(Nach einem im Hamburger Arch.- u. Ing.-Verein von Hrn. Ing. Paul Klanke gehaltenen Vortrage.)
Am Pfingstmontag 1898 brach infolge einer Gasausströmung in dem auf der Uhlenhorst nächst der Gasfabrik gelegenen Eisenwerke ein heftiger Brand aus, der Dank dem energischen Eingreifen der erst spät zu Hilfe gerufenen Feuerwehr unter Verwendung von 5 Dampfspritzen auf die 60 m lange und 25 m breite dreischiffige Dreherei beschränkt werden konnte.
Im Gegensatze zu den gänzlich deformirten Walzeisenträgern zeigten die zahlreichen aufeinander gesetzten Gusseisensäulen ein tadelloses Verhalten im Feuer, von dem auch das starke Holzgebälk nur theilweise zerstört wurde. Als vorzüglich widerstandsfähig erwiesen sich die aus Rabitzputz bestehenden, der Gluth stark ausgesetzten Seitenwände sammt Decke des auf der Werkstatt-Gallerie eingebaut gewesenen Zeichensaales, dessen Holzfussboden mit Asphaltguss belegt war.
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Nächste Folge des von den Versicherungs-Gesellschaften mit rd. 600 000 M. beglichenen Schadens war eine schwer empfundene Betriebs-Störung, die besonders dadurch vergrössert wurde, dass die Privat-Versicherungs-Gesellschaften sich wenig entgegen kommend zeigten. Mit dem Wiederaufbau konnte erst nach 3 Monaten begonnen werden, weshalb die Fabrikleitung genöthigt war, so rasch wie irgend möglich Anstalten zu treffen, welche die Wiederaufnahme des Betriebes, wenn auch nur in nothdürftiger Weise, gestatteten.
Hierbei war es von Vortheil, dass man auf dem nachbarlichen, erst wenige Wochen vor dem Brande erworbenen Grundstücke sofort Nothbauten errichten und bald beziehen konnte, und dass die vom Feuer verschont gebliebenen Werkstätten sich sehr wohl zur provisorischen Unterbringung der Dreherei und der Montage eigneten. Immerhin bedurfte es der kräftigen und bereitwilligst geleisteten Unterstützung befreundeter Firmen, um mit der Lieferung der durch das Feuer vernichteten oder in ihrer Vollendung verzögerten bestellten Arbeiten nicht allzusehr in Rückstand zu kommen.
Beim Wiederaufbau erfuhr das Eisenwerk, dessen jetzige Anlage der Gesammt-Grundriss u. die Schnitte zeigen, eine wesentliche Erweiterung, vor allem durch die Dreherei und Werkzeugmacherei, die grosse Montage-Halle, das Modellhaus usw., durch deren bauliche Herstellung sich die Architekten Stammann und Zinnow, wie der Generalunternehmer Th. Ed. Radel den Dank ihrer Auftraggeber erwarben. Die grösste Schwierigkeit bot die Beschaffung neuer tadelloser Werkzeug-Maschinen. Da das Inland in dieser Beziehung angesichts der obwaltenden Ueberlastung fast ganz versagte, so war man vorwiegend auf den Bezug aus dem Auslande, namentlich aus Nord- Amerika und Oesterreich, angewiesen. Die Maschinen waren recht theuer, aber mit ihren Leistungen hat man allen Grund zufrieden zu sein.
Die neue Dreherei (im Plan mit No. 2 bezeichnet) ist auf den Grundmauern der alten wieder aufgebaut; auch der vor dem Brande schon vorhandene, als Materialien-Magazin dienende Keller konnte, nachdem es gelungen war, einen Einspruch der Baupolizei beizulegen, in der früheren Höhenlage beibehalten werden.
Die 60/25 m messende, in der Mitte 13,80 m hohe dreischiffige Halle mit 5 m über Erdgeschoss liegenden Seiten-Gallerien ist lediglich seitlich beleuchtet (s. Schnitt a-b und innere perspektivische Ansicht) und ihr Mittelschiff wird von 2 über die ganze Länge reichenden Laufkrähnen bestrichen. In der ganz neuen, ebenfalls dreischiffigen, aber nicht unterkellerten 60/27,5 m messenden Montage-Halle (vergl. Grundriss No. 24 und Schnitt e-f) fehlen die Seiten-Gallerien, dagegen sind hier Mittel- und Seitenschiffe von kräftigen Laufkrähnen bestrichen. Die hohen Arbeitslöhne, mit denen man in Hamburg zu rechnen hat, liessen es vortheilhaft erscheinen, bei der Gesammt-Anlage, wie bei der Werkzeugmaschinen-Beschaffung und der Anordnung der Vertikal- und Horizontal- Transporte dafür zu sorgen, dass die Zahl der Arbeiter thunlichst klein gehalten werden kann. Daher sind imganzen 13 Laufkrähne – eine sonst selten grosse Zahl – angeordnet, die Gleise auf den Höfen besonders sorgfältig hergestellt und die Werkzeugmaschinen so gewählt, dass die Handarbeit ausgeschlossen ist, soweit es mit Vortheil geschehen konnte.
Für die Neuanlagen wurden die bisherigen Dampfmaschinen durch elektrische ersetzt, wobei zwei kräftige, in den Zentralen aufgestellte Dampf-Dynamos Strom von 220 Volt Spannung auf 17 in den verschiedenen Werkstätten vertheilte Sekundär-Maschinen abgeben. Von letzteren dienen 7 nicht zum Antriebe einzelner Maschinen, sondern ganzer Maschinen-Gruppen. Vier davon befinden sich in der Dreherei, je eine in der Holzbearbeitung, der Schmiede- und der Montagehalle, der Rest, nämlich 10 Sekundär-Dynamos, dient zum Betriebe der elektrischen Laufkrähne. Nach Bedarf sollen später auch die grösseren Werkzeug-Maschinen von der Transmission unabhängig gemacht und mit Einzel-Motoren ausgerüstet werden.
In der elektrischen Zentrale sind ausserdem zwei Dampf-Dynamos von 20 bezw. 30 H.P. aufgestellt, welche Strom von nur 110 Volt Spannung erzeugen für Zwecke der Beleuchtung, aber auch zum Speisen der Akkumulator-Batterie von 452 Amperestunden-Leistung. Zur Hof- und zur allgemeinen Beleuchtung dienen vorerst 32 Stück 6 Ampere-Bogenlampen, ausserdem sind 650 Glühlampen auf die verschiedenen Werkstätten und Bureaux vertheilt, endlich werden 2 von Uhrwerken bewegte Bogenlampen zur Herstellung von Lichtpausen verwendet.
Die Heizung der sämmtlichen Werkstätten geschieht durch Abdampf, im Bedarfsfalle unter Zumischung von frischem Kesseldampf, während für die Geschäftsräume im Verwaltungs-Gebäude eine Niederdruck-Dampfheizung (System Bechem und Post) angeordnet ist. Die Wasserversorgung der Dampfkessel und der 28 über das ganze Eisenwerk-Gebiet vertheilten Feuerlösch-Hydranten erfolgt von einem eisernen Hochreservoir aus, das im Nothfalle auch von den städtischen Wasserwerken gefüllt werden kann. Zwei Flachbrunnen liefern einwandfreies Trinkwasser für die Arbeiter.
Durch achtzig in den Werkstatt-Räumen vertheilte, in Gruppen von sechs und mehr zusammengestellte Waschbecken, die von dem Hochreservoir aus gespeist werden, ist für die Reinlichkeit der Arbeiter gesorgt. Bei jeder Gruppe dieser Becken ist eine Kleiderablage mit Schirmständern angeordnet.
Ein nicht vom Hofraume der Fabrik, sondern nur von der Strasse aus zugänglicher Speisesaal befindet sich im Erdgeschoss des Modellgebäudes (s. Plan bei No. 27). Da die Mittagspause 1 ½ Stunden dauert, so ist derselbe nur für etwa den vierten Theil der 450 Arbeiter des Eisenwerkes eingerichtet. Er besitzt einen Wärmeschrank für zugebrachte Speisen und einen Kaffeekoch-Apparat. Die Pflasterbefestigungen der Hofräume zwischen den Werkstattgebäuden sind mit ausgedehnten Gleise-Anlagen durchzogen.
Die Kosten des Wiederaufbaues und der Erweiterung haben etwas über 1 Mill. M. betragen, wovon etwa ein Viertel auf neue Werkzeug-Maschinen entfällt.
Schliesslich mögen die grossen Härten nicht unerwähnt bleiben, die sich gelegentlich der Verhandlungen mit den Privat-Versicherungs-Gesellschaften aus deren „Allgemeinen Bestimmungen“ ergaben, auf deren Beseitigung aber angesichts des festgeschlossenen Ringes der Gesellschaften wenig Aussicht vorhanden ist.
Dieser Artikel erschien zuerst am 27.01.1900 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Gstr.“.