Das Künstlerhaus in München

Ansicht vom Maximiliansplatz aus gegen die Synagoge und die Frauenkirche

Architekt: Professor Gabriel von Seidl in München.
In den letzten Tagen des März des vergangenen Jahres sah München inmitten tiefen Schnees ein Stück venetianischen Lebens aus der glänzendsten Vergangenheit dieser Ana-dyomene der Adria.

Die Pforten des neuen Künstlerhauses hatten sich geöffnet, seine feierliche Einweihung wurde mit grossem festlichen Gepränge begangen und ein Denkmal der Baugeschichte Münchens unserer Tage seiner Bestimmung übergeben. Ueber seine Treppen, durch seine Säle fluthete eine in farbige Pracht gekleidete Menge in tizianischer Ueppigkeit und Schönheit der Erscheinung. Es war ein Fest, wie es München selten noch gesehen hatte, ein Fest, mit welchem das schöne Gebäude seinem eigentlichen Zwecke zugeführt wurde, denn das prächtige Haus ist ein Festhaus, weit hinausgewachsen über seine ursprüngliche Bestimmung, lediglich ein geselliges Heim für die Künstlerschaft von Isarathen zu werden.

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Es wurde ein Prunkpalast, in dem die künstlerischen Feste eine geweihte Stätte finden konnten. Man hat sich in jenen Tagen des bitteren Streites über die Bestimmung und den Besitz des Hauses eines um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts geschriebenen Wortes Diderots erinnert, nach welchem der Sinn für die schönen Künste die Verachtung des Geldes, Sorglosigkeit für häusliche Angelegenheiten, eine gewisse Störung in der Gedankenthätigkeit, einen Hang zum Ungewöhnlichen und zum Ueberschwänglichen voraussetze. Man hatte sich dieses Wortes gern erinnert und es als Kampfmittel in den Streit geworfen zur Widerlegung der gegnerischen Ansichten, deren Urheber sich zu jener Partei bekannten, von der wiederum Diderot sagte, sie halte gelehrte Abhandlungen, sie prüfe, sie fühle wenig, vernünftele viel und messe alles gewissenhaft an dem Maasstabe der Logik. In der That, durch diese Konstruktion des Gegensatzes ist das Wesen der grossen Kunst, die in überwältigendem Reichthum ihr Füllhorn ausschüttet und damit ein Zeichen ihrer Macht giebt, trefflich charakterisirt. Man fühlte diese Macht, man erkannte durch die Wirrungen des Streites hindurch, dass man am neuen Künstlerhause einen wahren Kunstbesitz hatte, die hochgehenden Wogen der Meinungs-Verschiedenheiten glätteten sich und heute wiegt man sich in dem behaglichen Gefühle des Stolzes über den Besitz eines Gebäudes, das, soweit unsere Kenntniss reicht, seinesgleichen nicht findet.

Ansicht des grossen Festsaales
Ansicht des grossen Festsaales

Die Vorgeschichte des Künstlerhauses geht weit zurück; schon 1851 beschäftigte sich Bürklein und 1860 Lange mit Entwürfen für ein solches. Die Wahl des Bauplatzes, für den man in erster Linie eine schöne Lage wünschte, führte zu zahlreichen Vorschlägen; man fasste nach einander den Paradiesgarten, die Sonnenstrasse, die Herzogspitalstrasse, die Anlagen hinter der Glyptothek, die Praterinsel usw. ins Auge, bis man auf den Gedanken kam, von dem Bauplatze nicht blos eine schöne, sondern auch eine zentrale Lage fordern zu müssen. Diese beiden Forderungen vereinigt bot nur eine Gegend der Stadt dar, die Stelle der alten Befestigungen am Maximilians- und Karlsplatze, da, „wo das Auge hinüberschweift von den Dächern der inneren Stadt zu dem Grün der botanischen Gärten und der Effner’schen Anlagen“, wie es in der Striedinger’schen Denkschrift zur Eröffnung des Gebäudes heisst (Das Künstlerhaus in München. Herausgegeben und mit erläuterndem Text versehen von Ivo Striedinger. München 1900. Verlag des Künstlerhaus-Vereins. In Kommission bei L. Werner, Architektur-Buchhandlung in München.), der wir für die Entwicklungs-Geschichte des Künstlerhaus-Gedankens weiterhin folgen. Als Effner auf dem Maximiliansplatze aus einer Sandwüste seine herrlichen Anlagen schuf, da fasste Franz von Lenbach den Gedanken, in diese Parkanlagen ein schlossartiges Künstlerhaus hineinzusetzen, grösser als das Wiener und wie dieses zugleich Ausstellungs-Gebäude. Sieben Jahre lang wurde der Gedanke in den weitesten Kreisen mit Eifer und Nachdruck gefördert, Gottfried von Neureuther zeichnete die Grundrisse und Gabriel Seidl den Aufriss. Es war der Entwurf vom Jahre 1878. Die äussere Erscheinung des Hauses erinnerte etwas an das Wiener Künstlerhaus, sie war im reichen Stile der italienischen Palast-Architektur der Hochrenaissance gehalten, symmetrisch gruppirt, im übrigen aber war es ein Bau mit durchweg horizontaler Tendenz. Als man sich jedoch an die städtischen Körperschaften wegen Ueberlassung des Platzes wendete, wurde dieser versagt, da man nicht die Hand dazu bieten wollte, dass ein Theil der schönen Anlagen „wieder zerstört werde“. Im Jahre 1880 wurde dann der Gedanke erörtert, das damals am Karlsplatze unter No. 30 an der Stelle der heutigen „Deutschen Bank“ gelegene Himbselhaus zu erwerben und dieses zum Künstlerhause umzubauen. Insbesondere der Bildhauer Lorenz Gedon war es, welcher den Plan eifrig förderte, und Gabriel Seidl schuf Umbaupläne, nach welchen das damals geplante Künstlerhaus sich im Aufbau dem heute vollendeten Hause genähert hätte. Im Verlaufe der Erörterungen über diesen Plan wurde man auf das Gelände gegenüber dem Himbselhause, auf die Stelle, auf der sich jetzt das Künstlerhaus erhebt, aufmerksam, auf den Platz beim Hotel Leinfelder. Das Gelände war zum kleineren Theile im Besitze der Stadt München, zum grösseren in dem der Zivilliste. Die Bestrebungen der Künstlerschaft waren darauf gerichtet, das Gelände zu möglichst günstigen Bedingungen zu erwerben. Man fand ein solches Entgegenkommen, dass die Stadt München den ihr gehörigen Theil nicht nur unentgeltlich überwies, sondern auch eine Summe von 100 000 M. zu den Baukosten zuzusteuern beschloss, wenn der Bau innerhalb einer bestimmten Zeit begonnen werde.

Gleichzeitig wurde der der Zivilliste gehörige Theil des Geländes zu so milden Bedingungen käuflich überlassen, dass der Kauf einer Schenkung nahezu gleichkam. Zwei Jahre später, 1885, wurde der Bauplatz durch Zukauf abgerundet. Zu einem festen Plangedanken aber kam es erst im Dezember 1886. Inzwischen war hinter der für das Künstlerhaus in Aussicht genommenen Baustelle die neue Synagoge von Schmidt mit ihrer geschlossenen Umrisslinie in die Höhe gestiegen und hinter dieser blickten die Thürme der Frauenkirche, das Wahrzeichen von München durch.

Es ergab sich hier ein Städtebild von hoher Anziehungskraft, welches nicht zerstört werden durfte.

Ansicht vom Maximiliansplatz aus gegen die Synagoge und die Frauenkirche
Ansicht vom Maximiliansplatz aus gegen die Synagoge und die Frauenkirche

Auf diesen Gedanken war ein neuer Plan Seidl’s aufgebaut, welcher in der Anlage bereits den Grundzug des heutigen Gebäudes zeigte. In dem den Plan begleitenden Berichte sagte der Verfasser: „Durch die Vollendung der neuen Synagoge erhält der Platz einen trefflichen architektonischen Schmuck und die äusserst glückliche Silhouette derselben bildet mit den gleichzeitig sichtbaren Thürmen der Altstadt ein Bild von überraschender Schönheit, sodass ein Verbauen desselben einem Barbarismus gleichkäme, den die Künstlerschaft voraussichtlich niemals ausführen, vielmehr nach Kräften zu verhindern suchen wird. Es beschäftigte mich nun die Frage, ob der an sich trefflich gelegene Platz nicht etwa so für unsere Zwecke verbaut werden könne, dass durch niedere Gebäude vor der Synagoge deren hübsche Wirkung erhalten und durch einen hohen Saalbau neben derselben das ganze Architekturbild noch gesteigert werden könnte, und dies brachte mich zur vorliegenden Massenvertheilung, die einen grösseren Hof, von zwei niederen Gesellschaftshäusern und einem Arkadengang eingeschlossen, ergiebt, an dessen einem Ende ein hoch sich entwickelnder Saalbau sich erhebt…“ Es ist die Anlage des heutigen Hauses (siehe unsere Kopfabbildung). Dasselbe war aber hierdurch noch keineswegs gesichert. Die bald darauf erfolgenden Spaltungen in der Münchener Künstlerschaft liessen die Angelegenheit wieder zurücktreten, ja, es tauchte in der fünfjährigen Zwischenzeit bis zur Grundsteinlegung ein ganz neuer “Gedanke auf: Man hoffte, anstelle der von der Stadt zugesagten 100 000 M. die „Isarlust“ auf der Praterinsel als Künstler-Gesellschaftshaus zu erhalten und knüpfte daran den Gedanken, auf dem gegenüberliegenden freien Gelände, auf welchem sich heute die Lukaskirche erhebt, auf dem Mariannenplatze, ein Ausstellungsgebäude zu errichten. Der Gedanke wurde verlassen, wie manche seiner Vorgänger und der Künstlerhausplan drohte ganz einzuschlafen. Da nahm sich desselben mit Thatkraft und Umsicht Franz von Lenbach wieder an, um nach einer Prüfung der Seidl’schen Skizzen den Eindruck der Möglichkeit ihrer Ausführung zu gewinnen und um zunächst die Geldfrage zu lösen. Ein Kapital von 320 000 M. wurde gesammelt, dazu kam der städtische Zuschuss von 100 000 M., sodass eine Grundlage für den Bau geschaffen war. In formaler Beziehung hatten sich die Gesellschaftsverhältnisse auch in soweit geklärt, als der „Verein bildender Künstler (Sezession)“ gegründet wurde und nunmehr die Künstlergenossenschaft in der Lage war, die Ausführung des Hauses allein zu beschliessen, um es aber der Gesammtheit der Künstler zügänglich zu machen. Man veranstaltete noch einen engeren Skizzenwettbewerb, entschied sich aber am 28. April 1893 für den Entwurf Seidl’s.

Ansicht von Norden
Ansicht von Norden

Am 3. Juli 1893 fand die Feier der Grundsteinlegung statt mit der Widmung: „Dies Haus soll allen Künstlern Münchens, wie immer im geselligen Verkehr oder zu künstlerischem Schaffen sie ihre eigenen Wege sonst gehen mögen, ein Sammelplatz sein, ein Mittelpunkt für Frohsinn, Rath und ernste That, München eine Ehre, den Künstlern ein Stolz, der Kunst ein Kleinod für und für.“ In den letzten Märztagen des Jahres 1900 wurde es festlich geweiht – Die Ausführung hat gehalten, was die Grundstein-Urkunde versprach. –

Das Künstlerhaus in München.

Architekt: Professor Gabriel von Seidl in München.
Die Anlage des schönen Hauses ist hier mehr, als es anderswo der Fall zu sein pflegt, von den Bedingungen der Oertlichkeit beherrscht. Das feinsinnige Bestreben Seidl’s, das am Maximiliansplatze über die Baustelle hinweg zu der Synagoge und den Thürmen der Frauenkirche sich ergebende reizvolle Städtebild nicht nur zu erhalten, sondern, soweit die praktischen und die künstlerischen Gesichtspunkte des Bauwerkes es zuliessen, durch entsprechende architektonische Umrahmung noch wirkungsvoller zu steigern, findet um so mehr den Beifall der Fachgenossen, als sich dadurch zugleich ein eigenartiges und neues Motiv für die Gestaltung des Hauses selbst ergab. Die gesammten Räume gruppiren sich unter dem Einflusse jenes leitenden Gedankens derart um einen offenen Hof, dass dieser an 3 Seiten von Gebäudetheilen umgeben wird, welche in ihrer Hauptausdehnung nicht über die Höhe des Erdgeschosses hinausreichen und lediglich an den Ecken pavillonartige Erhöhungen tragen. Der hoch sich erhebende Haupttheil des Hauses ist nach Süden, zumtheil hinter das Hotel Leinfelder verschoben, um den Blick auf Synagoge und Frauenkirche frei zu geben. Das sich hierdurch ergebende interessante Bild ist Seite 621 dargestellt.

Erdgeschoss
Erdgeschoss
1. Obergeschoss
1. Obergeschoss
Dachgeschoss
Dachgeschoss

Die Vertheilung der Räume im Einzelnen ist die folgende: Es enthält das Untergeschoss unter dem hohen Festsaalbau ausgedehnte Küchenanlagen für die festlichen Veranstaltungen der Künstlerschaft, welchen sich die üblichen Vorrathsräume, Räume für die Zentralheizung usw. anschliessen. Unter den eingeschossigen Terrassenbauten liegen südöstlich ausgedehnte Kellerräume, östlich eine Kegelbahn, an der Nordwestseite Bier- und Weinkeller nebst Kühlanlagen, an der Westseite Küchenanlagen mit Nebenräumen für den Betrieb der offenen Restauration im nordwestlichen Terrassenbau. Die Vertheilung der Räume des Erd- und der Obergeschosse geht aus den Grundrissen heryor. Danach entwickelt sich an der nordwestlichen Seite des Hofes ein öffentliches Restaurant mit den üblichen Nebenräumen, welche zumtheil noch die westliche Seite des Hofes einnehmen; es befindet sich an der nordöstlichen Seite eine Einfahrt mit Hausmeisterraum einerseits, andererseits schliessen sich an dieselbe bis zu der an der Südostseite gelegenen Ausfahrt Schreibzimmer und ein Sitzungssaal für die Künstlerschaft an. Das Erdgeschoss des Festsaalbaues enthält neben dem reichen Vestibül und der stattlichen Haupttreppe Räume für die Historische Kommission, eine grosse Bibliothek, sowie Klublokale der Künstlerschaft.

Lageplan
Lageplan
Fassade der Nordwestseite am Maximiliansplatz
Fassade der Nordwestseite am Maximiliansplatz
Schnitte
Schnitte

Die Anordnungen des Obergeschosses sind einestheils von dem Gedanken geleitet, die Terrasse dem Restaurations-Betriebe zu widmen, andererseits von den Bedürfnissen, die sich bei grossen Festlichkeiten entwickeln. Ueber die Terrasse ragen nur hinaus eine kleine Schenke, ein kleiner Saal, ein Kommissionszimmer mit Büreau sowie der Festsaalbau, bestehend aus Festsaal und Speisesaal, mit Nebenräumen. Ueber dem Festsaal-Geschoss ragt als quadratischer Baukörper mit stattlichen Giebelaufbauten ein Geschoss heraus, in welchem u. a. eine Wohnung für den Wirth und das Personal, sowie ein grosser Arbeitsraum für die dekorativen Vorbereitungen der Feste liegen. Eine Laterne mit Umgang krönt das Ganze; sein Organismus ist überraschend schlicht und einfach. –

Das Künstlerhaus in München.

Architekt: Professor Gabriel von Seidl in München.
Der Schwerpunkt der Bedeutung des neuen Künstlerbauses in München liegt nicht in erster Linie in seiner Anlage und in seinem äusseren Aufbau, sondern er liegt zum weitaus grössten Theile in seiner inneren künstlerischen Ausschmückung. Auf reiche Pracht gingen im Grundgedanken schon die ersten Entwürfe Seidl’s aus, deshalb wählte er für sie die italienische Hochrenaissance, und reiche Pracht ist auch der Grundakkord des vollendeten Hauses. Im Hause Lenbach hatten Erbauer und Besitzer, Architekt und Maler bereits zur Schöpfung einer rauschenden Symphonie aus Architektur und künstlerischer Ausschmückung zusammengewirkt, und die Erfahrungen, die hier gemacht, die Wünsche und Hoffnungen, die hier geweckt wurden, kamen im neuen Künstlerhause zu beinahe leidenschaftlich gesteigertem Ausdruck. Denn ein leidenschaftlicher, trunkener Trieb nach berauschender Schönheit, das völlige Aufgehen in dem Schönheitsgedanken selbst unter Ausserachtlassung manchen praktischen Gesichtspunktes ist es, was die innere Ausschmückung des Hauses beherrscht.

Oberes Haupt-Treppemhaus
Oberes Haupt-Treppemhaus
Rednerkanzel im Festsaal
Rednerkanzel im Festsaal
Thürumrahmung im Festsaal
Thürumrahmung im Festsaal

Nach Durchschreiten des inneren Hauptportales mit seinem pompejanischen Charakter der inneren Halle und seinem Schmuck an antiken Statuen gelangt der Besucher in das langgestreckte Vestibül, dessen dem Eingang gegenüber liegende Kurzseite in kunstvoll umrahmter Nische (von Ruedorffer) die Statue des Heiligen Georg nach Donatello aufgenommen hat. Auf lichten Säulen mit Marmor-Einlagen ruht das reich geschmückte Tonnengewölbe mit Stichkappen, mit Ornamenten von Maile & Blersch, mit Reliefs von Pfeifer geziert. Der Fussboden wie die Thürumrahmungen bestehen aus Marmor.

Gesellschaftsräume. (Lenbach-Zimmer)
Gesellschaftsräume. (Lenbach-Zimmer)
Ansicht der Restauration
Ansicht der Restauration

Der zunächst gelegene Raum ist das Empfangszimmer, da seine Ausstattung von Lenbach herrührt, auch Lenbach-Zimmer genannt. Den Raum deckt ein prunkvolles Muldengewölbe, dessen Reliefornamente von Maile & Blersch und dessen Groteskmalerei von Mössel herrühren. Die Wände sind mit rothem Plüsch bespannt. Der Bilderschmuck besteht fast ausschliesslich aus Werken von Lenbach.

Eine niedrige Thür verbindet das Empfangszimmer mit dem Lesezimmer, das bei einer reichen, grau gehaltenen Kassettendecke eine schwarze Täfelung mit Goldleisten und eine grüne Wandbespannung besitzt. Es folgt die Bibliothek in Rothbraun und Gold; sie hat eine Balkendecke mit Ornamenten von Rappa & Giobbe, sowie reich geschmiedete vergoldete Brüstungsgitter für das Bibliothek-Obergeschoss erhalten. Schlichter sind die Zimmer der historischen Kommission, die sich zu einem Raume vereinigen lassen.

Thürumrahmung im Festsaal
Thürumrahmung im Festsaal
Festsaal mit Blick zum Speisesaal
Festsaal mit Blick zum Speisesaal

Vom Vestibül führt die breite Haupttreppe aus rothem Adneter Marmor und mit reich ornamentirten Untersichten zum Obergeschoss empor, in welchem sie durch eine geschlossene Steinbrüstung mit Marmoreinlagen abgeschlossen ist. Sie endigt auf einem weiten Flur, der mit einem Klostergewölbe mit Stichkappen überdeckt ist, welches die Maler Mössel und Selzer mit einem reichen Lauben-Ornament bedeckten. Gemälde, Kamine, Spiegel, Wandleuchter und anderes Geräth sind zur Auschmückung des Treppenhauses herangezogen worden.

Eine mit Marmoreinlagen umrahmte Thür führt zum Festsaal, der sich durch 2 Geschosse erstreckt und in 2 Theile getheilt ist, in den Speisesaal von 103 qm Grundfläche und in den eigentlichen Festsaal von 245 qm Fläche. Zu dieser Summe von 348 qm kommt noch ein Flächenraum von 104 qm auf den Gallerien und der Musiktribüne. Der Saal ist ein unvergleichliches Prunkstück reichster dekorativer Kunst. In ihm haben die vereinigten Kräfte von Baukunst, Malerei und Bildhauerei ihr Bestes geleistet. Auch hier ist der Stil einer üppigen Hochrenaissance durchgeführt; reiche italienische Studien sind selbständig und eigenartig verwerthet. Der Speisesaal ist niederer gehalten wie der Festsaal, beide trennt eine Bogenstellung, welche die flache, in eine geometrische Theilung aufgelöste Decke des Speisesaales von der durch stark gegliederte, geschwungene Uebergänge bewegten Festsaaldecke trennt. Der farbige Charakter des Saales wird im allgemeinen beherrscht von dem leuchtenden Roth der Wandbekleidung und dem feinen Grün der Holztheile. In diese Stimmung spielen die verschiedensten Farbensymphonien hinein. Das schlichte Wort ist zu arm, um all die Pracht zu schildern und auch das beredtere Bild vermag davon nur eine ungefähre Andeutung zu geben. Unter der Decke läuft an der Längswand des Saales eine Gallerie hin, welche mit der Decke gemeinsam auf einen weichen, grauen Emailton gestimmt ist. Unter der Gallerie sind die Wände mit Gobelinmalereien bedeckt, welche in stumpfrothem Grundton Nachbildungen von Gobelins aus dem Hotel de Cluny in Paris sind. Der Zyclus dieser Darstellungen setzt sich an der Schmalwand des Speisesaales fort. Die Darstellungen sind byzantinisch-romanische Gestaltungen, eine stylisirte Märchenwelt. In den Saal baut sich unter der Längsgallerie ein Rednerpult ein und es sind andererseits die Thüren mit reichgegliederten Umrahmungen in losgelöster freier Stellung versehen. Alles das steht in üppigstem ornamentalem Schmuck da. Pruska, Bezold, Düll, Wadere, Rauch u. a, sind die Künstler dieser seltenen Ausschmückung. Unsere Abbildungen, sowie die Beilage zu No. 100 geben von dem Saale und seinen hervorragendsten Theilen ein ungefähres Bild, das wohl die Formen zeigt, aber gegenüber dem bestrickenden Zauber der Farbe versagt.

Lenbachzimmer
Lenbachzimmer

Einen reicheren Schmuck hat auch die öffentliche Restauration erhalten; sie ist S. 631 dargestellt. Der Grundton ist weiss und grün mit sparsamem Gold; der Grundcharakter der Ausschmückung ist der einer offenen Laube. In die Wände sind Landschaften, Fruchtstücke und figürliche Darstellungen eingelassen; Spiegel und Broncen verstärken den malerischen Eindruck. Alles, alles mit verschwenderischer Fülle geschmückt! In diesem Hause ist die Schönheit Selbstzweck. Ihr ist die Rolle der psychischen Erhebung zugewiesen.

„Wer dieses Thor durchschreitet, soll der Bürde
Vergessen, die auf seinen Schultern lastet.
Vor jenen hohen stolzen Mauern, die wir
Errichtet rings umher, prallt matt zurück
Die wilde Woge des gequälten Meers.
Von dieser sel’gen Insel wehren wir
Mit starkem Arm den Friedensstörer ab.“

In diesen Worten des Festspieles ist die Bestimmung des Hauses wiedergegeben; eine „Insel der Seligen“, gerettet aus dem Kampf des Tages, will es sein, und Schönheit ist das versöhnende Mittel. Gabriel Seidl, Franz von Lenbach und die um diese beiden markanten Gestalten geschaarte Künstlergruppe haben in das Werk ihre ganze Seele gelegt; was sie im Inneren bewegt: Schönheit und glühende Neigung zu Prachtentfaltung, das ist hier in die Wirklichkeit übersetzt. Frei in der Wahl der Mittel, haben sie das Schöne genommen, wo sie es fanden, in Italien, in Deutschland, in Frankreich und haben dieses Schöne zu einem Ganzen vereinigt, durch welches der einigende und erwärmende Zug des deutschen Gemüthes geht. Es ist von Herzen kommende und zum Herzen sprechende Kunst, die uns im neuen Münchener Künstlerhause dargeboten wurde,

„Ihr Meister!
Die ihr mit edler Kunst und goldner Phantasie
In langen Sorgen und in herbem Mühen
Uns dieses lichte Kleinod habt bescheert,
Das wie ein Märchen uns umfangen hält
In Freuden und in Frieden,
Lasst mit dem jungen Lorbeer Euch umwinden!“

Dieser Artikel erschien zuerst am 14., 18. & 23.12.1901 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- H. -“.