Am Fürstenhof von Waldeck und Pyrmont

1905 – Der jetzt regierende Fürst Friedrich zu Waldeck und Pyrmont, geboren zu Arolsen am 20. Januar 1865, folgte seinem Vater, dem Fürsten Georg Viktor, im Jahr 1893 in der Regierung.

Zwei Jahre später ging der junge Landesherr seine Ehe mit der Prinzessin Bathildis zu Schaumburg-Lippe ein. Man weiß, wie viel Sonne und Wärme diese überaus glückliche Ehe in des Fürsten entzückendes Heimatländchen gebracht hat. Drei kleine Prinzen, der Erbprinz Josias, die Prinzen Max und Georg Wilhelm, und “Prinzeßchen” Helene sorgen für die nötige Lebhaftigkeit in dem fürstlichen Haus.

Fürst und Fürstin zu Waldeck mit ihren Kindern

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Vier solche kleinen Wesen beanspruchen sehr energisch ihre Pflege, ihr Vergnügen – und alle ihre kleinen und großen Wünsche kommen in erster Linie an das Ohr der Eltern; ein Blick auf die reizende Aufnahme der fürstlichen Familie auf der Treppe (Abb.) spricht deutlich von dem Glück und von der friedlichen Einfachheit, von der man in Waldeck und Pyrmont in hundert kleinen Zügen reden und rühmen hört.

Die fürstlichen Kinder im Ziegenbockgespann

Ist’s zu verwundern, wenn die prinzlichen kleinen Herrschaften nicht nur bei ihren Eltern, sondern im ganzen sonnigen Ländchen sehr wichtige Persönlichkeiten sind? Sehr vergnügt sind sie auch in dem Ziegenwagen, und die Eselkavalkade bildet gewiß den Höhepunkt des Entzückens (Abb.).

Eine kavalkade auf Eseln – Der Fürst und die kleinen Prinzen und Prinzessinen

Es wäre eine dankbare Aufgabe, über die Kinderstube in dem fürstlichen Haus Waldeck-Pyrmont zu schreiben, die niedlichsten Kindergeschichten kämen zutage.

Fürstin Bathildis und die beiden ältesten Prinzen

Die Fürstin weiß sie selbst am schönsten zu erzählen, und Gelegenheit findet sich viel dazu, denn das fürstliche Paar hält gern offenes, gastfreies Haus.

Fürst Friedrich zu Waldeck und Pyrmont

Wem es das Ländchen nicht angetan hat, dem tut es die vornehme Behaglichkeit der Landeseltern ganz gewiß an. Die Königinmutter der Niederlande ist ein öfter und immer mit Freuden begrüßter Gast, auch die Herzogin Helene von Albany, die Mutter des jungen Herzogs von Koburg und Gotha, sucht gern die frohe Häuslichkeit des Fürsten auf.

Fürstin Bathildis zu Waldeck und Pyrmont

Fürst Friedrich schwört auf das Weidwerk, niemand reibt es mit größerer Liebe als er. Seine Liebe zu der Natur, der schönen Natur seines Ländchens, macht das noch begreiflicher. Wenn der Herbst vor der Tür steht, dann zieht er hinaus in die tiefste Waldeinsamkeit, da nimmt er Wohnung in der Bathildishütte, belauscht das Hirschbrüllen und bringt so manches der schlanken, edlen Tiere zur Strecke. Auch schon im Mai sucht er die Hütte auf, um von dort aus der Auerhahnbalz nachzugehen. Die Rehbirsche und die Jagden auf Sauen finden meist im Gebiet der Oberförsterei Landau in der Nähe von Arolsen statt. Auch großer Pferdeliebhaber ist der Fürst.

Alltäglich kann man ihn schon am frühen Morgen seinen Spazierritt und des Nachmittags Spazierfahrten im Jagdwagen oder Viererzug, wo er dann meist selbst die Zügel führt, unternehmen sehen.

Fürst und Fürstin zu Waldeck im Vierergespann

Wenn der Fremdenverkehr in den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont sowie auch die Zahl der alljährlich die beiden großen Bäder des Landes, Pyrmont und Wildungen, aufsuchenden Gäste in dem letzten Jahrzehnt einen solch gewaltigen Aufschwung genommen hat, so ist dazu nicht zum wenigsten die an Schönheiten so überaus reiche Natur des Landes, die durch gute Verbindungen dem Verkehr zugänglich gemacht ist, die Veranlassung.

Collage

Die beiden Fürstentümer Waldeck und Pyrmont liegen räumlich voneinander getrennt.

Der südliche, größere Teil, das Fürstentum Waldeck, in den Uebergängen des sauerländischen Gebirges zum Habichtswald und zu den Weserbergen gelegen, bietet landschaftliche Reize mannigfaltigster Art. Abseits vom großen Getriebe der Welt, fern dem Hasten und Jagen der Großstädte, bietet die Gegend Abwechslungen von herrlichen Bergwäldern und grünen Wiesentälern. Als Fortsetzung des sauerländischen Hochgebirges fällt von der Westgrenze des Landes her das Gebirge nach Osten zu mehr und mehr ab, um schließlich, teilweise wenigstens, den Charakter des waldreichen Hügellandes anzunehmen. Jener westliche Teil des Waldecker Landes, im Volkmund gewöhnlich das “Upland” genannt, ist ein echtes Bergland mit hohen, von herrlichen Laub- und Nadelwaldungen bedeckten Bergrücken und Kegeln.

Der “Hegekopf” bei Usseln im Kreis Eisenberg erreicht eine Höhe von 823 Meter, ist also einer der höchsten Gipfel in Nordwestdeutschland. Den wenigen an den Bergen hängenden Aeckern wird allerdings ein nur mäßiger Ertrag abgerungen. Um so reizvoller und fruchtbarer sind wiederum die Täler und Wiesengründe mit ihren zahlreichen, aus jeder Schlucht der Itter, Diemel oder Aar zu-strömenden, silberklaren und sehr forellenreichen Bächen.

Der mehr östliche Teil des Landes, weniger hoch gelegen, ist noch reicher an Naturschönheiten als das Upland, zumal das obere Edertal; die Umgebungen des fürstlichen Stammschlosses Waldeck, des Kurorts Wildungen sowie des auf hoher Bergkuppe gelegenen Schlosses Friedrichstein bieten mit ihren herrlichen Laubwaldungen Bilder, wie man sie selten finden mag.

Besuch am Hof

Die Einwohner des waldeckischen Landes zwei verschiedene Volksstämme, und zwar Niederdeutsche und Oberdeutsche – sind auch in Sprache, Sitten und Gebräuchen, in ihrer Tracht sowie der Bauart ihrer Häuser verschieden.

Die Hauptstadt des Landes und Winterresidenz des Fürsten, in anmutiger Umgebung gelegen, ist Arolsen mit etwa 3000 Einwohnern.

Das im Anfang des 18. Jahrhunderts in dem gleichen Stil wie das Versailler Schloß erbaute, sehr geräumige Residenzschloß (Abb.) enthält eine Bibliothek von mehr als 35 000 Bänden sowie reiche Sammlungen von pompejanischen und andern Bronzen, von Münzen, Waffen und Altertümern aller Art.

Das Schloß zu Arolsen, Residenz des Fürsten

Der Grundstock zu diesem Museum wurde durch die Sammlungen des portugiesischen Generalfeldmarschalls Prinzen Christian von Waldeck in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gelegt. Arolsen ist auch der Geburtsort des Bildhauers Rauch; die drei in der Stadtkirche aufgestellten Rauchschen Marmorstandbilder, Glaube, Hoffnung und Liebe darstellend, sind bekannt.

Auch Fr. und W. Kaulbach sind in Arolsen geboren. – Der Ahnherr des regierenden Fürstenhauses Waldeck ist Widukind III. Graf von Schwalenberg, der im Jahr 1137 starb. Viele bedeutende Männer sind aus dem Geschlecht hervorgegangen. Erwähnt sei hier der Fürst Georg Friedrich von Waldeck, der im Jahr 1653 als leitender Minister an die Spitze des brandenburgischen Staates trat. Er ist es gewesen, der zuerst den großen Gedanken faßte, einen Bund deutscher Fürsten unter Brandenburgs Führung zusammenzubringen – ein Plan, der allerdings an anderweitigen wichtigen Unternehmungen des Großen Kurfürsten scheiterte.

Unsere Zeit steht in manchem Zeichen, vor allem aber in dem Zeichen des Verkehrs. Wir Deutschen besonders sind wanderlustig, wanderübermütig geworden und werden es immer mehr. Wir wollen sehen und hören. Es gab Jahre – und – sie sind noch nicht weit in der Vergangenheit – wo wir hinüberdrängten über das große Wasser, über die großen Berge nach Süden und Norden, als gäb es dort nur Schönheit zu sehen. Das ist anders und besser geworden. Der Fremdenzustrom nach Deutschland hinein brachte uns Deutschen auf die Idee, daß es nicht so übel für uns wäre, die Schönheiten, Eigenheiten unserer Heimat eher aufzusuchen als die jenseits des Wassers und jenseits der Berge.

Nun steht die Zeit wieder vor der Tür, wo die staub- und pflastermüden Großstädter sich an dem Zauber unserer Heimat erfrischen gehen – der Harz, Thüringen, das Riesengebirge rüsten sich, die Gäste zu empfangen, und ihnen schließt sich Waldeck-Pyrmont an.

Dieser Text erschien zuerst 1905 in Die Woche. Die Bilder sind nachcoloriert.