Zur Saalbau-Frage in Heidelberg

Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg

Die in frischem Aufblühen befindliche, vortrefflich verwaltete Stadt Heidelberg sieht sich der Nothwendigkeit gegenüber, mit einem Aufwande von rd. 1 Mill. Mark einen Saalbau zu errichten, in welchem das gesellschaftliche und öffentliche Leben der schönen Musenstadt am Neckar seinen Mittelpunkt findet.

Ein Saalbau nun ist an und für sich keine so bedeutende Bauaufgabe, dass weitere Kreise, als sie die Einfluss-Sphäre von Heidelberg umfasst, mit ihr sich zu beschäftigen Veranlassung hätten, wenn nicht der inrede stehende Saalbau auf einem Platze errichtet werden sollte, auf welchem er im Stadtbilde von Heidelberg, wie es sich vom rechten Neckarufer aus mit der wunderbaren Bekrönung durch das Schloss darstellt, eine wesentliche Rolle spielte. In der Sitzung des Heidelberger Bürger-Ausschusses vom 27. Juli d. J. wurden einstimmig nicht nur der Saalbau selbst, sondern auch seine Errichtung auf dem Jubiläumsplatze am Neckar, nach dem Lageplane S. 434 genehmigt.

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Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg - Lageplan
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg – Lageplan

Die Wahl dieses Platzes darf in fast jeder Beziehung als eine ausserordentlich günstige und glückliche bezeichnet werden, denn die Lage für den Saalbau ist sowohl eine zentrale, den Bedürfnissen und Wünschen sämmtlicher Bewohner, wie sie bei grossen Kongressen oder Festen in die Erscheinung treten, Rechnung tragende, und die Forderungen des Verkehrs zu Land und zu Wasser befriedigende, wie auch eine ästhetisch günstige, denn sie lässt den Saalbau, das bedeutendste städtische Bauwerk nach dem Rathhause, auch im Stadtbilde zu einer seiner Bedeutung entsprechenden Mitwirkung kommen. Dieses Stadtbild schwebt allen, die Heidelberg kennen, als eines der schönsten der deutschen Städtebilder vor. In ihm verwalten die städtischen Körperschaften von Heidelberg einen Kunst-Besitz, der nicht ein alleiniges Eigenthum von Heidelberg ist, sondern an welchem die gesammte Kunstwelt ein ideales Besitzrecht hat. Und da Rechte auch Pflichten voraussetzen, so haben sowohl die leitenden Kreise von Heidelberg, wie diese Kunstwelt die Pflicht, diesen idealen Besitzstand vor allen Schäden zu behüten. Solche Schäden drohen ihm nach unserer Ansicht durch die Errichtung des beabsichtigten Neubaues, der in der beistehenden Form die Genehmigung der Bürgerschaft erhalten hat. Wir haben dieser Befürchtung schon S. 388 Ausdruck gegeben und ergänzen heute das Wort durch das Bild, um die weitesten Kreise für die Angelegenheit, welche keine örtliche mehr ist, zu interessiren.

Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg

Wir haben bereits ausgeführt, dass der Grundriss, abgesehen von kleinen Aenderungen, die sein organisches Gefüge nicht berühren, in seiner Gesammtanlage der Bestimmung des Bauwerkes wohl entspricht; der Aufbau bleibt aber doch recht erheblich hinter dem zurück, was der genius loci im Allgemeinen und die Baustelle im Besonderen verlangen. Der Zufall will es, dass uns in dieser Nummer die Möglichkeit gegeben ist, zu zeigen, wie wir etwa – keineswegs unter Ausschluss anderer Lösungen den allgemeinen Charakter des Baues uns denken könnten.

Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg - Erdgeschoss
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg – Erdgeschoss
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg - Obergeschoss
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg – Obergeschoss

Die durch Franz Thyriot in der Augustinerschule zu Friedberg zum Ausdruck gebrachte schlichte deutsche Art mit ihrer poesievollen Gestaltungsmöglichkeit, das ist ungefähr das, was wir für den Heidelberger Jubiläumsplatz wünschten. Das zu erreichen, ist es noch nicht zu spät. Freilich drängt die Zeit, da das Bauwerk 1903 vollendet sein soll; indessen: wo ein Wille ist, da ist ein Weg. Ob ein neuer Entwurf im Wege der unmittelbaren Uebertragung oder des engeren Wettbewerbes gewonnen wird, ist gleichgiltig und hängt von den näheren Verhältnissen ab. Es braucht dabei die für die Arbeiten in Aussicht genommene Firma keineswegs in ihren Interessen benachtheiligt zu werden, denn eine Zusammenarbeit des Bauunternehmers und des Baukünstlers ist wohl ohne Schwierigkeit möglich. Auch die Vorbereitungsarbeiten brauchen nicht zu ruhen und was die Baukostenfrage anbelangt, so dürften sich die Ausgaben bei der Wahl eines einfacheren, aber künstlerisch werthvolleren Entwurfes eher verringern als erhöhen, denn der hier dargestellte Entwurf enthält doch einen ziemlichen Aufwand an architektonischen Ausdrucksmitteln und an Material.

Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg
Entwurf zu einem Saalbau in Heidelberg. Architekten Henkenhaf & Ebert in Heidelberg

Alles in allem: wir legen der Heidelberger Stadtverwaltung die vorstehenden Erwägungen in dem Vertrauen vor, dass sie, auf die Verhältnisse aufmerksam gemacht, gerne mit dazu beitragen wird, den idealen Schatz künstlerischer Ueberlieferung, der ihr zur Verwaltung überliefert wurde, ungeschmälert zu erhalten. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 31.08.1901 in der Deutsche Bauzeitung.