Sportliche Vergnügungen im Winter

Dem Städter ist es nur selten vergönnt, im Schlitten unter Schellengeläut durch die verschneite Landschaft oder den Wald dahinzufliegen und die reine erfrischende Winterluft zu atmen. Aber in manchen Gegenden, so im Harz und im Riesengebirge, hat man die Schlittenfahrten zu einem wahren Sport ausgebildet. Zu besonderer Entwicklung gelangte hier die Hörnerschlittenfahrt.

Es gilt bei Ausübung dieses Sports ebensowohl durch außerordentliche Geschwindigkeit wie durch Ueberwindung gewisser Hindernisse, durch Erklimmen steiler oder Passieren abschüssiger Pfade, Mut und Geschicklichkeit zu bekunden.

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Auf den Ostseehaffs und vielen Binnenseen wurde schon früher die sogenannte Pikschlittenfahrt betrieben, aber im allgemeinen blieb die sportmäßige Ausbildung der Schlittenfahrten in Deutschland doch der jüngsten Zeit vorbehalten. Dagegen wurde in Skandinavien und Nordamerika schon immer dieser Sport mit großem Eifer gepflegt.

In Norwegen ist der Rutschschlittensport heimisch, der sich unter Verwendung kleiner Schlitten, der sogenannten Kjälke, zu außerordentlich kühnen Leistungen erhebt. Solche Rutschschlitten sind auch unter dem Namen „Rodel“ in Tirol und als „Schlittel“ in St. Moritz und Davos in Gebrauch.

Wintersport im Hochgebrirge – Tiroler Schneeschuhläufer auf der Fahrt

Der für zwei Personen eingerichtete Sattelschlitten ist mit einer besonderen Steuervorrichtung versehen, während das Steuern auf steilen, eisbedeckten und gewundenen Bahnen durch die mit starkem Schuhwerk bekleideten Füße oder mit den Händen unter Verwendung kurzer Pflöcke geschieht.

Gleichsam die Mitte zwischen Schlitten und Schneeschuh hält der Rennwolf, eine Art Tretschlitten, der, von schwedischen Touristen zum Sportgerät erhoben, vor kurzem nach Deutschland verpflanzt wurde, wo das Rennwolffahren jetzt neben dem Schneeschuhlaufen mehr und mehr an Bedeutung gewinnt. Der Rennwolf besteht aus zwei bis zweieinhalb Meter langen, vorn verbundenen Schlittenkufen mit einem Gerüstaufbau, an dem sich der Läufer, auf einem Fuße stehend, hält, während er sich mit dem andern beständig vom Eis abstößt. Bei guter Bahn vermag man bis zu zwanzig Kilometern in der Stunde zurückzulegen.

Auffahrt der Hörnerschlitten zur Höhe

Endlich verdient noch der Segelschlitten, der auf dem Eis durch die Kraft des Windes getrieben wird, Erwähnung. Dieses Gefährt wird wie ein Segelboot aufgetakelt und übertrifft bei starkem Wind und schönem Eis selbst Schnelldampfer und Blitzzüge an Geschwindigkeit. Der Segelschlittensport wird besonders auf den großen Seen Rußlands und Amerikas geübt.

Vertauter als mit dem Schlittensport ist der Städten mit dem Eislauf, und mancher feiert heut im Geist mit Klopstock den kühnen Mann, „der dem Fuß Flügel erfand.“

Die Hörnerschlitten fertig zur Thalfahrt

Im Lauf der Jahrhunderte hat der Schlittschuh die verschiedensten Wandlungen durchgemacht.

Wir erinnern uns noch jener Marterhölzer, die mit einem roh geschmiedeten, unten gekehlten und vorn schnabelförmig aufgebogenen Eisen versehen waren. Im Stiefelabsatz wurden sie durch einen Dorn, im übrigen aber mit einigen Metern Riemen befestigt, so daß der Fuß ganz umschnürt war.

Den Holländern, die bekanntlich große Meister im Eislauf sind, werden einige unwesentliche Verbesserungen der Schlittschuhe zugeschrieben; Neuerungen von weittragender Bedeutung blieben den Amerikanern vorbehalten.

Um es im Kunstfahren zu großer Fertigkeit zu bringen, ist stetige Uebung erforderlich. Als Künstler auf dem Eis gilt derjenige, der gleichsam in natürlicher Bewegung und scheinbar ohne Anstrengung über die Bahn dahingleitet und in dem Zuschauer die Vorstellung erweckt, als wäre es ein Leichtes, es dem gewandten Läufer nachzuthun.

Der Schneeschuhlauf hat sich erst in den letzten Jahren bei uns eingebürgert, obwohl er schon seit vielen Jahrhunderten in manchen Gegenden die Rolle eines wichtigen „Verkehrsmittels“ spielte. Er muß wohl den großen, breiten Holz- und Ledersohlen seine Entstehung verdanken, mit denen die Wilden, um in dem lockeren Schnee besser Halt zu gewinnen, ihre Füße bekleideten. Namentlich in Tirol, in Norwegen und Schweden sind 1-2 Meter lange und bis ½ Meter breite, plattenförmige Schneeschuhe gebräuchlich, die im allgemeinen aus einem mit Rohr oder Schnüren bespannten, kreisrunden oder ovalen Holzreifen bestehen und oben mit einer Ledersohle für den Fuß, sowie mit Befestigungsriemen versehen sind.

Ganz anders der nordische Schneeschuh oder Ski, der den Schlittenleisten recht ähnlich sieht. Er ist seiner ganzen Natur nach dazu geschaffen, über die weiche Schneefläche hinwegzufliegen. Seine Länge wird natürlich durch das Körpergewicht des Menschen bedingt; als Durchschnittsmaß gilt eine Länge von 2,15 bis 2, 30 Metern.

Skiläufer auf einer Fahrt durch das Grödener Thal in Tirol

Man unterscheidet verschiedene Typen des Ski, so den Lappen-, Finnen- und Telemarkschuh. Der letztere, für deutsche Verhältnisse am zweckmäßigsten, ist ganz schmal und etwas gewölbt. Er muß sich beim Gebrauch infolge der Belastung soweit durchbiegen, daß er auf der Schneedecke flach aufliegt. Infolge der leichten Wölbung wird die Reibung vermindert und das schnelle Hinweggleiten über die Ebene wesentlich erleichtert.

Die Fortbewegung erfolgt durch paralleles Vorschieben der Schneeschuhe, also nicht wie beim Eislauf durch weites Ausschreiten der Füße. Man bedient sich beim Lauf noch eines Stabes, der das Bremsen und Lenken erleichtern soll.

Der Wintersport liefert uns also die mannigfachsten Freuden, und alle, die einen Eis- oder Schneesport üben, gehören sicherlich nicht zu den Leidtragenden um die „tote Erde“, von denen uns die Poeten zu erzählen wissen. Aber die Natur ist auch gar nicht tot im Winter, und die „Schneedecke“ ist kein Leichentuch. Sie ist im Gegenteil eine weiche, warme Schlummerdecke, die Mutter Erde über ihre frierenden Kinder breitet, über die schlummernden Pflanzenkeime, über die Knospen und die Larven, die zartesten Sprossen der Tierwelt.

Fred Hood.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.