Berliner Neubauten 99 – Das Märkische Museum am Märkischen Platz

Märkisches Museum - Ansicht von Süden

Architekt: Stadtbaurath Ludwig Hoffmann in Berlin.
Das Märkische Museum in Berlin lässt sich nach dem Charakter seiner Sammlungen nicht den Museen im überkommenen Sinne des Wortes anreihen, sondern es nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als seine Sammlungen die verschiedenartigsten Gegenstände des märkischen Volkslebens umfassen; das Märkische Museum ist ein kultur-historisches Museum.

Es enthält prähistorische Sammlungen, Sammlungen für das Zunft- und Gewerkswesen, für die Rechtspflege, Gruppen kirchlicher Gegenstände, Sammlungen für Gewerbe und Kunstgewerbe, für Jagd, Fischerei und Landwirthschaft, für Hauswirthschaft; es enthält Hausgeräthe, Trachten, Gegenstände der Mode und Schmuck, es bietet dem Beschauer Sammlungen für die Geschichte der Stadt und der Mark, für Baugeschichte, Kriegs- und Lehenswesen, es umfasst endlich naturhistorische Sammlungen und erfordert für die Erhaltung und Nutzbarmachung dieser Sammlungen Verwaltungsräume, einen Vortragssaal, Lese- und Arbeitssäle usw.

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Es fristeten nun diese vielseitigen Sammlungen bisher ein dürftiges Dasein zunächst in dem alten Gebäude am Köllnischen Fischmarkt, welches mit der Wende des Jahrhunderts den Verkehrsforderungen geopfert werden musste, später und bis heute, jedoch in vorübergehender Weise in einem städtischen Gebäude in der Zimmerstrasse. Seit einigen Jahren schon waren die Vorarbeiten eingeleitet für ein neues Gebäude und eine geeignetere Unterbringung der Sammlungen. Ein zu diesem Zwecke im Jahre 1893 ausgeschriebener allgemeiner Wettbewerb rief wohl eine Reihe von Entwürfen von hervorragender künstlerischer Bedeutung hervor, hatte aber insofern kein praktisches Ergebniss, als keiner der Entwürfe zur Ausführung gelangte. Das hing in der Hauptsache mit dem kommenden Wechsel in der Leitung des Hochbauwesens der Stadt Berlin zusammen und es begreift sich, dass, als der neue Leiter des Hochbauwesens die Geschäfte übernommen hatte, er den anziehendsten Monumentalbau seiner neuen Thätigkeit nicht einer fremden Kraft überlassen wollte. Er stellte vielmehr bald selbst einen Entwurf für das neue Gebäude auf, welcher in den diesem Aufsatze beigegebenen Abbildungen zur Darstellung gebracht wird.

Märkisches Museum - Lageplan
Märkisches Museum – Lageplan
Grundriss des Erdgeschosses
Grundriss des Erdgeschosses
Grundriss des Obergeschosses
Grundriss des Obergeschosses

Bei der Aufstellung des Entwurfes war leitender Grundsatz, die verschiedenartigen Ausstellungsstücke in einer ihrer Eigenart entsprechenden räumlichen Umgebung zur Erscheinung zu bringen. Dieser Grundsatz führte dazu, von einem einheitlichen Gebäude mit gleichen Stockwerkshöhen, gleichen Fensteraxen und gleichartigem Architektursystem abzusehen und eine freie Bauanlage zu schaffen, welche einmal sich der unregelmässigen Gestalt des Bauplatzes eng anschliessen konnte und gestattete, den mit herrlichen Bäumen bestandenen Theil des alten Walles zu schonen; welche ferner es zuliess, die Räume jeder einzelnen Sammlung so zu gestalten, dass die Gegenstände wenn möglich in der charakteristischen Umgebung ihrer Zeit gezeigt werden können, und welche endlich es ermöglichte, im Aeusseren besonders interessante Theile alter märkischer Bauten aus verschiedenen Jahrhunderten zu verwenden und so das Gebäude selbst zu einem Museum märkischer Architekturstücke zu machen. Nach dem Vorgange des Bargello in Florenz, des germanischen Nationalmuseums in Nürnberg usw. soll der malerische Eindruck des Aeusseren so weit gesteigert werden, dass Geschosse, Wappentafeln und anderer Zierrath zur Unterbrechung der Flächen eingemauert werden.

Schnitt A-B
Schnitt A-B
Schnitt C-D
Schnitt C-D

Das Innere sollte neben den eigentlichen Sammlungs- und den Verwaltungsräumen noch eine Anzahl Räume für zeitweise Ausstellungen beachtenswerther Erzeugnisse des Berliner Kunsthandwerkes enthalten. Das Untergeschoss enthält Räume für die prähistorischen Sammlungen, Wohnungen für Diener und Heizer, Material- und Lagerräume, Werkstätten und die Heizungsanlage. Der Eingang zum Gebäude liegt gegenüber der Waisenbrücke, am Treffpunkte der Strassen Neu-Kölln am Wasser, Am Köllnischen Park und der Wallstrasse. Diese Lage des Haupteinganges war gewissermaassen die durch die natürlichen Verhältnisse gegebene. In der Nähe des Einganges und abgesondert von den Sammlungsräumen liegt die durch zwei Geschosse reichende grosse Halle mit Kleiderablagen deren Wirkung durch Einfügung eines kleinen Zwischenraumes zu steigern versucht wurde. Der Architekt glaubt in gewiss zutreffender Weise annehmen zu dürfen, dass dadurch, dass der Eintritt in die grosse Halle nicht inmitten derselben, sondern seitlich unter einer niedrigeren Halle erfolgt, dieser Raum dem Eintretenden in seiner gesammten Ausdehnung und in einer durch den Wechsel der Beleuchtung im hohen und im niedrigen Raumtheil erhöhten Wirkung zur Erscheinung kommt. Aus dieser Halle führt eine Treppe zu den prähistorischen Sammlungen des Untergeschosses.

Märkisches Museum - Ansicht von Westen
Märkisches Museum – Ansicht von Westen
Märkisches Museum - Ansicht von Osten
Märkisches Museum – Ansicht von Osten

Im Erdgeschoss reihen sich die Räume für die naturhistorischen Sammlungen an, weiterhin die Räume für zeitweise Ausstellungen. Sie lassen sich für die Zwecke etwaiger Sonder-Ausstellungen abtrennen. In der Nähe des Einganges liegen im Erdgeschoss die Verwaltungsräume, im Obergeschoss darüber der Vortragssaal mit Nebenräumen.

Im Obergeschoss liegen ferner die Räume für Gewerkswesen, Urkunden, Rechtspflege, Kirchenwesen, Kunstgewerbe, Landwirthschaft, Jagd und Fischerei, Hauswirthschaft, Hausgeräth, Trachten, Moden und Schmuck, für Kriegs- und Lehenswesen, sowie für Geschichte. Die Lage der einzelnen Räume zu einander geht aus unseren Grundrissen hervor.

Märkisches Museum - Ansicht von Süden
Märkisches Museum – Ansicht von Süden
Märkisches Museum - Ansicht von Norden
Märkisches Museum – Ansicht von Norden

Für die Gestaltung des Aeusseren, welches aus der Gothik in die Renaissance überleitet und welches in Thurmanlagen, Giebelaufbauten, Oeffnungen, Flächen usw. auf das sorgfältigste die örtliche Umgebung berücksichtigt, sodass z. B. da, wo starker Baumwuchs vorhanden ist, sich lediglich glatte Flächen ohne Architektur befinden, während die reicheren Motive da verwendet sind, wo sie voraussichtlich zu voller Wirkung kommen, stützt sich der Architekt auf die eingehendsten Studien an alten märkischen Bauwerken, die mit unendlicher Sorgfalt angestellt sind und mit dafür bürgen, dass das Gebäude nach seiner Vollendung ein Monumentalbau hervorragenden Ranges sein wird, welcher neben seiner charakteristischen Eigenart märkischer Sprache insbesondere auch die gemüthvolle, deutsche malerische Sinnigkeit zeigen wird, welche von den Ueberresten der Baukunst früherer Jahrhunderte ausgeht. – Einem Wunsche sei hier noch besonders Ausdruck gegeben: dass es dem Architekten vergönnt sei, auch bei der Aufstellung der, Gegenstände nach Vollendung des Hauses ein maassgebendes Wort mitsprechen zu dürfen, damit vermieden werde, was heute z.B. in Zürich beklagt wird, dass die Gegenstände ohne Rücksicht auf die individuelle Raumgestaltung aufgestellt werden. Gehen, was wir hoffen und wünschen möchten, hier der Direktor des Museums und der Architekt Hand in Hand, so sind wir berechtigt, der Eröffnung des neuen Hauses mit der erwartungsvollen Spannung entgegen zu sehen, welche grossen Kunstereignissen voranzugehen pflegt.

Nach seiner Vollendung hoffen wir eingehender auf den Bau und seine Konstruktion, namentlich seine schwierigen Gründungsverhältnisse, zurückkommen zu können.

Dieser Artikel erschien zuerst am 20.07.1901 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- H. -“.