Berliner Neubauten 77 – Das Reit- und Fahr-Institut der Gebrüder Beermann in Charlottenburg, Hardenbergstr. 25

Architekten: Ende & Böckmann. Auf einer von der Hardenberg- bis zur Kant-Strasse durchreichenden, an der einen Langseite von der Stadtbahn begrenzten Baustelle ist in den Jahren 1892/93 von den Architekten Ende & Böckmann die genannte, im vollen Titel der Firma als „Berliner Central-Reit- und Fahr-Institut“ bezeichnete Anlage geschaffen worden.

So günstig für den Geschäftsbetrieb derselben die Lage des Grundstücks an zwei durch eine Durchfahrt in Verbindung zu setzenden Strassen sich erwies, so ungünstig war für die Unterbringung der im Programm der Bauherren verlangten umfassenden Räumlichkeiten die Form des Grundstücks. Es blieb in dieser Beziehung kein anderer Ausweg übrig, als eine Anordnung der Räume in zwei Geschossen, bei der die erforderlichen beiden Reitbahnen ihren Platz im Obergeschosse erhielten, während das Erdgeschoss im allgemeinen zu Ställen verwendet wurde.

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Zufolge dieser Anordnung und Dank dem Umstande, dass ein Theil der Ställe sowie die Wagenremisen in den für diesen Zweck ermietheten anstossenden Bögen der Stadtbahn untergebracht werden konnten, gelang es nunmehr sogar, den Aufwand an Bodenfläche soweit einzuschränken, dass auf dem an der Hardenbergstrasse, in unmittelbarer Nachbarschaft des Bahnhofs Zoologischer Garten liegenden Theile des Grundstücks noch ein grösseres Miethhaus errichtet und dadurch die Ertragsfähigkeit der Anlage wesentlich gesteigert werden konnte. Selbstverständlich war es erforderlich, die durch dieses Haus führende, von Pferden und Wagen stark benutzte Durchfahrt von dem Hauseingange vollständig zu trennen.

Das Reit- und Fahr-Institut der Gebr. Beermann in Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstr. 25. Architekten Ende & Böckmann – Grundriss
Lageplan

Die allgemeine Anordnung der Baulichkeiten ist aus den mitgetheilten beiden Grundrissen mit genügender Deutlichkeit zu ersehen. Dem vorgenannten, aus einem Erdgeschoss, einem Zwischengeschoss und 3 Obergeschossen bestehenden Wohnhause, dessen Einrichtung einer weiteren Erläuterung nicht bedarf, entspricht auf der entgegengesetzten Seite an der Kantstrasse ein grösserer Hof, in welchem an der Nachbargrenze verschiedene kleinere Nebengebäude – eine Waage, sowie eine Beschlagschmiede mit einer kleinen Wagen-Lackier- und Reparatur-Werkstatt Platz gefunden haben. Die Räume des eigentlichen Instituts sind dagegen in einem einheitlichen Baukörper zusammengefasst, der den mittleren Theil des Grundstücks nahezu vollständig ausfüllt.

Das sehr einfache Motiv dieses Baues hat sich aus der Anlage des Obergeschosses ergeben. Die grosse, den Reit- und Fahrübungen der Gäste dienende Reitbahn – ein Raum von 43,40 m Länge, 23 m Breite und (bis zum Anfange des Daches) 10,50 m Höhe – sowie die hauptsächlich zum Einreiten junger Pferde bestimmte, 23 m lange und 11,50 m breite kleine Reitbahn werden durch einen gemeinschaftlichen Vorplatz verbunden, auf den am hinteren Ende die durch Oberlicht erhellte, in einer Steigung von 1:6 aus dem Erdgeschoss hinaufführende Rampe mündet, während am anderen Ende, zwischen den Tribünen der beiden Reitbahnen, das Buffet liegt, dessen Seitenfenster einen Ausblick nach jenen gestatten. Seitlich sind neben dem hinteren Theile des Sattelplatzes noch eine kleine Wohnung für einen Stallmeister sowie eine Treppe angeordnet, die eine zweite Verbindung zwischen beiden Geschossen herstellt und zugleich die zweite Tribüne der grossen Reitbahn und die oberhalb derselben befindliche Musik-Tribüne zugänglich macht. – Im Erdgeschoss liegt unter dem oberen Vorplatz und dem Buffet der eigentliche Sattelplatz, der auf 2 Seiten von einem Umgange umgeben wird; ein erhöhter Theil des letzteren dient – insbesondere für die Damen – als Aufsteige-Tribüne.

Unter der Stallmeister-Wohnung befinden sich die an den Wänden mit Kleiderschränken für die Abonnenten versehenen Garderoben für Herren und Damen mit den entsprechenden Aborten und einem Duschbad für Herren, unter der Rampe die Geschirrkammer. Unterhalb der kleinen Reitbahn liegen beiderseits der 10 Stände und 2 Boxes enthaltende, zum Einstellen der Verkaufspferde bestimmte und daher besonders hell beleuchtete kleine Stall sowie einige Stände und 1 Box für kranke Pferde, in der Mitte die Durchfahrt und die Bureau-Räume des Instituts mit dem Sprechzimmer der Inhaber. Der Raum unter der grossen Reitbahn wird ganz durch den grossen Stall in Anspruch genommen, der 93 Stände und 8 Boxes enthält und dessen Gänge so angeordnet sind, dass die von der Hardenbergstr. eintretenden Besucher auf dem von ihnen bevorzugten Wege durch den Stall möglichst unmittelbar zum Sattelplatz gelangen können. Hier werden vorzugsweise die sogen. Pensionspferde eingestellt; ist der Raum durch diese jedoch nicht voll besetzt, so wird er auch für die Fahrpferde mit benutzt, für welche im übrigen in 3 gegenüber liegenden Bögen des Stadtbahn-Viadukts 46 Stände und 14 Boxes eingerichtet sind. Zwei andere Bögen enthalten die Wagenremisen, die Wagenwäsche usw. – In den umfangreichen Dachräumen über der kleinen Reitbahn und dem Sattelplatz sind die Heu- und Strohvorräthe aufgespeichert.

Unbeschriftetes Bild, S. 14
Querschnitt

Was die technischen Einzelheiten der Einrichtung betrifft, so unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den bei neueren Anlagen dieser Art üblichen. Der Fussboden der Reitbahnen hat über den Gewölben zunächst einen festen Lehmschlag von 8-15 cm Stärke und über diesem eine Aufschüttung von mit Sand vermischten Sägespähnen erhalten; Lohe, die noch bessere Dienste leisten würde, weil sie elastischer ist und weniger staubt, musste des Geruches wegen ausgeschlossen werden. Natürlich bedürfen die Sägespähne von Zeit zu Zeit – je nach der stärkeren oder geringeren Benutzung der Reitbahn, spätestens aber alle Vierteljahre – einer Erneuerung. Die Heizung der Reitbahnen erfolgt durch Dampf und es sind die Dampfleitungs-Röhren, nach nebenstehend abgebildeter Anordnung unmittelbar hinter den geneigt gestellten Panneelen der Wand angebracht.

Ein Nachtheil für das Holz der letzteren hat sich zufolge des reichlichen Zuströmens der an den Wänden herabfliessenden kalten Luft nicht eingestellt. Die für den Hauptraum erforderliche Temperatur braucht 8-10 ° nicht zu übersteigen; dagegen ist durch reichlichere Anordnung der Heizkörper an den betreffenden Stellen dafür gesorgt, dass auf den Tribünen eine grössere Wärme herrscht. Zur Verhütung zu starker Abkühlung und etwaiger Tropfen-Bildung ist unterhalb der mit Schiefer gedeckten Dachfläche noch eine Decke aus Rabitz-Konstruktion angebracht. Für den Luftwechsel ist durch einige nach innen aufschlagende Fensterklappen und durch Ventilations-Laternen auf dem Dachfirst ausreichend gesorgt.

Das Reit- und Fahr-Institut der Gebr. Beermann in Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstr. 25. Architekten Ende & Böckmann. Längsschnitt A-B 1-400

Bedenken erregte ursprünglich die Anordnung des grossen Stalles, weil Stallräume von einer derartigen Tiefe schwer zu beleuchten und zu lüften sind. Zum Zwecke der Beleuchtung ist der obere Theil der freistehenden Frontwand ganz in Fenster aufgelöst worden. Für die Lüftung dienen theils Klappen in diesen Fenstern, theils 6 grosse, bis über Dach führende Luftschächte, die erforderlichenfalls erwärmt werden können, und es haben sich diese einfachen Einrichtungen als vollkommen ausreichend erwiesen. Künstliche Lüftung wäre für Pferdeställe nicht zweckmässig, da sie fast stets mit Zug verbunden ist und Pferde gegen letzteren noch empfindlicher sind, als Menschen. Selbst eine Vorwärmung der einzuführenden Luft würde hieran nicht viel ändern, wohl aber den Uebelstand mit sich führen, dass die Stall-Temperatur, die nicht unter 8° aber auch niemals über 13° sein soll, zu stark gesteigert würde, zumal die Pferde im Stall (zur Verhütung des zu schnellen Wachsens der Haare) stets unter – im Sommer leinenen, im Winter wollenen – Decken stehen. Die, wie in besseren Privatställen gestaltete Ausstattung der Stände, bedarf keiner Beschreibung. Ihr Fussboden ist aus hochkantigem Klinkerpflaster, derjenige der Gänge – welcher jedoch nicht so stark gewölbt ausgeführt wurde, wie der Querschnitt darstellt – aus geriefelten Fliesen hergestellt. –

Die Fassaden der Hofbauten zeigen in den Flächen Putz aus hydraulischem Mörtel, während die Kanten in Verblendsteinen ausgeführt sind. Für die Fassaden des Wohnhauses haben Siegersdorfer Verblender und Kunststeine Anwendung gefunden.

Die Kosten der Gesammt-Anlage haben rd. 700 000 M. betragen.

Ansicht der grossen Reitbahn

Für die Ausführung des Baues haben geliefert: die Stalleinrichtungen die Firma Jacob Ravené Söhne & Co. in Berlin; die Zimmerarbeiten die Zimmermstr. B. Seidel in Berlin und A. Reichert in Schöneberg; die eisernen Träger und Säulen die Firma Johann Christ. Schultze & Sohn Nachf. in Berlin; die verbundene Eisenkonstruktion der Reitbahnen die Aktiengesellsch. Hein, Lehmann & Co. in Berlin; die Kunststeinarbeiten die Sandsteingiesserei „Ischyrota“ in Berlin; die Be- und Entwässerung die Firma Naruhn & Petsch in Berlin; die feuersicheren Decken und Wände die Firma C. Rabitz in Berlin; die elektrische Beleuchtung die Firma Gebr. Naglo in Berlin.

Dieser Artikel erschien zuerst am 09.01.1897 in der Deutsche Bauzeitung.