abgeschnittenen oder dem Löschpersonal den Durchgang zu ermöglichen; diese kleinen Thüren müssen selbstthätig schließend eingerichtet sein. Die Treppenpodeste, Flure und Korridore müssen von jeder Behinderung des Verkehrs freigehalten werden, d. h., es dürfen darauf weder Möbel, noch Requisiten, noch sonstige den Weg versperrende Gegenstände sich befinden.

Notbeleuchtung mit zwei Glühlampen
Notbeleuchtung mit Kerzenlicht
Elektrischer Alarmapparat in den Königlichen Theatern zu Berlin

Die Beleuchtung der größeren Theater darf nur durch elektrisches Licht geschehen, die Verwendung von Gas oder von Mineralölen zu Beleuchtungszwecken ist unstatthaft. Hierbei muß die Beleuchtung des Bühnenhauses sowohl als auch des Zuschauerraumes derartig eingerichtet sein, daß selbst bei Störungen im Betrieb ein völliges Dunkelwerden in beiden Räumen nicht eintreten kann. Außerdem befindet sich in allen Teilen des Zuschauerhauses und des Bühnenhauses, auf den Korridoren, Fluren und Treppen eine Notbeleuchtung, zu der nur Kerzen oder Oellampen verwendet werden dürfen. sie sind in geeigneter Weise gegen das Verlöschen durch Zugwind oder Rauch gesichert. Da dieser noch ziemlich primitiven Art der Notbeleuchtung große Mängel anhaften, hat man eine elektrische Notlampe konstruiert, die diese Uebelstände völlig beseitigt. Eine solche Notlampe darf aber nicht durch besondere Leitungen etwa von einer Akkumulatorenanlage aus gespeist werden, sondern sie muß ihre Lichtquelle unmittelbar bei sich haben, so daß Leitungen, die durch Feuer zerstört werden könnten, überhaupt nicht nötig sind. Der wesentlichste Punkt aber, auf den es bei Benutzung von elektrischen Notlampen besonders ankommt, ist, daß das Aufsichtspersonal in die Lage gebracht wird, beständig und sofort feststellen zu können, ob und wieviel Strom der Apparat enthält. Bei derartigen Notlampen ist es also völlig ausgeschlossen, daß durch einen Defekt an einem Apparat oder an Leitungen etwa auch die andern Apparate in Mitleidenschaft gezogen werden, und es ist somit der großen Gefahr vorgebeugt, die dadurch entsteht, daß bei einem größeren Brand die Zuschauer oder die Darsteller in die Lage versetzt würden, das Theater im Dunkeln verlassen zu müssen. Alljährlich haben die Berliner Theaterdirektionen an das Königliche Polizeipräsidium Atteste darüber einzureichen, ob ihre elektrischen Anlagen sich in tadellosem Zustand befinden, oder ob Mängel vorhanden sind, auf deren Beseitigung sofort Bedacht genommen wird. Ferner wird jedes Berliner Theater alljährlich in den Ferien in allen seinen Räumen einer gründlichen Reinigung unterzogen.

Der Zuschauerraum und die Bühne dürfen nur durch Zentralheizung erwärmt werden. Der Zuschauerraum ist an der Decke mit einer Luftabzugsöffnung versehen, während an den Treppenräumen und Korridoren genügende Lüftungseinrichtungen angebracht sein müssen. Ueber der Bühne befinden sich die sogenannten Rauchklappen, die bei einem etwa auf der Bühne aus gebrochenen Brand den Rauch abziehen lassen sollen; sie können von der Bühne aus von unten geöffnet werden.

Antreten der Theaterfeuerwache
Theaterlöschbrause

Jedes Berliner Theater ist an die städtische Wasserleitung angeschlossen und mit einer vollständigen Feuerlöscheinrichtung ausgerüstet. Diese besteht aus einem weitverzweigten Rohrsystem mit Feuerhähnen, Schläuchen, Stahlrohren u. s. w. Die Einrichtungen dürfen zu Feuerlöschzwecken und nicht anderweitig benutzt werden. Damit ihre jederzeitige Gebrauchsfähigkeit sicher gewährleistet wird, unterstehen sie einer beständigen Kontrolle durch die Organe der Königlichen Feuerwehr.

Die Bühne eines jeden größeren Berliner Theaters ist mit einer Regenvorrichtung versehen, die, aus einem System zahlreicher durchlöcherter Kupferrohre bestehend, unter dem Schnürboden über der Bühne angebracht ist und ihr Wasser durch große Speiserohre von der städtischen Wasserleitung erhält. Die Zuleitung zu den Regenrohren darf weder mit jener zu den sonstigen Feuerlöscheinrichtungen des Theaters, noch mit der Wirtschaftsleitung in Zusammenhang stehen, sondern muß direkt an das Straßenrohr angeschlossen sein. Die Zahl und Weite der Regenlöcher muß so bemessen sein, daß die Regenwirkung ergiebig ist und einem starken Platzregen gleichkommt. Um die Zeit vom Oeffnen des Ventils bis zur Wassergabe möglichst abzukürzen, ist Vorkehrung getroffen, daß die Wassersäule in dem Steigerohr über dem Ventil bis etwa 10 Zentimeter unterhalb des Anschlusses der Regenrohre steht. Die Anordnung der Ventile muß derartig sein, daß eins auf der Bühne angebracht ist und ein zweites außerhalb der Bühne an einer Stelle sich befindet, die bei einem Brand auf der Bühne noch sicher erreichbar ist. Um das gute Funktionieren der Regenvorrichtung zu sichern, wird sie täglich vor der Vorstellung von dem Wachhabenden der Feuersicherheitswache und alljährlich während der Spielpause durch die Königliche Feuerwehr einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Das Rauchen ist in den Berliner Theatern polizeilich verboten, mit Ausnahme derer, die ihrer Bauart nach als Versammlungsräume mit Podium angesehen werden; doch dürfen diese sodann nur unverbrennliche Dekorationen (aus Blech oder Asbest) in Gebrauch nehmen, während besonders die größeren die Bedingungen für die eigentlichen Theater in Bezug auf Regenvorrichtungen, Notbeleuchtung, Feuersicherheitswache, Alarmeinrichtungen, Feuermelder u. s. w. ebenfalls erfüllen müssen.

Teil einer Bühnenöffnung mit hochgezogenem eisernen Vorhang
Löschdecke im Gebrauch

Um zu verhindern, daß etwa bei einem Brand Schauspieler, Ankleidefrauen u. s. w. in den Garderoben vom Feuer abgeschnitten werden, hat man elektrische Alarmeinrichtungen angebracht, die von der Bühne aus gleichzeitig sämtlich in Thätigkeit gesetzt werden können.

In den Berliner Theatern wird während der Vorstellung seitens der Königlichen Feuerwehr eine Feuersicherheitswache gestellt und zwar je nach der Größe des Theaters und je nach der Art der in dem betreffenden Stück vorkommenden feuergefährlichen Handlungen in der Stärke von 1 Mann bis zu 1 Oberfeuermann und 5 Mann. Es werden während der Hauptspielzeit in 20 Berliner Theatern gleichzeitig täglich Feuersicherheitswachen gestellt, deren Gesamtstärke 18 Oberfeuermänner und 37 Feuermänner beträgt. Bei der Vornahme feuergefährlicher Handlungen werden die Wachen noch entsprechend verstärkt. Diese Wachen werden seitens der zuständigen Offiziere durch unerwartete Revisionen kontrolliert. Die Mannschaften für die Feuersicherheitswachen können nicht aus der allgemeinen Wachbereitschaft gestellt werden, sondern es müssen hierzu dienstfreie Mannschaften herangezogen werden. Selbstverständlich sind die Feuersicherheitswachen mit eingehenden Instruktionen über ihr Verhalten beim Ausbruch eines Feuers versehen, und zu Wachhabenden werden nur Oberfeuermänner und durchaus zuverlässige Feuermänner kommandiert.

Jedes Berliner Theater ist vermittelst eines automatischen, elektrischen Feuermelders mit der nächsten Wache der Königlichen Feuerwehr verbunden. Es befindet sich in der Regel ein Meldeapparat auf der Bühne und ein zweiter im Kassenflur am Eingang des Theaters.

Wird von einem Berliner Theater aus Feuer gemeldet, so wird diese Meldung sofort telegraphisch als Mittel- oder Großfeuer an die 15 Berliner Feuerwachen weitergegeben, die hierdurch sämtlich gleichzeitig alarmiert werden, so daß in kürzester Zeit ein großes Aufgebot von Löschhilfe zur Stelle ist. In den in Buchform auf den Fahrzeugen der Königlichen Feuerwehr mitgeführten Brunnen- und Hydrantenverzeichnissen befinden sich Situationspläne sämtlicher Berliner Theater mit Angabe der nächsten Brunnen, Hydranten und Wasserläufe unter gleichzeitiger Angabe der Löschzüge, die daran anzulegen haben. Während der Fahrt zur Brandstelle informiert sich bereits der Führer des zu einem Theaterbrand ausrückenden Löschzuges, wo sein Zug anzufahren, wo er Wasser zu entnehmen, und von wo aus er anzugreifen hat.

Für den Fall, daß auf der Bühne ein Feuer entsteht, sind umfassende Vorkehrungen getroffen. An mehreren Stellen befinden sich Wasserstöcke mit Schläuchen und Stahlrohren, mit denen sofort Wasser gegeben werden kann. Die Feuersicherheitswache hat ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß diese auf der Bühne befindlichen Feuerlöschgeräte stets gebrauchsfertig sind und nicht etwa durch Requisiten oder Dekorationen verstellt werden. Trotzdem die Gewänder von Tänzerinnen u. s. w. vielfach imprägniert sind, ist es dennoch nicht ausgeschlossen, daß durch irgendeinen unglücklichen Zufall Kostüme Feuer fangen. Um diese Flammen sofort ersticken zu können, sind die Männer der Feuersicherheitswache mit Löschdecken ausgerüstet, und neuerdings gelangen zu dem gleichen Zweck in allen Berliner Theatern Löschbrausen zur Einführung.

So ist alles menschliche Wissen und Können angewandt, um die Schrecken eines Theaterbrandes bei besetztem Hause zu bannen, dazu bedarf es aber auch der Mitwirkung aller Personen, die in den Theatern überhaupt zu thun haben. An die besonnenen Männer und Frauen des Theaterpublikums aber richte ich die ernste Mahnung, in kritischen Augenblicken durch verständiges Handeln dazu beizutragen, um eine Panik zu bannen, jenes Schreckgespenst, dem schon viele Hunderte von Menschenleben zum Opfer gefallen sind und das fast stets aufzutauchen pflegt, wenn die Flammen in einem Theater emporzüngeln.

Dieser Artikel erschien zuerst am 04.10.1902 in Die Woche.