Berliner Neubauten 82 – Die neue Herz-Jesu- Kirche in der Fehrbellinerstrasse

Architekt: Prof. Christoph Hehl in Charlottenburg. Am 25. Juni dieses ‚Jahres ist im Norden der Stadt N Ei I Berlin, auf dem Grundstück Fehrbellinerstrasse 98 u. 99, der Grundstein zu einem neuen katholischen Gotteshause gelegt worden, welches nach seiner Vollendung zu den künstlerisch bedeutendsten Kirchenbauten der Reichshauptstadt zählen dürfte.

Als die Herz-Jesu-Gemeinde in Berlin den Architekten Professor Christoph Hehl in Charlottenburg mit der Aufstellung eines Entwurfes für das neue Gebäude betraute, unternahm sie es im Hinblick auf seine hervorragende künstlerische Vergangenheit. Die Wiederaufnahme des romanischen Stiles, sowohl in seiner Blüthe wie auch in seinen strengeren, stark von frühchristlichen Einflüssen durchsetzten Ausbildung, die erhöhte Werthschätzung seiner einfachen Monumentalität, die ihm eigenthümliche künstlerische. Oekonomie, welche den aufzuwendenden Mitteln eine willkommene Grenze steckt, der strenge und doch wiederum nicht asketische Ernst, der aus den in den Formen dieses Stils mit Verständniss und Gefühl errichteten Bauten spricht, erschienen gleich einer kleinen Zahl anderer Künstler auch Hehl als so grosse Vorzüge für unsere Kirchen, dass er es schon bei früheren Bauten unternahm, dem Entwicklungsbilde des neueren Kirchenbaues, welches etwas einförmig zu werden drohte, durch Aufnahme dieses Stiles neue Formen und neue Farben zuzuführen. Der Bau der Herz-Jesu-Kirche in Berlin darf als ein neuer bemerkenswerther Versuch in dieser Richtung betrachtet werden.

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Das Grundstück, auf welchem die neue Kirche schnell emporwächst, ist ein ┐-förmiges, dessen senkrechter Arm auf die Fehrbelliner-Strasse, dessen wagrechter Arm sich gegen die Schönhauser Allee 182 erstreckt und durch ein bereits bestehendes Wohnhaus nach dieser abschliesst. Eine höhere Töchterschule und ein Mädchenheim wurden auf dem Gelände dieses Armes bereits früher durch den genannten Architekten ausgeführt. Da das Bauland für die Kirche mit Pfarrhaus zwischen hohen Miethshäusern liegt, so wurde die Anlage so getroffen, dass die Kirche und das mehrgeschossige Pfarrhaus ohne wesentliche Fluchtunterbrechung in das Strassenbild sich einfügen und im übrigen stattliche Thurmanlagen die einförmige Linie der Hauptgesimse der Nachbarhäuser überragen. Die Kirche liegt an der westlichen Grenze des Grundstücks und erstreckt ihre Längsaxe von der Fehrbelliner-Strasse nach der Tiefe. Durch diese Anordnung aber, durch das dichte Anrücken an den Nachbargiebel, wird die eine Langseite der Kirche von der Beleuchtung abgeschnitten. Um jedoch von dieser Seite aus wenigstens noch hohes Seitenlicht zu erhalten, wurde der Grundriss des Gebäudes als dreischiffige Basilika mit abwechselnd Pfeilern und Säulen als Stützen der Mittelschiffmauer angeordnet. Eine reicher ausgebildete Befriedigung der räumlichen Bedürfnisse wurde durch die Anordnung eines Querschiffes und durch einen halbkreisförmigen Chorabschluss ermöglicht. Für die durch diese Anordnung entstandene Vierung wurde eine ähnliche Ausbildung gewählt, wie sie in so meisterhafter Weise in dem wahrscheinlich aus dem X. Jahrhundert stammenden Rundbau S. Fosca auf der Insel Torcello nordöstlich von Venedig ausgeführt wurde. Die Seitenaltäre sind in Apsiden des Querschiffs in der Axe der Seitenschiffe, wie sonst üblich; angeordnet. An der Fehrbelliner-Strasse lagert sich vor den Kirchenraum eine stattliche Vorhalle, welche seitlich von Thürmen, einem westlichen Hauptthurm von etwa 55 m Höhe und einem östlichen Nebenthurm von etwa 25 m Höhe eingeschlossen wird. In letzterem liegt die Treppe der über der Vorhalle angeordneten Orgel-Empore. Nach Osten schliesst sich an die Kirche das aus Erd- und 3 Obergeschossen bestehende Pfarrhaus an. Die Pfarrwohnung liegt im I. Obergeschoss und erhält einen unmittelbaren Zugang von der Vorhalle des linken Seiteneingangs der Kirche aus.

Herz-Jesu Kirche
Herz-Jesu Kirche – Grundriss

Was die äussere Ausbildung des in den Formen des romanischen Stils Niedersachsens des XII. Jahrhunderts gehaltenen Bauwerkes betrifft, so wurde für die Strassenfassaden als Material Muschelkalk-Bruchstein in regelloser Fugenanordnung für die Flächen und schlesischer Sandstein für die Architekturtheile gewählt; bei den gegen die Höfe liegenden Aussenflächen wurden die architektonischen Gliederungen in Backstein, die Flächen geputzt angenommen.

Es liegt auf der Hand, dass bei einem unter so gearteten Bauplatzverhältnissen zur Ausführung gelangenden Gotteshause der Schwerpunkt auf die künstlerische Ausstattung des Inneren gelegt werden muss. Die Raumgestaltung in erster Linie enthält die Bedingungen für eine feierlich würdevolle Stimmung. Das Mittelschiff hat die stattliche lichte Weite von 12 m erhalten und ist mit einem Tonnengewölbe überdeckt, welches sich im Scheitel zu einer Höhe von nur 16,5 m erhebt und so ein Querschnittsyerhältniss ergiebt, welches der Grossräumigkeit im weitesten Sinne entgegenkommt. Die Seitenschiffe haben ohne die Strebepfeilernischen eine lichte Breite von 4 m und eine Höhe von 7,5 m erhalten; sie sind durch sich kreuzende Tonnengewölbe überdeckt. Die Vierung ist durch ein nieder gehaltenes Kuppelgewölbe geschlossen, in welches nach byzantinischer Art zahlreiche Lichtöffnungen eingeschnitten sind, die zu einer Hauptlichtquelle für das Innere werden.

Herz-Jesu Kirche

Die Gesammtbreite der 3 Schiffe beträgt rd. 23 m; die volle Länge des Kirchengebäudes beträgt etwa 50 m, die des Innenraumes einschl. Chor etwa 42 m. Die Architekturtheile des Inneren werden wie die des Aeusseren aus Sandstein erstellt, die Flächen geputzt und, wie die Beilage zeigt, auf das reichste bemalt. Das ist einer der grossen Vorzüge des romanischen Stiles, dass bei ihm Architektur, Bildhauerei und Malerei unter gleichwerthigen Bedingungen zu einem vollen Einklang zusammenwirken können und dabei doch jedes dieser Kunstgebiete die Möglichkeit voller Freiheit der Entfaltung behält.

Die Baukosten der Kirche betragen einschl. Ausstattung mit Einrichtungsstücken, Architektenhonorar, Kosten der Bauführung, jedoch ohne die Kosten für die malerische Ausschmückung rd.., 400.000, M.; auf die Flächeneinheit zurückgeführt ergiebt sich daraus ein Satz von rd. 335 M. für Kirche mit Thurm. Die Baukosten des Thurmes berechnen sich für die kubische Einheit mit 18 M.

Das Pfarrhaus wird einen Bauaufwand von 100 000 M. beanspruchen, daher rd. 378 M. für die Flächen- und rd. 20 M. für die Raumeinheit. Die Ausführung der Maurerarbeiten ist dem Maurermeister Emil Haendly, die der Sandsteinarbeiten dem Hof-Steinmetzmeister Schilling übertragen worden.

Mit dem Bau ist am 15. April d. J. begonnen worden ; man gedenkt ihn im Laufe des Jahres 1899 der Benutzung übergeben zu können.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17.07.1897 in der Deutsche Bauzeitung, gekennzeichnet war er mit „-H.-“.