Die Feuersicherheit in großen Berliner Warenhäusern.

Von Fritz Leybold, Kgl. Brandmeister, Berlin 1903.

Alle großen Berliner Waren- und Geschäftshäuser sind mit ausgedehnten Feuerlöscheinrichtungen versehen. In der Regel bestehen diese aus einem weitverzweigten Rohrsystem, das an die Städtische Wasserleitung angeschlossen ist und mit der Wirtschaftsleitung des Hauses in keinerlei Zusammenhang steht. Wasserstöcke, mit Schläuchen und Stahlrohren ausgerüstet, sind in allen Stockwerken verteilt. Durch Anlage großer, stabiler eiserner Leitern und Austritte, in der Regel an den Hoffronten der Gebäude, werden Angriffswege für die Feuerwehr geschaffen, die auch als Rettungswege für etwa vom Feuer abgeschnittene Personen benutzt werden können.

Die Feuerlöscheinrichtung wird durch Mitglieder der Berufsfeuerwehr geprüft.

Jedes größere Warenhaus hat eine umfangreiche Feueralarmvorrichtung, und in der Regel ist das Gebäude durch einen oder mehrere Privatfeuermelder an das öffentliche Feuermeldesystem der Königlichen Feuerwehr angeschlossen.

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Ist ein derartiger Privatfeuermelder nicht gefordert worden, so sind entsprechende Hinweise zum nächstgelegenen öffentlichen Feuermelder an besonders geeigneten Stellen anzubringen. Um die Treppen für den Fall eines Feuers im Innern des Geschäftshauses möglichst lange passierbar zu erhalten, werden im obersten Teil der Treppenhäuser Rauchabzüge eingerichtet, die von gesicherter Stelle – in der Regel vom Hof aus – geöffnet werden können.

Rauchabzug und Ventilationschacht auf dem Dach eines Warenhauses

Die Geschäftsinhaber der großen Berliner Warenhäuser haben sich indes nicht damit begnügt. Die behördlichen Forderungen hinsichtlich der Feuersicherheit in ihren Etablissements zu erfüllen, vielmehr sind sie eifrig bemüht, auch ihrerseits die Gefahr bei Ausbruch seines Feuers oder Entstehung einer Panik einzudämmen. Sie haben daher wohlorganisierte Hausfeuerwehren eingerichtet und ihr zahlreiches Personal derartig geschult, daß es bis zum Eintreffen der Feuerwehr die Weiterverbreitung eines Feuers in den Räumen des Gebäudes verhindern kann und zugleich nach Möglichkeit dazu beitragen muß, um eine Panik im Publikum zu vermeiden.

Feuerwehrmann einer Privatfeuerwehr mit mit Extinkteur, Beil und Löschdecke ausgerüstet

Dazu ist natürlich in erster Linie erforderlich, daß das Personal selbst ruhig und besonnen zu Werke geht und dafür sorgt, daß in kritischen Momenten keine Verwirrung entsteht. Wenn auch dafür gesorgt ist, die Feuersgefahr möglichst zu vermindern, so können die geringfügigsten und unberechenbarsten Ursachen doch dazu führen, daß trotz aller Vorsichtsmaßregeln in der einen oder andern unvorhergesehenen Weise ein Feuer zum Ausbruch kommt. Dann wird es Pflicht der Angestellten sein, sofort einzugreifen und durch besonnenes Handeln entweder die Gefahr durch Benutzung der vorhandenen Einrichtungen sofort zu beseitigen oder aber auch das Publikum zu veranlassen, ohne lebensgefährliches Gedränge und unter Benutzung der nächsten Ausgangswege das Kaufhaus zu verlassen und schließlich sich selbst in Sicherheit zu bringen.

In erster Linie muß natürlich von den Angestellten erwartet werden, daß ein Feuer nicht durch deren eigenes Verschulden entsteht, und daß die Verbote, die über den Gebrauch von Streichhölzern und über das Rauchen erlassen sind, aufs peinlichste befolgt werden. Die Angestellten müssen genau über alle Hülfsmittel orientiert sein, die ihnen bei Ausbruch eines Feuers zu Gebote stehen: wie die Benutzung der Feuermelder, das Herablassen der Rolljalousien, das Oeffnen der Rauchabzüge und genaue Kenntnis der Ausgangsverhältnisse.

Bei Ausbruch eines Feuers würde sofort einer oder mehrere der zahlreichen, über das ganze Haus verteilten Feuermelder gezogen werden. In der Feuermeldezentrale würden aus den nächsten Polizeirevieren starke Abteilungen der Berliner Schutzmannschaft eingetroffen sein und die Straße abgesperrt haben, um Raum zu schaffen für die das Geschäftshaus Verlassenden und Platz zu machen für die Anfahrt etwa weiter noch auf der Brandstelle eintreffender Löschzüge.

Prüfung eines Privatfeuermelders

Man kann hieraus schon schließen, daß seitens der Behörden und auch seitens der Geschäftsinhaber alles geschieht, um unter Anwendung der modernen Technik die Gefahr der Entstehung eines Feuers in einem großen Warenhaus möglichst zu beseitigen, und daß quasi nach menschlichem Ermessen alle Hülfsmittel sich zunutze gemacht hat, um das Publikum vor einer Katastrophe zu bewahren.

Das Publikum kann aber auch selbst in hohem Maß dazu beitragen, und zwar durch Befolgung nachstehender Regeln: beim Betreten eines großen Kaufhauses soll man auf die Ausgänge achten und besonders, wenn man zu den ständigen Kunden gehört, sich mit den Oertlichkeiten, vor allem mit den Ausgangsverhältnissen vertraut machen. Es gibt sicher in Berlin viele Tausende ständiger Besucher großer Warenhäuser, die die im Fall einer Feuersgefahr zu benutzenden feuersicheren Treppen überhaupt nicht kennen, weil sie stets nach dem Betreten des Geschäftshauses durch ein und das selbe Hauptportal immer nur die Zwischentreppen und die Fahrstühle benutzen. Der moderne Großstadtbewohner muß eben notgedrungen auf gar vielerlei achten, so beim Besuch stark besuchter Lokale, Theater, Versammlungsräume, bei Benutzung unserer öffentlichen Verkehrsmittel, beim Betreten der Straße überhaupt – warum soll er nicht auch darauf achten können, wie er gegebenenfalls ein Warenhaus auf kürzestem Weg verlassen kann ?

Bei der großen Uebersichtlichkeit unserer modernen Warenhäuser wird der Käufer im allgemeinen sofort wahrnehmen können, ob er direkt von einer Gefahr bedroht wird oder nicht. Man darf also von ihm wohl voraussetzen, daß er auch in vielleicht kritischen Momenten nicht den Kopf verliert; die große Mehrzahl der Besucher eines großen Warenhauses muß in solchen Fällen durch verständiges Handeln beruhigend auf die übrigen einwirken und ohne Geschrei, ohne lebensgefährliches Gedränge die nächsten Ausgänge, die feuersicheren Treppen zu benutzen bestrebt sein, um auf dem nächsten Weg ins Freie zu gelangen.

Inzwischen würde unter Ertönen einer Alarmglocke in dem dort befindlichen Klappenschrank eine Klappe fallen mit der Bezeichnung des Raums, in dem das Feuer entstanden ist.

Eiserne Steigleiter an der Hoffront

Sofort würde nun der in dem selben Raum oder in dessen nächster Nähe befindliche Privatfeuermelder in Täigkeit gesetzt werden, der auf der nächstgelegenen Wache der Königlichen Feuerwehr einläuft und deren sofortige Alarmierung veranlaßt. Inzwischen würde sich das Publikum unter der Führung und Hülfeleistung der Angestellten durch die nächsten Ausgänge des Hauses ins Freie begeben. Dabei haben die an den Ausgängen postierten Angestellten dafür Sorge zu tragen, daß nicht etwa Unberufene, Schaulustige u. s. w. von der Straße aus sich dem Menschenstrom entgegenwerfen, und daß alle, die das Freie erreicht haben, sich sofort in weitere Entfernung von den Ausgängen begeben, um den Nachfolgenden Platz zu machen und nicht etwa nun, da sie sich in Sicherheit wissen, sitzen bleiben und den Nachfolgenden die Ausgänge versperren.

Wenige Minuten nach erfolgtem Alarm würde der erste Zug der Königlichen Feuerwehr eintreffen, und dessen Führer würde sich nebst den Sappeuren u. s. w. unter Leitung eines mit den örtlichen Verhältnissen genau vertrauten Angestellten der am Melder die Ankunft der Feuerwehr erwartet hatte, zur Brandstelle begeben. Dort ist inzwischen das Feuer von den Angestellten mit allen zu Gebote stehen den Mitteln bekämpft worden. Sobald der Führer der zuerst auf der Brandstelle eintreffenden Zuges der Berliner Feuerwehr erkannt hat, daß die auf den ersten Alarm anrückende Löschhülfe auch nicht annähernd ausreichend sein könnte, erfolgt sofort weiterer Alarm zur Heranziehung eines größeren Aufgebots.

Dieser Artikel erschien 1903 in der „Die Woche“. Die Bilder wurden nachcoloriert.