Evangelische Kirche in Langfuhr bei Danzig

Beitragsbild

Langfuhr ist ein sich schnell vergrössernder Vorort Danzigs, der, 1880 nur etwa 2500 Einwohner zählend, jetzt mit den umliegenden Dörfern fast 20 000 Einwohner besitzt, von denen 13 000 evangelisch sind.

Die für diese Gemeinde in 1 ½jähriger Bauzeit errichtete, am 6. Oktober 1899 eingeweihte Kirche stellt sich jetzt, nachdem die Ornamentmalerei der Blenden und manche Bildhauerarbeiten des Aeusseren vollendet sind, auch der Kirchenplatz mit Anlagen versehen und umwehrt ist, in fertigem Zustande dar. Die Pläne des Kirchenbaues lieferte der Geh. Hofbrth. Möckel in Doberan; die Leitung desselben lag, unter Oberaufsicht des Stadtbauraths Fehlhaber in Danzig, in den Händen des Architekten Gebhardt. Die bebaute Fläche ist etwa 700 qm gross.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Da der Bauplatz an einer Strassenkreuzung liegt, so ist der Glockenthurm auf die Ecke gestellt worden, wo er, bei zweischiffiger Anlage, den Abschluss des 3,52 m breiten Seitenschiffes bildet; dem Hauptschiffe ist dagegen ein eingebauter, geräumiger Vorbau vorgelegt, von dem jedoch nur ein kleiner Theil wirklich als Vorhalle dient, während der Rest durch Bogenstellung dem Hauptschiffe angegliedert ist. Im Thurme wird das Erdgeschoss – was bei evangelischen Kirchen selten – von einer Taufkapelle eingenommen; über dieser folgt ein Raum für Gesangsübungen, dann die Uhrkammer und schliesslich die mit sehr hohen Schallöffnungen versehene Glockenstube. Auch diese bleibt noch quadratisch, und der Uebergang ins Achteck erfolgt erst in der dachreiterartigen Spitze, welche sich bis zu 65 m über dem Erdboden erhebt – eine zweckmässige Anordnung für die Thürme kleiner Kirchen, bei denen eine achteckige Glockenstube leicht zu enge wird.

Luther-Kirche in Langfuhr-Danzig. Architekt Geh. Hofbrth. Möckel in Doberan
Luther-Kirche in Langfuhr-Danzig. Architekt Geh. Hofbrth. Möckel in Doberan

Ueber Vorhalle, Vorbau und ein Viertel des Hauptschiffes erstreckt sich die sehr geräumige, zu Kirchen-Konzerten geeignete Orgelempore; eine weitere Empore mit Sitzplätzen liegt über dem Seitenschiffe. Die Treppen zu beiden Emporen befinden sich in angebauten Achteckthürmchen; und zwar ist die zur Orgelempore führende Treppe von aussen und von innen, die zur Seitenempore nur von aussen zugänglich. Kreuzgewölbe, deren Scheitel im Hauptschiff nur 12,5 m, im Seitenschiff 10,5 m über dem Fussboden liegen, decken den Kirchenraum. Hauptschiff und Vorbau haben ein gemeinsames Längsdach, während je 2 Axen des Seitenschiffes in ein mit einem Ziergiebel endendes Querdach zusammengefasst sind. So ist gewissermaassen die westpreussische Anordnung besonderer Dächer für jedes Schiff festgehalten, jedoch ohne Schneewinkel zu schaffen.

Durch einen Triumphbogen vom Schiffe getrennt, an dessen linksseitigen Pfeiler die Kanzel sich lehnt, schliesst sich dem Hauptschiff das um 3 Stufen erhöhte rechteckig geschlossene Altarhaus an, neben demselben die Sakristei und ein Konfirmandensaal für 100 Kinder. Hinter letzterem liegt – wie aus der Ansicht ersichtlich – das Pfarrhaus. Die Kirche wird durch eine Luftheizung erwärmt, deren Heizofen und Kohlenkeller unter dem Altarraum sich befinden. Sie enthält 800 Sitzplätze, von denen 225 auf den Emporen untergebracht sind.

Die Fassaden sind in rothen Verblendziegeln mit geputzten, durch Malerei oder Thonornamente verzierten Blenden, die Gesimse und Bekrönungen in dunkelbraunen gelben und grünen Glasursteinen (Siegersdorfer Werke) ausgeführt. Die Dächer sind mit dunkelblau glasirten schlesischen Dachziegeln gedeckt, der Thurmhelm ist mit Kupfer bekleidet. Im Inneren sind die Pfeiler, alle Ecken sowie die Gewölberippen aus gelben Verblendsteinen in Rohbau gebildet, während die zwischenliegenden Wandflächen geputzt und mit grauer Leimfarbe gestrichen, die Gewölbkappen noch mit Ornamenten verziert sind. Die Glasmalerei in den Fenstern, mit Figuren von tiefer Farbengluth, dient der Kirche sowie der Taufkapelle und dem Konfirmandensaal zu besonderem Schmucke, wenngleich an trüben Tagen die Beleuchtung oft fast zu sehr beeinträchtigt wird (Hoflieferant Ferd. Müller-Quedlinburg), Kunstvolle Holzschnitz-Arbeiten zieren den Altaraufbau und die Kanzel (Albert Kasch in Doberan), sowie die Emporen-Brüstungen.

Die Formen des Baues sind frühgothisch, doch zeigen sie überall die durchaus moderne Eigenart des Künstlers. Obwohl daher die Stilgesetze der Gothik im allgemeinen befolgt sind, empfindet man nicht den Geist des Mittelalters, wozu auch die stark betonten Horizontalgesimse, die Abwesenheit schlanker Verhältnisse und die eigenthümlich modernen, aus Viertelkreisstäben ohne Kalle zusammengesetzten Profile der Pfeiler und Ecken beitragen. Somit spricht die Lutherkirche trotz besonderen Altarraums und besonderer Taufkapelle es deutlich aus, dass sie, im Gegensatze zu den übrigen mittelalterlichen Kirchen Danzigs, sogleich für den protestantischen Kultus erbaut wurde. Die Baukosten belaufen sich auf etwa 250 000 M. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 09.10.1901 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- n.“