Berliner Neubauten 75 – Wohnhaus Lessing im Grunewald, Wangenheimstrasse 10

Arch.: H. Jassoy-Berlin. Abweichend von der grösseren Mehrzahl der in der Villenkolonie Grunewald bei Berlin errichteten Landhäuser, die schon durch ihre Lage abseits des grossen Verkehrs und mit ihrem Namen andeuten, dass sie mehr der Zurückgezogenheit vom geselligen Treiben als diesem selbst dienen sollen, ist die im Nachstehenden beschriebene Villa des Hrn. Bildhauers Prof. Otto Lessing, die in der Zeit vom April des Jahres 1894 bis dahin 1895 nach den Plänen des Hrn. Architekten H. Jassoy errichtet wurde, eine Villenanlage, für deren Gestaltung in erster Linie der ausgebreitete gesellige Verkehr des Besitzers maassgebend war.

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Infolge dessen bildet den Schwerpunkt der Anlage eine 7 m breite und 11,38 m lange, durch zwei Geschosse reichende Halle, welche bei grösseren Gesellschaften als Tanz- und Speiseraum, gewöhnlich aber als Hauptwohnraum benutzt wird und um welche sich nach den nebenstehenden Grundrissen die übrigen Räume derart gruppiren, dass vom Eingang aus ein Vorraum betreten wird, der sowohl zu dem Salon wie zu der gegen diesen durch eine 3 m breite Schiebethür geöffneten Halle Zutritt giebt. Vor die Halle lagert sich eine die ganze Breite derselben einnehmende 3 bogige Loggia, von welcher eine 3 armige Freitreppe in den grossen, grösstentheils als Ziergarten angelegten Hausgarten führt. Neben dem Salon liegt in der Strassenfront das Wohnzimmer, dahinter, wiederum in Verbindung mit der Halle, das Speisezimmer, an das ein geräumiger Anrichteraum angeschlossen ist. Sind bei festlichen Anlässen die Verbindungsthüren zwischen Halle und Loggia und zwischen Halle und Salon geöffnet, so entsteht ein Festraum von mehr als 20 m Länge bei 7 m Breite und rd. 150 qm Grundfläche, ein Raum, der gleich den Vorräumen auf 80 bis 100 Personen berechnet ist.

Grundriss

Den Verkehr nach dem ersten Obergeschoss vermittelt eine zur Rechten der Halle liegende einarmige Treppe, deren Raum sich gegen die Halle öffnet und die oben auf eine in die Halle sich vorstreckende hölzerne Gallerie mündet, die einerseits Zutritt zu den Schlafzimmern der Eltern, andererseits zur Thurmtreppe giebt, welche den Verkehr mit dem zweiten und dritten Obergeschoss herstellt. Rechts neben der Treppe liegen die Räume für die erwachsenen Kinder.

Ueber der Halle liegt im zweiten Obergeschoss ein Atelier von den gleichen Abmessungen wie die Halle, welches von dem Besitzer zum Modelliren von Skizzen in kleinerem Maasstabe benutzt wird und seine Bibliothek enthält. An einem westlichen und südlichen Giebel liegen ein norwegisches und ein Fremdenzimmer.

Wohnhaus Lessing im Grunewald bei Berlin

Die Architektur des Aeusseren ist im Sinne der mittelalterlichen hessischen Fachwerksbauten gehalten. Ueber einem Sockel aus Basaltlava von Brohl a. Rh. erheben sich die beiden folgenden Geschosse als Putzbau, die obersten Geschosse als Fachwerkbau. Ueber die glückliche Gruppirung des Aeusseren, sowie die Art der Ausstattung des Innern legen die Abbildungen Rechenschaft ab.

Wohnhaus Lessing im Grunewald bei Berlin

Die gesammten Arbeiten hatte H. Franssen in Berlin übernommen; die sehr gut ausgeführten Tischlerarbeiten stammen zumtheil von Bünger & Friederichsen, zum anderen Theil von Siebert & Aschenbach her. Paul Marcus lieferte die Kunstschmiedearbeiten des Innern, J. P. Krüger die des Aeusseren. Die Ausmalungen besorgten Schmitt & Pachel, die Tapezierarbeiten G. Jahn, die Holzschnitzarbeiten G. Riegelmann und die Zentralheizung E. Angrick.

Dieser Artikel erschien zuerst am 16.05.1896 in der Deutsche Bauzeitung.