Zur Lieferung der erforderlichen Betriebskraft ist etwa im Mittelpunkt der ganzen Anlage und unmittelbar neben dem Anschlussdreieck, also an der Stelle des grössten Kraftverbrauchs, in der Trebbiner Strasse neben dem von der Hochbahn durchbrochenen Gebäude ein besonderes Kraftwerk errichtet worden, das auf der Abbildg. 39 mit Fassade und Schornstein in die Erscheinung tritt und in beistehender Abbildg. 55 im Querschnitt zur Darstellung gebracht ist.
Das Gebäude des Kraftwerks, dessen Fassade von Hrn. Reg.-Bmstr. Paul Wittig entworfen und als Ziegelrohbau in ansprechenden Formen, unmittelbar an der Strasse gelegen, ausgeführt wurde, besitzt ein Kellergeschoss, in welchem zwischen den kräftigen tragenden Pfeilern die Kondensatoren, Speise- und Luftpumpen Aufstellung gefunden haben, ein hohes Erdgeschoss, das sich nach aussen durch grosse Fenster kennzeichnet und in welchem die Dampfmaschinen nebst den Dynamos, sowie die Schaltbretter Unterkunft fanden, ein Zwischengeschoss, das nach aussen wenig in die Erscheinung tritt, in dem nur die Schlacken- und Fuchskanäle untergebracht sind, und schliesslich ein Obergeschoss mit steilem, von grossen Glasflächen durchbrochenem Dach, das zur Aufnahme der Kessel und darüber der Kohlenbunker dient, eine Anordnung, wie sie zur Ersparung von Grund und Boden auch in einigen Zentralen der Berliner Elektrizitätswerke bereits ausgeführt ist.
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Die Kessel, Röhrenkessel System Gehre der Rather Kesselfabrik, sind zu beiden Seiten eines breiten Mittelganges angeordnet. Es sind zunächst 6 Stück aufgestellt von je 230 qm Heizfläche, 10 Atm. Ueberdruck. Sie sind mit Dampfüberhitzern ausgestattet, welche eine Ueberhitzung des Dampfes bis 225° C. gestatten. Zur Speisung dienen zwei Dampfpumpen von je 40 cbm Leistungsfähigkeit in der Stunde. Die Wasserentnahme findet aus dem Landwehrkanal statt und zwar im Bedarfsfalle unmittelbar, sonst aus einem zwischengeschalteten Sammelbehälter, in welchen auch der Abdampf der Pumpen und das Kondensationswasser aus den Dampfleitungen eingeführt werden. Zur Hebung der Kohlen nach dem etwa 15 m über Strasse liegenden Kesselraum sind maschinelle Kohlenbeförderungs-Anlagen (Näheres siehe Ztschr. d. Vereins Dtsch. Ing. 1900. No. 6.) eingerichtet. Von den Kesseln führen der Betriebs-Sicherheit halber doppelte Rohrleitungen zu den Pumpen.
Der Schornstein musste mit Rücksicht auf die hohe Lage der Kessel eine sehr beträchtliche Höhe erhalten. Er ist 80 m hoch (entspricht also dem Rathhausthurm), wovon jedoch nur 65 m für die Kesselfeuerung nutzbar sind. Der obere Durchmesser beträgt 3,5 m. Der untere Theil dieses Schornsteines konnte zu verschiedenen Zwecken, Anlage eines Baderaumes, Aborten usw. ausgenutzt werden.
Die Dampfmaschinen sind von der Firma A. Borsig geliefert und als stehende Compound-Kondensations-Maschinen ausgebildet. Es sind vorläufig 3 solcher Maschinen aufgestellt, während Platz für 5 vorhanden ist. Ausserdem kann das Gebäude der Kraftzentrale auf dem bereits erworbenen Nachbargrundstück noch so weit vergrössert werden, dass die Aufstellung von 2 weiteren Maschinen möglich wird. Jede Maschine leistet bei 9 Atm. Anfangsspannung normal 900 P.S. (max. 1200 P.S). Sie besitzen Schwungräder von 33 t Gewicht, die von einem 20-pferdigen Elektromotor angedreht werden. Das Abwasser der Kondensatoren wird Klärbrunnen und von diesen wieder dem Landwehrkanal zugeführt. In dem durch eine Stützenreihe getheilten Maschinenraum sind 2 Laufkrähne, der eine von 15 t, der andere von 20 t Tragfähigkeit eingebaut.
Da die der Dampfkessel-Anlage entsprechende Gebäudetiefe im Erdgeschoss nicht benöthigt wird, war hier die Einfügung einer kleinen Reparatur-Werkstatt möglich.
Die von der Firma Siemens & Halske selbst gelieferten Dynamomaschinen sind mit den Dampfmaschinen unmittelbar gekuppelt. Ihre Leistung beträgt bei 750 Volt Spannung je 800 Kw. Der von ihnen erzeugte Gleichstrom wird mit Bleikabeln dem Schaltbrett zugeführt, das mit den verschiedenen erforderlichen Schalt- und Messapparaten ausgerüstet ist. Von der Hauptsammelschiene zweigen dann die Speiseleitungen ab, die derart mit selbstthätigen Starkstrom-Ausschaltern ausgerüstet sind, das bei zu grosser Stromentnahme auf der Strecke und bei Kurzschluss ein Ausschalten der betreffenden Speiseleitung stattfindet. Ausserdem sind noch in allen Leitungen Abschmelzsicherungen eingelegt. Da der Stromverbrauch im Betriebe sehr erheblichen Schwankungen unterworfen ist, so sind kräftige Bufferbatterien..erforderlich, die so stark bemessen sind, dass sie eine Maschine während der Dauer einer Stunde voll ersetzen können. Eine weitere Akkumulatoren-Batterie dient den Beleuchtungszwecken. Beide sind in den nahe gelegenen Viadukten des Anschlussdreiecks untergebracht.
Ausser den Speiseleitungen, welche an die als Arbeitsleitung dienende 3. Schiene (s. weiter unten) den Strom zum Betriebe abgeben, sind noch Lichtleitungen zur Beleuchtung der Haltestellen, der Block- und Weichensignale, der Wagenschuppen und Werkstätten, Leitungen für die Sicherung der Signale, für die Fernsprechleitungen, und schliesslich für das Anschlussdreieck noch Leitungen für den elektrischen Betrieb der von einem Stellwerk aus bedienten Weichen und Signale erforderlich geworden, die theils als blanke Leitungen, theils als Kabel verlegt wurden. – Für jede Fahrrichtung ist eine besondere Arbeitsleitung verlegt, welche aus einer 3. Schiene besteht, die auf der Hochbahn zwischen, auf der Untergrundbahn ausserhalb neben den Gleisen angeordnet und mit der Speiseleitung gut leitend verbunden ist. Ein an den Motorwagen angebrachter Gleitschuh entnimmt aus dieser Schiene den Strom für die Motoren, für die Beleuchtung und Heizung der Wagen. Diese Arbeitsleitung hat die Form einer Eisenbahnschiene, die an den Stössen durch Kupferbügel gut leitend verbunden ist. Der Schienenkopt liegt 180 mm über S.-O. der Fahrschiene, auf der Untergrundbahn noch 50 mm höher. Durch letztere Anordnung wird ein selbstthätiges Einschalten der Wagenbeleuchtung erzielt, sobald der Zug in die Tunnelstrecke einfährt. Die Arbeitsleitung ist mit Isolatoren auf den Querschwellen, bezw. auf Langhölzern befestigt, die auf den Querträgern der Fahrbahntafel liegen. Gegen Berührung ist sie durch 2 Längsbalken geschützt, die parallel zu den Gleisen über der Leitungsschiene liegen. Es ist auf diese‘ Weise für das Streckenpersonal ein sicheres Uebersteigen der Leitung ermöglicht. Besondere Schutzvorrichtungen sind noch da getroffen, wo Leitungen des öffentlichen Fernsprechnetzes den Bahnkörper kreuzen. Um auch in den Weichen die Stromzuführung zu sichern, trotz der hier erforderlichen Durchbrechung der Arbeitsleitung, ist jeder Motorwagen mit 2 Stromabnehmern ausgerüstet, sodass der Zug im ganzen 4 besitzt, von denen mindestens einer den Kontakt aufrecht erhält.
Die Rückleitung des Stromes erfolgt durch die Fahrschienen. –
Diese Artikelserie erschien zuerst am 12., 19., 26.10., sowie am 13., 27.11., 07.12. & 11.12.1901 in der Deutsche Bauzeitung. Teil VII. erschien 1902.
V. Das Kraftwerk und die elektrischen Leitungen auf der Strecke.