Ueber einige Tunnel-Umbauten auf den Grossh. Badischen Staats-Eisenbahnen

Abbildg. 1 - Querschnitt

Im Zuge der Eisenbahnlinie Freiburg-Basel befinden sich zwischen den Stationen Klein-Kems und Efringen drei Tunnels, welche theils umgebaut, theils im Umbau begriffen sind. Die kurze Bauzeit und die für diese Zwecke angewandten verschieblichen Rüstungen scheinen eine fachliche Mittheilung zu verdienen.

Die Bahn durchzieht in zahlreichen Krümmungen die älteren Gebirgsformationen des Korallenkalkes, welcher vielfach zerrissen und vom Wasser ausgeflötzt, das Rheinthal begrenzt. Der Bau dieser Felsendurchschläge bot den damaligen Ingenieuren insofern Schwierigkeiten, als die zahlreichen Spaltungen und Höhlungen im Inneren der Felsenmassen von den oben liegenden, mit Wasser durchsetzten Thon- und Mergelschichten ausgefüllt waren und eine besondere Verbauung erheischten.

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In der Baubeschreibung der Bahnlinie wird namentlich auf die unangenehme Ueberraschung, die der Bau des 129 m langen mittleren Kirchberg-Tunnels den Erbauern brachte, hingewiesen. Dieser unterirdische Gang wurde von beiden Seiten des vortretenden Gebirgskopfes, nächst der Kirche bei Istein, nach dem vollen zweigleisigen Profil in den festen Felsen ausgesprengt. Dieser Vorgang musste jedoch nach einem Fortschritt von ungefähr 30 m aufgegeben werden, weil die Mitte dieses vermeintlichen Felsenkopfes von den gefährlichen juratischen Thongebilden ausgefüllt und mit Wasser durchsetzt war. Es musste zum bergmännischen Vortrieb eines Firststollens und der beiden Widerlager geschritten werden. Gewölbe und Widerlager wurden in Sandsteinquadern von 4 Fuss Scheitelstärke ausgeführt. Die zwei anderen Tunnels u. zw. der 242 m lange Klotz- und der 307 m lange Hardberg-Tunnel haben an die Portale anschliessend auf kurze Strecken ebenfalls Sandstein-Gewölbe, während im Inneren ein 1 ½ Stein starkes Backstein-Gewölbe als Verkleidung des Felsens ausgeführt wurde. Der Raum zwischen dem Gewölbe und der ausgesprengten Felsenmasse blieb unausgefüllt, indem das Gewölbe den Felsen vor der Einwirkung der Verwitterung und des Frostes schützen sollte, während ein Nachstürzen desselben im Inneren von den Erbauern nicht befürchtet wurde. Die alten Widerlager waren in Sandsteinquadern erstellt und die Entwässerung sollte in den zahlreichen Nischen erfolgen.

Der Umbau dieser drei Tunnels war durch das enge Profil, welches der Durchfahrt der 19,5 m langen Wagen keinen genügenden Spielraum in den Kurven von 360/748/310 m Radius gewährte, durch den schadhaften Zustand des ganzen Backsteingewölbes und durch die mangelhafte Wasserableitung bedingt.

Der Umbau umfasste somit folgende Arbeiten:

  1. Beseitigung der alten Gewölbe und Widerlager.
  2. Ausweitung des Profiles gemäss dem Normale des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen für zweigleisige Tunnels.
  3. Herstellung des neuen Gewölbes und der Widerlager in Sandsteinquadern nach der Normaltype 3 der badischen Staats-Eisenbahnen.

Abbildg. 1 veranschaulicht das alte Profil und dessen Ausweitung. Der erste umzubauende Tunnel war der 307 m lange Hardberg-Tunnel, welche Aufgabe in den Monaten Dezember 1898 bis Mai 1899 bewältigt werden musste, weil in den verkehrsreichen Sommermonaten ein einspuriger Betrieb ausgeschlossen ist. Nachdem in der Nacht eine zugfreie Pause von nur 4 ½ Stunden entsteht, musste ein ununterbrochener Arbeitsvorgang mit Schichtwechsel vorgesehen und auch durchgeführt werden.

Abbildg. 1 - Querschnitt
Abbildg. 1 – Querschnitt

Dieser durch die kurze Bauzeit bedingte Arbeitsvorgang erheischte eine weitgehende Sicherung des Betriebes auf dem einspurigen, in die Tunnelmitte verlegten Gleise. Diese Sicherung wurde bis heute erreicht durch verschärfte Vorschriften in der Zugsignalisirung und durch stetige sorgfältige Ueberwachung der Baustellen seitens erprobter Organe der Bahnverwaltung, ferner durch eine Gerüst-Konstruktion, welche eine vollständige Absperrung des Arbeitsraumes gegen das Lichtraumprofil ermöglicht, und auch bei den kräftigen Sprengungen sich nicht deformirt.

Nachdem die Angriffszone auf 4 m beschränkt wurde, musste man auf eine leichte Versetzbarkeit der schweren Rüstung bedacht sein, um das Montiren und Demontiren derselben nicht in die Nachtpause verlegen zu müssen.

Abbildg. 2 - Längsschnitt
Abbildg. 2 – Längsschnitt

Die aus den Abbildgn. 1 u. 2 ersichtliche verschiebliche Rüstung ist aus 6 Ständerböcken gebildet, von denen die beiden äusseren zur Auflage der Schutzbohlen allein dienen, während die vier mittleren auch mit den Lehrbögen verbunden sind. Die Decke sowie die Seitenwände sind mit 10 m starken Bohlen nach dem freien Lichtraumprofil auf eine Länge von 6 m verschaalt, sodass der Arbeitsraum gegen das Gleise vollständig abgesperrt ist und selbst die kräftigsten Sprengschüsse keinen Durchbruch der Bohlen verursachen. Zwischen den beiden Ständerreihen ist ein 50 cm Fördergleise angelegt, welches bis zu den vor den Tunnelportalen liegenden Hilfslagerplätzen reicht und wesentlich für die Zufuhr des neuen Steinmaterials dient. Die ganze Rüstung ruht unten, an den vier Ständerreihen, auf eichenen Keilen und wird nach Entkeilung auf kurze eichene Rollen abgelassen, mit welchen die Verschiebung um eine Angriffszone von 4 m mittels 2 Winden bewirkt wird.

Der Arbeitsvorgang spielt sich in einfacher Weise ab. Nach Aufstellung der Rüstungen in der Nachtpause, Verschaalung und Einziehen der Lehrbögen ist das Gerüst für die ganze Arbeitszeit unveränderlich. Das Backsteingewölbe, die alten Sandsteinwiderlager, sowie die Ausweitung des Profils im Felsen werden mit kleinen Dynamitladungen herausgesprengt; das sich hinter der Verschaalung ansammelnde Ausbruchsmaterial wird in grösseren Zugsintervallen und in der Nachtpause auf Bahndienstwagen verladen und in das Stumpengleise vor den Portalen abgestellt, um in regelmässigen Zwischenräumen von einem eingeschalteten Material-Förderungszug auf die Abladestelle gebracht zu werden. Die Zufuhr des Steinmaterials (Sandsteinquader aus den Brüchen des Neckarthales), des Zementes usw. wird von dem gleichen Zuge besorgt.

Kirchberg-Tunnel. Südliches Portal. Umgebaut 1900
Kirchberg-Tunnel. Südliches Portal. Umgebaut 1900
Hardberg-Tunnel. Südliches Portal. Umgebaut 1899
Hardberg-Tunnel. Südliches Portal. Umgebaut 1899

Flaschenzüge und Aufzüge besorgen die Förderung der schweren Steine zur Gewölbemauerung. Imganzen waren im Hardberg-Tunnel 6 solcher Rüstungen in Thätigkeit, sodass jede Rüstung 48 – 52 m zu bewältigen hatte. Der Arbeitsfortschritt betrug im Durchschnitt im Hardberg-Tunnel 2,4 m, im Kirchberg-Tunnel 1,3 m, konnte aber in den Monaten mit reichlicher Steinzufuhr auf 2,8 m gebracht werden.

Im 129 m langen Kirchberg-Tunnel, dessen Umbau im November begonnen und im April vollendet wurde, waren 5 Rüstungen angelegt. Die mittlere Parthie auf 52 m Länge wurde nach einem stärkeren Profil ausgeführt. In diesem Theile, der vom Bau her als schlecht bekannt ist, war die Wasserleitung sehr mangelhaft und infolgedessen auch der Zustand des Mauerwerks schadhaft.

Das alte Gewölbe konnte jedoch bis auf die Kämpfer unangetastet bleiben und nur diese und die Widerlager mussten herausgesprengt werden. Man gebrauchte die Vorsicht, im Widerlager nur kleine Parthien zu beseitigen, um einem sich einstellenden Druck begegnen zu können. An einer Stelle fand man das Thonmaterial derart von Wasser durchsetzt, dass dasselbe als flüssiger Brei auslaufen konnte. Im Kirchbergtunnel (242 lang) waren gleichfalls 6 Rüstungen angelegt; es ist dieser Tunnel in den Monaten Februar bis Juni 1900 umgebaut worden. Gegenwärtig befinden sich die Portale noch im Umbau.

Klotz-Tunnel. Südliches Portal. Im Umbau begriffen
Klotz-Tunnel. Südliches Portal. Im Umbau begriffen
Klotz-Tunnel. Nördliches Portal. Im Umbau begriffen
Klotz-Tunnel. Nördliches Portal. Im Umbau begriffen

Die Gewölbe werden mit einem 3 cm dicken Zementverputz versehen und auf demselben eine Asphaltfilz-Abdeckung verlegt; das Wasser wird in zementirten, abgedichteten Schaalen im Gefälle zu den einzelnen Ablaufstellen geführt, die Hohlräume werden mit dem alten Ausbruchmaterial sorgfältig ausgepackt. In diesem Tunnel wurde des reichlichen Wasserandranges wegen eine Dohle in der Tunnelaxe verlegt.

Auch die Portale werden in den Umbau einbezogen. Diese Portale sind seitens der Erbauer mit grosser Liebe behandelt. Es scheint damals unter den entwerfenden Ingenieuren ein Wetteifer in der künstlerischen Durchbildung dieser Portale geherrscht zu haben. Sie werden beim Umbau nach Möglichkeit geschont. Die Abbildungen zeigen die Portale vor und nach dem Umbau. Die Kosten des laufd. m umgebauten Tunnels stellen sich auf etwa 800 M.

Die Leitung der Arbeiten seitens der Grossh. Bad. Staatsbahnen lag Hrn. Brth. Kern ob, Bahn-Bauinsp. in Basel, die ausführende Unternehmung war die Baufirma Alb. Buss & Cie. in Wyhlen (bei Lörrach).

Wyhlen, im Juni 1900.

Josef Rosshändler, Ing., Soz. d. F. A. Buss & Co.

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.06.1900 in der Deutsche Bauzeitung.