Berliner Neubauten 56 – Das Theatergebäude der Concordia, Friedrich-Strasse 218.

Architekt: G. Ebe. Das Concordia- Theater, dessen baulicher Anlage die nachfolgenden Mittheilungen gelten, oder, wie es in den öffentlichen Ankündigungen heisst, das „Concordia-Palast-Theater“, ist kein Tempel der dramatischen Muse, sondern gehört zur Gattung der sogen. „Spezialitäten“- oder „Rauch-Theater“.

Die Einrichtung ist jedoch so getroffen, dass die Räume auch zur Abhaltung grösserer Festlichkeiten, namentlich von Bällen, sich eignen und für diesen Zweck vermiethet werden können.

Grundriss

Streng genommen, ist der seit etwa Jahresfrist vollendete Bau kein vollständiger Neubau, da bei demselben Theile der älteren, bereits der gleichen Bestimmung gewidmeten Saal-Anlage benutzt worden sind. Indessen braucht auf diesen Umstand kein wesentliches Gewicht gelegt zu werden, da nicht nur die Ausstattung, sondern auch die Anordnung des Ganzen als eine neue und selbständige Schöpfung des leitenden Architekten, Baumeister G. Ebe, sich darstellt. Es wird auch kaum erforderlich sein, im einzelnen anzugeben, in wie weit der gegenwärtige Bau mit dem früheren zusammen hängt und von ihm beeinflusst worden ist.

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Als Baustelle für das Theater-Gebäude hat das Hinterland eines der im oberen Theil der Friedrich-Strasse, zwischen dieser und der Wilhelm-Strasse gelegenen, tiefen Grundstücke gedient. Man gelangt zu ihm von der Strasse her durch einen unter dem Vorderhause an der nördlichen Grenzmauer entlang geführten, hallenartig ausgebildeten Gang von 4,50 m Breite, auf dessen innerer Seite die sehr geräumigen Kleider-Ablagen sich öffnen. Zwischen Vorderhaus und Theater liegt ein Garten, der von den Vorräumen des letzteren zugänglich ist und während der heissen Jahreszeit zur Erholung der Zuschauer in den Pausen dient.

Das Theater selbst füllt die verhältnissmässig geringe Breite des Grundstücks so vollständig aus, dass die seitlichen Grenzmauern des letzteren zugleich die seitlichen Abschlusswände des grossen Zuschauer-Saals bilden. Der Zugang für das auf der Bühne und im Orchester beschäftigte Personal erfolgt daher während der Vorstellungen unterirdisch, mittels zweier zu den Seiten angeordneter gewölbter Gänge, welche auch im Falle eines Brandes die Möglichkeit eines gesicherten Rückzuges gewähren. Im übrigen sind die beiden, die Garderoben der Bühnenkünstler verbindenden Treppen, auf welche jene Gänge münden, sowohl im Erdgeschoss wie im Obergeschoss auch vom Saale aus unmittelbar zugänglich. – Durchbrochen wird die ganze Baumasse nur durch 4 Höfe kleinster Abmessung, die die erwähnten Treppen und Garderoben sowie die Aborte der „Artisten“ bezw. die Aborte der Zuschauer mit Luft und Tageslicht versorgen. Der grosse Saal erhält letzteres durch 2 über die Nebenbauten der Bühne empor reichende Fenster der Hinterwand, während die grossen Treppenhäuser des Vorderbaues durch Oberlicht erleuchtet werden.

Ansicht des zum Festraum eingerichteten Saals von der Bühnenseite her

Das eigenartigste Moment der nach einem Programm und im Einvernehmen mit dem Direktor der Concordia, Hrn. Adolf Düssel, entworfenen Grundriss-Anordnung, zugleich dasjenige, welches dem ganzen Bau seinen Hauptreiz verleiht, ist die Verbindung des in seinen grössten Abmessungen zu 28,48 m Breite, 22,67 m Länge und 18,20 m 1. Höhe angelegten Zuschauer-Saales mit einem Vorsaal, in welchem (zwischen den vorderen 4 Stützen) das Büffet sich befindet. Obgleich die Höhe dieses Vorsaals, der unter der weit vorspringenden Galerie des Hauptsaals sich fortsetzt, nur 4,20 m beträgt, so ist der räumliche Eindruck doch der, dass hier nicht wie sonst ein Saal mit nach innen geöffneten Nebenräumen, sondern vielmehr nur ein einziger, die ganze Tiefe des Gebäudes von der Bühne bis zur Vorderwand des Vorsaals umfassender Raum vorhanden sei, in welchen die Galerie mit ihren, vom Vorsaal ausgehenden Treppen lediglich eingebaut ist. Daneben wirkt es selbstverständlich sehr anziehend, wenn der während der Vorstellung kommende Besucher schon bei seinem Eintritt, durch die Pfeilerstellungen des Vorsaals hindurch, die Vorgänge auf der Bühne übersehen kann, und ebenso wird die Annehmlichkeit des Aufenthalts im Theater durch die zufolge jener Anordnung erzielte Vergrösserung des Luftraums nicht unwesentlich erhöht. – Im Obergeschoss ist über dem Vorsaale, so weit der Raum nicht durch die beiden Treppenhäuser in Anspruch genommen wird, ein Foyer angelegt, an das sich ein über der unteren Zugangs-Halle liegender Speisesaal anschliesst,. Die Verbindung dieser Räume unter sich, sowie diejenige der Treppenhäuser mit dem Saale ist durch so weite Oeffnungen bewirkt, dass auch hier ein annähernd einheitlicher Eindruck erzielt ist.

Die Einzelheiten der Anlage – so insbesondere die Anordnung der Logen und Sitzreihen auf der Galerie sind aus den mitgetheilten Grundrissen ersichtlich. Im Erdgeschoss ist der Raum zwischen den seitlichen Vorderlogen durch feste Stuhlreihen ausgefüllt, während der übrige Theil des Saales, wie in „Rauchtheatern“ üblich, mit kleinen Tischen und Stühlen besetzt ist. – Die nicht ganz 9,0 m betragende Tiefe der Bühne würde für dramatische Aufführungen kaum genügen, ist aber für die Zwecke eines Spezialitäten-Theaters völlig ausreichend und erlaubt selbst die Aufführung figurenreicher Pantomimen.

Concordia Theather in Berlin

Von der dekorativen Ausstattung des Saals geben die beiden perspektivischen Ansichten desselben in Verbindung mit den Durchschnitten ein Bild, das einer ergänzenden Beschreibung nur inbetreff der farbigen Haltung des Ganzen bedarf, Letztere ist eine ebenso maassvolle wie vornehme. Als Grundfarbe für Wände wie Decke ist ein dunkler Elfenbeinton gewählt, von dem die architektonische Gliederung und das Ornament in theilweiser Vergoldung sich abheben. In matter Färbung – insbesondere mit Blau und Roth – sind nur die Hintergründe der in eine Füllung eingeschlossenen Ornamente, sowie die naturalistisch aufgefassten Blumen usw., der den Flächen frei aufgelegten Ranken und Gehänge behandelt, während 2 von Professor Woldemar Friedrich ausgeführte Wand- und Deckenbilder – ein Maskenzug als Fries über der Bühnenöffnung und eine allegorische Darstellung der „Muse des Vergnügens und des Zeitvertreibs“ im grossen mittleren Deckenfelde in voller Farbenpracht leuchten. Soweit Stoff-Dekorationen mitwirken – so am Harlekinsmantel und Vorhange der Bühne, an den Vorhängen usw. der beiden, frei in den Raum vortretenden Proszeniums-Logen und der Fenster, an dem Brüstungs-Polster der Galerie usw. – ist für dieselben ein zum Grundton des Saals gut abgestimmter goldbrauner Plüsch gewählt. Die Formen der Architektur und Dekoration lehnen an diejenigen des Rococo sich an, bewahren jedoch eine durchaus gemessene Haltung. Ueppiger und reicher – sowohl in den Formen wie in den Farben jedoch unter Verwendung von Silber statt des Goldes sind die Rococo-Dekorationen des Foyers gestaltet, während die Erscheinung der Treppenhäuser ihren Hauptschmuck in den Glasmalereien der auch am Abend erleuchteten Oberlicht-Decken erhalten hat. Die Ausbildung der Kronen, Wandarme und Kandelaber für die elektrische Beleuchtung schliesst sich der Dekoration überall harmonisch an und unterstützt dieselbe aufs wesentlichste. – Das Ganze eine wohl durchdachte und mit grösster Liebe durchgeführte künstlerische Leistung, die sich über das Durchschnittsmaass des für die Ausstattung derartiger Anlagen Ueblichen weit erhebt. Mit welcher Liebe Architekt und Bauherr die Ausführung behandelt haben, zeigt sich übrigens in der ‘Thatsache, dass auch die Fassade des Theaters nach dem Garten, welche für gewöhnlich nur die Bewohner des Vorderhauses zugesichtbekommen, eine künstlerische Durchbildung erhalten hat. Sie ist durch einen von 4 Säulenpaaren getragenen Giebel geschmückt, auf welchem 3 nach Skizzen von Prof. Herter durch Bildhauer Jungermann modellirte Figurengruppen – Lustspiel, Tanz und Pantomime – stehen.

Bildhauer Jungermann hat ausser den Stuckarbeiten für die Fassade auch noch diejenigen für den unteren Vorsaal und den Speisesaal, Bildhauer R. Schirmer diejenigen des Zuschauerraums (einschl. des Figürlichen) ausgeführt, während die entsprechenden Dekorationen des Foyers, der Treppenhäuser und der vorderen Zugangshalle von der Firma Zeyer & Drechsler herrühren. Die malerische Dekoration der Theaterräume ist von F. Richter, diejenige des Speisesaals und der Zugangshalle von Sonnenburg & Vorsheim bewirkt. Die Kartuschen im Zuschauerraum sind von Klempnermstr. Heinrich in Zink getrieben. Die geschnitzten Spiegelrahmen des Foyers und das Büffet haben Pook & Schacht, die Lichtkronen des Zuschauerraums Spinn & Sohn, die Glasmalereien der Treppenhaus-Oberlichte Passarge, endlich die Bühnen-Dekorationen Schäfer & Müller geliefert.

Ansicht des Saals von der Eingangseite her

Unter den Ausführenden der technischen Arbeiten ist zunächst der Besitzer des Theaters, Hr. Baumstr. M. Ziegra zu nennen, welcher die Maurer- und Zimmerarbeiten selbst übernahm. Die eisernen Dach – Konstruktionen sind von Hein, Lehmann & Co., die Eisen – Konstruktionen der Galerien von H. Gossen ausgeführt worden. Die elektrischen Beleuchtungs-Anlagen mit den Beleuchtungskörpern (ausser den schon erwähnten Lichtkronen des grossen Saals) sowie eine elektro-dynamische Maschine für den Betrieb der Ventilation hat die Allgem. Elektrizitäts – Gesellschaft geliefert, an deren Kabel-Leitung das Haus angeschlossen ist. Für die Heizung und Lüftung war gemeinschaftlich mit Rietschel & Henneberg ein Entwurf aufgestellt worden, nach welchem vorgewärmte Luft mittels eines Ventilators in die Räume getrieben wird, die eigentliche Heizung der letzteren aber durch Dampf erfolgen sollte. Die Ausführung, welche zufolge der im Grundwasser zu bewirkenden Herstellung der Luft-Zuführungs-Kanäle einige Schwierigkeiten machte, ist indessen an E. Krafft übertragen worden. – Die ganz in Eisen konstruirte Bühnen-Einrichtung, deren eingehender Entwurf durch Hrn. Ober-Maschinenmeister Brandt bearbeitet worden ist, haben Hein, Lehmann & Co. und Schlossermeister Violet geliefert.

Die Kosten der Bauausführung ohne diejenigen des Grundstücks haben rd. 1/2 Million Mark betragen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “-F.-“