Was die Mode bringt: 8/1900

Historische Frisuren.

Die Karnevalszeit, die uns die Verkleidung des äußeren Menschen auf Stunden zur angenehmen Pflicht macht, veranlaßt uns, an der Hand der beigefügten Illustrationen eines wichtigen Teils der Damentoilette, der Frisur, einige Zeilen zu widmen.

Nichts ist ja so geeignet die Wirkung eines Kostüms zu heben als eine stilgerechte Coiffure. Namentlich historische Frisuren sind in der letzten Zeit für Kostümfeste sehr beliebt geworden. Wir haben daher bei einem Wettfrisieren der Berliner Friseurinnung (Obermeister Kegel) einige Aufnahmen machen lassen, die unsere Leserinnen gewiß interessieren dürften.

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Sehr bekannt ist die Frisur „Königin Luise“ (Abb. 1) mit ihren leichtgewellten dunklen Haarpuffen, aus denen ein Brillantstern wirkungsvoll hervorfunkelt, während ein langer weißer Schleier auf dem Hinterkopf befestigt, zweimal um den Hals geschlungen wird und mit einer Halbschleife seitlich gebunden in einem Ende lang herabwallt.

Abb. 1 – Frisur Königin Luise
2 – Frisur Marie Antoinette

Höchst originell, wenn auch etwas überladen, wirken die französischen Frisuren „Marie Antoinette“ (Abb. 2) und „Maintenon“ (Abb. 3) mit ihrem bunten Schmuck, mit ihren Straußfedern, Perlen und Aigretten.

3 – Frisur Maintenon
4 – Frisur Metternich (Altwien 1830)

Zum einfachen Altwiener Kostüm eignet sich vortrefflich die Frisur „Metternich“ (Abb. 4) mit ihren Stephaniewellen und dem flotten Schleifenputz.

Sehr beliebt ist die Frisur „Direktoire“ (Abb. 5), die vorn mit einer Straußfederntuffe und rückwärts mit dem originellen spanischen Perlennetz geziert ist.

5 – Frisur Direktoire
6 – Frisur Pompadur

Ebenso bevorzugt wird die Haartracht ‚Pompadour“ (Abb. 6) mit ihrem Locken- und Puffenreichtum, aus dem eine Panache schwarzer Straußfedern, von einer kleinen schwarzen Sammetschleife gehalten, sich durch den Farbengegensatz wirkungsvoll abhebt.

Recht kompliziert ist die Haarfrisur „Princesse Lamballe“ (Abb. 7); in einer Anwandlung origineller Laune ist die Straußfeder ins gepuffte Haar versenkt.

7 – Frisur Pincesse Laballe
8 – Russische Frisur Katharina II

Der aus einem seidenüberspannten und perlumfaßten Kreis bestehende Kopfputz (Abb. 8) gehört zu einer russischen Hoffrisur, die nach Katharina II noch heute so benannt wird.

Neue Korsette.

Wie weit der Luxus in der Damentoilette augenblicklich geht, zeigen einige neue Korsette.

Da ist eines aus Goldbrokat mit echten, alten Goldspitzen besetzt. Die Knöpfe und Oesen des Planchettes sind aus kleinen Brillanten und Rubinen gebildet. Ein zweites, das unter dem Reitkleid getragen werden soll, ist sehr niedrig, mehr wie ein breiter Gürtel, und besteht ganz aus einem Flechtwerk von blaßblauen, mit Goldtupfen bestickten Moirébändern. Eine dicke Rüsche aus goldfarbenem, winzig schmalem Babyband bildet oben den Abschluß. Ein rosa Atlaskorsett ist mit Honitonspitze garniert und mit wundervollen Arabesken in flachgeschliffenen Granaten bestickt. Nicht minder schick sind die dazu gehörigen Jupons. Der eine aus Goldbrokat ist nach der Figur geschnitten und seitwärts durch vier flache Goldknöpfe geschlossen. Ein breiter Spitzenvolant, über zwei blaßblau-seidenen fallend, umgiebt bogenförmig den Rand und ist bei jeder Raffung durch eine voll aufgeblühte Malmaisonrose mit Blättern gehalten. Der zweite Rock aus rosa Atlas hat einen angesetzten Serpentinevolant, vorn 20, rückwärts 50 Zentimeter hoch, der genau dem Korsett entsprechend mit Granaten bestickt und mit rötlichem Sammetband sowie schmalen Honitonspitzen umfaßt ist.

Die Mode sorgt nicht nur huldvoll für die Damen, sondern gelegentlich auch für das stärkere Geschlecht, wie die neuen englischen Westen beweisen. Sie sind ziemlich hoch geschlossen und aus Sammet gearbeitet. Für den täglichen Gebrauch – unter langschößigem Straßenanzug – ist eine braun-gelb karierte Weste bestimmt, die mit Topasenknöpfen geschlossen ist. Für den Salon wirkt unter dem Frack eine veilchenfarbene Weste mit Goldknöpfen sehr schön, und für die Jagd dient eine olivfarbige mit flachen Porzellanknöpfchen, die mit Tierköpfen bemalt sind. Die Zahl der kleinen Knöpfe auf den Rockärmeln, die bereits auf vier gestiegen waren, erstreckt sich jetzt bis zu 12 oder 14, die bis zum Ellbogen reichen – eine mehr originelle als hübsche Neuerung.

Für die Unterbringung von Geldbörse und Taschentuch giebt es kaum etwas Graziöseres als die modernen Taschen in Beutelform, die, je antiker ihr Material, desto kostbarer und gesuchter sind. Meistens kommen alter Brokat von Meßgewändern oder überhaupt antike Stoffe zur Verwendung. Eine Silberspitze umgiebt das ganze Täschchen. das oben einen altsilbernen Bügel erhält, von dem eine lange Silberkette zum Ueberhängen auf den Arm ausgeht.

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.