Das neue Stadttheater in Meran

Das neue Stadttheater in Meran

Architekt: Martin Dülfer in München.
Als am 1. Dezember 1900 das neue Stadttheater in Meran seine Pforten der erwartungsvoll harrenden Bevölkerung des herrlichen südtirolischen Kurortes öffnen konnte, da war eine seit langen Jahren als unwürdig empfundene Periode des Musenstalles und der Schmiere beendet.

Man bezog die dramatische Kunst und die leichte Musik damals aus Bozen und wies ihr anfangs einen Saal mit einem Bühnchen an, welches nach einem Chronisten mehr einem Nudelbrett, als den Brettern glich, welche die Welt bedeuten. Später besserten sich diese Verhältnisse, als Thalia in den Saal des Kurhauses einziehen konnte. Sie besserten sich in der Darstellung wie im Besuch, denn man gab sowohl die „Schöne Helena“, wie die „Lustige Pfarrersköchin“, und je mehr die Kanzelbrüstungen erdröhnten von den wüthenden Faustschlägen der ob solch’ gottlosem Gebahren erregten Geistlichkeit, desto voller und voller wurde das Theater, bis es nicht mehr ausreichte, die zuströmende Menge zu fassen. Noth bricht Eisen und bringt auch neue Theater; das Jahr 1899 war aber doch schon einige Zeit eingezogen, der Februar war schon herangekommen, bis man sich entschloss, zur Erlangung von Plänen für ein neues Haus für etwa 550 Besucher einen engeren Wettbewerb auszuschreiben, aus welchem Martin Dülfer in München als Sieger hervorging und im weiteren Verlauf der Dinge auch die Ausführung errang. Diese konnte so schnell gefördert werden, dass man am 1. Dezember 1900 das neue Gebäude mit einer Aufführung von Goethe’s „Faust“ eröffnen konnte. Man sieht: es wuchs auch hier der Mensch mit seinen grösseren Zwecken.

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Das neue Stadttheater in Meran
Das neue Stadttheater in Meran

Zu dem engeren Wettbewerb waren die Architekten Martin Dülfer und Josef Rank in München, sowie die Hrn. Krauss & Tölk Alexander Graf und S. Fessler in Wien eingeladen worden; aus ihm ging, wie erwähnt, Hr. Architekt Martin Dülfer in München als Sieger hervor mit einem Entwurf, welcher sich sowohl durch eine schlichte und zweckmässige Gliederung des Grundrisses wie, so wird berichtet, namentlich auch durch den Umstand auszeichnete, dass derselbe nicht als eine verkleinerte Wiedergabe bereits bestehender Theater mit nur geringen, durch die lokalen Verhältnisse der Aufgabe bedingten Abänderungen sich darstellte, sondern eine eigene Auffassung verrieth. Und hierin liegt in der That die Hauptstärke des Werkes, denn was den Grundriss anbelangt, so hat derselbe bei den zahlreichen Theatern für eine Besucherzahl von unter 1000 Köpfen, die in der letzten Zeit errichtet wurden, insbesondere durch die sorgfältige Kleinarbeit von Heinrich Seeling in Berlin eine solche Ausbildung erfahren, dass in den grossen Zügen nur schwer Neues in dieser Richtung zu schaffen ist, will man nicht die traditionellen Forderungen, die man bisher an unsere Theater stellte, überhaupt verlassen. Im Aufbau aber sind unter Beibehaltung dieser Forderungen wohl neue Auffassungen möglich, wie das treffliche Werk Dülfers zeigt.

Das neue Stadttheater in Meran. Architekt Martin Dülfer in München
Das neue Stadttheater in Meran. Architekt Martin Dülfer in München
Das neue Stadttheater in Meran - Schnitt
Das neue Stadttheater in Meran – Schnitt

Dasselbe erhebt sich in bevorzugter Lage der Stadt am Ruffinplatze und der Habsburger Strasse; die Grundrisse und der umstehende Schnitt zeigen die zweckmässige Raumvertheilung in der Fläche wie in der Höhe Insbesondere sei hingewiesen auf die weiträumige und geschickte Lösung des Foyers im Zusammenhang mit den seitlichen Hauptaufgängen und dem geräumigen Balkon. In der Gestaltung des Aufbaues war bei den bescheidenen Mitteln die Aufmerksamkeit des Architekten in erster Linie mehr auf die Gruppirung der Hauptmassen als auf das Einzelbeiwerk gerichtet. So unterscheiden sich im Grundriss wie im Aufbau deutlich drei Hauptgruppen des Hauses: Erholungshaus, Zuschauerhaus und Bühnenhaus in scharfer, jedoch nicht absondernder Trennung. Für die Stilrichtung ergab sich als Ausfluss der augenblicklich in München noch herrschenden Strömung eine durch die Einflüsse des Louis seize, sowie durch gewisse Merkmale der Biedermeierzeit in ihrer strengen Auffassung gemilderte Antike, die aber einer durchaus persönlichen Färbung sich erfreut. Weissgrauer Marmor aus den nahen Brüchen von Laas und Sterzing für die architektonischen Gliederungen, Putz in eigenartiger Behandlung für die Flächen und Stuckornamente bilden das künstlerische Baumaterial für das Aeussere des Hauses, an welchem der Farbe eine bescheidene Mitwirkung eingeräumt ist. Im Inneren scheinen, soweit die Abbildungen einen Schluss zulassen, die lichteren Töne vorzuherrschen, in den Nebenräumen lebhaftere Farben, im Zuschauerraume zurückhaltendere Töne.

Das neue Stadttheater in Meran. Ansicht der Bühne und des Prosceniums. - Architekt Martin Dülfer in München
Das neue Stadttheater in Meran. Ansicht der Bühne und des Prosceniums. – Architekt Martin Dülfer in München

An den Bauarbeiten waren neben einheimischen vielfach Münchener Firmen betheiligt. Es hatten die Arbeiten des Rohbaues Pet. Delugan in Meran, die Eisenkonstruktionen das Eisenwerk München, die Tischlerarbeiten Gebr. Schmid & Thaler in Meran übernommen, Es waren weiterhin betheiligt R. O. Meyer in München-Hamburg für die Heizanlage, Wilhelm & Lind in München durch Lieferung der Beleuchtungskörper, Weipert & Novotny durch Herstellung der Stuckatur-Arbeiten, Schmid & Co. in München mit den Malerarbeiten. Ferner wirkten an dem Bau mit Musch & Lunn, K. Wolters, Biasa und H. Reinhard in Meran, Köllensberger & Steiger in Innsbruck, Hyan in Berlin usw. Mitarbeiter für den künstlerischen Theil der Ausschmückung waren die Hrn. Bildhauer Georg Schreyögg und Maler August Brandes in München. – Die örtliche Bauleitung war Hrn. Arch. Wilh. Kirschner übertragen, welcher sie mit Gewissenhaftigkeit und Umsicht ausübte. – Die Baukosten haben rd. 480 000 Kronen, einschl. Architekten-Honorar, betragen. – Mit dem Theater in Meran ist an der südlichen Grenzscheide des Deutschthums ein ebenso eigenartiges wie künstlerisch bedeutsames Werk der feinen und phantasiereichen Muse Martin Dülfers entstanden. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 15.06.1901 in der Deutsche Bauzeitung.