Unter blauem Himmel, am Gestade des blauen Meeres, gebettet in Palmen, Aloen und Mimosen, gleich einem ewigen Frühlingstraum voll Duft und Glanz, liegt die Hölle des Glücks, das sirenenhaft lockende, paradiesisch schöne Stückchen Erde: Monte Carlo.
Während sich bei uns die Erde kaum vom Schnee befreit hat, vereinigt sich da die bunte, fast blendende Naturpracht südlicher Vegetation mit modernem Luxus, französischem Geschmack und internationalem Reichtum zu einem Gesamtbild von überwältigender Schönheit.
Von dem äußersten Felsen Monacos grüßt das Schloß des Fürsten und Herrn dieses kleinen Reichs über Meer und Land hinüber und gemahnt an ein herrliches Stück Mittelalter, aus dem die Erinnerung an die Fürsten von Monaco aus dem Hause Grimaldi nur mehr schattenhaft hervorleuchtet.
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Fürst Albert von Monaco, der Gebieter des kleinen Märchenlandes, ist ein Gelehrter, der sich bekanntlich seit vielen Jahren mit ozeanographischen Forschungen beschäftigt und an Werken arbeitet, deren Inhalt die Meeresströmungen, die geologische Beschaffenheit des Meeresbodens und das Leben der Tierwelt in den geheimnisvollen Tiefen des Ozeans behandelt.
Die Fürstin, verwitwete Herzogin Richelieu, geb. Heine, interessiert sich ausschließlich für die Kunst, und ihren Bestrebungen ist es in erster Reihe zu danken, daß in Monte Carlo binnen kurzem ein neues Theater eröffnet werden soll, das sich allem Anschein nach die Bezeichnung „Musterbühne“ verdienen wird.
Wie die Schöpfung einer gütigen Fee, die ein Stück Erdenlandes in einem Anfall verschwenderischer Laune zu einem kleinen Eden verwandelte, liegt das Panorama von Monaco vor uns.
Im Hintergrund leuchtet das herrliche Kasino von Monte Carlo zu uns hinüber, vor dessen lichtumflossener Fassade die Thoren und Thörinnen zweier Welten sich finden und mit angstvoller Hoffnung die strahlenden Räume betreten, in denen das Gold thront.
Während von den goldstrotzenden, mit königlicher Pracht ausgestatteten Wänden des Kasinos von Monte Carlo die auf rollendem Rad unerreichbar hoch in den Wolken schwebende, schön Glücksgöttin in kalter Gleichgültigkeit aus ihrem Füllhorn die Gaben des Glück achtlos verteilt, rollt auf den grünen Tischen das Gold, von der zierlichen Schaufel des Croupiers gescharrt, und zitternde Hände, blasse Mienen und fieberhaft glänzende Augen verfolgen das Glück, das Glück des Augenblicks, das sich nicht fesseln lässt.
Und draußen, hinter sorgsam verhängten Fenstern lacht die helle Frühlingssonne, die Blumen duften und in den dichten Lorber- und Myrtenbüschen zwitschern die Vögel. Ein Märchentraum, durch idyllischen Frieden oft jäh und mißtönend wie der letzte Aufschrei einer germarterten Seele der Schuß eines Selbstmörders hallt, der uns ins Gedächtnis zurück daß sich inmitten dieses einzig schönen Paradieses die Hölle des Glucks befindet.
Dieser Artikel von J. Lorm erschien zuerst 1900 in Die Woche.