Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser

Architekt: Prof. Bruno Schmitz in Berlin. Das am 15. Juni 1896 unter Anwesenheit der deutschen Fürsten enthüllte Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser ist ein Höhendenkmal.

Die Bevorzugung hervorragender Höhenpunkte des Landes zu Volks- und patriotischen Kundgebungen, ist eine alteingebürgerte Sitte. Die Berichte der Volkskunde darüber gehen bis in die entlegensten Zeiten zurück. In der Ausübung der Sitte, die vordem in vorübergehenden Handlungen bestand, ist jedoch in neuerer Zet eine Wandlung eingetreten, welche aus der flüchtigen Handlung ein bleibendes Erinnerungszeichen an Ereignisse zu machen trachtet, welche auf die Entwicklung eines Volkes tiefgreifenden Einfluss besassen und deren Bedeutung dadurch in der Volksseele zu dauerndem Gedenken wurzelte. So entstanden das Hermann-Denkmal auf dem Teutoburger Walde und das Germania-Denkmal auf dem Niederwald, beide nicht. zu lange Zeit nach den. grossen Ereignissen, die als eine Folge des deutsch-französichen Krieges der Jahre 1870/71 für Deutschland in nationaler Beziehung eintraten. So entstand fast gleichzeitig mit dem inrede stehenden Denkmal das Porta-Denkmal und so wird das Völkerschlacht – National-Denkmal bei Leipzig entstehen.

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Eine besondere Bedeutung in den Sagen der deutschen Kaisergeschichte hat das Kyffhäusergebirge dadurch erlangt, dass an dieses sich die Messiashoffnung der Wiederkehr des Reichs knüpfte und es ist daher nicht auffallend, dass der Kyfihäuser es war, auf welchem sich das erste Denkmal, welches dem Gedanken des wiedergewonnenen Reiches gewidmet war, erhob. Das Hermann-Denkmal auf dem Teutoburger Walde wurde bekanntlich schon im 4. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts geplant und nur infolge äusserer Umstände erst 1875 enthüllt; der in ihm wohnende Gedanke geht auf eine Ideenassoziation der römischen und der napoleonischen Invasion zurück.

Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser – Barbarossagruppe im Vorhof – Bildhauer Nicolaus Geiger in Berlin

Das Niederwald-Denkmal aber, als die erste künstlerische Frucht der Kämpfe um die deutsche Nationaleinheit, hatte der Volksstimmung Rechnung zu tragen, die sich damals noch zu lebhaft an den Streitgegenstand, den deutschen Rhein knüpfte, als dass der Reichsgedanke in seiner vollen historischen Grösse hätte beherrschend durchbrechen können.

Diese psychische Wandlung im Volksbewusstsein erfolgte erst später und fand im Kyffhäuser-Denkmal ihren sichtbaren Ausdruck.

Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser – Grundriss

Die Kyffhäusersage ist, wie erwähnt, die Sage der Messiashoffnung und als solche keineswegs ausschliessliches Eigenthum der deutschen Nation. Sie zieht sich vom Alterthum bis in die Neuzeit hin, sie ist heidnisch und christlich; sie beschäftigte ebenso lebhaft die Zeitgenossen des Augustus wie die Karls des Grossen. Sie knüpft sich fälschlich an die Gestalt des Kaisers Barbarossa, in Wirklichkeit haftete sie an der Person seines Enkels Friedrich II. Als eigentliche Kyffhäusersage geht sie aber wieder von einem Enkel Friedrich II., dem Wettiner Friedrich III. aus, auf welchen die Hohenstaufenpartei in Italien lange Zeit ihre Hoffnungen setzte. Friedrich III., der Freidige, hatte den röthlichen Barth, ihn versetzte die Volkssage in die alte Reichsburg bei Tilleda am Kyffhäuser, von ihm erwartete man die Wiederherstellung der entschwundenen Reichsherrlichkeit. Bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Dann trat merkwürdigerweise wieder Friedrich II. in seine älteren Rechte, er hielt seinen Einzug in den Kyffhäuser, den Friedrich der Freidige verliess und nun begann die Sage ihre Ranken um diese Gestalt zu schlingen. Sie also, nicht Barbarossa ist der Mittelpunkt der Sage. Die Verwirrung richtete Rückert mit seinem Gedicht vom Kaiser Barbarossa an. Doch auch seine Auffassung wurde vom Volke übernommen und wenn das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser Beziehungen zu Kaiser Barbarossa enthält, so sind diese zwar nicht „historisch“, sie wurzeln aber so fest in der Phantasie des Volkes, dass sie dadurch ihre Berechtigung sich errungen haben.

Das Denkmal, über welches wir einen vorläufigen Bericht in No. 51, Jahrg. 1896 gegeben haben, ist eine Schöpfung des Verbandes der deutschen Kriegervereine. Der Entwurf zu ihm wurde auf dem Wege eines öffentlichen Wettbewerbes gewonnen, aus welchem der Architekt Bruno Schmitz mit einer so gross und einfach angelegten und desshalb packenden Arbeit als Sieger hervorging, dass ihm die Ausführung übertragen wurde. Als Standort wurde das Bergplateau gewählt, auf welchem sich der sogenannte Barbarossathurm als letzter Rest eines vermeintlich hohenstaufischen Kaiserschlosses in die Lüfte erhebt. Unvergleichlich ist die Lage. Im Herzen Deutschlands, in der goldenen Au, zwischen dem Harz und dem Thüringer Wald, weithin die. Gelände beherrschend und allenthalben auf Erinnerungsstätten historischer Begebenheiten weisend, steht heute das Denkmal da, ein stolzer Thurmbau mit Vorhof und Terrasse, ein dem ewigen Felsen abgerungenes dauerndes Wahrzeichen deutscher Treue und deutscher Kraft. Nicht ursprünglich war der Gedanke, die Hauptseite des Denkmals nach Osten, nach Tilleda zu richten, ursprünglich war vielmehr die Absicht, in der Anlage eine Verbindung zwischen dem alten Barbarossathurm und dem neuen Denkmal herzustellen (s. D. B. 1890, S. 341). Erwägungen künstlerischer Natur, die aus den Bedingungen der das Denkmal umgebenden Landschaft entsprangen, führten zu der jetzt verwirklichten Anlage. Sie tritt stattlicher aus dem Bergkopf heraus, verwächst inniger mit ihm und ergiebt in der perspektivischen Wirkung günstigere Ueberschneidungen.

Der Konkurrenz-Entwurf ist nicht unverändert zur Ausführung gelangt. Die wesentlichsten Veränderungen beziehen sich auf die Gestaltung des Vorhofes und auf die obere Endigung des Thurmes. Im Konkurrenz-Entwurf war der Vorhof ein frei sich öffnender, kleinerer, ohne Abschluss nach der grossen Freitreppe, in der Ausführung ist er gegen diese durch eine tiefe, symbolisch versinkende Bogenhalle abgeschlossen, welche bezaubernde Durchblicke nach dem Barbarossabilde gewährt. Im Konkurrenz-Entwurf erhebt sich die Kaiserkrone auf einem kurzen zylindrischen Unterbau, in der Ausführung auf einer durch Steinbügel gebildeten kuppelartigen Bekrönung. Und noch eine Veränderung: keine unwesentliche. Wer den Konkurrenz-Entwurf betrachtet (s. D. Bztg. 1890, S. 341 u. Blätter für Architektur u. Kunsthandwerk, III. Jhrg. Taf. 73), dem wird bei aller Wucht der Gestaltung eine gewisse Glätte in der Architektur nicht entgehen und dieser Eindruck verstärkt sich naturgemäss bei einer Vergleichung der Ausführung mit dem Entwurf. In letzterem eine saubere Fügung der Quader, in möglichst gleichen Schichten, glatt in Bearbeitung und Anordnung. In der Ausführung ein cyklopisches Gefüge von Steinschichten verschiedener Höhe und von verschieden vorspringendem unbearbeitetem Bossen, mit Stossfugen, wie sie der Stein gab, ohne jede Rücksichtnahme auf seine Abmessungen. Dort der Ausdruck sorgfältiger Durcharbeitung zu möglichst vollendeter Erscheinung, trotz unmittelbarer Verbindung mit dem gewachsenen Felsen, hier ursprüngliche Kraft und Wucht der Gestaltung, möglichstes Bestreben zur Erreichung einer Schöpfung, die sich der Kunst soweit entäussert, dass sie das Bestreben zeigt, als ein aus dem natürlichen Boden hervorgegangenes Werk und in inniger Verbindung mit diesem zu erscheinen. Kunst und Natur sei eines nur. Woher kam der Gedanke der im Konkurrenz-Entwurf noch nicht zum Ausdruck kommt?

Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser – Seitliche Ansicht von der Ringterasse aus

Er kam aus Amerika, von der Betrachtung der Werl des amerikanischen Michel-Angelo Richardson. Auf seine Fahrten nach Indianapolis in Angelegenheit des dortigen Kriegerdenkmals wurde Schmitz mit den gigantisch Werken Richardsons und ihrer cyklopischen Fügung bekannt, und was bei manchen dieser Werke als ein ungerechtfertigter Kraftüberschuss erscheinen mag, das nah Schmitz mit glücklichstem Scharfblick für seine Höhendenkmäler, für seine Felsendenkmäler mit herüber und erzielte mit der unbefangenen Aufnahme des Gedanken einer energischen Bossen-Architektur eine unerreichte Macht der Wirkung.

Doch nur so viel vorläufig. Im Schlussaufsafz soll dargestellt werden, wie Schmitz im Verein mit seinen künstlerischen Mitarbeitern Nicolaus Geiger, Emil Hundrieser und August Vogel die Aufgabe im Einzelnen löste.

Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser

Das Denkmal ist ein Thurmdenkmal von schlichter Umrisslinie und zeigt als solches auf die weiten Entfernungen, aus welchen bei seiner bevorzugten Lage eine Betrachtung möglich ist, eine kernige, mit dem Berge verwachsende Masse, in welcher die Einzelheiten verschwinden. Diese treten erst beim Näherkommen in die Erscheinung. Drei Orte liegen auf der Nordseite vor dem Denkmal, von welchen aus das‚selbe gewöhnlich besucht wird: nordwestlich Kelbra, nahezu nördlich Sittendorf und nordöstlich Tilleda. Ueber Sittendorf führt der Weg nach Rossla, der Eisenbahnstation. Wer sich dem Denkmal nähert, betritt bei der Wendung des Denkmals nach Osten den Bereich desselben von rückwärts, – beim Barbarossathurm, zu welchem die Beziehungen, wie oben angedeutet, aus künstlerischen Gründen verlassen wurden. Der Besucher gelangt im weiteren Verfolg seiner Wanderung zunächst auf die grosse Ringterrasse, welche das Felsplateau abgrenzt und von einer einfachen Steinbrüstung umgeben wird. Die Böschungsmauern der Ringterrasse haben eine Bogengliederung erhalten, welche sich auf den gewachsenen Felsen aufsetzt. Der Radius der Ringterrasse beträgt rd. 50 m, ihre grösste Breitenausdehnung bis zu einem nördlichen Vorsprung gemessen etwa 102 m. Die Längsausdehnung des Denkmalplateaus beträgt bis zu den westlichen Theilen des Denkmal-Unterbaues nahezu 130 m. Auf dieser Fläche erhebt sich das eigentliche Denkmal auf dem gewachsenen Felsen, der in seiner natürlichen Formation sowohl an der Nord- wie an der Südseite, wie namentlich auch im Barbarossahof in glücklicher Weise für die künstlerische Erscheinung des Werkes verwerthet ist und ungesucht und kraftvoll aus der ebenen Terrassenfäche zu dem Cyklopengemäuer des Aufbaues überleitet.

Kapitell der den Barabarossahof umgebenden Bogenhallen
Eckornament des Thurmfusses
Durchblick nach dem Barbarossahof

Von der Ostseite führt eine breite Freitreppe auf ein Treppenplateau, in welches eine dreitheilige Bogenhalle versunken zu sein scheint, die den Barbarossahof nach Osten abgrenzt und auf gekuppelten romanischen Säulen ohne Basen aber mit Kapitellen ruht, deren Motive der Geschichte der Hohenstaufenzeit entlehnt sind und die durch den Bildhauer August Vogel eine stilistische Durchbildung erfahren haben, welche in ihrer grossen, eckigen, jede Weichheit ausschliessenden Weise eine vortreffliche Uebereinstimmung mit dem architektonischen Theil des Denkmals zeigt. Auch nach Norden und Süden ist der Barbarossahof durch Bogenhallen geöffnet. Sie ruhen jedoch nicht auf Säulen, sondern sitzen in gedrungener Weise mittels sich verbreitender Quaderpfeiler auf dem Felsen auf, zu dessen unregelmässigen Bildungen sie einen möglichst ungezwungenen Uebergang zu gewinnen trachten. An der westlichen Seite des Hofes ruht in einer Bogennische, deren reiche ornamentale Behandlung der Stilfassung der Säulen entspricht, die sitzende Gestalt des Kaisers Barbarossa, ein ausgezeichnetes Werk des Bildhauers Nicolaus Geiger (s. Beil. z. No. 17), eine Gestalt, die in Auffassung und Haltung dem schönen Bilde entspricht, welches die historische Sage, bereichert durch edle Züge phantasievoller Dichter, in unseren Erinnerungen weckt. Die in ihren grossen Zügen an die strenge Grösse des Moses von Michelangelo erinnernde Gestalt, von welcher sie doch wieder durch eine gewisse sagenhafte Weichheit und malerische Behandlung in der Bewegung und Durchbildung der Einzelheiten sich unterscheidet, ist die Idealgestalt der volksthümlichen Kyffhäusersage, und wenn ihre Stilfassung nicht durch die eckige Wucht der historischen Begebenheit, sondern die weichere Form der sagenhaften Umbildung dieser Begebenheit erfreut, wir wollen es ihr um der Volksthümlichkeit dieser Umbildung halber nicht zu hoch anrechnen. Wir möchten vielmehr der Meinung Ausdruck geben, dass wenn überhaupt ein Denkmal Volksthümlichkeit, mit der es bekanntlich eine eigene Bewandniss hat – wir unterscheiden in diesem Falle genau zwischen der von den Literaten hervorgezauberten und der in einem Werke selbst ruhenden Volksthümlichkeit – sich erringen, der Barbarossahof des Kyffhäuser-Denkmals am schnellsten sich in die Volksseele einleben wird. Nach dem Gefühle des Verfassers ist dieser ganze, in symbolischer Weise dem alten Reiche gewidmete Theil des in seinem Gedanken zweitheiligen Denkmals der Glanzpunkt desselben. Nicht etwa weil eine durch ihn in das Gedächtniss zurückgerufene glanzvolle Vergangenheit oder der Zauber der Volkssage wenn auch unwillkürlich eine Art Verklärung über ihn auszugiessen imstande wären, sondern weil in der That hier tiefere Empfindung und eine von blosser Verstandesthätigkeit sich abwendende Regung, zweifellos beeinflusst von Geschichte und Sage, Stift und Meissel geführt haben.

Um den Barbarossahof zieht sich an der nördlichen, südlichen und an der östlichen Seite über der erwähnten Hallenarchitektur die Mittelterrasse hin, zu welcher von Osten her zwei stattliche Treppenläufe führen und welche sich in der Nordsüdaxe des Denkmals segmentförmig erweitert. Von ihr aus ergeben sich wirkungsvolle Einblicke in den Barbarossahof und Ausblicke zu dem Denkmalthurm, die alle Einzelheiten desselben erkennen lassen.

Von der Mittelterrasse aus führen nördlich und südlich des Thurmes je zwei Treppenläufe zu einem Treppenpodest, welcher der Hochterrasse vorgelagert ist. Die letztere umzieht als ein etwa 5 m breiter Flächenstreifen den Thurm und bildet in dieser bescheidenen Ausdehnung mehr den eigentlichen Thurmsockel, als eine Terrasse im herkömmlichen Sinne des Wortes. Der Thurm selbst erhebt sich unter starker Verjüngung, die namentlich in der der Gesammterscheinung des Denkmals günstigsten Diagonalansicht zur Wirkung gelangt. In den eigentlichen Thurmkörper leiten sockelartige Bildungen über, die an den Ecken mit Masken geziert sind, welche in symbolischer Weise Begriffe wie Zwietracht usw. darstellen und in ihrer stilistischen Haltung in gleich vortrefflicher Weise in den Gesammtcharakter des Denkmals sich einfügen, wie die Säulenkapitelle des Barbarossahofes. Auch sie sind von August Vogel modellirt.

Der in abgeschwächter Rusticaquaderung durchgeführte Thurmbau zerfällt in zwei Theile, in den höheren unteren, aus welchem an der Vorderseite die Bogennische für das Reiterstandbild des Kaisers ausgeschnitten ist, und in einen niederen oberen, welcher in friesartiger Auffassung heraldische Motive, an der Vorderseite in streng romanischer Auffassung den Reichsadler enthält. Ein gut abgewogener, mässig ausladender Bogenfries bildet das Hauptmotiv des an den Ecken mit Wasserspeiern versehenen Hauptgesimses, welches in eine Brüstung der oberen Thurmterrasse übergeht und mit dieser zusammen den Thurmbau abschliesst, ohne jedoch in das in dem Thurmaufbau sich fortsetzende Wachsthum des Thurmes eine Unterbrechung zu bringen.

Hier war eine scharfe Klippe, sie ist glücklich umgangen worden. Der Thurmaufbau besteht in einem zylindrischen Körper, von dessen oberer Peripherie sich 8 steinerne Bügel loslösen und zu einem Knauf zusammenschliessen, auf welchem die Kaiserkrone als natürlichste Endigung ruht.

Die gereiftere Durchbildung dieses ausgeführten oberen Theils des Denkmals gegen den entsprechenden Theil im Konkurrenz-Entwurf ist nicht zu verkennen; es will mir aber scheinen, als ob durch dieselbe ein Zug in diesen Theil des Denkmals gekommen wäre, welcher eben wegen seiner grösseren Durcharbeitung die Ursprünglichkeit vermissen lässt, die im Konkurrenz-Entwurf ohne Zweifel vorhanden ist. Indess, es ist das Gefühlssache, über die sich schliesslich streiten lässt.

Das Kaiser-Denkmal auf dem Kyffhäuser – Längsschnitt

Ueber eins aber lässt sich nicht streiten: das ist die mangelnde Uebereinstimmung des von E. Hundrieser geschaffenen Reiterstandbildes und seiner Begleitfiguren mit dem Gesammtcharakter des Denkmales. Die in Kupfer getriebene Gruppe, die für mein Gefühl eigentlich mit dem Denkmal zusammengehen sollte, in ähnlicher Weise, wie es mit der Barbarossagruppe so glücklich erreicht ist, die aber durch das Aufstellen auf einem vorgezogenen halbrunden Postamente schon im architektonischen Grundgedanken vom Denkmal losgelöst ist, mit welchem die Nische eine nur nothdürftige Verbindung herstellt, entfernt sich durch die ihr vom Bildhauer verliehene Formgebung noch weiter vom Denkmal. Ich verfehle nicht, der Gruppe an sich, ohne ihre Beziehungen, alle die Anerkennung zu zollen, die einem hervorragenden Bildwerke – das ist sie – gezollt werden müssen; jedoch für das Kyffhäuser-Denkmal geschaffen, setzt sie sich in einen unüberbrückbaren Gegensatz zu demselben. Hier tritt die natürliche Gefühlsforderung der stilistischen Uebereinstimmung aller Theile eines abgeschlossenen Ganzen in ihre Rechte, eine Forderung, die wohl zu unterscheiden ist von den sogenannten „Gesetzen“ des Kunstschaffens, die aber von Naturen, die in irriger Selbsttäuschung eine Art Kraftüberschuss in sich zu verspüren vermeinen, der oft nichts anderes ist, als ein durch äussere Umstände zu lange zurückgedrängter Thatendurst, bisweilen mit mitleidigem Lächeln mit jenen Gesetzen auf einen Haufen geworfen wird. Bekanntlich erscheinen künstlerische Potenzen, welche die Kraft besitzen, die natürliche Empfindung in andere Richtungen zu zwingen, wenn es hoch kommt, alle hundert Jahre einmal. Inzwischen müssen wir uns schon, so gut es gehen will, mit dem natürlichen Gefühle behelfen, wie es die tausend Einflüsse aus Zeit, Erziehung und Umgebung in uns ausgebildet haben. Und dieses Gefühl gelangt zu den genannten Ergebnissen.

Die Ausgestaltung des Inneren des Denkmals zu einer Gedächtnisshalle in seinem unteren Theile, zu einer Treppenanlage zur Besteigung des oberen Plateaus in seinem auf gehenden Theil und die hieraus sich ergebenden konstruktiven Anordnungen, bei deren Bestimmungen Hr. Ing. R. Cramer-Berlin mitwirkte, sind aus dem Schnitt übersichtlich zu ersehen.

Die gesammten Kosten des Denkmals belaufen sich auf rd. 1.300.000 M. Der in seiner architektonischen Durchbildung hinter den räumlichen Erweiterungen des ausgeführten Denkmals zurückstehende Konkurrenz -Entwurf wurde auf der Grundlage einer Bausumme von 800.000 M. geschaffen. Das grosse Steinmaterial des Denkmals wurde vorwiegend aus zwei Brüchen auf dem Kyffhäuser selbst gewonnen. Zur Ringterrasse wurden etwa 5000 cbm zu den oberen Terrassen gegen 11 000 cbm Mauerwerk verbraucht. Weitere Zahlenangaben sind bereits in dem oben angeführten kurzen Aufsatze gemacht. An der Ausführung des Denkmals waren ausser den genannten Künstlern und Konstrukteuren betheiligt die Maurermeister Reichenbach in Frankenhausen und Thate in Sangerhausen für die Maurer- und Steinhauerarbeiten. Für die Bildhauerarbeiten wurden die Steinbildhauer Schwartz und Locke gewonnen. Die Kupfertreibarbeiten der Hundrieser’schen Gruppe wurden in Münchener und Braunschweiger Werkstätten, durch die Meister H. Seitz und H. Kiene in München und P. Rinckleben in Braunschweig gefertigt. Die Gruppe erreicht einschl. des inneren Eisengerüstes ein Gewicht von nahezu 17 000 kg.

Dem leitenden Architektnu stand an Ort und Stelle mit Umsicht und Thatkraft Hr. Arch. W. Lindemann zurseite. Die Bauzeit überstieg etwas die Dauer von 5 Jahren. In derselben wurde ein Denkmal geschaffen, welches als ein ragender Markstein an einer neuen Entwicklungsperiode der deutschen Denkmalskunst steht, die, wenn nicht alle Anzeichen trügen, eine glücklichere sein wird, als die verflossene. Dass an diesem Umstande die Architektur ein hervorragendes Verdienst hat, ist kaum zu läugnen und dass dieses Verdienst zum nicht geringsten Theil Bruno Schmitz als einem Bahnbrecher zufällt, kann ebenso wenig bestritten werden. Und dess freuen wir uns!

Dieser Artikel erschien zuerst am 27.02. & am 06.03.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.