Berliner Neubauten 93 – Der Neubau der Luisenstädtischen Bank, Köpenickerstrasse 95

Beitragsbild

Architekt: Gustav Knoblauch in Berlin.

Am Schnittpunkte der Neuen Jakob- und der Köpenicker Strasse ist vor einiger Zeit nach den Entwürfen des Hrn. G. Knoblauch ein kleineres Bankgebäude entstanden, das sich in seiner schlichten und maassvollen Haltung und in seiner ebenmässigen Formengebung vortheilhaft aus seiner Umgebung heraushebt. Zu seiner Schilderung lassen wir dem Architekten selbst das Wort:

„Unter Mitwirkung von Schulze-Delitzsch wurde im Jahre 1863 von einigen angesehenen Männern der Luisenstadt eine Darlehnskasse für die benachbarten Stadtbezirke eingerichtet, welcher im Jahre 1865 bereits 246 Mitglieder angehörten. In den darauf folgenden Kriegsjahren 1866-1871 ging die Zahl der Genossen etwas zurück, um darnach in dauernd steigender Entwicklung sich zu einem umfangreichen Geschäftsbetriebe mit einer Mitgliederzahl von 668 Köpfen zu erheben. Die jährlich gewährten Kredite erreichten fast gleichmässig steigend von 5730 M. beginnend nach 10 Jahren, 1873, rd. 70 000 M., 1883 etwa 5 000 000 und 1893 rd. 10 000 000 M., um im Jahre 1898 mit 11 500 000 M. abzuschliessen. Die gleichen Jahre ergeben einen Reingewinn von 193 M. im Jahre 1863, 1836 M. im Jahre 1873, von 35 000 M. im Jahre 1883, 81 000 M. im Jahre 1893, und nach 35jährigem Bestehen im Jahre 1898 101 500 M. Reingewinn. Diese Erfolge verdankt die Bank einer unablässig aufmerksamen Leitung und umsichtigen Kontrolle, sowie besonders der gewissenhaften Durchführung der von Schulze vorgeschriebenen Grundsätze.

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1890 wurde, veranlasst durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen, die Firma in Luisenstädtische Bank geändert, doch behielt dieselbe Wohnsitz und Geschäftsstelle in dem dürftigen engen Lokal einer für den gesteigerten Verkehr nothdürftig eingerichteten Erdgeschoss-Wohnung in der Köpenickerstrasse, bis sie sich stark genug fühlte, ihr eigenes Heim zu bauen, welches nicht nur genügenden Raum für den immer lebhafter sich gestaltenden Geschäftsbetrieb und für die wachsende Zahl Arbeitsplätze biete, sondern auch unbedingte Sicherheit für alle Werthpapiere, unersetzliche Akten und für die ihr anvertrauten Vermögensobjekte der Mitglieder.

Vorstand und Aufsichtsrath einigten sich über den Ankauf eines kleinen Grundstückes an der stumpfen Ecke, welche die Ueberführung der Neuen Jakobstrasse in die Köpenickerstrasse bildet, an einem kleinen Platz, der durch das Zusammentreffen der beiden genannten, breit angelegten Strassen mit der Inselstrasse und Wassergasse gebildet wird, und welcher damals bereits für die Aufstellung des Schulze-Delitzsch-Denkmals ausersehen war.

Der kleine unregelmässig geformte Bauplatz bot für die Aufgabe einige Schwierigkeiten. Das Bauprogramm forderte zur ebenen Erde ein geräumiges lichtes Geschäftslokal und in Verbindung damit im Keller Tresoranlagen und im ersten Obergeschoss Sitzungszimmer, sowie eine angemessene Wohnung für den Kassenboten, welcher auch das Amt des Hauswartes ausübt. Die zur Bebauung verfügbare Fläche und Höhe sollte bestmöglich verwendet werden, um durch angemessenen Miethsertrag einen Theil des angelegten Kapitals zu verzinsen.

Wie aus den beiden Grundrissen ersichtlich, ist die Aufgabe in folgender durch den Betrieb als zweckmässig anerkannten Weise gelöst. Das ganze Grundstück ist unterkellert und es enthalten die Kellereien an der Strasse den Tresor, welcher, von starken mit Stahlschienen durchflochtenen Mauern umgeben, die Innenseite mit 20 mm Compound-Platten gepanzert, noch mit einem Vorraum mit Arbeitsplätzen zum Ordnen der Papiere und Zinsscheine versehen ist. Dieser Vorraum ist nur von dem Banklokal zugänglich über eine abgeschlossene Treppe.

Grundriss
Grundriss

Das Erdgeschoss enthält nur das Geschäftslokal mit einem abgesonderten Zimmer für den Direktor und für die Mitglieder des Aufsichtsrathes, die abwechselnd zur Prüfung und Eintragung der Darlehne berufen werden. Eine gesonderte Verbindungstreppe aus Schmiedeisen führt nach dem Sitzungszimmer im ersten Obergeschoss und der Wohnung des Kassenboten. Von der Strasse gelangt man in eine Vorhalle vor dem Geschäftslokal, welche dasselbe bereits gegen etwa eindringenden Zug schützt und weiter nach der bequemen Haupttreppe führt. – Im ersten Obergeschoss liegen die erwähnten Nebenräume der Bank am Hofe, während die drei an der Front belegenen lichten Räume mit geräumigem Vorflur als Büreau an einen Rechtsanwalt vermiethet sind. In jedem der drei Obergeschosse ist eine Wohnung eingerichtet, wie solche in dieser Lage jederzeit Abnehmer finden.

Berliner Neubauten 93 - Der Neubau der Luisenstädtischen Bank, Köpenickerstrasse 95
Berliner Neubauten 93 – Der Neubau der Luisenstädtischen Bank, Köpenickerstrasse 95

Zur Bauausführung ist noch zu erwähnen, dass das ganze Haus massiv hergestellt ist, die Zwischendecken durchweg aus wagrechten Zementböden zwischen eisernen Trägern nach dem System Stolte.

Sämmtliche Räume des Hauses, auch die Miethswohnungen, werden durch eine Warmwasserheizung erwärmt; es sind der grösseren Sicherheit wegen zwei Rud. Otto Meyer’sche Gegenstromkessel mit einer stündlichen Leistung von je 56 000 Wärmeeinheiten verwendet. Die Berechnung hatte für das ganze Haus einen Bedarf von etwa 100 000 W.-E. ergeben zur Erzielung von 15°C. innerer Temperatur bei -10° äusserer, doch erschien es bei den vorwiegend milden Wintern besser, zwei Kessel aufzustellen, welche abwechselnd geheizt und bei nöthig werdender Reparatur leicht zu diesem Zwecke abgetrennt werden können, Die Heizung ist befriedigend ausgeführt durch die Firma Pflaum & Gerlach.

Die äussere Erscheinung ist der Lage zweckentsprechend angepasst und vervollständigt wirkungsvoll das Strassenbild. Dieselbe war für Sandstein-Ausführung durchgebildet, es wurde jedoch dieses Material der Kosten wegen nicht gewählt, vielmehr sind die Flächen geputzt und dementsprechend auch behandelt. Die Architekturtheile und Ornamente sind durch die Sandsteingiesserei „Ischyrota“ geliefert worden. Aus Kunststein ist die Haupttreppe und zwar durch die Firma G. A. L. Schultz & Co. ausgeführt. Die Herstellung des gesammten Rohbaues lag in den Händen der Hrn. Ernst Scharnke und Kurt Berndt. An den Tischlerarbeiten waren betheiligt die Hrn. H. Stapelberg u. H. Reddemann, während die Paneelirungen und die Kontoreinrichtung von Otto Völcker und die Schlosser- u.Schmiedearbeiten durch Paul Heinrichs geliefert wurden. Die Malerarbeiten hatte J. B. Graef, die Glaserarbeiten Emil Lüders übernommen. Bei Vergebung der Arbeiten wurde zunächst auf die eingetragenen Mitglieder der Bank Rücksicht genommen.

Das cbm umbauten Raumes, berechnet von der Kellersohle bis zum Dachboden ohne die Tresoreinrichtung und Hofunterkellerung, kostet 25 M.; das am bebauter Grundfläche 600 M. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 07.02.1900 in der Deutsche Bauzeitung.