Außerordentlich reich an selten großen Stämmen der Douglastanne, Weißfichte, Riesenzeder und Sequoye sind die Waldungen der Staaten Washington und Oregon, die ihre Millionenvermögen hauptsächlich ihrem längst zu Weltruf gelangten, schier unerschöpflichen Holzbestand verdanken.
Die Oregontanne liefert das vorzüglichste Material zum Schiffbau. Nansens stattlicher Dampfer „Fram“, der dem ungeheuren Druck der ihn einschließenden Eismassen so tapferen Widerstand zu leisten vermochte, wurde aus dem Holz jener Urwaldriesen gebaut. Zu den Eisenbahnen wie zu den Gold- und Diamantenminen Südafrikas sind fast ausschließlich Tannenstämme aus dem wilden Westen verwendet worden. Australien weiß ebenso wie Europa seit vielen Jahren die unvergleichliche Beschaffenheit jenes Holzes zu schätzen, und ganz kürzlich hat auch China große Bestellungen an die Sägemühlen am Pugetsund und am Kolumbiafluß ergehen lassen.
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Es ist keine leichte Arbeit, diese Baumriesen zu fällen, die einen Durchmesser von mindestens zwei bis fünf Metern aufweisen und deren erster Ast oft fünfzig Meter über dem Boden ansetzt. Kraftstrotzende, stattliche Bursche sind es, die als „loggers“ in den Tiefen der nordamerikanischen Urwälder ein gesundes Leben führen. Unter der Leitung eines Aufsehers arbeitet gewöhnlich eine Schar von zwölf bis fünfzehn Baumfällern. Sobald der Baum zum Fällen ausgewählt ist, wird in einiger Entfernung vom Boden an jeder Seite eine Art Sprungbrett in den Stamm getrieben. Auf diesen Brettern stehen die Leute und gebrauchen eifrig Säge und Axt, bis die mächtige Krone zu zittern und zu schwanken beginnt. Auf den Warnungsruf des Aufsehers verlassen die Fäller eilig ihren gefährlichen Standpunkt und bringen sich mit den Kameraden in Sicherheit. Ganz langsam neigt der Koloß sich nun auf eine Seite; bald aber sinkt er schneller und schneller, bricht dann mit lautem Krachen durch das Unterholz und schlägt endlich mit furchtbarer Gewalt auf den Erdboden auf.
Unser Bild S. 1024 zeigt im Hintergrund eine Oregontanne von zweieinhalb Metern Durchmesser, deren Stamm fast bis zur Hälfte durchhauen ist. In der klaffenden Höhlung hat ein Arbeiter es sich bequem gemacht. Außerdem sehen wir auf dem Bild einen bereits gefällten und von Aesten und Rinde befreiten Baum, den man eben fortschleifen will. Um die roh zugerichteten Stämme zu den meist sehr entlegenen Sägemühlen zu schaffen, legt man durch den Wald entweder einen Schienenweg, auf dem eine Lokomotive das Holz hinter sich herschleppt, oder man begnügt sich mit einem Plankenpfad, über den ein Gespann von acht bis zehn Ochsen die gewaltigen Stämme ziehen muß. Die Anlage eines solchen „Scheitgleises“ ist mit vieler Muhe und daher mit nicht unbedeutenden Kosten verknüpft. Die in Zwischenräumen von wenigen Fuß in die Erde gerammten starken Planken ragen etwa drei Zoll aus dem Boden hervor. Nicht selten ist ein solcher „skid road“ mehrere englische Meilen lang. Er führt direkt zu einer Schneidemühle oder bis zur nächsten Wasserstraße. Wo Wasser in der Nähe ist, geht der Transport der ungelenken Stämme natürlich einfacher, bequemer und zugleich viel schneller von statten.
Während des vergangenen Sommers wagte man den Versuch, hunderte zu einem einzigen gewaltigen Floß vereinigte Stämme mit einem Schleppdampfer durch den Pugetsund und die San Juan de Fucastraße ins offene Meer hinaus und an der Küste entlang bis nach dem nahezu 1000 englische Meilen entfernten San Francisco zu bugsieren. Das ziemlich gefährliche Unternehmen hatte so guten Erfolg, daß dem ersten Riesenfloß bereits mehrere andere gefolgt sind.
Das Ozeanfloß, das meist aus dem Rohmaterial für Pfahlwerk und Schiffsmasten besteht und Stämme in einer Gesamtlänge von 500 000 Fuß umfaßt, wird ungefähr in der Form einer gigantischen Zigarre zusammengefügt. Ein Stamm liegt dich neben dem anderen, und zwar sind sämtliche Enden mit kleinerem Durchmesser nach vorn gerichtet, damit der schwimmende Koloß leichter das Wasser durchschneidet. Das Ganze wird von zahlreichen starken Eisenketten zusammengehalten, wie aus unserm Bild deutlich zu erkennen ist.
Den Waldungen von Oregon und Washington ist es noch kaum anzumerken, daß man ihnen Holz im Wert von Millionen und aber Millionen Dollars bereits entnommen hat. Doch Statistiker suchen es zu beweisen, daß in nicht zu ferner Zeit der letzte aus dem vergangenen Jahrtausend stammende Urwaldriese verschwinden wird, wenn die Baumfäller mit ihrer Arbeit so fortfahren, wie es jetzt geschieht.
Dieser Artikel erschien zuerst am 03.06.1901 in Die Woche, er war gekennzeichnet mit „American“.