Bremens bauliche Entwicklung

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(Nach d. Vortrage des Hrn. Ob.-Baudir. Franzius i.d. Sitzung am 3. Sept.)
Wie die meisten älteren Orte unseres Vaterlandes, welche nicht – wie einzelne west- und süddeutsche – Städte ursprünglich als römische Befestigungen planmässig angelegt worden sind, ist wahrscheinlich auch Bremen nicht sowohl gegründet worden, sondern aus bescheidenen Anfängen allmählich entstanden.

Die topographischen Verhältnisse für eine Ansiedelung an diesem Punkte waren besonders günstige. Gelegen an der damaligen Grenze der Meeresfluth, bis zu welcher noch die kleinen Seeschiffe herauf kommen und mit den von oben kommenden Flusschiffen ihre Waaren austauschen konnten – zugleich an einer noch ziemlich engen Stelle des Flussthales, wo der letzte bequeme Uebergang über den unterhalb mehrfach getheilten Strom sich darbot, befand er sich zugleich auf einer wasserfreien, dünenartigen Erhöhung des Bodens und war umgeben von äusserst fruchtbarem Marschlande. So mag hier schon bald nach dem Aufhören der sogen. Völkerwanderung eine dorfartige Niederlassung sich gebildet haben, deren Bewohner einerseits Landwirthschaft trieben, andererseits aber aus dem Flussverkehr von oben wie von unten her mannichfache Vortheile zogen. Denn dass schon seit alter Zeit an der deutschen Nordseeküste lebhafte Schiffahrt – wenn auch zunächst gewiss mit sehr rohen Fahrzeugen – stattgefunden hat, dürfen wir aus den Raubzügen der Normannen, vor allem aber aus der Thatsache der etwa um 700 erfolgten Eroberung Englands durch die Angelsachsen schliessen. – Auch für die – natürlich ungepflasterten Strassenzüge, welche die verschiedenen älteren Ortschaften des benachbarten nördlichen Deutschland mit einander verbanden, bildete Bremen einen Kreuzungspunkt.

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In die Geschichte tritt Bremen mit den Kämpfen der fränkischen Königsmacht wider die das ganze nordwestliche Deutschland mit Ausnahme der friesischen Lande einnehmenden Sachsen. Im Verlauf dieser Kämpfe, die theils der Eroberung des Landes, theils der Bekehrung seiner hartköpfigen Einwohner zum Christenthum galten, kam i. J. 782 der Missionar Willehad dauernd nach Bremen und wurde i. J. 787 von Karl dem Grossen zum Bischof daselbst eingesetzt. Ihm sind die erste, im Holzbau hergestellte Anlage des dem hlg. Petrus geweihten Domes, vor dem sich heute sein Standbild erhebt, sowie der Bau verschiedener fester Häuser in dessen Nachbarschaft zuzuschreiben. Vermuthlich sind diese ersten wichtigeren Bauten des zu einer geschlossenen Stadt erhobenen Ortes schon während des grossen Sachsen-Aufstandes i. J. 797 zerstört worden. Erst i. J. 805 ward in Willerich ein Nachfolger des früh verstorbenen Willehad ernannt. Mit ihm beginnt die regelmässige Folge der Bremer Bischöfe, deren vierter, Ansgar, der erste Erzbischof wurde und damit zugleich die eigentliche Entwicklung der Stadt sowohl in materieller wie in geistiger Beziehung. Waren doch in jener frühen Zeit die Bischofssitze die vornehmsten Quellen, von denen aus Bildung und Kultur im Lande sich verbreiteten.

Von Bischof Willerich rührt der erste Steinbau des Domes her, der i. J. 1043 durch Feuer zugrunde ging. Auch von den gleichzeitig errichteten Wohngebäuden für den Bischof, die Domgeistlichkeit und die Hintersassen der Kirche, deren Anlage für die Strassenzüge und Grundstücksgrenzen in der Umgebung des Domes vielfach bis heute bestimmend geblieben sein dürfte, ist wohl keine Spur mehr vorhanden. Bedeutungsvoll für die weitere bauliche Entwicklung Bremens war es, dass Kaiser Otto I. i. J. 965 dem Bischof Adaldag gestattete, hier einen Markt zu errichten. Hieraus erwuchs den Bewohnern das Recht, Handel zu treiben und verschiedene damit verbundene Gerechtsame auszuüben. Damals wurde vor dem Dom ein Marktplatz mit dem königlichen Marktzeichen, dem späteren Roland, abgesteckt und das westlich davon gelegene Gelände (bis zur Papenstrasse) planmässig zu Strassen und Bauplätzen eingetheilt; an der jetzigen Oberestrasse erhielten die Lehensleute, südlich davon bis zur Weser die Kaufleute, nördlich davon die Handwerker ihre Wohnstätten. Zwischen 988 und 1030 soll zum Schutz gegen die räuberischen Normannen zuerst die Domstadt mit Mauern umschlossen worden sein, die dann weiter fortgesetzt, aber von dem prachtliebenden Bischof Adalbert (1043-1072) wieder abgebrochen wurden, um Steine für den schon von seinem Vorgänger Bezelin begonnenen, von ihm vollendeten Neubau des Domes zu gewinnen.

Mittelrisalit der Stadtbibliothek nach dem Original-Entwurf von J. Poppe. 1896. Aus Bremen und seine Bauten
Mittelrisalit der Stadtbibliothek nach dem Original-Entwurf von J. Poppe. 1896. Aus Bremen und seine Bauten

Es ist dieser Dombau Adalberts, wenn auch vielfach verändert, in seinen Haupttheilen bis auf unsere Tage überkommen und kürzlich – dank der ruhmvollen Freigebigkeit einzelner Bremer Bürger, insbesondere des Hrn. Franz Schütte – durch die Dombaumstr. Salzmann (†) und Ehrhardt wieder zu einem würdigen Ganzen gestaltet worden. Etwas älter als der heutige Dom ist die Anlage der ersten Pfarrkirche Bremens, der Liebfrauenkirche, die noch einer entsprechenden Herstellung harrt. Etwa ein Jahrhundert später ist dann in einem unterhalb der alten Stadt entstandenen, vorzugsweise von Schiffern und Fischern bewohnten neuen Stadttheil die heutige Stephani-Kirche errichtet worden. In die etwa um d. J. 1100 erneuerte Befestigung der alten Stadt ist auch diese Vorstadt mit hinein gezogen worden. Heute erinnern nur noch einzelne Namen, z. B. der des Fangthurmes, an diesen mittelalterlichen Wehrbau, während die erst zu Anfang des 14. Jahrhunderts angelegten äusseren Befestigungen zumtheil noch erhalten geblieben sind.

Zu einer umfangreichen Bauthätigkeit, mit der zugleich die Gothik ihren Einzug in Bremen hielt, gaben gegen Ende des 13. Jahrhunderts mehre grosse Feuersbrünste Gelegenheit. Damals sollen besonders viele massive Gebäude – für die Handwerker schmale Häuser von 2-3 Fenster Breite, für die Kaufleute breitere Anlagen mit mittlerer Einfahrt und hohem Giebel, wie einzelne noch heute aus jener Zeit bestehen – entstanden sein, nachdem bis zum Anfang des 13. Jahrh. für den Wohnhausbau ausschliesslich Holzkonstruktionen verwendet worden waren. Nach den Angaben Kohl’s in seinen „Episoden aus der Kultur- und Kunstgeschichte Bremens“, erfolgte auch die Einführung von Glasfenstern erst vom Ende des 13. Jahrh. an; die Eindeckung der Häuser mit Ziegeln war erst von 1350 ab die vorherrschende und ein weiteres Jahrhundert später fing man an, Schornsteine anzulegen, die jedoch noch lange nur aus Holz und Lehm hergestellt wurden und daher sehr feuergefährlich waren.

Als die erste gothische Kirche Bremens gilt die gegenwärtig bis auf geringe Reste verschwundene Katharinenkirche; ihr folgten die in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. erbaute Johannis-Kirche und die vor 40 Jahren in ein Bierlokal umgewandelte Jacobi-Kirche. Von den gothischen Profanbauten ist das zu Anfang des 15. Jahrh. aufgeführte ursprüngliche Rathhaus bei weitem der bedeutendste; er ist zugleich der Ausdruck der jungen Macht Bremens, das nach und nach die geistliche Herrschaft seiner Erzbischöfe durch die weltliche seines Rathes ersetzt und die Reichsselbständigkeit erlangt hatte.

Auch für das rege baukünstlerische Schaffen, das sich in Bremen im Zeitalter der Renaissance entfaltete, bietet der von 1609-1612 durch Lüder von Bentheim ausgeführte Umbau des Rathhauses das glänzendste Beispiel. Von demselben Architekten rühren noch die Stadtwage, das Kornhaus und vermuthlich der eine Giebel des Schütting her. Hauptvertreter der späteren in das Barock übergehenden Kunstweise der deutschen Renaissance sind neben einigen anderen Häusern in der Langenstrasse das kürzlich hergestellte sogen. Essighaus und das Gewerbehaus gegenüber der Ansgarii-Kirche.

Nachdem dann im 18. Jahrh. noch einige wenig bedeutende Privatbauten im sogen. Zopfstil entstanden waren, fiel die architektonische Thätigkeit der Stadt mehr und mehr der ödesten Nüchternheit anheim, von der das aus dem Umbau eines ehemals erzbischöflichen gothischen Palastes gewonnene heutige Stadthaus ein besonders abschreckendes Beispiel darbietet. Erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich unter dem Vortritt des vor 10 Jahren verstorbenen Heinrich Müller wieder eine Reihe von Architekten erhoben, die bestrebt sind, im Sinne und Geiste der alten Meister zu wirken.

Bezeichnend für den ganzen Wohnhausbau Bremens ist es, dass hier an der guten alten Sitte des Einfamilienhauses festgehalten worden ist und auch noch heute festgehalten wird; entspricht dieselbe doch dem echt niedersächsischen und friesischen Brauche, dass auch der Bauer auf einem isolirt liegenden Gehöft wohnt. Dies bedingt natürlich eine unverhältnissmässig grössere Ausdehnung der Stadt, zumal wenn jedem Hause noch ein – wenn auch kleiner – Vor- und Hintergarten hinzugefügt wird, und erhöht nicht nur die Kosten der Strassen-Anlagen, der Entwässerung usw., sondern auch die Ausgaben, welche jeder Einzelne für Wohnzwecke zu leisten hat, bringt aber unersetzliche Annehmlichkeiten mit sich und ist von grösstem gesundheitlichen Vortheil. Wenn Bremen eine geringere Sterblichkeit aufweist, als andere Grosstädte, so ist dies in erster Linie gewiss auf den Umstand zurückzuführen, dass 1 ha der Grundfläche des Stadtgebietes im Durchschnitt nur von 103 Menschen bewohnt wird, während diese Ziffer anderwärts 300-400 beträgt; auf ein Haus kommen in Bremen durchschnittlich nur 8 Einwohner. Mit Recht hat man daher das System de Einfamilienhauses, das auch in der Pavillon-Anlage der neuen Krankenhäuser anklingt (im Gegensatze zu den geschlossenen Bauten der meist aus milden Stiftungen hervorgegangenen Wohlthätigkeits-Anstalten) nicht nur au die neuerdings von einem besonderen Bauverein errichteten mehr als 500 Arbeiter-Wohnungen übertragen, sondern es auch mit besonderer Strenge in den Vorstädten durchgeführt.

Abgesehen von der an Umfang der Altstadt nahezu gleichen Neustadt, einem planmässig mit breiten und geraden Strassen angelegten und im Ansehen demnach ziemlich langweiligen Stadttheil, der geschaffen wurde als man im 17. Jahrhundert die anstelle der mittelalterlichen Umwehrung errichteten modernen Festungswerke auch auf das linke Weserufer ausdehnte, konnten diese Vorstädte erst entstehen, nachdem i. J. 1848 der mittelalterliche Zopf der sogen. Thorsperre beseitigt worden war. Schon früher waren die Wälle der ehemaligen Festung, die zuletzt noch i. J. 1813 ihrem Zweck gedient hatten, abgetragen oder – zum grössten Segen für die sonst gänzlich einer schönen Umgebung entbehrende Stadt – in Parkanlagen umgewandelt worden. Seither haben jene Vorstädte einen Umfang angenommen, der denjenigen der Alt- und Neustadt weit übertrifft. Aber auch über sie hinaus erstreckt sich die Bauthätigkeit der Stadt. Bereits an der unteren Weser und Lesum, sowie in den Dörfern Schwachhausen, Horn und Oberneuland sind eine grössere Anzahl von Landhäusern – von schlossartigem Umfange bis zu den kleinsten möglichen Abmessungen – errichtet worden, in welche ein Theil der begüterten Einwohnerschaft Bremens während der Sommermonate sich zurück zieht. –

Was das Strassenwesen Bremens betrifft, so ist wohl anzunehmen, dass zur Blüthezeit des Hansa-Bundes, etwa gleichzeitig mit der Erbauung einer grösseren Anzahl von Steinhäusern, auch die damaligen Hauptstrassen der Stadt, wenn auch nur mit runden Findlingsteinen, gepflastert worden sind, während ausserhalb der Stadt bis in die napoleonische Zeit nur ungepflasterte Feldwege vorhanden waren. Erst i. J. 1834 wurden die Kosten der Strassenpflasterung auf öffentliche Mittel übernommen und neben der Fahrstrasse schmale Bürgersteige (meist aus Sollinger Sandsteinplatten) hergestellt.

Grosse Schwierigkeiten sind in jüngster Zeit aus der durch die gewaltige Steigerung des Verkehrs und die Einführung neuer Verkehrsmittel (Pferde- und elektrische Bahnen) entstandenen Nothwendigkeit erwachsen, das durchweg zu enge Strassennetz der Altstadt zu erweitern. Der von dem Vortragenden unternommene Versuch, gewisse Strassendurchbrüche durchzusetzen und daneben ein Gesetz zu schaffen, welches den Staat berechtigte, zu beiden Seiten einer zu verbreiternden Strasse so viel Grundfläche zu enteignen, als zur Herstellung neuer, genügend tiefer Baustellen erforderlich ist, ist leider gescheitert, weil der Widerstand eines sich selbst frei verwaltenden Gemeinwesens gegen derartige Eingriffe in das Privateigenthum zu gross ist und letztere nach Ansicht der Bremer Juristen auch zu wenig den bestehenden Rechtsbegriffen entsprachen. Man behilft sich zurzeit mit der Festsetzung gewisser Fluchtlinien, die beim Umbau oder Neubau eines Hauses eingehalten werden und hat damit in neuester Zeit allerdings so erhebliche Strassenerweiterungen ermöglicht, dass demnächst in der Längsrichtung der Stadt zweigleisige elektrische Bahnen durchgeführt werden können.

Eine Kanalisation der Stadt ist nach einem i. J. 1875 von Brth. Graepel aufgestellten Entwurf nach und nach zur Ausführung gelangt; doch ist erst vor kurzem der Widerstand gegen die Einführung von Fäkalien in die Kanäle überwunden worden, so dass nebenher noch immer das „schreckliche Abfuhrsystem“ besteht. Vorläufig gelangen die Abflüsse noch auf allerhand Umwegen in die Weser und Lesum. Für die Stadttheile am linken Weser-Ufer ist eine Ableitung des Kanalinhaltes auf Rieselfelder geplant; für den grösseren rechtsseitigen Stadttheil ist zunächst wenigstens eine Reinigungsanlage in Angriff genommen, während später auch von hier aus eine Berieselung in Verbindung mit der Bewässerung des sog, Blocklandes erfolgen soll. –

Die Wasserversorgung der Stadt wird von der Weser aus durch eine Wasserkunst bewirkt, deren 42 m hoher Hochbehälter das Stadtbild beherrscht. Nach dem vom Obering. Götze eingeführten, sehr beachtenswerthen Verfahren wird das Wasser zunächst in grossen Klärbecken gereinigt und geht demnächst erst durch zahlreiche Filter. Von der Wasserkunst werden auch die öffentlichen Brunnen der Stadt gespeist – zuweilen allerdings etwas spärlich, so dass unkundige Leute schon in den Irrthum verfallen sind, den bekannten schönen, von Prof, Maison geschaffenen Teichmann-Brunnen auf dem Domshofe, bei dem die Unterkanten des Bootes reichlich 1 m hoch über der ruhigen Wasserfläche sich befinden, für ein Denkmal zur Verherrlichung der Luftschiffahrt anzusehen.

Die bis jetzt neben dem Hauptbahnhofe befindliche Gasanstalt wird zurzeit nach einem Plane des Direktors Salzenberg mit etwa 6 Mill. M. Kostenaufwand im Vorort Woltmershausen neu erbaut. – Ein allgemeines Elektrizitätswerk besitzt die Stadt erst seit 1893, nachdem schon 5 Jahre vorher der neue Hafen eine eigene derartige Anlage erhalten hatte. Die von Obering. Jordan geleitete Anlage besitzt zurzeit Maschinen von insgesammt 4000 Pferde-Stärken und ein Kabelnetz von 264 km. Sie kann 74 000 Lampen zu je 16 Kerzen speisen oder zumtheil eine Anzahl kleinerer Motoren treiben; seit dem 1. Sept. d. J. dient sie auch für den Betrieb der elektrischen Strassenbahn.

Während ein nach dem Entwurf des Brth. Flügel errichteter Schlacht- und Viehhof schon seit Ende der 70er Jahre besteht und sich in jeder Hinsicht bewährt hat, fehlen der Stadt auffälliger Weise noch Markthallen und es scheint bei der in Bremen herrschenden Sitte, dass den Bewohnern fast alle Arten von Lebensmitteln ins Haus gehracht werden, auch wenig Aussicht, dass dieselben in nächster Zeit hier entstehen.

Als grössere gärtnerische Anlagen sind neben den beiden Haupt-Friedhöfen, die sich auch durch eine Fülle schöner, künstlerisch gehaltener Grabdenkmäler auszeichnen, namentlich diejenigen des sogen. Bürgerparkes zu erwähnen, die seit 1866 nach dem Entwurfe des Landschaftsgärtners Benque auf der vormaligen, fast jedes landschaftlichen Reizes entbehrenden Bürgerviehweide erstanden sind. Die über 4 Mill. M. betragenden Kosten der rd. 136 ha umfassenden Anlage sind lediglich aus freien Beiträgen begüterter bremischer Bürger beschafft worden.

Als Anstalten und Einrichtungen, die mit der jüngsten baulichen Entwicklung Bremens in Verbindung stehen, sind endlich noch das Technikum und das Feuerlöschwesen zu nennen; für die Mustergiltigkeit des letzteren spricht die Thatsache, dass hintereinander zwei Bremer Branddirektoren an die Spitze der Berliner Feuerwehr berufen worden sind. Die Baupolizei ist ein Zweig der Polizei-Verwaltung, während die Bremische Staatsbauverwaltung seit 1873 eine einheitliche technische Spitze, die Baudirektion besitzt; die Verwaltung selbst wird, wie in allen Verwaltungszweigen des Bremischen Staates, von dazu abgeordneten Mitgliedern des Senates und der Bürgerschaft geführt, denen in 8 Abtheilungen obere technische Beamte zurseite stehen.

Von besonderer Bedeutung für Bremen sind natürlich diejenigen baulichen Unternehmungen, welche das Wasser und die Schiffahrt betreffen.

Unter den Brücken der Stadt ist die weitaus wichtigste die sogen. grosse Weserbrücke, die zuerst 1244 erwähnt wird und zu deren Unterhaltung i. J. 1280 102 Dörfer beizutragen hatten. Die ältesten an dieser Stelle errichteten Bauwerke waren wegen der geringen Höhe der Ufer über den höchsten Wasserständen, die jede Steinkonstruktion ausschloss, aus einfachen Holzjochen mit zahlreichen Eisbrechern hergestellt und besassen zum Durchlassen der Schiffe eine Oeffnung mit beweglicher Fahrbahn. I. J. 1861 war eine Brücke mit eisernem Oberbau auf 6 steinernen Mittelpfeilern ausgeführt worden; die letzteren boten jedoch der Flusschifffahrt wie dem Hochwasser so grosse Hindernisse, dass i. J. 1893 ein abermaliger Neubau auf einer etwas flussaufwärts liegenden Stelle, im Zusammenhange mit einer wesentlichen Vertiefung der Flussohle (um das grösste 4100 cbm betragende Oberwasser ohne Aufstau durchlassen zu können) beschlossen wurde. Die innerhalb 2 Jahren unter Leitung des Brth. Suling unter Mitwirkung des Prof. Rehbock ausgeführte Brücke ist eine sogen. Ausleger-Brücke mit einer 66 m weiten Mittelöffnung und zwei je 35 m weiten Seitenöffnungen. Die architektonische Gestaltung des eisernen Aufbaues ist aufgrund eines allgemeinen Wettbewerbes unter den deutschen Architekten von Arch. Billing in Karlsruhe entworfen worden. Von anderer Seite waren Entwürfe aufgestellt worden, welche die Aufgabe in ganz anderer Art zu lösen versuchten und namentlich in gewaltigen, mit der Brücke selbst kaum zusammenhängenden Thorbauten ihren Schwerpunkt fanden. Gegenüber den unermüdlichen Angriffen der Anhänger dieser Vorschläge müssen sich die Vertreter des ausgeführten Entwurfes mit dem bekannten Spruche trösten:

„Wer bauen will an Brücken und Strassen,

Muss die – Leute können reden lassen.“

Sonstige Brücken über die Weser sind die 1866 erbaute, 1896 wegen zu schwacher Gründung einem Umbau unterzogene Eisenbahnbrücke, sowie die 1875 errichtete Kaiserbrücke; auch diese wird wegen ungenügender Gründung und zu schwachem Oberbau in absehbarer Zeit durch einen Neubau ersetzt werden müssen und soll bis dahin nur geringe Verstärkungen erhalten, während man inzwischen oberhalb der Eisenbahn-Brücke eine dritte Strassenbrücke über die Weser schlagen will. Auch mehre neue Brücken über die kleine Weser sind geplant; an einer Stelle neben dem Freihafen, wo täglich mehr als 1000 Menschen von und zur Arbeit gehen, die Seeschiffahrt aber eine feste Brücke ausschliesst, ist eine sosen. Schwebefähre in Aussicht genommen. –

Da nur die Altstadt auf einem alten Dünenrücken, der grösste Theil der Stadt dagegen in einer bedeichten Marschniederung liegt, so spielt auch das Deich- und Entwässerungs-Wesen hier von jeher eine wichtige Rolle. Die wahrscheinlichh schon im 12. Jahrh. begonnenen und gegen die Mitte des 15 Jahrh. vollendeten, nach den grossen Fluthen von 1880/81 wesentlich verstärkten Hauptdeiche des bremischen Staatsgebietes haben eine Gesammtlänge von rd. 100 km; sie ziehen sich auf beiden Ufern der Weser und an deren Nebenflüssen entlang und schliessen durch Querdeiche das ganze zweitheilige Gebiet inselförmig ab. Die Entwässerung geschielt durch die üblichen Siele und auf dem rechten Weserufer zeitweise überdies durch eine grossartige, mit Kreiselpumpen betriebene Schöpfanlage. Einige kleine schiffbare Kanäle mit sogen. Klappstauen, welche dieses rechtseitige Gebiet durchschneiden, verbinden die Stadt mit den Torfmooren.

Eine grossartige Entwickelung haben im Laufe der letzten Jahrzehnte die Verkehrs-Verhältnisse und dem entsprechend die baulichen Verkehrs-Anlagen in und um Bremen erfahren, die noch im ersten Drittel des 19. Jahrh. auf einer so niedrigen Stufe standen, wie man es kaum für möglich halten sollte. Interessanten Aufschluss hierüber geben die Denkwürdigkeiten des berühmten vormaligen bremischen Bürgermeisters Duckwitz, aus denen der Redner einige ergötzliche Mittheilungen machte. Ausser den natürlichen Schwierigkeiten, die insbesondere der Schiffahrt auf der Oberweser entgegen standen, war in Bremen selbst das Hinderniss der grossen Weserbrücke zu überwinden, von deren 12 Oeffnungen 11 mit Mühlen besetzt waren und nur eine der Schiffahrt diente – vorausgesetzt, dass weder zu hoher noch zu niedriger Wasserstand dies ausschloss. Dazu traten dann noch das geringe Entgegenkommen der hannoverschen Regierung und die hohen Transitzölle für das von Bremen nach dem inneren Deutschland gehende Gut. Ein Umschwung erfolgte erst, nachdem Bremen unter Führung von Smidt und Duckwitz i. J. 1845 mit dem Königreich Hannover einen Vertrag über den Bau der Eisenbahn zwischen Hannover und Bremen abschloss. Dieser ersten Bahnverbindung schloss bald diejenige mit Bremerhaven und Geestemünde sich an; 1866 wurde die Bahn nach Oldenburg, 1872 diejenige nach Hamburg und Köln, 1874 diejenige nach Stendal gebaut – sämmtlich Unternehmungen, an denen Bremen meist als Partner der betreffenden Nachbarstaaten, streckenweise sogar allein betheiligt war.

Durch diese Bahnverbindungen ist im Laufe der letzten 50 Jahre der Bremische Handel um das Vielfache seines früheren Umfanges gesteigert worden und damit auch die Nothwendigkeit eingetreten, seine Seeschiffahrts-Anstalten entsprechend auszubauen.

Der älteste Hafen der Stadt, an welchem die mit einem Tiefgang von 2-3 m hinauf kommenden Seeschiffe zugleich mit den von oberhalb kommenden Fluss-Schiffen anlegten, lag an dem befestigten Weser-Ufer der Altstadt, der heute in eine Gartenanlage umgewandelten Schlachte; er war noch bis zum Jahre 1840 mit sogen. „Wuppen“, den Vorläufern unserer heutigen Krähne ausgestattet. Im Jahre 1601 wurde rd. 17 km unterhalb der Stadt an der Mündung der Lesum in die Weser der Hafen von Vegesack gegründet, von dem namentlich viele Walfischfänger ausliefen. Als dann infolge der zunehmenden Versandung der Weser und des Baues grösserer Schiffe beide Anlagen nicht mehr genügten, entschloss man sich i. J. 1827 unter Führung des Bürgermeisters Smidt zur Gründung eines neuen grossartigen Hafens an der unteren Weser, des heutigen Bremerhavens. Dort ist im Laufe der Zeit durch das Hinzutreten des ehemaligen hannoverschen Hafens Geestemünde und der Gemeinden Geestendorf und Lehe ein Hafenplatz entstanden, der sich in einer Gesammt Länge von 8 km am rechten Weserufer erstreckt und eine Bevölkerung von über 60 000 Einwohner zählt. Bremerhaven, die Heimstätte des Norddeutschen Lloyd, ist z. Z. mit 3 grossen Becken und 4 Schleusen ausgestattet und kann sich rühmen, in 2 von Baurath Rudloff vor einigen Jahren erbauten Werken die grösste Schleuse nebst dem grössten und tiefsten Trockendock des europäischen Kontinentes zu besitzen. Die grossartigen Maschinen-Anlagen zum Oeffnen und Schliessen der Schleusenthore oder des Schiebepontons, der elektrisch betriebene Krahn für Lasten von 150 t, die mit den feinsten Messapparaten ausgestattete Versuchshalle des Norddeutschen Lloyd gehören zu den hervorragendsten neueren Leistungen des Ingenieur-Gebietes.

Aber auch Bremen selbst hat neue bedeutende Hafenanlagen erhalten. Durch die bereits seit 1881 geplante Korrektion der Unterweser (welche der Redner mit bemerkenswerther Bescheidenheit nur beiläufig erwähnte) ist es bekanntlich erreicht worden, dass die bis dahin nur für Schiffe von höchstens 3 m Tiefgang zugängliche Stadt von Fahrzeugen bis zu 6 m Tiefgang erreicht werden kann. Nachdem durch den Beitritt Bremens zum Zollverein die Anlage eines Freihafens erforderlich geworden war, konnte der im Zusammenhange mit jener Korrektion in Aussicht genommene Hafen als solcher ausgebaut und in kürzester Frist vollendet werden. Nach nur zehnjährigem Bestehen dieses 2000 m langen Hafens musste bereits die Erweiterung desselben auf mehr als das Doppelte seiner bisherigen Grösse in Angriff genommen werden; die Ausführung derselben, welcher Brth. Suling vorsteht, befindet sich imgange. In der Nähe des Freibezirkes ist ferner im Zollinland der sogen. Industriehafen entstanden, auf dessen einer Seite der Holzhandel und auf dessen anderer Seite eine grosse Anzahl bedeutender Fabriken Platz gefunden haben.

Eckportal der Sparkasse vor dem Steinthor. H. Mänz. 1898
Eckportal der Sparkasse vor dem Steinthor. H. Mänz. 1898
Neue Sparkasse am Markt. Alb. Dunkel. 1895. Aus Bremen und seine Bauten
Neue Sparkasse am Markt. Alb. Dunkel. 1895. Aus Bremen und seine Bauten
Wilhadi-Brunnen auf dem kleinen Domshof Rich. Neumann. 1883
Wilhadi-Brunnen auf dem kleinen Domshof Rich. Neumann. 1883

Seit dem Jahre 1890 hat man auch mit einer Regulirung der Aussenweser unterhalb Bremerhaven begonnen, um den Schnelldampfern des N. Lloyd weitere Erleichterungen zu verschaffen; seit 1896 werden diese Arbeiten, für welche bisher jedoch nur Theil-Entwürfe aufgestellt worden sind, im Zusammenhange mit der Unterweser-Korrektion durch Brth. Bücking geleitet.

Dass alle diese grossartigen Unternehmungen auf den Zustand der eigentlichen Stadt – welche bis dahin sozusagen eine reine Kontorstadt gewesen war, nunmehr aber zugleich eine Fabrik- und Hafenstadt geworden ist – von weitgehendstem Einfluss sein musste, liegt auf der Hand. Ein grosser Theil ihrer jüngsten baulichen Entwicklung, die Anlage neuer Strassenzüge, die Verbreiterung älterer Strassen, die Errichtung von Bauten wie das Gerichts-Gebäude und die Baumwollbörse, ist eine unmittelbare oder mittelbare Folge davon. Vielleicht noch wichtiger ist jedoch der Umschwung, der sich in den Anschauungen der Bevölkerung vollzogen hat. Vor 20 Jahren noch waren die Ansichten über die Weserkorrektion und die Anlage eines Hafens in Bremen so getheilt, dass einsichtige Männer diese Pläne in das Reich der Chimäre verwiesen. Heute ist man von der Nothwendigkeit, Bremen mit dem Mittelland-Kanal zu verbinden, so überzeugt, dass man vor dem Gedanken nicht zurückschreckt, dem preussischen Staate für die Kanalisirung der Weser von Minden bis Bremen einen Beitrag von 43 Mill. M. zu zahlen.

Wohl darf es Wunder nehmen, wie ein Gemeinwesen von wenig mehr als 200 000 Seelen solches wagen und leisten kann. Die. beste Erklärung hierfür liegt in dem Geiste der Bevölkerung, in welchem der alte Wagemuth der Hansa noch nicht erloschen ist und hoffentlich nie verlöschen wird. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.09.1900 in der Deutsche Bauzeitung unter dem Titel: „Die XIV. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Bremen vom 2. bis 5. September 1900. II. Die Vorträge. a) Bremens bauliche Entwicklung.“