Berliner Neubauten 74 – Geschäftshaus der Lebensversicherungsbank f. D. zu Gotha, Zimmerstrasse 87

Architekten: Erdmann & Spindler. Der in nebenstehender Abbild. dargestellte Neubau wurde im April 1893 begonnen und im Juli 1894 seiner Bestimmung übergeben.

Da die Lebensversicherungsbank f. D. in Berlin nicht ihren Sitz, sondern nur eine Geschäftsstelle hat, statutengemäss aber hier ein Eigenthum besitzen muss, so handelte es sich bei dem Neubau hauptsächlich darum, für die Anstalt ein ertragfähiges Anwesen herzustellen, welches gleichzeitig ihre Geschäftsräume aufzunehmen hatte. Den Bankräumen wurde das vornehmste erste Obergeschoss zugewiesen, während im Erdgeschoss Läden und in den übrigen Obergeschossen Wohnungen zur Vermiethung eingerichtet wurden. Die besondere Bestimmung des ersten Obergeschosses als Büreaulokal fand in der Fassade ihren Ausdruck in einer Reihe von breiten, selbständigen Bogenfenstern, welche zu den unteren Schaufenstern in keiner Beziehung stehen, sowie durch ein über diese Fensterreihe in die Fensterbrüstung des folgenden Geschosses in Sandstein eingemeisseltes Firmenschild der Bank.

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Die Fassade besteht in den beiden unteren Geschossen aus einem intensiv gefärbten graugelben Rehborner Sandstein aus den Brüchen der Firma Spindler & Comp. in Königswinter am Rhein, während die obersten Geschosse eine Kombination von hellfarbigen Putzflächen mit Architekturtheilen aus demselben Sandstein zeigen. Die Fassade zeigt die Formen der Renaissance, vermischt mit einzelnen spätgothischen Motiven. Durchgehende wagrechte Gesimse sind nach Möglichkeit vermieden und es ist eine wirksame Gliederung in der Fläche selbst angestrebt. Die Sandsteine sind nirgendwo mit Zink abgedeckt, haben aber in den Fensterbänken und Gesimsen steile Wasserschrägen und gothisirende Wassertropf-Profile erhalten. Die farbige Wirkung ist verstärkt durch kupferne, oxydirte Erkerdächer und durchweg angebrachte grüngestrichene Rolljalousien mit Lichtschlitzen. Um die Wirkung noch weiter zu steigern, haben sämmtliche Oberflügel der Fenster Bleiverglasung aus hellem Glase mit breiter Bleifassung erhalten.

Erdgeschoss
Obergeschoss

Den ornamentalen Schmuck hat der Bildhauer Giesecke in Berlin modellirt. Es sind darin als Hauptmotive die Wappen von Deutschland, von der Lebensversicherungsbank selbst, sowie von Berlin und Gotha verwendet. Das Portal ist gekrönt mit einer Bronzebüste Arnoldi’s, des Begründers der grossen Gothaer Versicherungs-Anstalt. Der innere Ausbau ist in einfach vornehmer Weise gehalten. Die Zimmer haben Parketböden, theilweise Holzpaneele und frei modellirte und gezogene Stuckdecken erhalten. Die Haupttreppe ist von Ed. Puls in Berlin in Schmiedeisen mit reicher Dekoration ausgeführt und zeigt durchlochte, mit Blumen dekorirte Wangenträger anstelle der sonst üblichen Gitterträger, ein Motiv, das sich für die Dekoration vorzüglich eignet und eine ruhige Wirkung hergiebt.

Geschäftshaus der Lebensversicherungsbank f. D. zu Gotha

An der Ausführung waren hauptsächlich betheiligt: C. Horn in Schöneberg mit den Maurerarbeiten, Stiebitz & Köpchen in Berlin mit den Zimmerarbeiten, Zwang in Schöneberg und G. & H. Schütze in Berlin mit den Tischlerarbeiten, G. Neuhaus in Berlin mit Malerarbeiten, Schuppann in Berlin mit Töpferarbeiten, F. Thielemann in Berlin mit Klempnerarbeiten, C. Brandenburg in Berlin mit Glaserarbeiten und H. Gaebel in Schöneberg mit Schlosserarbeiten; ausserdem die schon genannten Firmen Ed. Puls mit Kunstschmiedarbeiten und Spindler & Co, mit Sandsteinarbeiten.

Dieser Artikel erschien zuerst am 07.03.1896 in der Deutsche Bauzeitung., er war gekennzeichnet mit „S.“