Ein Schmuckschatz

Lukas von Cranach. Drei Broschen Eulen-, Medusen und Weissdornmotiv

Von Dr. Felix Poppenberg.
Eine niedliche Schatzkammer mit schlanken, hell schimmernd ausgelegten Vitrinen, durch Louis-Seize-Wandleuchter diskret beleuchtet, zeigt bei Gebr. Friedländer, Unter den Linden zu Berlin, eine Auslese moderner Schmuckkunst.

Nachdem wir jüngst wiederholt Laliques Juwelenträume bewundern konnten, sehen wir nun die Früchte seiner Geschmacksherrschaft. Sein Vorbild hat gelehrt, daß der wahrhaft edle Schmuck nicht aus der Komposition möglichst kostbarer Materialien erwächst, sondern daß er die Schöpfung einer reichen koloristischen Phantasie sein muß. Die Schmuckkünstler sollen Symphoniker der Farbe sein, und wie Turner und Whistler mit den unerhörten Mischungen ihrer Palette, so sollen sie mit Edelgestein Email und Patinierung magisch susggestive Wirkung zaubern. Vielstimmige Instrumentation wird erstrebt, flutende Nuancierung, Uebergangstöne, changierendes Flächenspiel. Der rein ästhetische Eindruck ist ausschlaggebend, auch das Schmuckstück will nun, wie das Bild, wie das Gedicht, ein Stimmungsausdruck sein und nicht nur ein teures Wertobjekt.

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Die Arbeiten von Philippe Wolfers (Brüssel) bekennen solche verfeinerte Geschmacksanschauung. Sie nehmen, wie Lalique es liebt, Naturmotive auf, Blattbildungen mit zartem Geäder, Zweigverästungen, Blüten und Dolden, und variieren sie in Gold, Email und Steinen.

Uhr in Emaille. Von Eugen Feulitátre, Paris. - Spiegel. Von Prof. E. M. Geyger. Uhr in Holz geschnitzt. Von Becker, Paris
Uhr in Emaille. Von Eugen Feulitátre, Paris. – Spiegel. Von Prof. E. M. Geyger. Uhr in Holz geschnitzt. Von Becker, Paris
Bronzestatue von Ph. Wolfers (Brüssel)
Bronzestatue von Ph. Wolfers (Brüssel)
Vase aus geschliffenem Glas. Von Ph. Wolfers
Vase aus geschliffenem Glas. Von Ph. Wolfers

Das transluzide Email, der durchsichtige Glasfluß, der von dünnem Goldgeflecht gefaßt wird, erweist sich auch bei diesem Künstler als ein Ausdrucksmittel von wunderbarer Fülle. Blätter werden mit ihm dargestellt, hellgrün schimmernd, und ihr Netzwerk sind verästete Goldfäden. Blütenkelche tönen sich violett ab; der weiche Opalschimmer und das milde Mondlicht der Perlen fällt über ein Gezweig mit braunen Früchten. Die kapriziösen Launen der Natur werden benutzt und Barockperlen angewendet, die mit ihren unregelmäßigen Formen, ihrer welligen gekerbten Oberfläche wechselnde Farbenspiele ergeben, und die Brillanten gelten in dieser Welt nicht als Selbstzweck, als Prunkmittel, sondern sie werden wie alle andern Faktoren dem Organismus des Schmuckes eingegliedert, auch sie müssen dienen und dürfen nichts anderes sein als Ausdrucksmittel. Ueber die Flächen werden sie verteilt, wie Glühwürmchenlicht zuckt ihr Funkeln zwischen Blättern und Blüten auf. Oder ornamental erscheinen sie; reich flankiert werden sie zu einer schmalen Randleiste gefaßt und umspielen nun mit ihrem laufenden Feuer gleich einem Illuminationsrahmen ihre Füllung.

Wolfers verfügt über eine vielseitige Hand. Er ist auch Plastiker und Glaskünstler.

Als Skulpturen liebt er die romantischen Mischungen der Materialien, jene phantasievollen Kombinationen aus Elfenbein, Bronze, Gold und Juwelen, wie sie in Paris Jean Dampt am üppigsten geträumt. Das erlesenste Werk solcher Tresorkunst, die in Schätzen leidenschaftlich wühlt, um ihr Gebilde mit Vollendungszeichen zu krönen, war Jean Dampts Melusine mit dem Ritter: die Nixe aus schimmerweißem Elfenbein mit langrieselndem Schleier, brillantenbesät und der Ritter starrend in stählerner Rüstung. Diese dekorative Plastik liebt es auch – in jedem „Salon“ kann man alljährlich Proben sehen – Büsten mit wirklichem Schmuck zu behängen, mit einem Stirnreif sie zu zieren oder einem Halsgeschmeide. So ist auch in dieser Ausstellung aus mattgetöntem Wachs (in der Farbe des „Mädchens von Lille“) eine Frauengestalt, mit Goldschmuck angetan, zu schauen. Und ein sehr blendendes Schaustück ist die Pfauenkönigin, eine nackte Elfenbeinfigur auf reichgeädertem Marmorfelsen, die Leda gleich an ihren Schoß einen Pfau anschmiegend hält, einen Pfau aus Gold mit schmelzsprühenden Gefiederaugen aus Email.

Lukas von Cranach. Drei Broschen Eulen-, Medusen und Weissdornmotiv
Lukas von Cranach. Drei Broschen Eulen-, Medusen und Weissdornmotiv
Moderner Anhänger. Von Ph. Wolfers
Moderner Anhänger. Von Ph. Wolfers
Sarkophag. Von Israel Rauchomowsky
Sarkophag. Von Israel Rauchomowsky

Sehr raffiniert ist es, wie die farbentriefende, feurige Schleppe dieses Pfauenschweifs langwallend zwischen dem bleichen Elfenbein der Frauengestalt und der kühlen Helle des Marmors spielt.

Mit diesem Pfauendekor korrespondiert der Kopfschmuck und die Glocke, die von der ausgestreckten Hand der Gestalt gehalten wird. Als Beleuchtungsfigur ist die Gruppe gedacht. Jene Glocke mit welliger Oberfläche, mit Gitterdurchbruch am Rand und mit transparenten Pfauenaugenglasflüssen inkrustiert (ähnlich wie die Lampenhelme der Künstler von l´Art nouyeau, Landry und Dufrène), dient als magischer Schirm für die elektrische Birne.

Wolfers handgeschnittene Gläser zeigen als Motive Fledermaus, Pfau und Fasan. Die Vögel, die auf Flügelwirkung stilisiert sind heben sich im Relief dunkel von der hellfarbigen Grundschicht des Glases ab.

Eine andere Gattung Gläser mit „réflets metalliques“ von stark brillierendem Farbenschmelz sieht man von Feuillátre.

Von deutschen Künstlern begegnen wir Lukas von Cranach und Ernst Moritz Geyger.

Cranachs Schmuckwerke, die bei Friedländer in außerordentlicher Feinheit hergestellt werden, sah man als Ganzes im vorigen Jahr auf der Akademieausstellung des deutschen Kunstgewerbevereins. Delikatesse der Farben und Grazie der Kleinkunst vereinigte sich in seinen Arbeiten mit einer Freude an robusten Wirkungen. Beides trifft man hier wieder; die leichte Hand erkennt man an den Barockperlspielen, die die Anregungen dieser kuriosen Naturformen aufnimmt und durch Goldmontierung komplettiert, die Eulen und Schwäne entstehen läßt, wobei die Perle die Form für den Leib des Tieres hergibt; und die wuchtige Hand sieht man in der mächtig zupackenden zackigen Goldklaue (als Falzbeingriff bestimmt), die den zerklüfteten Zahn des vorweltlichen Höhlenbären umklammert. Neu ist das Medusenhaupt, das Cranach selbst aus einem großen Opal geschnitten; es hat indem eigentümlich fahlvioletten Schimmer des Antlitzes, gerahmt von Flügeln aus hellgrünem Nephrit, eine unleugbare Phantasiewirkung, aber es scheint in seiner Größe schwer verwendbar, mehr Vitrinen-Objekt d’art als Gebrauchsschmuck.

Ernst Moritz Geyger stellt sich mit seinen edlen Spiegeln ein. Der eine, als Sonnenscheibe wunderbar ruhend in den weit gebreiteten Armen des nackten Jünglings, der andere, Monstranzen gleich, auf schwerem, silbergetriebenem und wie ein mittelalterliches Altargerät mit Steinen besetztem Unterbau. Er ist wie der erste auf der das Glas deckenden Rückseite skulptural verziert. Die schwebende Umschlingung eines Paares, von Wolkenbändern umspielt, zeigt sie, und die Hand des Mannes hält wie ein Symbol den leuchtenden Kristall.

Anhänger. Von Ph. Wolfers (Brüssel)
Anhänger. Von Ph. Wolfers (Brüssel)
Anhänger mit Fasanmotiv. Von Ph. Wolfers
Anhänger mit Fasanmotiv. Von Ph. Wolfers
Minvera mit dem rasenden Achill. Von Israel Rouchomowsky
Minvera mit dem rasenden Achill. Von Israel Rouchomowsky

Geyger hat auch eine Lieblingsaufgabe moderner Schmuckkunst, den Zierkamm, erprobt. Die schönsten dieser Kämme mit hohem, dekorativem Bug sind von Lalique, er füllte diesen Bug mit Farbenstimmung aus transluzidem Email, er schnitzte sie in farbigem Horn aus, er ließ durch ihren verzweigten Durchbruch silberne und goldene Blätter sich ranken. Geyger ist verhaltener; er wendet eine gewisse altmeisterliche Einfalt an. Er macht den Kammansatz aus mattem Gold und schmückt die Fläche mit einem Pastoralmotiv. Das ist kein Kamm für die Mondänen oder für die byzantinischen Kaiserinnen, für die Salammbos und Salomes, an die man immer bei Laliques Schmuckstücken denkt. Dieser Kamm voll Ruhe und gelassener Würde paßt für die patrizischen Frauen, wie sie Ricarda Huch durch weite, halbdunkle, stille Gemächer voll schweren eichengeschnitzten Hausrats wandeln läßt.

Ein Vielgenannter mache den Schluß, Israel Rouchomowsky, der durch die gefälschte Tiara mit dem Louvre so „üble Humore“ spielte.

Paris scheint ihm den Streich nicht sehr nachzutragen, es respektiert seine Fertigkeit, es hat die Tiara (die schwer bezahlte) nicht verbannt, sondern sie als effektvolle Probe der Nachahmungskunst unter den modernen Arbeiten ausgestellt, es hat neue Stücke im Salon aufgenommen und eins von ihnen, den Sarkophag, sogar mit dem großen Preis gekrönt. Diesen Sarkophag sieht man hier, eine Miniaturtruhe in minutiöser Kleinarbeit der Reliefwandungen. Sie sind nicht antikisierend im Sinn der Goetheverse: „Sarkophagen und Urnen verzierte der Heide mit Leben.“ Sie geben vielmehr einen Triumph des Todes in einer etwas flach genrehaften Auffassung; das Konventionsmotiv, der Tod als Schnitter, wird variiert und hinter ihm der Zug der Stände mit mannigfachen Typen: der dicke Bourgeois Gentilhomme im Zylinder, der General, die Modedame u. a. Außerdem ist hier noch als Muster archaischer Stilstudie ein Füllhorn mit Widderkopf, das in gürtelförmiger Anordnung, ähnlich wie der Rumpf der Diana von Ephesus, Reliefdarstellungen zeigt, und eine Gruppe „Minerva mit dem rasenden Achill“ im primitiven Frühzeitcharakter. Daß Rouchomowsky ein Schalk ist, sieh man schließlich an seiner Miniaturnachbildung der Tiara als Manschettenknopf. Es ist vielleicht als ein neckische J´y pense für den Direktor des Louvre bestimmt.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 51/1903.