Der Neubau des adeligen v. Cronstett und v. Hynsperg’schen Damenstiftes zu Frankfurt a. M.

Ein Frankfurter Bauwerk aus neuester Zeit, welches bezüglich seiner monumentalen Durchbildung für die Fachgenossen von einigem Interesse sein dürfte, ist das neue adel. v. Cronstett und v. Hynsperg’sche Damenstift an der Lindenstrasse. Der Urheber des Entwurfs und Leiter der Ausführung des Neubaues war Hr. Arch. Alexander v. Lersner in Frankfurt.

Das alte Damenstift stand an der Ecke der Kaiserstrasse und der Strasse Am Salzhaus; längs der Kaiserstrasse schloss sich an das Haus ein grosser Garten an. Dieses Grundstrück ist wohl das werthvollste von ganz Frankfurt, zunal es die beste Geschäftslage hat hat und eine ziemlich bedeutende Grösse besitzt. In Anbetracht dessen hielt es die Verwaltung des Damenstiftes für angemessen, das alte Stiftsgebäude und den anstossenden Garten angemessen zu verwerthen und dafür ein geeigneteres Stiftshaus in ruhigerer und für Damenwohnungen passenderer Lage herstellen zu lassen.

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Nach einigen Schwierigkeiten fand sich im Westen der Stadt, in bester Lage für Villenwohnungen, ein geeignetes, ursprünglich aus 4 kleineren Parzellen bestehendes Grundstück in der Grösse von zusammen 4942,70 qm zwischen den drei Strassen: Lindenstrasse, Kettenhofweg und Arndt-Strasse. Die 5. Parzelle am Kettenhofweg, welche noch in das neu erworbene Grundstück des Damenstiftes hineinragt und auf welcher sich ein kleines Stallgebüude befindet, ist noch nicht im Besitze der Stiftung, soll aber nach dem Tode der Eigenthümerin des Grundstückes in den Besitz des Damenstiftes übergehen.

Das neue Damenstiftsgebäude, welches im April d. J. bezogen wurde, hat eine bebaute Fläche von 1030,70 qm und ist ganz in weissem, zum grössten Theil schlesischem Sandstein ausgeführt. Die am reichsten ausgebildete Fassade liegt naturgemäss an der Lindenstrasse, von welcher auch der Hauptzugang in das Haus führt. Die Fassade nach Süden, also in der Richtung nach dem Garten und Kettenhofweg, ist etwas einfacher durchgebildet und hat programmgemäss viele Balkone. Die Westfront ist ohne ornamentalen Schmuck geblieben, während die Nordfassade, nach dem Wirthschaftshof zu gelegen, ganz einfach durchgebildet und auch mit minderwerthirerem Material (Eltmannsandstein, die Flächen mit rhein. Tuffstein) verkleidet ist. Die Steinmetz- und Bildhauerarbeiten an sämmtlichen Fassaden sind sehr sorgfältig und schön durch den kgl. Hofsteinmetzmeister P. Wimmel & Co. in Berlin ausgeführt. Die 4 Lichthof-Fassaden sind mit weissglasirten Ziegeln verkleidet und die Fensterumrahmungen aus rothem Sandstein hergestellt. Der Lichthof ist oben offen.

Lageplan

Was die innere Ausstattung betrifft, so haben Vestibül, Haupttreppenhaus, Konventsaal, Speisesaal, der grosse Sitzungssaal und ein Salon der Frau Pröpstin eine reichere Ausbildung erfuhren. Das Vestibül hat eine gediegene und vornehme Ausstattung. Die Stufen, welche darin bis zur Höhe des Erdgeschosses führen, sind von mattgelbem, polirtem Kalkstein hergestellt, während die Sockelwände mit schwarzem und dunkelrothem Naturmarmor verkleidet wurden. Die Pilaster über dem Sockel sind aus hellgelbem Stuckmarmor; die dazwischen liegenden Flächen, Profile und Ornamente sind in hellen Tönen gestrichen.

Grundriss

Die dreiarmige Haupttreppe hat Seiten- und Oberlicht, die Stufen und Wangen derselben sind aus weissem Marmor (blane clair). Das Treppengeländer daselbst besteht aus schöner Schmiedeisenarbeit, alt vergoldet. Pfeiler und Pilasterschäfte sind aus hellgelbem Stuckmarmor; Decken, Wände, Pfeiler usw. sind reich, doch nicht überladen verziert mit gut ausgeführten Bildhauerarbeiten. Am Podest des Erdgeschosses und ersten Obergeschosses sind schön verzierte Spiegel angebracht. Das ganze Treppenhaus ist möglichst hell gehalten und macht einen weiten und wirkungsvollen Eindruck. Von dem im ersten Stock gelegenen Vorzimmer gelangt man in den Konventsaal, im Rococostil reich ausgestattet. Die Decke, weiss und gold, wurde von Bildhauer Born frei angetragen; die hell gehaltenen Wandflächen haben Feldereintheilung mit Stuckverzierungen, welche mit stoffartig tapezirten Flächen in angenehmer Weise abwechseln. Die Pfeiler zwischen den Fenstern werden durch schöne und grosse Spiegel mit geschnitzten Rahmen, unter welchen passende Heizkörper-Verkleidungen als Konsolen ausgebildet stehen, verziert. Unter den Wandflächen sind 70 cm hohe Holzvertäfelungen angeordnet.

Mittelbau an der Lindenstrasse

Links neben dem Vorzimmer befindet sich der ganz in Eichenholz ausgestattete Speisesaal. 2 m hohe Holzvertäfelungen zieren die Wände, in denen die beiden kleinen Thüren nach dem Flur und dem Anrichteraum ganz verschwinden. Die in Eichenholz ausgeführte Holzdecke hat Füllungen aus Ahornholz und macht dadurch einen leichteren Eindruck. Das ganze Holzwerk ist gebeizt und gewichst; der obere Theil der Wände ist passend dunkel tapeziert.

Ansicht von der Lindenstrasse

Imganzen macht der Speisesaal einen vornehmen Eindruck; es ist bei der Profilirung der Holzverkleidungen darauf Rücksicht genommen, dass dieser Saal nur für Damen bestimmt ist. Das Vorzimmer, auch kleiner Konvent genannt, ist einfacher ausgestattet. Ein Salon der Frau Pröpstin ist etwas reicher, mit frei angetragener Stuckdecke, zur Ausführung gelangt. Die übrigen Damenzimmer sind einfach und doch vornehm in ihrer Ausbildung, so dass auch einfachere Möbel darin aufgestellt werden können, ohne sich in unangenehmer Weise von den Räumen abzuheben.

Von den Verwaltungsräumen ist der Sitzungssaal für die Ganerben der adel. Ganerbschaft des Hauses „Alten Limpurg“, zu welcher Genossenschaft auch das Damenstift gehört, erwäihnenswerth.

Ganerbschaft, altdeutsches Wort für Gesammterbschaft, ein in Frankfurt a. M. noch vielfach gebrauchtes Wort.

Der untere Theil der Wiinde dieses Saales auf 1,6 m Höhe und ein Theil der Decke sind mit Holz verkleidet, das dunkel und hell lasirt ist. Ueber den Holzvertäfelungen wurden die Wände und der grösste Theil der Decke reich bemalt; an den Wänden sind in Gruppen sämmtliche Wappen der Ganerben, welche seit den letzten 20 Jahren zur Ganerbschaft gehören, und die Wappen sämmtlicher zum Hause „Alten Limpurg“ gehörigen Stiftungen angebracht; an der Decke schweben der alte und neue deutsche Reichsadler.

Diese Ganerbschaft besteht schon seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts in Frankfurt a. M.

Die Malereien in diesem Saale wurden von einem Frankfurter Maler O. Grätz in sehr schöner und verständiger Weise ausgeführt. Der ganze Raum macht einen eigenartigen Eindruck und ist von angenehmer Wirkung.

Die Treppe nach der Arndtstrasse (Gartentreppe) ist ganz aus Gusseisen mit Eichenholzbelag und reichem gusseisernen Gitter; Geländer und Wände sind matt grün gestrichen, ein guirlandenartiger Fries schliesst den oberen Theil der Wände ab. Ebenso ist auch die Lauftreppe, nur in bedeutend einfacherer Weise, ganz aus Gusseisen und mit Fichenholzbelag der Trittstufen und Podeste hergestellt. Die beiden letztgenannten Treppen wurden von ‚Joly in Wittenberg geliefert. Sämmtliche Flure, Treppenhäuser und Zimmer haben durchaus gutes Licht, so dass auch an trüben Tagen überall genügende Helligkeit herrscht.

Konventsaal, Vorzimmer, Speisesaal, kleines Sitzungszimmer, Archiv, die Treppenhäuser (ausgenommen die Lauftreppe), Flure, Badezimmer und Klosets sind sämmtlich mit Warmwasser-Heizung von H. Liebau in Magdeburg-Sudenburg versehen. Die meisten Damenzimmer haben Kachelöfen von Hausleiter & Eisenbeis aus Nürnberg. In den Schlafzimmern der Damen und in den übrigen Zimmern sind eiserne Oefen von Julius Wurmbach in Bockenheim-Frankfurt a. M, aufgestellt. Das ganze Haus ist mit elektrischer Beleuchtung versehen. Die reizvolle Gartenanlage ist von Gärtner H. Petersen in Frankfurt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 31.07.1897 in der Deutsche Bauzeitung.