Zur Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Halle a. S.

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S. Arch. Prof. Bruno Schmitz-Charlottenburg - Bildh. Prof. Pet. Breuer-Berlin

Ohne Zweifel kann die Art und Weise, wie die deutschen Städte ihre Denkmäler, insbesondere ihre Kaiser-Denkmäler, errichten, einen ziemlich zuverlässigen Maasstab bilden für den Kunstsinn und die Summe von Intelligenz, mit welcher sie in baulicher und wirthschaftlicher Beziehung verwaltet werden. Legt man diesen Maasstab an, so steht die alte, kunstreiche Hallorenstadt an der Saale, die Stadt mit einer künstlerischen Vergangenheit, wie sie nur wenige Städte in deutschen Landen aufzuweisen haben, mit in erster Reihe.

Wenn am nächsten Montag, am 26. August, die Hülle von dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal fallen wird, dann wird sich zeigen, dass in Halle von der Zeit ihrer höchsten Blüthe bis zu ihrer heutigen Neublüthe eine selten starke künstlerische Ueberlieferung erhalten ist und mit der Energie, welche das Zeichen nicht einer äusserlich erfüllten Nothwendigkeit, sondern eines inneren Dranges ist, weiter gepflegt wird. Halle besitzt heute zwei Kaiser-Denkmäler, beide eigenartig und mit grossem Glück der herrschenden Bildhauerschablone entzogen. Vor Jahren schon erhielt die Stadt für ihre nächste Umgebung im Saalethal das schöne Denkmal, welches der Bildhauer Kaffsack dem Andenken der beiden ersten Kaiser des neuen Reiches widmete. Es befindet sich an den Trothaer Felsen und zeigt den Erzengel, welcher die Medaillonbildnisse der Kaiser beschützt und den aus der Felsspalte hervordringenden Lindwurm getödtet hat: ein schöner Gedanke, der unter dem Eindruck der poesievollen Oertlichkeit von einer besonderen Sagenstimmung umgeben wird. Und mit der kommenden Woche wird den Bewohnern das neue Kaiserdenkmal geschenkt sein, welches als eines der edelsten Werke der deutschen Denkmalkunst sich so glücklich dem schönen Stadtbilde einfügt, wie es unter der Leitung des Hrn. Oberbürgermstr. Dr. Staude und des Hrn. Stdtbrth, E. Genzmer fast allerorten in Halle sich entwickelt hat und in reicherem Maasse noch weiter entwickeln wird.

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Das neue Kaiser-Denkmal ist das kunstreiche Werk des Architekten Professor Bruno Schmitz und seines Mitarbeiters, des Bildhauers Professor Peter Breuer, beide in Berlin und beide Mitglieder der königl. Akademie der Künste in Berlin. Es erhebt sich nach dem nebenstehenden Lageplan in den herrlichen Anlagen, welche an der Stelle der den inneren Stadtkern ehemals umziehenden Wälle mit so viel Kunst- und Natursinn geschaffen wurden. Die erheblichen Höhenunterschiede zwischen der hinter dem Denkmal durchziehenden Wohn-Strasse und der vor dem Denkmal den lebhaften Verkehr leitenden Poststrasse sind mit grösster Meisterschaft für die künstlerischen Zwecke des Denkmals nutzbar gemacht. Das Werk ist ein vorwiegend architektonisches Denkmal. Wie der Erfolg zeigt, haben die Anreger desselben mit Recht den Gedanken verfolgt, dass nur ein Werk, in welchem die Baukunst die die Gesammtanlage beherrschende Kunst ist, auch für den einfachsten Beurtheiler die Grösse ausdrücken könne, welche in den geschichtlichen Ereignissen liegt, deren Urheber der Kaiser und seine Mitarbeiter waren. Das Denkmal entwickelt sich in der stattlichen Gesammtlänge von 67,5 m; hiervon kommen beiderseits je 16 m auf die Treppenrampen, während den Kern des Denkmals eine in zwei mächtige Pylonen endigende Säulenhalle von 35,5 m” Ausdehnung bis zur Aussenkante der Pylonen bildet, die in der Mitte einen Kuppelraum aufgenommen hat, vor welchem das Reiterstandbild des Kaisers, zu beiden Seiten neben ihm die Standbilder Bismarcks und Moltkes stehen. Diese Statuen sind das Werk Breuers; sie wurden in Lauchhammer in Bronze gegossen, Bismarck und Moltke sind je 3,1 m hoch, die Reiterstatue des Kaisers erreicht eine Höhe von 4,5 m. Es ist dem Bildhauer nachzurühmen, dass er in der Auffassung der Statuen jene Einfachheit und Ruhe zum Ausdruck gebracht hat, welche einmal allein es vermag, einem Kunstwerke die monumentale Haltung zu sichern, und welche andererseits das Bildwerk, ohne ihm an seiner Bedeutung zu nehmen, sich harmonisch in den gedankenreichen architektonischen Rahmen einfügen lässt. In dieser glücklichen Zusammenwirkung liegt ein Hauptverdienst des Kunstwerkes. Sie ist aber nur möglich, wenn der Auftrag zu einem monumentalen Denkmal nicht dem Bildhauer, sondern dem Architekten, d. h. dem Künstler anvertraut wird, welcher vermöge seiner vielseitigeren Gestaltungskraft und des in der Baukunst an sich liegenden Monumentalsinnes in erster Linie berufen ist, einem Denkmal die Hauptgestaltung zu verleihen. Der Bildhauer ist ein unenbehrlicher Mitarbeiter, er kann aber heute, wo auf den meisten Akademien nicht mehr eine Monumentalkunst, sondern nur eine Salonkunst gelehrt wird, nicht mehr der Träger des Grundgedankens sein. Was haben wir nicht für einen Schmerz empfunden, als wir sehen mussten, wie das Denkmal für den ersten Mann des neuen Reiches in Berlin, für den Gewaltigsten unter den Gewaltigen, eine inhaltlose, theatralisch aufgeputzte Zirkusgruppe wurde, wo doch der Wettbewerb Werke von unvergleichlicher Gestaltungskraft geliefert hatte!

Lageplan des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Halle a. S.
Lageplan des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.

Es ist nicht wohl möglich, ohne ein ergänzendes Bild eine ausreichende Beschreibung des architektonischen Theiles des Denkmals in Halle zu geben. Indem wir uns vorbehalten, auf dasselbe zurückzukommen, beschränken wir uns heute auf einige allgemeine Angaben. Die Möglichkeit der Errichtung des Denkmals ergab sich durch eine ansehnliche private Spende von 250 000 M.; der Rest zu demnur 350 000 M. betragenden Aufwande für das Denkmal wurde auf dem Wege einer freiwilligen Sammlung unter der halleschen Bürgerschaft gewonnen. Den hervorragenden Platz gab die Stadt Halle. Nachdem diese Vorfragen erledigt waren und der Schmitz’sche Entwurf den Beifall der leitenden Kreise gefunden hatte, konnte Ende 1898 mit der Errichtung des Werkes begonnen werden. Es ist in seinem architektonischen Theile aus Granit und aus Alt-Warthauer Sandstein aus den Brüchen bei Bunzlau in Oberschlesien errichtet. Es waren zur Anpassung der Umgebung 6000 cbm Bodenbewegung erforderlich und 600 cbm Werksteine wurden für das Denkmal benöthigt. Gebrüder Zeidler in Berlin haben die Werkstein- und die Steinbildhauerarbeiten ausgeführt, von welchen einen Theil Prof. Behrens in Breslau modellirte. Die Ausführung der Gründungs- und der Versetzarbeiten hatte Maurermstr. Hoffmann in Halle.

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.

Die Eckpylonen erheben sich bis zu einer Höhe von 21 m über Pflaster; die Hallen erreichen bis Oberkante Hauptgesims eine Höhe von 12 m; der Mittelbau eine solche von 16 m. Unterhalb der Reiterstatue und über einem Wasserbecken von 200 qm Fläche lagert eine allegorische Gruppe in Sandstein von 2 ¼ Lebensgrösse; sie hat eine Ausdehnung von 8,5 und eine Höhe von 3,5 m.

Eine Reihe von Inschriften weisen auf die Bedeutung des Denkmals hin, welche im übrigen noch durch allegorische ornamentale Bildungen erläutert wird. Die Hauptinschrift befindet sich als Spruch auf dem Fries der Bogenhalle; sie lautet: „Was in grosser Zeit errungen, wahr’ es, kommendes Geschlecht!“ Am Sockel des Kaiserstandbildes finden sich die Worte: „Wilhelm der Grosse, die dankbare Bürgerschaft“. An den Eckpylonen unterhalb der Löwenaufsätze sind die Tahreszahlen 1864-66 und 1870-71 ausgemeisselt. In der Kuppel zieht sich der Spruch hin: „Für Kaiser und Reich“; am nördlichen Pylon steht: „Vom Fels zum Meer“, am südlichen: „Suum cuique“. So enthält das Denkmal eine einfache, ungezwungene und volksthümliche Symbolik. – Die örtliche Bauleitung war Hrn. Arch. F. w Adams in Halle übertragen, welcher den schwierigen technischen und diplomatischen Anforderungen des grossen Werkes mit Umsicht gerecht wurde.

Wenn mit der beginnenden Woche die Morgensonne auf dem glanzvollen Werke in den schönen Wallanlagen von Halle ruhen wird, dann ist die deutsche Denkmalkunst um eine monumentale Arbeit bereichert, welche von Neuem mit darauf hindeuten wird, dass es, um ein Denkmal der Grösse des Reiches zu schaffen, nicht genügt, eine ungegliederte Menge von Menschen und Thieren in Bronze zu giessen, sondern dass hier die Architektur mit ihren grossen Ausdrucksmitteln den Grundakkord angeben muss. Diese Wahrnehmung, die leider erst spät sich weitere Kreise erobert hat, von neuem bekräftigt zu haben, darin liegt das grosse Verdienst der hochsinnig geleiteten Stadt Halle, als sie dazu schritt, ihr Kaiser-Denkmal in dieser Form aufzurichten.

Dieser Artikel erschien zuerst am 21.08.1901 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- H. -“

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S.

Architekt: Prof. Bruno Schmitz in Charlottenburg – Bildhauer: Prof. Pet, Breuer in Berlin.

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S. Arch. Prof. Bruno Schmitz-Charlottenburg - Bildh. Prof. Pet. Breuer-Berlin
Das Kaiser Wilhelm-Denkmal in Halle a. S. Arch. Prof. Bruno Schmitz-Charlottenburg – Bildh. Prof. Pet. Breuer-Berlin

Den vorläufigen Mittheilungen über das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Halle a. S. in No. 68 aus Anlass seiner am 26. Aug. d. J. erfolgten Enthüllung lassen wir in dieser Nummer das Bild des schönen Werkes folgen. Dieses nimmt unter den Denkmälern zur Verherrlichung der grossen Zeit des neuen Reiches den hervorragenden Rang ein, welchen ihm Künstler ersten Ranges und die Vereinigung von Architektur und Bildhauerkunst angewiesen haben. Mit aus diesem Grunde ist es eines der glücklichsten der zahlreichen Denkmäler der letzten Jahre, welche, je grösser diese Werke und das in ihnen verkörperte Ereigniss waren, um so mehr die Unmöglichkeit zeigten, mit der Bildhauerei allein dem Ausdruck eines grossen Gedankens gerecht zu werden. In das fast ausnahmslose Ueberwiegen der Bildhauerkunst in den deutschen öffentlichen Denkmälern der ersten Zeit nach dem grossen Kriege hat Bruno Schmitz durch seine kraftvollen Gestaltungen mit glücklichstem Erfolge Bresche gelegt und man geht kaum zu weit, wenn man ihn als den Urheber einer selbständigen Richtung in der deutschen Denkmalkunst des letzten Vierteljahrhunderts bezeichnet, denn was vor ihm in dem von ihm gepflegten Sinne geschaffen wurde, ist meist Entwurf geblieben, während es ihm vergönnt war, die meisten und grössten seiner Entwürfe in die That umzusetzen. Als das letzte und nicht geringste Werk dieser Reihe begrüssen wir das Hallenser Denkmal, welches in seiner monumentalen Grösse und künstlerischen Vollendung sowohl seine Besteller wie seine Künstler ehrt. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 05.10.1901 in der Deutsche Bauzeitung.