Dem Andenken des kunstsinnigen Fürsten, der seit 1871 der Protektor der Berliner Museen war und vom Krankenlager in San Remo den nun vollendeten Bau in Angriff zu nehmen befahl, ist das an der äußersten Nordspitze der Berliner Museumsinsel gelegene neue Museum geweiht, das die Sammlungen der nachantiken hohen Kunst seit kurzer Zeit aufgenommen hat.
Die Gemälde und Skulpturen der christlichen Epoche und das Münzkabinett sind in diesen neuen Räumen untergebracht worden. Das Kupferstichkabinett, das ursprünglich auch mit übersiedeln sollte, ist in den alten, freilich erweiterten Räumen geblieben. Die alte Gemäldegalerie wird nun vom Antiquarium der antiken Kleinkunst besetzt werden; im Parterre des Alten Museums wird sich die antike Originalplastik, die bisher ein eng zusammengeschobenes Dasein fristete, würdiger entfalten.
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Es sei von vornherein zugegeben, daß der neue Bau mit besonderen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte. Die Lage des Terrains, des letzten Platzes, der auf der Museumsinsel noch frei war, ist die denkbar ungünstigste; der große Bau gewährt von keiner Seite einen Gesamtanblick. Er steigt aus dem Spreewasser auf und ist nur auf Brücken zugänglich. Seine eine Seite wird von der Stadtbahn in halber Höhe abgeschlossen. So schade es ist, daß Berlin einmal wieder einen monumentalen Prospekt verscherzt hat, wichtiger ist die Anordnung des Innern.
Die Kompliziertheit des dreieckigen, mit fünf Höfen durchsetzten Grundrisses halte ich eher für einen Vorteil als einen Nachteil; denn dadurch wird der in andern Museen übliche Rundgang, der sich an Sonn- und Festtagen zu einem dumpfen Durchschieben der betäubten Massen gestaltet, ganz unmöglich gemacht.
Strahlenförmig werden die Besucher auseinandergeführt. Dem Eiligen wird manches Kabinett entgehen; gut. Der Suchende wird in entlegenen Räumen ungestört sein.
Der Wechsel der Räume ist überraschend. Vor allem aber fehlen alle Korridore. Mit Hilfe der fünf Binnenhöfe, die als Lichtschächte wirken, wird dem Erdgeschoß reichliches Seitenlicht, dem Oberstock Seiten- und Oberlicht zugeführt. Es fehlte nicht an Stimmen, die von zu reichlicher Beleuchtung sprachen; das ist ein scharmanter Vorwurf, dem mit einigen Ellen Tuch leicht abgeholfen werden kann.
Vielleicht hatte man sich bei dem Neubau einen modernen Bau versprochen. Das war schon durch die vom Kaiser vollzogene Wahl des Architekten, Hofbaurat Ihne, ausgeschlossen, dessen Stärke im Meistern der Spätrenaissanceformen und der friderizianischen Bauart liegt. Aber auch in den einzelnen Sälen ist die alte symmetrische Aufstellung mit Betonung der Zimmerachsen festgehalten. Und so scheint es mir gut, namentlich in einem Museum der alten Kunst. Die Begeisterung für das Asymmetrische dürfte doch wohl von kurzer Dauer sein; unser Museum soll aber für hundert Jahre und länger gelten. Das Experimentieren war hier nicht am Platz.
Die reichlich pompöse Ausstattung des vorderen und hinteren Treppenhauses, die rückwärtsführende Anlage der Treppen in dem ersteren und die recht überflüssige Aufstellung einer Kopie von Schlüters Reiterdenkmal, dessen Original man hier mit dem Fernglas beinah erblicken kann, sind wenig erfreuliche, aber zum Glück nicht entscheidende Dinge. Am gespanntesten war man auf die Wirkung, die die beiden Treppenhäuser verbindende, durch zwei Stockwerke führende sogenannte Basilika hervorbringen würde. Es ist ein einschiffiger Kirchenbau mit kurzen Seitenkapellen und einer großen Absis; in der Mitte des Saals stehen zwei Säulen mit dem florentiner Marzocco und der sieneser Lupa. Auf den Altären in den Kapellen stehen große Altarbilder oder Plastiken (2 Robbiaaltäre). Reichliche Wappen in den Ecken. Besonders schön wirkt die innere Schlußwand dieses Raums mit einer Brunelleschischen Brüstung; hier sprudeln zwei zierliche Lavabos aus Venedig und Florenz, ein vornehmer Reiter reitet wie John Hackwood in Florentiner Dom dem Ausgang zu, zwei leopardische Schildhalter wachen auf der Brüstung, das Mediciwappen mit seinen dicken Pillenkugeln grüßt aus de Höhe und die schwere Kolossalbüste Papst Alexanders VI. von der Lünette des Portals. Ein herrliches Chorgestühl in Intarsia, von den Lendinara in Cremona gearbeitet, ein großes, ebenfalls eingelegtes Leggio auf dreieckigem Unterbau bilden vorläufig das mobile Inventar der Halle; man plant noch eine weitere Belebung durch Teppiche vor den Altären, durch Fahnen in der Höhe u. a. Schmerzlich war es, daß man der Kommunikation des Ganzen zuliebe in die Absis ein Türe einschneiden und eine Empore einbauen mußte. Trotzdem ist die Basilika eine höchst eigenartige Schöpfung geworden, deren Mängel mit der Zeit noch über wunden werden können; sie vermittelt dem Nordländer etwas von sũdlichen, florentiner Raumgedanken und verdeutlicht die kirchliche Heimat so vieler Gemälde des Oberstocks.
Das Erdgeschoß ist im übrigen der Plastik reserviert. Nördlich liegen die altchristlichen, byzantinischen, langobardischen islamitischen, sassanidischen und frühitalienischen Sammlungen. Alles dies war bisher nicht ausgestellt oder auf kleinstem Raum in einem dunklen Saal zusammengepfercht. Die persischen Teppiche, die den einen Saal wundervoll schmütken, sind ein Geschenk des Direktors der Sammlung, Geheimrat Bode. In zwei Räumen, die ursprünglich den italienischen Gipsen reserviert waren, ist provisorisch die große Mschattafassade aufgestellt worden, die der Sultan dem Kaiser vor zwei Jahren geschenkt hat.
Sie schmückte die Front einer im sechsten Jahrhundert erbauten großen Karawanserei, die an der Pilgerstraße von Damaskus nach Mekka östlich vom Toten Meer lag. Gewiß ist die jetzige Aufstellung unbefriedigend; wenn einmal das geplante orientalische Museum zustande kommt, wird man dem Ungetüm einen Lichtkäfig aus Glas und Eisen zu schaffen wissen. Mit großem Geschick sind die alten Säulen, Sarkophage, Büsten, Reliefs usw. verteilt; den Abschluß dieser Säle nach Osten bildet ein großes Mosaik, das 1842 von Friedrich Wilhelm IV. in Ravenna (aus der zur Kneipe degradierten Kirche S. Michele in Affrisco) erworben wurde; es ist um 545 zur Zeit Justinians entstanden.
Der andere Trakt birgt die deutschen Bilder und Plastiken des dreizehnten bis fünfzehnten Jahrhunderts und die farbige Plastik der italienischen Renaissauce. Unsere schöne Abteilung der deutschen Skulpturen des Mittelalters bis zu den Tagen Dürers führte bisher ein recht knappes Dasein und ist dementsprechend nie richtig gewürdigt worden. Jetzt stehen die Holzfiguren, Holzreliefs, die Steinarbeiten, Großplastiken und Büsten in vier Räumen aufgestellt, untermischt mit den primitiven deutschen Bildern des 15. bis 15. Jahrhunderts. Der eine, durch farbige Glasfenster erhellte Raum wird von dem großen Soester Kreuzigungsaltar beherrscht, der sich aus Münster seine Flügel wieder zurückgeholt hat. Eine aus der Benediktinerkirche zu Gröningen stammende Westempore (nach 1150 gearbeitet) mit den Relieffiguren von Christus und den Aposteln steht über den großen romanischen und frühgotischen Plastiken des westlich vorspringenden Saales; sie ist den Reliefs der Liebfrauenkirche in Halberstadt verwandt.
Ein neuerworbenes Madonnenbild der böhmischen Schule aus Glatz, um 1350 gemalt, ist ein sehr wichtiges Belegstück für die Kreuzungen der westlichen und italienischen Kunstgedanken, die sich damals am Hof Kaiser Karls V. in Prag zusammenfanden. Leider haben einige feine frühe Bilder der Kölner Schule nicht so gute Plätze wie im Alten Museum; diese strahlenden, funkelnden Täfelchen verlangen eine sehr zarte Umgebung.
Hat man bei dieser nordischen Abteilung eine Mischung der Kunstwerke (Bilder, Holz, Stein, Elfenbein, Glas usw.) mit Glück durchgeführt, so ließ sich der gleiche belebende Gedanke bei den italienischen Beständen nur sehr vorsichtig verwirklichen. Ausstellungen aus Berliner Privatbesitz, die Bode seit 1883 regelmäßig inszeniert hatte, hatten das Prinzip der Materialmischung ausgeprobt; es ergab sich dabei eine höchst glückliche Steigerung der Stücke durch ihre Nachbarn. Die Bronzen glühten neben den munter spiegelnden Majoliken, die farblosen Marmore fanden ein pikantes Zentrum in farbigen Bildern. Vor allem sorgten alte Möbel und Teppiche für einen diskret behaglichen Eindruck des Ganzen. Man hat diese Versuche jetzt beim neuen Museum verwertet, mußte sich aber von vornherein sagen, daß der Charakter einer Leihausstellung ein anderer als der einer feste Galerie. Alles auch nur entfernt an den Basar anklingende mußte vermieden werden. Außerdem ergab sich bei der Mischung der italienischen Plastiken, daß Marmore, Bronzen und Stuck- oder Tonsachen sich gegenseitig schädigten. So entschloß man sich, dies farbige Plastik gesondert zu lassen und sie in den fünf großen Hallen an der Kupfergrabenfront des Erdgeschosses aufzustellen. Naturgemäß mußte die Reihung von etwa 300 ziemlich gleichartigen Stücken etwas Eintöniges ergeben; und das allzu reichliche Licht entschleiert schonungslos nun die Entblätterungen und Verstoßungen, die diese in vier Jahrhunderten wenig geschonten Sachen erlitten haben. Das Licht des schönen stimmungsvollen Oberlichtsaales im Alten Museum war im allgemeinen günstiger. Wie dort beherrscht auch hier Benedetto da Maianos herrliche Stuckmadonna auf hohem Thron, hier vor rotem Samt stehend, die weiten Räume. Der eine Hauptsaal ist Donatello und Luca della Robbia, der zweite den Rossellini, Benedetto da Maiano, den Venezianern, Bolognesen und Ferraresen reserviert. Von den drei kleinen Sälen birgt der westliche Ecksaal die gotisierenden Stücke, der mittlere die verrocchieske Gruppe, der östliche Ecksaal die Arbeiten aus dem Cinquecento. An diesen stoßen die beiden Räume des Münzkabinetts.
Ein wesentlicher Schmuck der eben besprochenen fünf Säle sind die großen Verdura-Teppiche und die alten florentiner und venezianer Möbel des Quattrocento und Cinquecento. Auf vielen Reisen hat Bode Truhen, Kredenzen, Büstenständer, Tische, Sessel und Lesepulte aus alter Zeit gesammelt, die nun das prächtige Inventar dieser Räume der Mediciperiode bilden. Der gleiche vornehme Schmuck ist in die italienischen Kabinette des Oberstocks verteilt.
Zu diesem führen die Treppen des vorderen Kuppelraumes; sie dirigieren die Besucher aber nicht auf die Hauptachse des Oberstocks, in der der Saal der Raffael-Teppiche liegt, sondern zu den kleinen Seitenkabinetten, wo die primitiven Schulen des Südens und Norden hängen. Diese der historischen Orientierung zuliebe befolgte Anlage scheint mir nicht glücklich gewählt. Auch aus praktischen Rücksichten; denn nun wird sich ein Teil der Besucher vor allem in diesen ersten Kabinetten der primitiven Meister zusammendrängen und erst spät oder gar nicht in die Haupträume und deren Platzfreiheit gelangen. Dagegen hätte der schöne Raffaelsaal, über dessen dunklem altem Bankgestühl die von den beiden Hamburger Fräulein Brinkmann so glücklich restaurierten Arazzi der sistinischen Kapelle sehr vornehm wirken, direkt auf die Empore der Basilika geleitet, von der aus eine südlichen und nordischen Bilder führt. Das hintere Treppenhaus, das zwei schöne Marmore Pigalles aus Sanssouci und die Marmorstatuen der fridericianischen Generale vom Wilhelmsplatz (dort durch Bronzekopien ersetzt) letztere leider auf sehr unschönen Sockeln, zur Aufstellung bringt, führt besser direkt in große Säle, freilich der Spätzeit des 17. und 18. Jahrhunderts.
Bei der Gemäldegalerie, die im Alten Museum in so feierlich großen Räumen die Besucher empfing, ist jetzt vor allem auf bedeutende Gesamtansichten und Durchblicke Bedacht genommen worden. So führt der Blick von der Empore der Basilika rechts in den großen, stolzen Rubenssaal und auf das Riesenbild der Bekehrung Pauli, links grüßt aus der Ferne Signorellis herrliches Panbild zwischen den reiz vollsten alten Marmorportalen aus Bergamo. Mit diesem Signorellisaal ist der Botticellisaal durch eine große Oeffnung zu einer Einheit verbunden, ohne doch ganz in ihn überzugehen. Der große Venezianersaal hat in Luigi Vivarinis mächtigem Altarbild sein Hauptstück erhalten. Dieses Bild jetzt seinen ursprünglichen, freilich neu geschnitzten, Pilasterrahmen wieder bekommen, der die gemalte Vierungskuppelarchitektur des Bildes ergänzt und wie eine Fassade vorn abschließt. Das Bild steht auf einem kleinen venezianischen Balusteraltar, in den die Reliefs des sogenannten Meisters von San Trovaso eingelassen sind.
Ein kleines Kabinett ist neben dem Seicentosaal eingebaut, um die neu erworbenen Grisaillefresken Tiepolos aufzunehmen. Viele alte und mehrere nachgeschnitzte Rahmen Rahmen helfen, den Eindruck der Säle zu steigern. Unter den Neuerwerbungen der italienischen Säle sind vor allem der herrliche Tondo Botticellis aus der Raczynsligalerie bei weitem das beste transalpine Bild des Meisters – und ein großes „Noli me tangere“ des vicentiner Meisters Montagna, ferner Bilder des Piero Sach aus Pavia, des sogenannten Psendo-Basaiti aus Venedig, des Ferraresen Bianchi Ferrari und viele bisher versteckte Seicentisten zu erwähnen.
Neben diesen acht größeren Sälen läuft an der Spreeseite eine Flucht von elf verschieden großen Kabinetten her, in denen die Marmore und Bronzen mit den Bildern kleineren Formats zum Teil gemischt worden sind. Ein besonders schön gelungener Raum, der die Perlen des Cinquecento (Correggio, Andrea del Sarto, Raffael usw.) enthält, hat an der einen Seite Michelangelos feine Täuferstatuette mit zwei gemalten Porträten der Florentiner Hochrenaissance, zwei farbigen großen Stucchi Jac. Sansovinos und zwei venetianischen Marmorbüsten vereinigt.
Hier ist die Materialmischung gewagt und schön gelungen.
Eine noch radikalere Mischung von Bronzen, Marmoren, Bildern, Majoliken, Elfenbeinen und Medaillen zeigt das Kabinett James Simon, die größte Gabe, die das neue Museum als Wiegengeschenk empfing. Hier hängen Bilder der Florentiner und Paduaner mit niederländischen und kölner Tafeln zusammen, dazwischen prächtige Robbiaglasuren, farbige Stucchi und Tonwerke, großzügige Büsten stehen auf alten Kredenzen, und herrliche Medaillen aus der glücklichen Frühzeit dieser Kunst dunkeln auf rotem Samt – ganz besonders gute und seltene Exemplare. Eine Vitrine auf einem prächtigen alten Tisch birgt die Bronzestatuetten. In der Tat ein wundervolles Geschenk, dessen Gabe um so wertvoller ist, als in dieser Sammlung auch Kunstgewerbliches (namentlich Türklopfer) sich befindet, das im übrigen ja aus dem Museum ausgeschlossen ist. Die große Bronzesammlung (Statuetten, Büsten, Plaketten, Geräte) ist in zwei Räumen aufgestellt, wo eine herrliche gemalte Decke aus Palazzo Pesaro in Venedig und ein früher Kamin mit den alten Möbeln und Konsolen und den Bronzen selbst schön zusammenwirken – welche Kostbarkeiten stehen hier auf kleinem Raum zusammen! Hoffentlich gelingt es, die allzu hohen Vitrinen noch durch andere zu ersetzen.
Die anstoßenden Marmorkabinette zeigen eine diskrete Mischung des Steins mit einigen Bildern und wenigen Buntplastiken. Das hellblaue Tuch der Wände wirkt in dem Robbiakabinett, wo zwanzig Glasuren vereinigt sind, nicht gut zu dem Blau dieser Majoliken; es soll geändert werden.
Die reiche Büstensammlung unseres Museums kommt jetzt glänzend zur Wirkung. Das letzte Kabinett, das die Bilder der Trecentisten und früheren Quattrocentisten, also Masaccio, Gentile da Fabriano, Filippo Lippi, Fra Angelico beherbergt, hat leider durch die Kuppel ungenügendes Licht erhalten – hier wird noch Aenderung geschaffen werden.
Die Südfront hat den gleichen Zug von Kabinetten (die hier Seiten und Oberlicht haben) und fünf größere Säle. Der pompöseste Raum ist hier der Rubenssaal, dessen große Stücke frei und eindrucksvoll wirken. Rembrandt ist in zwei Räume verteilt worden, was wegen des hier sich besonders drängenden Besucherschwarms günstig ist. Der Genter Altar steht im ersten Kabinen ganz allein. Er war ein Kapellen- kein Hochaltar und will in engen Schranken wirken. Man hat die beiden Engeltafeln mit Recht jetzt getrennt gehängt, sie wirken so viel stärker als früher. Auch hat man die beiden Verkündigungstafeln durch eine Kopie des Zwischenstücks (Original in Brüssel) ergänzt, wodurch die Raumverhältnisse sehr gewinnen. Bis auf Adam und Eva ist nun der ganze Altar wieder vereinigt. Ganz wundervoll sind die Kabinette der Altniederländer und Altdeutschen (mit abgeschrägten Ecken). Die Bespannung ist dunkelgrüner Baumwollsamt, leider leicht schablonisiert.
Die holländischen Kleinmeister hängen im pretiösen östlichen Eckraum zusammen. Vor den Kabinetten liegen der vlämische, der van Dyck und der spanisch französische Saal; alle Abteilungen sind reich ergänzt durch wieder ausgestellte Bilder und durch Neuankäufe. Im letzteren Raum, dessen französische Abteilung hoffentlich mit der Zeit durch Leihgaben der Königlichen Schlösser noch ergänzt wird, wird das schöne große Porträt von Gainsborough Aufstellung finden, das Alfred Beit am Eröffnungstag geschenkt hat. Von sonstigen Schenkungen ist vor allem die Galerie A. Thiems aus San Remo zu erwähnen; der Besitzer hat den großen A. van Dyck (Porträt einer Genneserin) geschenkt, das andere ist erworben: prächtige holländische Stilleben, ein Dirck Bouts, zwei Crivellis, ein Ercole Roberti, ein Pieter de Hoogh, ein Jan van der Meer van Delft. Die Sammlung von Wesendonck ist leihweise ausgestellt.
Diesen Gebern und vielen Männern müßte man danken, wollte man die Reihe derer aufzählen, die das große Werk vollbringen halfen. Wer der spiritus rector und Generalissimus des Ganzen ist, brauche ich nicht erst zu sagen. Die dreißig Jahre, innerhalb derer Wilhelm Bode die ihm unterstellten Berliner Sammlungen geleitet hat, sind die Glanzzeit dieser Galerien. Die Gemäldegalerie hat er stark vergrößert und qualitativ auf ein höheres Niveau gehoben, die plastischen Sammlungen ganz neu geschaffen. Ein genialer Organisator, hat er auch da die Mittel zu erlangen gewußt, wo das knappe Staatsbudget versagte. Dabei half ihm der Museumsverein, dessen opferwilligen Mitglieder in vielen gefährdeten Augenblicken die Hand zur Hilfe boten. Eine andere wichtige Förderung fand Bode bei allen Plänen durch die wirksame Teilnahme des Generaldirektors Erzelenz Schöne, der in der Stille viele Schwierigkeiten überwunden hat. Die Aufstellung der Bilder hat Direktor Friedländer, seit Jahren Bodes rechte Hand, geleitet; die der Plastik haben wir in erster Linie Dr. Voege zu verdanken.
Dieser Artikel von Dr. Paul Schubring erschien zuerst 1904 in Die Woche.