Zur Geschichte des Potsdamer Platzes in Berlin und seiner Umgestaltungen

Als i. J. 1823 nach dem Schinkelschen Entwurfe zum Umbau des Potsdamer Thores geschritten wurde, war westlich davon, ausserhalb der Stadtmauer, weder ein Platz, noch eine platzartige Erweiterung vorhanden.

Die von Friedrich Wilhelm I. erbaute Ringmauer überschritt in ungebrochener gerader Linie die jetzige Platzfläche, eine etwa 5,6 m breite Oeffnung in der Mittellinie der Leipziger Strasse, die von zweien im Querschnitt quadratischen Pfeilern begrenzt wurde und etwa in der Mitte der östlichen Hälfte der gegenwärtigen kreisförmigen Schutzinsel zu suchen sein würde, bildete das Potsdamer Thor.

In dem aus den fünfziger Jahren stammenden, beigegebenen Plan des Potsdamer Platzes (Abb. 1), der noch genau die Thorgebäude, das Thor und die anschliessenden Stadtmauertheile nach dem Schinkel’schen Entwurf erkennen lässt, sind das alte Potsdamer Thor und die gegenwärtige Schutzinsel mit punktirten Linien eingetragen.

Wie in den Erläuterungen zu dem Schinkel’schen Entwurfe angegeben wird, kam es dem Architekten vorzüglich darauf an,

„die höchst unangenehme Beengung ausserhalb des Thores zu ändern. Der Ankauf von Gärten und anderen Grundstücken zunächst vor dem Thore, welcher zu diesem Zwecke geführt hätte, ward verhältnissmässig für die Anlage zu kostspielig, und deshalb musste auf ein anderes Mittel, die Räumlichkeit vor dem Thore herbeizuführen, gedacht werden.
Dieses Mittel fand sich in der Form des grossen Leipziger Platzes, womit die Stadt gegen das Thor endigt. Dieser Platz bildet ein Achteck, das alte Thor lag nicht in der Peripherie des letzteren; durch ein Zurückrücken des neuen Thores in die Stadt hinein in die – westliche – Seite des Achtecks gewann der Leipziger Platz eine ganz regelmässige Form und das Thor einen bedeutenden Vorplatz an der Aussenseite“.

Nach der in den gesammelten Werken Schinkels vorliegenden Darstellung des Entwurfes war diesem Vorplatz eine kreisrunde Form von etwa 37,7 m Radius zugedacht, in die an ihrer Ostseite der gitterartig ausgebildete Thorabschluss und die dahinter belegenen Thorgebäude sehnenartig einschnitten; in der Mitte des Platzes war anscheinend eine Schutzinsel von 35,8 m Durchmesser vorgesehen, welche durch eine 11,3 m breite Fahrstrasse von einem mit einem Baumkranze ausgestatteten Promenaden- oder Fusswege geschieden werden sollte.

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Diese Platzanlage ist, wie es den Anschein hat, nur theilweise zur Ausführung gelangt. Die in den Erläuterungen erwähnten „kostbaren“ Landerwerbungen mögen wohl Schuld daran tragen, wenn des Meisters Plan nur als Stückwerk der Nachwelt überkommen ist. Wie an der Hand des beigegebenen, den fünfziger Jahren entstammenden Planes (Abbildg. 1) vermuthet werden darf, ist lediglich die östliche Hälfte des Schinkel’schen Entwurfes und auch diese nur, soweit sie sich auf die Thorgebäude, das Thor selbst und die anschliessenden Theile der Stadtmauer bezieht, damals zum Dasein gelangt; die Gestaltung des äusseren Thorplatzes nebst den in ihn mündenden Wegen und Landstrassen hat man offenbar einer über reichlichere Geldmittel verfügenden Zukunft überlassen, höchstens dass man die dem, Verkehre freigegebenen Flächen, so gut oder so schlecht es eben ging, mit dem berüchtigten Berliner Rundsteinpflaster befestigt, und dass man einige Jahre später zur Sicherheit und Bequemlichkeit der Fussgänger die über und zu dem Platz führenden Strassen mit sogenannten „Plattenwegen“ eingefasst haben wird.

Abbildg. 1 – Zustand vor dem Jahre 1866

Die Unthätigkeit der mit der Fürsorge für die öffentlichen Strassen und Plätze Berlins betrauten Behörden vermochte indessen der Entwicklung der Stadt, auch an der in Rede befindlichen Stelle, keine Zügel anzulegen. Schon seit dem Ende der zwanziger Jahre hatte die Bauthätigkeit begonnen, sich der dem Platz vor dem Potsdamer Thore angrenzenden Grundstücke zu bemächtigen; die im Jahre 1838 eröffnete Eisenbahn zwischen Berlin und Potsdam hatte ihren Bahnhof bis an die Südwestseite des Platzes vorgeschoben; im Jahre 1850 musste man dann das Unerhörte erleben, dass von der Eisenbahnverwaltung, um eine Verbindung zwischen den einzelnen weit auseinander gelegenen Bahnhöfen der Stadt herzustellen, eine mit Lokomotiven betriebene Eisenbahn in die städtischen Strassen eingebaut und unter anderem mitten über den Thorplatz geführt wurde. Gleichwohl war in den drei Jahrzehnten seines Bestehens nichts geschehen, um den Platz mit den in ihm auslaufenden Strassen den inzwischen sehr veränderten Verkehrsverhältnissen anzupassen, geschweige denn, ihn nach einem einheitlichen Plane zu gestalten.

Erst vom Jahre 1863 an machen sich Bestrebungen geltend, die vornehmlich darauf gerichtet sind, den Platz vor dem Thore grossräumiger zu machen. Sie gehen von der Polizeibehörde aus und verfolgen namentlich das Ziel, die zwischen Potsdamer Bahnhof und Potsdamer Strasse einerseits und zwischen letztgenannter Strasse und Bellevue-Strasse andererseits sich nach der Stadt zu vorschiebenden, mit Gärten bezw. mit Gebäuden besetzten Privatgrundstücke der Platzfläche einzuverleiben, um so dem Wagenverkehr weiteren Spielraum zur Verfügung zu stellen. Die hierauf zielenden, mit der städtischen Verwaltung angeknüpften Verhandlungen nahmen jedoch einen äusserst trägen Verlauf, da gegenüber jenen Anforderungen auf Erwerb der vorerwähnten Grundstücksflächen die Gemeindebehörden aus schon oft besprochenen und daher hier wohl zu übergehenden Gründen sich ausnehmend spröde verhielten. Selbst die im Jahre 1866 erfolgte Beseitigung der Stadtmauer und die gleichzeitig hiermit durch die kgl. Bauverwaltung bewirkte Anlage der kleinen noch bestehenden Schmuckplätze westlich der Thorgebäude vermochte der Frage über die endliche Gestaltung der vor dem Thore entstandenen platzartigen Erweiterung kaum eine beschleunigtere Erledigung zu gewähren, obwohl damals schon beim kgl. Polizei-Präsidium ein Plan für die Neueintheilung des Potsdamer Platzes aufgestellt worden ist, der sich von dem später zur Ausführung gebrachten nicht wesentlich unterscheidet.

Der Uebergang der gesammten Strassenbaulast aus den Händen des Staates in die der Stadtgemeinde im Verein mit dem Ausbau des Strassenbahnnetzes brachte endlich auch an dieser Stelle der Stadt dem unleidlichen Zustande ein lang herbeigesehntes, wenn auch spätes Ende.

Abbildg. 2 – gegenwärtiger Zustand

Die Ausführung der Strassenbahnlinie Potsdamer Platz-Spittelmarkt im Jahre 1880 verhalf auch dem Potsdamer Platz zu der Gestaltung (Abb. 2), die er noch bis zu diesem Augenblicke sich bewahrt hat; die Befestigung seiner Fahrdammflächen mit bestem Pflaster aus regelmässig bearbeiteten Bruchsteinen auf fester Unterbettung erfolgte freilich erst 4 Jahre später.

Ebenso wie bei dem schon erwähnten Entwurf des Polizei-Präsidiums hat augenscheinlich auch bei dem zur Ausführung gelangten als leitender Grundsatz gegolten, innerhalb der durch die bauliche Umgebung des Platzes gezogenen Grenzen der ungehinderten Bewegung der Fuhrwerke möglichst grosse Flächen zur Verfügung zu stellen; bei einem Vergleiche der die frühere Anordnung des Platzes darstellenden Zeichnung mit derjenigen, die den augenblicklichen Zustand vergegenwärtigt, nehmen wir daher denn auch wahr, dass die zwischen dem Potsdamer Bahnhofe und der Bellevue-Strasse belegenen, sich weit nach Osten vorstreckenden Grundstückstheile, der schon vor Jahren von der Polizeibehörde gegebenen Anregung folgend, in weitester Ausdehnung den Fahrdammflächen des Platzes zugeschlagen worden sind.

Dem damals schon recht lebhaften Verkehre der Fussgänger glaubte man völlige Gerechtigkeit angedeihen zu lassen durch die Anlage zweier kreisförmiger Schutzinseln, deren grössere mit 10 m Halbmesser in ihrer Lage durch die Bedingung bestimmt wurde, dass die Entfernung ihrer Peripherie von den die Dammflächen einfassenden Bürgersteigen nach allen Richtungen hin thunlichst gleich werde, ihr Mittelpunkt aber mit den Schnittpunkten der Mittellinien der Leipziger, Potsdamer und Bellevue-Strasse nahezu zusammenfalle. Der letzterwähnte Umstand lässt erkennen, dass auch ästhetische Momente wenn auch nicht als allein maassgebend, so doch schwerwiegend bei der Entscheidung über die Anordnung der Schutzinsel und damit über die Gestaltung des Platzes überhaupt ins Gewicht gefallen sind.

Mag immerhin anfänglich die für den bisher ungegliederten Platz gewählte Formgebung den Ansprüchen der Einwohnerschaft genügt haben, so brach sich mit steigendem Verkehre der Fussgänger und der gewöhnlichen Fuhrwerke einerseits, sowie der Strassenbahnwagen andererseits, bald mehr und mehr die Ueberzeugung Bahn, dass durch die getroffene Anordnung die Gebote, welche inbezug auf Bequemlichkeit und Sicherheit des Verkehres an so hervorragend lebhafter Stelle der Stadt zu stellen sind, doch nicht in gebührender Weise erfüllt seien, dass vielmehr gerade in ihr die Ursache gefunden werden müsse, wenn eine glatte, regelmässige Abwicklung des Fuhrwerksverkehres auf den Dammflächen des Potsdamer Platzes sich nicht erzielen lasse und damit auch für die ihn überschreitenden Fussgänger es an nöthigen Schutzmaassregeln fehle.

Ein Blick auf den Plan, vor allem aber eine aufmerksame Beobachtung an Ort und Stelle wird jeden unbefangenen Beurtheiler schnell erkennen lassen, dass die Hauptmängel der gegenwärtigen Platzeintheilung in der grossen, schon. vorher erwähnten Schutzinsel sowie in den unregelmässigen und stellenweise über Bedarf breiten Fahrdämmen zu suchen sind, die zumtheil gerade ihre grössten Abmessungen an solchen Stellen zeigen, die den örtlichen Verhältnissen nach von den Fussgängern am häufigsten begangen werden. Zunächst fällt in die Augen, dass die Schutzinsel, deren Durchmesser die Dammbreiten der in den Platz einmündenden Hauptverkehrszüge nicht unerheblich übertrifft, diese derartig sperrt, dass kein Fuhrwerk, mag es aus der Leipziger Strasse nach der Potsdamer oder Bellevue-Strasse und in umgekehrter Richtung seinen Weg zu nehmen haben, mag es dem Zuge der Königgrätzer Strasse zu folgen gewillt sein, in kürzester Linie den Platz überschreiten kann. Ebenso wie die Gleise der Strassenbahnen mit scharfen Kurven und Gegenkurven um jenen Mittelperron sich herumzuwinden gezwungen sind, so ist auch jeder Wagen, sobald er den Platz erreicht hat, genöthigt, von der gegebenen Fahrrichtung abzuweichen, und während der Umfahrung der Schutzinsel, ja solange er sich auf den Flächen des Platzes befindet, jeden Augenblick seine Richtung zu ändern. Die Wagenführer sind durch diesen Umstand verhindert, mit Sicherheit zu beurtheilen, welchen Weg ein in ihrer Nähe sich bewegendes Fuhrwerk im nächsten Zeitabschnitte einzuschlagen beabsichtigt. Es liegt auf der Hand, dass diese an und für sich schon äusserst bedenkliche Thatsache durch die überaus grosse Menge von Fuhrwerken jeder Gattung, die in den verschiedensten Gangarten und unter den verschiedensten Winkeln und Richtungen auf dem Platze sich begegnen und einander auszuweichen suchen, in erheblichster Weise gesteigert wird, und mit der stetigen Zunahme des Verkehres zu immer empfindlicheren Störungen Veranlassung geben muss. Auch die vor etwa 2 Jahren seitens der Verkehrs-Polizei getroffene Maassregel, nach der alle von der Leipziger Strasse her auf den Platz gelangenden Fahrzeuge, gleichgiltig wohin ihr Ziel sie führt, die Schutzinsel auf ihrer Nordseite zu umfahren haben, hat eingestandenermaassen eine Besserung nicht herbeigeführt, ist vielmehr, nach vielfach angestellten Beobachtungen, eher geeignet, das Wirrsal der Wagen auf der Nord- und Westseite des Schutzperrons noch zu vermehren, wozu freilich nicht zum wenigsten der Uebelstand beiträgt, dass die schweren und ungeschickten Fuhrwerke der Omnibus-Gesellschaften vielfach gerade an der nördlichen Bordkante der Insel halten, um Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen und so den Uebergang der anderen Wagen über den Platz erschweren.

Dass die angeführten Momente für Fussgänger in noch höherem Maasse als für Fuhrwerke das Ueberschreiten des Platzes zu einem äusserst misslichen machen, dass es in der That für Fremde, Kinder, Frauen und Greise mit Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden ist, ist Jedermann durch eigene Erfahrung zur Genüge bekannt und bedarf leider keines Beweises mehr. Als Illustration zu dem Vorangeschickten mag indessen an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass nach einer schon vor etlichen Jahren durch das kgl. Polizei-Präsidium angeordneten Zählung der Potsdamer Platz täglich durchschnittlich von etwa 20 000 Wagen befahren wird, und dass ungefähr der vierte Theil dieses Verkehres sich auf die 3 Nachmittagsstunden von 4 ½ bis 7 ½ Uhr zusammendrängt

Es kann nicht Wunder nehmen, wenn bei solcher Bewandtniss der Frage, in welcher Weise eine Besserung der Verkehrsverhältnisse auf dem Potsdamer Platz zu erzielen sei, von den verschiedensten Seiten nahe getreten ist, und wenn von Berufenen und Unberufenen die erdenklichsten Mittel zur Abhilfe in Vorschlag gebracht worden sind. Um lediglich der kühnsten zu gedenken, mag hier an Entwürfe erinnert werden, die dahin gingen, die Fussgänger in Tunnels unter, oder auf Brücken über den Platz hinwegzuleiten. Auch die schon früher mehrfach angeregte Lösung, durch Beseitigung der Thorgebäude den Platz geräumiger zu gestalten, ist noch vor kurzem infolge eines sehr bedauerlichen Unfalles von einem hochangesehenen Fachgenossen in diesem Blatte wiederum zur Erörterung gestellt, nach diesseitigem Dafürhalten aber von mindestens gleich sachverständiger Seite in so überzeugender Weise widerlegt worden, dass darauf verzichtet werden kann, hierauf nochmals des Näheren einzugehen.

Die Umwandlung des Pferdebahnbetriebes in elektromotorischen, infolge deren es sich als nothwendig erwies, die über den Potsdamer Platz führenden Gleise in ihren Kurven den Anforderungen der neuen Betriebsart anzupassen, hat der städtischen Bauverwaltung Veranlassung gegeben, die Frage aufzunehmen, ob und in welcher Weise bei dieser Gelegenheit eine Umgestaltung des Potsdamer Platzes zu bewirken sei, um den vielfach gerügten, thatsächlich vorhandenen Uebelständen gründlich zu begegnen. Das Ergebniss dieser Erwägungen ist in dem dargestellten Entwurfe (Abbildg. 3) wiedergegeben, der bereits die Zustimmung der städtischen und der Staatsbehörden gefunden hat und seiner demnächstigen Ausführung entgegensieht.

Bei der Bearbeitung des Planes sind zwei Gesichtspunkte vornehmlich ausschlaggebend gewesen.

Zunächst herrschte vollständige Klarheit darüber, dass man es bei dem Potsdamer Platze keineswegs mit einem Platze in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes zu thun habe, sondern mit einer durch sternförmiges Zusammentreffen von 5 beziehungsweise 7 Strassenzügen entstandenen, in ihren Umgrenzungen sehr unregelmässig gestalteten platzartigen Erweiterung, in der es, wie überhaupt in derartigen Fällen, so ganz besonders in dem vorliegenden, in dem es sich um einen der lebhaftesten Verkehrsmittelpunkte der Stadt handelt, in erster Linie das Augenmerk darauf gerichtet werden müsse, den Wagenführern die Möglichkeit zu entziehen, willkürlich von der ihnen obliegenden Fahrrichtung abzuweichen, sie vielmehr durch geeignete Anordnungen an feste, von der geraden Linie möglichst wenig sich entfernende Richtungen zu binden.

Nur wenn es gelang, bei der Eintheilung der Platzfläche den vorentwickelten Grundsatz streng durchzuführen, konnte man die Leiter der Fuhrwerke und die Fussgänger in den Stand setzen, über die wahrscheinliche Richtung eines ihnen begegnenden oder ihren Weg kreuzenden Wagens sich schnell ein sicheres Urtheil zu bilden und damit Verkehrsstockungen, Zusammenstössen und Unglücksfällen aller Art einen Riegel vorschieben.

Abbildg. 3 – geplante Neugestaltung

Des weiteren waren die Entwurfs-Arbeiten von dem Bestreben geleitet, diejenigen Wegestrecken, die von den Fussgängern auf den Dammflächen zurückgelegt werden müssen, thunlichst zu kürzen, oder wo dieses nicht angänglich, durch Anlage von Zufluchtsinseln zu theilen. Die Lösung dieser Aufgabe hat man vor allem dadurch zu finden geglaubt dass man in bewusstem Gegensatze zu dem bisher vielfach, auch an anderen Stellen Berlins geübten Verfahren, auf Kosten der theilweise mit übermässiger Breite ausgestatteten Dammflächen, die Bürgersteige geräumiger gestaltet hat, indem man sich ebenso wenig scheute, die allein für Benutzung der Fussgänger bestimmten Platztheile an der Westseite erheblich weiter, als es seither der Fall gewesen, stadtwärts vorzurücken, wie auch die an der Ostseite zwischen den beiden Schmuckplätzen belegene, die Form eines Trapezes bildende Dammfläche ganz wesentlich einzuschränken, die dadurch gewonnenen Abschnitte aber den Fusssteigen einzuverleiben.

Die derart geschmälerte Dammfläche weist jedoch trotzdem noch eine mittlere Breite von 29-30 m auf, die von den Fussgängern auf ihren Wegen von Ost nach West oder von West nach Ost zu durchmessen gewesen wäre; durch drei längliche, 4,5 m breite, dem Zuge der Königgrätzerstr. folgende Schutzinseln wird indessen der Raum zwischen d. Bürgersteigen an der West- und Ostseite des Platzes in zwei nahezu gleich breite Fahrdämme getheilt, so dass hinfort der Fussgänger beim Passiren des Potsdamer Platzes nicht oder doch kaum mehr an Fahrdammfläche ohne Unterbrechung zu queren haben wird, als bei einer gewöhnlichen Strassenkreuzung, und dass weniger gewandte, des Getriebes der Grosstadt unkundige Personen ihren Weg so zu wählen vermögen, dass sie die Fahrstrassen lediglich an Stellen zu betreten brauchen, an denen die Fuhrwerke, wie in jeder beliebigen anderen Strasse, nur in der Längsrichtung sich fortbewegen.

Die in Bezug auf die Schutzinseln getroffene Anordnung gewährt nicht nur den im Zuge der Königgrätzer Strasse verkehrenden Fuhrwerken die Möglichkeit, ohne wie früher durch den kreisrunden Mittelperron daran gehindert zu werden, in ununterbrochener, kaum gekrümmter Fahrrichtung über den Platz zu gelangen; auch in dem noch wichtigeren und verkehrsreicheren Trakt der Leipziger Strasse nach der Potsdamer- und Bellevue-Strasse ist das gleiche der Fall. Zu diesem Behufe ist zwischen der nördlichen und mittleren Insel eine Durchfahrt von 27 m belassen, während eine solche von 13 m zwischen dem mittleren und südlichen Perron für die Aufnahme derjenigen Fuhrwerke bestimmt ist, die aus der Leipziger Strasse kommend, Reisende nach der Abfahrtshalle des Potsdamer Bahnhofes zu befördern haben.

Als weiterer Vorzug der gewählten Platzeintheilung verdient endlich noch hervorgehoben zu werden, dass auch die Gleise der Ringstrassenbahn sowohl, wie die der Linie Leipziger Strasse-Potsdamer Strasse, die gegenwärtig noch in stark gekrümmten Kurven und Gegenkurven und mit nicht unerheblichem Umwege den Mittelperron umziehen, fortab ohne Abweichung von der durch ihr Endziel gebotenen Richtung über den Platz geführt den können und müssen.

Dass die zurzeit aus der Leipziger Strasse und dem Leipziger Platz nach Norden abzweigende Gleisverbindung beseitigt und in die nördliche, den Leipziger Platz mit der Königgrätzer Strasse verbindende Seitenstrasse verlegt werden soll, ist einer Anregung der Verkehrspolizei hauptsächlich zu verdanken, die, wie wohl behauptet werden darf, mit Recht auch auf die Verkehrsstörung hingewiesen hat, die durch jene Gleise am Ausgange des Leipziger und unmittelbar darauf noch einmal am Eingange des Potsdamer Platzes für das übrige Fuhrwerk erzeugt wird und daher ihrer Verlegung an eine Stelle das Wort redet, an der ein geringerer Zusammenfluss von Fahrzeugen aller Art stattfindet. Da überdies die Erhaltung der Gleisverbindung in einer der bestehenden Anlage annähernd gleichen Weise nur durch beträchtliche Abstriche an den Breiten- und Längenabmessungen der nördlichen Schutzinsel erkauft werden konnte, hiermit aber wiederum eine entsprechende Verbreiterung der Fahrdämme gerade dort Hand in Hand gegangen sein würde, wo der Strom der Passanten am stärksten zu fluthen pflegt, so hat man nicht Anstand genommen, die von anderer Seite befürwortete Gleisverlegung sich zu eigen zu machen.

Wenn bei Bearbeitung des neuen Entwurfs das Bestreben vornehmlich darauf gerichtet gewesen ist, den Forderungen des Verkehrs und den Rücksichten auf Sicherstellung von Personen und Fuhrwerken in weitestem Umfange gerecht zu werden, so hat man dabei doch keineswegs unterlassen, die, wie uns scheint, recht schwierige Frage zu erörtern, ob und in welcher Weise es zu erreichen sei, dem Platz ein seiner Bedeutung entsprechendes architektonisches Ansehen zu verleihen. So wenig auch im allgemeinen eine symmetrische Gestaltung der eigentlichen Strassengliederungen, – Fahrdämme, Bürgersteige, Schutzperrons usw. – bei ausgedehnteren Anlagen von dem Beschauer wahrgenommen wird, so ist man in dem Falle doch bemüht gewesen, soweit die örtlichen, sehr widerstrebenden Verhältnisse es irgend gestatteten, das möglichste Gleichmaass walten zu lassen. Bei weitem nicht so einfach und leicht war die Antwort auf die oft aufgeworfene Frage zu finden, ob es in ästhetischer Beziehung geboten sei, die Schinkel’schen Thorgebäude in ihrem gegenwärtigen Zustande zu belassen oder zu beseitigen.

Angesichts der Thatsache jedoch, dass die den Platz auf seiner West- und Südseite begrenzenden Gebäude in ihrer Planlage sowohl als auch in ihrem Aufbau so unregelmässig und so wenig geeignet sind, dem Strassenbilde einen eigenartigen Charakter zu verleihen, glaubte man schon aus diesem einen Grunde davon Abstand nehmen zu sollen, an die den ehemaligen Eingang in das Berlin des 18. Jahrhunderts bildenden Thorgebäude die Hand der Zerstörung zu legen, wie solches vielfach auch von Jüngern und Meistern der schönen Baukunst in Vorschlag gebracht ist. Würde einer derartigen Anregung, die freilich aus dem Gesichtspunkte des Verkehres heraus die Entfernung jener Gebäude befürwortete, erst neuerdings in diesem Blatte, wie uns scheint, mit vollem Rechte die Entgegnung zutheil, dass man diese Baulichkeiten mit den sie umgebenden Schmuckflächen neu schaffen müsse, wenn sie nicht vorhanden wären, so huldigt der Verfasser dieser Zeilen auch inbezug auf den Werth und die Bedeutung, die jenen schlichten und doch so wirkungsvollen Schöpfungen Schinkelschen Geistes für die Gestaltung des Strassenbildes an dieser hervorragenden Stelle unserer Stadt beigemessen werden muss, nicht minder der Ansicht, dass man, wären sie nicht vorhanden, sie heute neu entwerfen und errichten da sie aber vorhanden, erhalten, wenigstens aber Gleichwerthiges an ihre Stelle setzen müsse. Dem letztgedachten Versuche würde der Verfasser freilich – er gesteht es gern und offen – die Erhaltung des Vorhandenen unendlich vorziehen, indem er eingedenk ist der Lessing’schen Worte:

Wenn an das Gute
Was ich zu thun vermeine, gar zu nah’
Was gar zu Schlimmes grenzt, so thue ich lieber
Das Gute nicht, weil wir das Schlimme zwar
So ziemlich zuverlässig kennen, aber
Bei Weitem nicht das Gute.

Zum Schlusse möge es gestattet sein, noch der zukünftigen Beleuchtung des Platzes mit einigen Worten zu gedenken. Selbstverständlich wird man sich hierbei der Elektrizität als Lichtquelle bedienen, wie dies schon seit einer geraumen Reihe von Jahren an der in Rede befindlichen Stelle der Stadt der Fall ist. Die als Träger der Beleuchtungskörper aufzustellenden Kandelaber fügen sich in ungesuchter und durch die Oertlichkeit selbst gegebener Weise in die Platzgliederung ein und erhalten, wie aus dem Plan ersichtlich, indem ihre Aufstellungsorte durch * kenntlich gemacht sind, ihre Stellung zumtheil in der Längsaxe des Platzes, zumtheil ordnen sie sich symmetrisch gegen dessen kleinere Ost-West-Axe. Der in dieser selbst bezw. in der Mittellinie der Leipziger Strasse auf dem Bürgersteige zwischen der Potsdamer- und Bellevue-Strasse zu errichtende Kandelaber soll neben einer reichen künstlerischen Ausgestaltung auch durch eine grössere Anzahl von Beleuchtungskörpern ausgezeichnet werden, während im übrigen die bisher auf dem Platz befindlichen Lichtträger wieder zur Verwendung gelangen sollen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.04.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Gottheiner.“.