Die Villa Ebeling in Wannsee

Architekten: Erdmann & Spindler in Berlin. Wenn irgend das Sprüchwort: „Der Appetit kommt beim Essen“ Geltung erfahren hat, so ist es beim Bauen und wenn man nach einem klassischen Beispiel als Beleg dafür sucht, so kann er in der inrede stehenden Villenanlage gefunden werden. Die in ihrer heutigen Ausdehnung so reiche Anlage hat sich aus den kleinsten Anfängen entwickelt.

Der leider kurze Zeit nach Vollendung des Wohnsitzes verstorbene Besitzer desselben, Hr. Bankier G. Ebeling, hatte es vorgezogen, allein durch dieses Leben zu wandeln und hieraus ergab sich eine Anspruchslosigkeit, die zunächst in der Absicht zum Ausdruck kam, auf dem Gelände, das er sich als Ort zeitweiliger Zurückgezogenheit vom Geschäfte in der freundlichen Villenkolonie am Wannsee bei Berlin erworben hatte, einen bescheidenen Unterschlupf zu bauen, der lediglich aus einer Stube, Küche, Halle und Veranda bestehen sollte. Aber wie es so geht, wenn glückliche materielle Verhältnisse vorhanden sind und der Geldbetrag keine beschränkende Rolle spielt: die Anlage wurde grösser und reicher, bis sie die heutige Gestalt eines vornehmen Edelsitzes angenommen hatte, die aber, so lange der Besitzer noch lebte, gleichwohl noch nicht als der endgültige Abschluss betrachtet wurde. Derselbe trug sich vielmehr mit der Absicht, auf einem nachträglich noch erworbenen Nachbargrundstück noch weitere Bauten und zwar einen Bankettsaal mit daran schliessenden Bogenhallen errichten zu lassen, ein Plan, aus dem eine Gesammt-Anlage hervorgegangen wäre, wie sie als Ganzes in nur seltenen Fällen, in dem Gedanken ihrer eigenartigen Gruppirung und Durchbildung aber unter ähnlichen Verhältnissen und auf deutschem Boden in neuerer Zeit wohl noch nirgends zur Ausführung gelangt ist.

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Die Arbeiten der Anlage begannen mit der Errichtung des Wohnhauses auf dem hinteren Theil des Geländes. Das für dasselbe zunächst aufgestellte Bauprogramm erfuhr während des Baues Veränderungen und Erweiterungen, bis es sich zu seiner heutigen Gestalt herauswuchs. Später entstand der Gedanke, das Grundstück gegen die Strasse durch eine ausgedehnte Thorburganlage mit anschliessenden Mauern vollständig abzuschliessen. Durch die Ausbildung dieser Anlage und durch einen im Hofe errichteten Brunnen erhielt der Hof den Charakter eines mittelalterlichen Ehrenhofes, der in seiner architektonischen Ausbildung durch geschickte Gartenanlagen wirkungsvoll unterstützt wird. Angesichts des heutigen Bestandes der Gesammtanlage haben kritische Betrachter, welche von den noch beabsichtigten Plänen keine Kenntniss hatten, nicht ganz mit Unrecht aur das unharmonische Verhältniss zwischen Thorburg und Wohnhaus hingewiesen; es darf aber eben nicht übersehen werden, dass nach Vollendung der Gesammtanlage die Thorburg nicht nur Zutritt zum Wohnhause, sondern auch zu dem bereits angedeuteten Bankettsaale und den Bogenhallen geben sollte, so dass der Baumasse der Thorburganlage eine Baugruppe gegenüber gestanden hätte, welche das natürliche Verhältniss zwischen beiden Anlagen hergestellt haben würde.

Villa Ebeling in Wannsee

Was nun zunächst den Thorbau anbelangt, so nimmt derselbe mit der sich an ihn anschliessenden, in architektonischer Weise durchgeführten Abschlussmauer die ganze Breite des Grundstücks ein. In der Mitte steht der Thorthurm mit Durchfahrt, an den sich links eine Eingangshalle für Fussgänger und das Pförtnerhaus anschliessen.

Rechts am Thurme befindet sich die Thurmtreppe, welche zu der im oberen Thurmgeschosse liegenden Rüstkammer führt. Die Abschlussmauer hat drei grosse Bogenöffnungen, sowie Verstärkungspfeiler erhalten, welche die perspektivische Wirkung im Sinne malerischen Anblickes unterstützen. Die Bogenöffnungen sind durch Eisengitter geschlossen, gewähren aber freien Durchblick in den Garten und zum Herrenhause. An die Wohnung des Pförtners schliessen sich die Ställe und Wagenremisen an, die auf einen von Mauern umzogenen Wirthschaftshof münden, der sich an der linken Grenze des Grundstücks durch die ganze Tiefe der Baulichkeiten hinzieht. Nach dem Garten haben diese Anlagen durch die Einfügung von Hallen, Veranden, durch Giebelaufbauten, durch Fachwerk und Holzarchitekturen, geschickt angeordnete Dachabsetzungen und Dachzerfallungen ein ungemein malerisches Gepräge erhalten, das sich noch wesentlich erhöht, wenn einmal die Anpflanzungen weiter fortgeschritten sein werden.

1. Obergeschoss

Um für die Anlage den Charakter einer vornehmen Abgeschlossenheit zu erreichen, ist die Thorburg von der Strasse um 7 m abgerückt; der hierdurch entstehende vorgelagerte Streifen ist als Rasenfläche angepflanzt, die mit Graniteinfassungen umgeben ist, deren Pfosten durch schwere eiserne Ketten verbunden sind. Gegenüber der an der Wagenremise gelegenen dreibogigen Halle liegt im Garten ein monumentaler Laufbrunnen, der aus einem auf drei Stufen erhobenen Bassin mit figurengekrönter Säule besteht.

Breite Wege zwischen ruhigen, grossen Rasenflächen leiten zum Herrenhause hin.

Das Herrenhaus, wenn man das villenartige Wohngebäude so nennen darf, liegt ringsum frei im Garten und enthält in jedem seiner 3 Geschosse drei Haupträume nebst den entsprechenden Nebenräumen. Das Untergeschoss enthält die Wirthschaftsräume, gleichzeitig aber auch ein mittelalterlich ausgestattetes Kneipzimmer, das mit dem Garten in unmittelbarer Verbindung steht. Aus dem vorgelegten Erker dieses Zimmers eröffnet sich ein voller Ausblick auf den Garten und den durch die malerische Rückseite des Thorbaues gebildeten architektonischen Hintergrund. Mittels einer an der Südseite des Hauses gelegenen Freitreppe gelangt man in das Hauptgeschoss, welches aus Wohn-, Herren- und Speisezimmer besteht, an welche sich Hallen, Anrichteraum usw. anschliessen.

Das erste Obergeschoss und das Dachgeschoss enthalten Schlafräume für den Besitzer, für Gäste und für die Dienerschaft. In das Dachgeschoss ist ein Raum eingebaut, die Dachdiele, welche mit ihren stattlichen Abmessungen, mit den breiten, nach der Thurmstube und nach der unter dem Dachfirst, liegenden Aussichtsluke führenden Holztreppen, mit der braunen Holzdecke und den farbig verglasten Fenstern einen geräumigen, malerisch-eigenartigen Eindruck hervorruft. Während einerseits eine bequeme Steintreppe vom Keller bis ins Dachgeschoss führt, ist die Verbindung zwischen den Wohnräumen des Hausherrn und den Schlafgemächern desselben durch eine an der Vorderfassade liegende Wendeltreppe hergestellt, welche lediglich zur Benutzung für den Hausherrn angelegt ist.

Gleichwie bei den Thorbauten ist auch beim Wohngebäude der Hauptwerth auf eine malerische Gruppirung und Belebung der Baumassen gelegt. Hallen, Sitzplätze, ein reich belebtes Dach, die Anwendung von Fachwerk, weisse Putzflächen, farbige Sandsteine und rothe Ziegel, kurzum alle architektonisch erlaubten Hilfsmittel sind zur malerischen Wirkung, wie sie die Umgebung des Waunsee schon ohnedies verlangt, vereinigt. Was die Verwendung der verschiedenen Baumaterialien anbelangt, so ist zu bemerken, dass sämmtliche Dächer mit braunrothen, glasirten Ziegeln von Ludoviei in Ludwigshafen a. Rh. abgedeckt sind und zwar, um für die verschiedenen Baumassen eine einheitliche Wirkung zu erzielen, unter Ausschluss einer anderen Farbe.

Ansicht des Wohnhauses

Sämmtliche Architekturtheile sind aus einem Nahe-Sandstein hergestellt, der eine intensive graugelbe Färbung besitzt, die sich von den mit Roman-Zement glatt verputzten Wandflächen, die bei den Thorgebäuden ihre natürliche Farbe behalten haben, wirkungsvoll abhebt. Nicht unwesentlich unterstützt wird die Wirkung des Nahe-Sandsteins durch ein gegenüber den sächsischen und schlesischen Sandsteinen etwas gröberes Korn. Das gesammte Sandstein-Material stammt aus den Brüchen der Firma Spindler & Co. in Königswinter am Rhein und hält sich trotz des weiten Transportes innerhalb der Preisgrenzen, welche in Berlin für ähnliche Sandsteine üblich sind.

Was die gewählten Architekturformen anbelangt, so zeigt die Ausbildung der Baugruppen ein Kompromiss zwischen romanischen und Renaissance-Formen, indem in unbefangener Weise aus jedem der beiden Formengebiete das zur Verwendung gelangt ist, was für den besonderen Zweck am geeignetsten erschien. Auf romanische Einflüsse ist neben ausgesprochen romanischen Einzelbildungen namentlich das Gliedern der Massen in der Fassadenfläche zurückzuführen. Horizontal-Gesimse und andere vortretende Gliederungen der Fläche sind völlig vermieden oder doch auf das Nothwendigste beschränkt. Vom Gebiete der Formensprache der Renaissance sind wieder die Giebelaufbauten, einzelne Fensterbildungen usw. entnommen. Auf diese Weise ist ein Ganzes entstanden, welches dem, der gewohnt ist, an einem Bau einen Stil mit puristischer Folgerichtigkeit durchgeführt zu sehen, manchen Anlass zu Ausstellungen aller Art geben wird, welches aber dem, der die Anwendung der Stilformen unter freieren Gesichtspunkten zu betrachten gewohnt ist – und zu denen rechnen auch wir uns – als eine Komposition von hohen künstlerischen Eigenschaften entgegentritt.

Das Innere der Bauten entspricht dem Aeusseren; es ist in einer vornehm prunklosen und gediegenen Weise gehalten und darauf berechnet, dass Sammlungs-Gegenstände aller Art, namentlich aber Wandteppiche, welche der verstorbene Besitzer zu erwerben gedachte, den Räumen die letzte Ausschmückung zu wohnlicher Behaglichkeit geben sollten. Holzdecken, aus verschiedenfarbigen Hölzern zusammengesetzt, Holzpannele und andere Tischlerarbeiten sind in weitestem Umfange verwendet. Die Wände sind in Leimfarbe gestrichen und sollten, wenn der Bau vollständig ausgetrocknet war, Malereien in Leimfarbe und besonders auch in Fresko erhalten, zu denen die Wandteppiche einen ergänzenden Schmuck abzugeben gehabt hätten.

An den Bauausführungen waren unter der Oberleitung der Architekten Erdmann & Spindler ausser den schon genannten Firmen die folgenden Geschäfte betheiligt: Die Maurerarbeiten lieferte Maurermeister C. Horn in Schöneberg, die Zimmerarbeiten die Aktiengesellschaft für Bauausführungen in Berlin, die Tischlerarbeiten die Tischlermeister Zwang in Schöneberg, G. & H. Schütze und C. Pohl in Berlin. Die Töpferarbeiten waren dem Hof-Töpfermeister Schuppmann in Berlin, die Dachdecker- und Asphaltarbeiten der Firma J. Schlesing Nachfolger in Berlin übertragen. In die Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten theilten sich die Hrn. Schlossermeister Gaebel in Schöneberg und Kunstschmied Ed. Puls in Berlin.

C. Brandenburg besorgte die Glaserarbeiten, Seelmeyer die Wasserleitungs- und verwandten Anlagen und Ferd. Thielemann die Klempnerarbeiten.

Nach den Plänen der genannten Architekten und mit Unterstützung dieser Schaar tüchtiger Handwerker ist ein Baukunstwerk entstanden, welches sich nicht allein ungemein wirkungsvoll in die landschaftliche Umgebung eingliedert, sondern auch die Absicht des Bauherrn, die malerischen Vorzüge eines mittelalterlichen Edelsitzes mit den modernen Wohnbedürfnissen zu verbinden, in der glücklichsten Weise zum Ausdruck bringt.

Dieser Artikel erschien zuerst 1895 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “- H -“.