Berliner Neubauten 78 – Das Kaiserdenkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin

Bildh.: Prof, Reinhold Begas, Arch.: Gustav Halmhuber. Nach wenig mehr als dreijähriger Arbeit ausschliesslich der Vorarbeiten ist das Kaiserdenkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin soweit einer vorläufigen Vollendung entgegengereift, dass seine feierliche Enthüllung am 22. März d. J. zugleich Feier des 100jährigen Geburtstages des ersten Kaisers des durch seine Siege wieder hergestellten Deutschen Reiches stattfinden kann.

Mit der endgiltigen Vollendung dieses Denkmals ist ein weiteres Glied in der langen Kette der baulichen Umgestaltungen der ersten Stadt des Reiches geschaffen, die nach einem einheitlichen, gross angelegten Plane erfolgen und dem Zeitalter des regierenden Kaisers, der sie zum grossen Theil als einen Ausfluss seines Willens entstehen sieht, die Bezeichnung eines augusteischen verschaffen werden. Aus der Hauptstadt des Königreiches Preussen wird durch sie mehr und mehr eine Kaiserstadt und das imperialistische Gepräge, welches Schlüter in machtvollem Ueberschuss einer reichen Gestaltungskraft dem königlichen Schlosse und seinem Denkmal des Grossen Kurfürsten verleihen konnte und welches in den späteren Schöpfungen der Bau- und der Bildnerkunst der preussischen Königsstadt unter dem Einfluss der Zeiten sich wieder verlor, lebt in den neuesten Kunstschöpfungen Berlins wieder auf als Ausfluss einer Zeit, welche in politischer Hinsicht zu dem Zustande einer reichen Sättigung gelangt ist und das Bedürfniss hat, dieses Gefühl auch auf ihre Kunstschöpfungen als die vornehmsten Aeusserungen eines materiell wohl begründeten Kulturlebens zu übertragen.

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Es kann darauf verzichtet werden, an dieser Stelle, an welcher die oft leidenschaftlichen Kämpfe der Vorgeschichte des Denkmals zum theilweisen Niederschlag gekommen sind, nochmals und sei es auch nur flüchtig, auf diese Kämpfe zurückzugreifen; es genüge vielmehr die Erwähnung der Thatsache, dass der Kaiser am 14. Mai 1894 Entwürfe zur Genehmigung der Ausführung unterzeichnete, welche, als eine gemeinsame Arbeit von Reinhold Begas und Gustay Halmhuber, in der Gestaltung des Kaiserdenkmals auf der Grundlage der vom deutschen Reichstage bewilligten Summe von 4 Mill. M. den Wünschen gerecht zu werden versuchten, die der kaiserliche Auftraggeber, welchem vom Reichstage die weitere Einflussnahme auf die Entwicklung der Denkmals-Angelegenheit abgetreten worden war, mit Bezug auf die Aufstellung des Denkmals auf der Schlossfreiheit, in der Axe des Eosander’schen Portales, von dem Schlosse durch eine Fahrstrasse getrennt und mit der Hauptansicht gegen dasselbe gewendet, hegte. Diese Entwürfe sind in No. 8 und 9, Jahrg. 1893 in Wort und Bild zur Darstellung gelangt und auf sie sei hiermit verwiesen. Aufgabe dieses Berichtes kann es demnach nur noch sein, das nunmehr nahezu fertige Denkmal zu schildern und zu untersuchen, ob und inwieweit die Hoffnungen und Befürchtungen, die sich an den genannten Entwurf knüpften, nach der Ausführung eingetroffen sind.

National-Denkmal für Kaiser Wilhelm I.

Reinhold Begas ist ein geistreicher Mann und als solcher spürte er eines Tages den Drang in sich, die reichen Erfahrungssätze seiner schönen Kunst in der Form von epigrammatisch zugespitzten Aphorismen niederzuschreiben und in der Halbmonatsschrift „Die Zukunft“ zu veröffentlichen (1895). Diese Aphorismen können vielfach angegriffen werden und sind auch angegriffen worden, weil sie sich, wie das bei starken Naturen oft, um nicht zu sagen immer, der Fall sein wird, einer starken Einseitigkeit zeihen lassen. Denn zu einer starken Natur gehört ein unbedingtes, ausschliessendes Selbstvertrauen, ein Vertrauen allein an sich selbst, das unbeirrt von äusseren Einflüssen und seien sie noch so mächtig, die aufgrund einer reichen Erfahrung als richtig anerkannte Wege einschlägt und ihre Richtung beibehält. Unter diesen Aphorismen befindet sich auch ein Satz, der volle Zustimmung erfahren hat, weil er im Allgemeinen als richtig anerkannt werden muss und im Besonderen die treffendste Selbstcharakteristik enthält, die Begas von seiner Kunst geben konnte. Der Satz enthält für den wirklichen, den echten Künstler die Forderung einer „dreieinigen“ Begabung und zwar: eine männliche Energie, eine weibliche Zartheit und eine kindliche Naivetät. Diese drei Forderungen sind im fertigen Denkmal erfüllt, da nach ihr auch die Mitarbeiter gewählt wurden. Zunächst als Hauptmitarbeiter der Architekt Gustav Halmhuber, der an dem Wasserthurm von Mannheim, dessen Ausführung dem erst 19jährigen Künstler als Sieg in einem stark beschickten öffentlichen Wettbewerb zufiel, sich bereits früh als eine reich begabte Natur von sicherem Wollen und Können erwiesen hatte und welcher sich im Atelier des Reichshauses unter Wallots Führung zu schöner Reife entwickelte. Ihm fiel die dreifach schwierige Aufgabe zu, dem bildnerischen Denkmale eine begleitende Architektur zu geben, welche einmal mit dem plastischen Theil harmonisch und ohne Beeinträchtigung zusammengehen, zweitens aber doch selbständige Bedeutung bewahren und drittens sich mit der Westfassade des Schlosses zu einer künstlerischen Einheit verbinden sollte. Man kann wohl sagen, dass diese Aufgabe, die der scharfen Klippen und Gefahren genug bot, im: Wesentlichen einwandsfrei gelöst ist; denn von Einzelheiten ist hier abzusehen, nicht auf alle konnte sich Halmhuber maassgebenden Einfluss sichern.

Das Kaiser-Denkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin

Als fernere Mitarbeiter sind zu nennen die Bildhauer Karl Bernewitz und Johannes Götz, die Schöpfer der beiden siegesstolz einherziehenden Quadrigen, ferner in umfangreicherem oder geringerem Maasse die Bildhauer Breuer, Karl Begas, Ludwig Cauer, Reinh. Felderhoff, Gaul, Hidding, Kraus und Waegener, ein Stab ausgezeichneter und ausdauernder Künstler, die Meister Begas zur Seite standen. Von Kraus und Gaul stammen die beiden dekorativen Gruppen mit den Adlern, von Hidding, Prof. Begas-Kassel und Cauer die vier Gruppen der Attika der Halle an der Rückseite. Da sämmtliche Bildhauer Schüler des Meisters Begas sind, so schwebt über allen Arbeiten sein Geist, der natürlich am wahrsten zum Ausdruck kommt an jenen Arbeiten, die er sich selbst vorbehalten hatte: an der Reitergruppe mit der begleitenden Viktoria, an den Löwen und an den beiden Kolossalgestalten des Krieges und Friedens.

Die schliessliche Ausführung des Denkmales hat gern den von uns früher beschriebenen Entwurf eine nicht m wesentliche Vereinfachung erfahren, die jedoch durchaus zu Gunsten des Denkmals spricht. Der Entwurf gründete sich auf eine höhere Bausumme, als die vom Reichstag bewilligte Summe von 4 Millionen M. Die Folge war ( Ausscheidung einer Reihe selbständiger plastischer Gruppen und Figuren, welche an den einwärts gekrümmten Ecken des Aeussern des Denkmals und in den Hallen zur Aufstellung gelangen sollten und von uns schon damals als unorganisch mit dem Denkmal verbunden bezeichnet wurden. Ihre Weglassung begründet somit einen Vorzug des fertigen Denkmals gegenüber jenem Entwurf. Als später erfolgende Bereicherungen sind anzusehen ein durchgehender der reicher Mosaik-Fussboden nach dem Entwurf Halmhubers und ein musivischer Schmuck der Gewölbe der Hallen, welchen der gleiche Künstler entwerfen wird.

Das Kaiser-Denkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin – Lageplan

Die lebhafteste Frage nach der Fertigstellung des Denkmals wird die sein: in welchem Verhältniss steht es zur gewaltigen Masse des Schlosses, welche Platzverhältnisse haben sich nach seiner Aufstellung ergeben und in wie weit ist das Denkmal in seiner jetzigen Gestalt geeignet, von der Bauakademie her das Schloss zu verdecken.

In der mehrfach berührten Besprechung des der Ausführung zugrunde gelegten Entwurfs hatten wir der Meinung Ausdruck gegeben, dass dieser, die einmal gewählte Stelle als unabänderliche Thatsache vorausgesetzt, das beste sei, was unter den gegebenen Umständen zu erreichen gewesen wäre. Die Ausführung hat diesem vorläufigen Urtheil durchaus Recht gegeben. Die Masse des Denkmals steht zu der Masse des Schlosses in einem Verhältnisse, in welchem beide Theile nicht nur zu ihrem vollen Rechte gelangen, sondern von welchem man wohl sagen kann, dass es ein ausserordentlich glückliches ist. Ferner hat sich zwischen Schloss und Denkmal ein Platz ergeben, welcher wieder in so guten Verhältnissen ist, dass er weder zu eng noch zu weit erscheint, und zwischen Denkmal und Schloss eine intime Nachbarschaft herstellt, die beide Theile zu voller Würdigung der Einzelschönheiten kommen lässt.

Das Kaiser-Denkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin

Und was endlich die Ansicht von der Bauakademie aus anbelangt, so erscheint von hier aus die Säulenhalle als so durchsichtig, dass sie sich eben nur als Säulenhalle und nicht als geschlossene Masse vor das Schloss legt. Wer etwa an der Ueberschneidungslinie der Gesimse gegen das Schloss heute noch Anstand nimmt, der wird es in vielleicht 5 Jahren, wenn ihm eine Uebersicht aus grösserer Entfernung gestattet ist, nicht mehr thun. So erweist sich denn das Denkmal, was Gesammtanlage und Beziehung zum Schlosse und zur Umgebung anbelangt, als ein glücklich unternommener Wurf von grosser Auffassung. Nur andeutend sei hier auf die reichen Architekturbilder verwiesen, die sich vom Denkmal aus nach dem Lustgarten mit dem vollendeten Dom und andererseits vom Lustgarten zum Denkmal und aus zahlreichen anderen Standpunkten ergeben. Wenn das Denkmal einst nach seiner gänzlichen Fertigstellung aller Hüllen entkleidet sein wird, wird man erst der reichen Beziehungen zur Nachbarschaft eingedenk werden. So lange mögen seine Gegner noch mit ihrem Urtheil zurückhalten.

So viel für heute über das Denkmal im allgemeinen.

Die Beobachtungen, auf welche sich die vorstehenden kritischen Aeusserungen gründen, konnten gewonnen werden, als die Einrichtungen für die Feier noch nicht wesentliche Theile des Denkmals verhüllten. Nach ihrer Beseitigung, nach der Enthüllung werden sich die Einzelheiten beurtheilen lassen, auf die wir im Schlussaufsatze eingehen wollen.

Berliner Neubauten 78 – Das Kaiserdenkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin.

Quadriga von Johannes Götz

Das Denkmal steht in der Axe des Eosanderschen Portals des königlichen Schlosses; so wollte es der hohe Auftraggeber. Eine Trottoir- und neun Trittstufen führen zu der Fläche, auf welcher sich das Denkmal und die dasselbe umziehende Halle erheben und lösen es so von der Strassenfläche und ihrem Verkehr ab. Von der Vorderkante der Säulenpostamente des Eosanderschen Portales beträgt die Entfernung bis zur gegenüberliegenden Trottoir-Vorderkante etwa 27,5 m, bis zur ersten Trittstufe zum Denkmal weitere 9 m. Die Postamente der dem Sockel des Reiterstandbildes vorgelagerten Löwen springen 3 m in das Trottoir vor. Die Breite des Fahrdammes ist mit etwa 18 m angenommen; 16 m kommen. auf das sich vor dem Schloss hinziehende Trottoir und die schmalen Gartenanlagen. Letztere lassen für das Trottoir eine freie Fläche von rd. 6 m übrig. Diese Zahlen bedeuten Maasse, welche dem in dieser Strasse beobachteten Verkehr in genügendem Umfange Rechnung tragen.

Das Denkmal hat eine grösste Gesammtlänge von 78 m und eine grösste Tiefe von rd. 40 m. Um für ein Werk von dieser beträchtlichen Ausdehnung an der gegebenen Stelle die nöthige Fläche zu gewinnen, war es nöthig, den Unterbau in den 42 m breiten Spreekanal zu bauen, welcher an dieser Stelle infolgedessen bis auf 18 m eingeengt wurde. Die zumtheil schwierigen Gründungsarbeiten und Unterbauten des Denkmals wurden nach den Entwürfen des Hrn. Brth. Richard Eger, welchem der kgl. Reg.-Bmstr. Egon Edwin Schlimann zurseite stand, ausgeführt. Sie sind ausführlich in „Berlin und seine Bauten“ (1896) Bd. 1., S. 97 ff. beschrieben. Die Erd-, Ramm- und Maurerarbeiten übernahm die Firma R. Schneider in Berlin.

Löwe am Postament von Reinhold Begas

Der reichende Theil der Verkleidung den Unterbaus des Denkmals besteht aus Granit aus der Kösseine, von Metzing geliefert; darüber erhebt sich bis zur erhöhten Denkmalfläche ein Sockelunterbau aus grauen Sandsteinbossenquadern mit senkrechter Fugenheilung von Schilling. Ein mit einer freien Umbildung des laufenden Hundes geschmücktes Gurtband leitet zu der jonischen Halle über, welche aus Pfeilern und gekuppelten Säulen gebildet ist und über einem leichten Hauptgesims eine niedere Attika trägt, auf, welcher nach der Innenseite des Denkmals vier Figurengruppen die Wappen der Königreiche Preussen, Bayern, Württemberg und Sachsen halten; sie sind von den Bildhauern Breuer, Gaul und Kraus ausgeführt. Entsprechend diesen Gruppen befinden sich auf der Wasserseite der Attika gleichfalls vier Gruppen, welche in emblematischer Darstellung Handel und Schiffahrt, Kunst und Wissenschaft zeigen; sie haben die Bildhauer Cauer, Karl Begas und Hidding zu Urhebern. Die Gruppen sind von recht ungleichen Grössenverhältnissen und ungleichem künstlerischem Werthe; über sie ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Der 41 m lange parallel mit dem Schloss laufende mittlere Theil der Säulenhalle geht mittels zweier viertelkreisförmig nach einwärts geschwungenen Theile von je 2 Systemen in die länglichen, pavillonartigen Hallenbauten über, welche nach allen Seiten durchbrochen sind und die beiden Quadrigen tragen, die Nord- und Süddeutschland darstellen und deren südliche, nicht von Johannes Götz, sondern von Carl Bernewitz herrührt, während die nördliche den Bildhauer Johannes Götz zum künstlerischen Urheber hat. Beide Quadrigen sind ausgezeichnete Werke der plastischen Kunst; sie sind von lebhafter Bewegung und halten in der Auffassung einen wohlthuenden Mittelweg ein zwischen naturalistischer Durchbildung; und der antiken Strenge und Stilistik der Parthenonskulpturen oder der italienischen Denkmalsplastik der Frührenáissance.

Die gegen das Schloss sich wendenden Portale der beiden Pavillonbauten haben durch vorgestellte Säulen ein starkes Relief erhalten; die Säulen tragen ein verkröpftes Gebälk mit geschwungener, unterbrochener Verdachung.

Nördlicher Pavillion mit der Quadriga von Johannes Götz

Ein reicher figürlicher Schmuck, nahezu ronde bosse gearbeitet, entwickelt sich über den Bögen um ein Wappen, auf dessen oberer Volute ein Kissen mit der Kaiserkrone ruht. An dem bildnerischen Schmucke dieser Portale ist der Bildhauer Breuer wesentlich betheiligt. Die Archivolten werden von einer korinthischen Doppelstellung getragen, um deren Schäfte sich Guirlanden winden. Diese wie die Kapitelle und die Archivolten an der Rückseite der Hallen sind mit eigenartigen Motiven geschmückt, die vielleicht für den Eindruck des Ganzen etwas zu klein ausgefallen sind, wie denn überhaupt die ganze Halle eine Einzeldurcharbeitung, sowohl in den jonischen Kapitellen wie auch in der Profilirung, von einer solchen Feinheit zeigt, dass es schwer fällt, nicht an die Absicht der Schaffung eines bewussten Gegensatzes zu der Hauptgruppe des Denkmals, zu dem Reiterstandbilde mit seinem Unterbau, zu denken. Denn folgerichtig ist der feine Maasstab sowohl bei sämmtlichen Trittstufen vor den Hallen und vor dem ganzen Denkmal wie auch bei den Granitstufen durchgeführt, welche segmentförmig zwischen die Postamente der Löwen gespannt sind. An den konkaven Ecklösungen hängen, schildartig sich über das Hauptgesims legend, Masken von ungewöhnlich grossem Maasstabe und an ihnen emblemenartige Gehänge. Wenn man den Angaben der Tagesblätter folgen darf, so wäre die Absicht, an diesen konkaven Ecken Standbilder aufzustellen, noch nicht ganz aufgegeben. Es sei uns aber gestattet, auf das dringendste davor zu warnen, denn einmal treten sie, wie wir das schon früher ausführten, in eine völlig unorganische Verbindung mit der Halle und zweitens verleihen sie dieser einen weiteren Reichthum, von welchem eine nicht ungefährliche Konkurrenz für den Haupttheil des Denkmals zu befürchten wäre. Die künstlerische Ausstattung, welche die Hallen jetzt haben, dürfte die äusserste Grenze sein. Ein anderes ist es natürlich um die Aufstellung selbständiger Gruppen im Innern der beiden seitlichen Hallen. Doch mahnt auch hier die Enge des Raumes zu äusserster Beschränkung.

Die sämmtlichen Trittstufen des Denkmals sind aus grauem Granit aus dem Fichtelgebirge (von Plöger geliefert), die Halle besteht aus weissgrauem Sandstein aus Warthau und Kudowa. Den Mitteltheil lieferte C. Schilling, den Pavillon gegen die Stechbahn Gebr. Zeidler, den Pavillon gegen die Schlossbrücke P. Wimmel & Co. Aus dem gleichen Material sind sämmtliche figürlichen und ornamentalen Gruppen gearbeitet, mit Ausnahme der beiden Quadrigen und Adler auf den mittleren Gruppen der Attika, die getrieben und patinirt sind. Die bildnerischen Theile der Halle sind nur zum kleineren Theil vollendet, manche kaum angelegt, so dass der ganze Sommer bis zur endgiltigen Fertigstellung des Denkmals noch hingehen dürfte.

Das Kaiser-Denkmal auf der Schlossfreiheit zu Berlin

Das Denkmalsforum und der Boden der Halle erhalten, wie schon erwähnt, nach dem Entwurfe Halmhubers einen Mosaikbelag, der zu einem kleinen Theile schon liegt und aus schwarzen und weissgelben Thonsteinchen für das Forum und aus Marmor für die Halle besteht. Ersteren Belag liefert Leistner in Dortmund, das Marmormosaik der Halle Pellarin & Co. Die beiden Quadrigen trieben Martin & Pilzing und Gustav Lind in Berlin, die Adler Knodt in Frankfurt a.M.

Die im Vorstehenden geschilderte Halle nun umgiebt das eigentliche Denkmal. Die Lage desselben zur ersteren ist so geordnet, dass das Postament vollständig vor die Fluchtlinie der Säulen der Pavillons rückt, sodass das Reiterstandbild mit den vorderen Löwen und Viktorien, mit den Reliefs des Friedens und des Krieges, und mit den unter ihnen lagernden vollrunden Figuren des Friedens und des Krieges in voller Freiheit dem von Norden oder Süden in die Schlossfreiheit eintretenden Beschauer sich zeigt.

Diese Art der Aufstellung, die die gleiche ist, wie die des Denkmals des Grossen Kurfürsten auf der Langen Brücke, hat so bedeutende künstlerische Vorzüge, dass diese geeignet sind, den Nachtheil der mangelnden Sonnenbeleuchtung von vorn, der sich den ganzen Tag über geltend machen wird und nur im Hochsommer am frühen Morgen oder späten Abend aufgehoben werden dürfte, etwas zu mildern.

Das Denkmal besteht aus drei zu einer Einheit von grösster Wirkung verbundenen Theilen. Aus dem breiten Sockelunterbau mit den vorgelagerten Löwen, dem eigentlichen Postamente und der Reiterstatue mit Begleitigur. Während Reinhold Begas zu den Gruppen der Halle und zu den Quadrigen nur die Kompositionen fertigte, die Ausführung aber lediglich überwachte, rühren die Modelle sämmtlicher Theile des Denkmals selbst von des Meisters eigener Hand her; nur unbedeutend war an ihnen die fremde Hilfe. So dürfen wir denn die kraftstrotzend, die Tropäen unter ihren mächtigen Pranken haltenden, zur drohenden Abwehr bereiten Löwen, die in ihrer königlichen Haltung und feinen Naturbeobachtung die ungetheilthe Bewunderung vor dem grossen Thierbildner heryorrufen, als eigenste Werke des Meisters betrachten. So erscheinen die beiden allegorischen Gestalten des Friedens und Krieges als Werke des Meisters, in welchen die Foderungen der Natur mit soviel Hoheit und beim Frieden mit soviel sanfter Schönheit gepaart sind, dass sie zu den ersten Werken der plastischen Kunst unserer Zeit gezählt werden dürfen. So offenbaren die Viktorien des Postamentes und die die Reiterstatue begleitende Figur in ihrer jungfräulichen Grazie eine so zarte Empfindung, wie man sie kaum bei dem Meister der Löwen erwartet. So liegt in der Reiterstatue bei aller Berücksichtigung des Lebens eine solch ideale Hoheit und Kraft, eine so glückliche Verschmelzung der Forderungen der dreieinigen Begabung, dass die Statue in der That als eine Verkörperung der Gestalt erscheint, welche in die Volksempfindung zu bleibendem Gedächtnis übergegangen ist. Und wer etwa die kindliche Naivetät vermisst, der betrachte das Relief des Friedens im Gegensatz zu der entsprechenden Darstellung des Krieges. Die Forderung einer dreieinigen Begabung, sie ist eine eine Forderung und wo sich männliche Energie, weibliche Zartheit und kindliche Naivetät zu einer vollen künstlerischen Harmonie vereinigen, da ist man wohl berechtigt, von einem gottbegnadeten Künstlerthum zu sprechen.

Relief des Krieges. Bildhauer Reinhold Begas

Das Postament des Reiterstandbildes hat zwei schmale und zwei breite Flächen. Vor den schmalen Flächen auf den etwas zu niedrig gerathenen Trittstufen an von Seite eine Stillebengruppe, bestehend aus Krone und Hermelin, an der Rückseite eine solche, bestehend aus dem mittelalterlichen feudalen Ritterhelm. Die Inschrift der Tafel der Vorderseite, deren etwas weichliche Umrahmung nicht von einem Architekten herzurühren scheint, lautet: „Wilhelm der Grosse, Deutscher Kaiser, König von Preussen. 1861-1888.

Die entsprechende Inschrift der rückwärtigen Tafel hat den Wortlaut: „In Dankbarkeit und treuer Liebe das Deutsche Volk“. Die beiden breiten Flächen des Denkmals werden von den Reliefs des Friedens und des Krieges geschmückt. Eine besondere Beachtung verdient das Reiterstandbild von der Seite der Schlossbrücke her. Die straffen Linien des energisch vorwärts schreitenden Rosses, die weichen Umrisse der dasselbe am Zügel führenden allegorischen Gestalt mit ihrem lebendigen Faltenwurf, die aufrechte und doch nicht stolze Haltung des Kaisers mit dem flatternden, in grossen Falten sich dem Pferdekörper anschmiegenden Mäntel, alles vereinigt sich zu einem Gesammtbilde von fliessender Harmonie. Zwingt demnach das fertige Denkmal zu voller Bewunderung der künstlerischen Leistung, so hiesse es gleichwohl zu weit gehen, die Kritik zu Ausbrüchen zu steigern, wie sie die Monographie über Reinhold Begas enthält, in welcher unter anderem gesagt ist, dass sich das Denkmal mit überlegener monumentaler Wucht dem Eosanderschen Portale stolz gegenüber stelle, oder wenn gar ein von der berauschenden Feststimmung angesteckter Kunsthistoriker von Ruf sich hinreissen lässt zu dem Paroxismus: „Hier ist Alles gewagt und Alles gewonnen!“ Wenn sich der Festrausch gelegt haben und die ruhige Würdigung an die Stelle der fiebernden Begeisterung getreten sein wird, dann wird man erkennen, dass in dem Denkmal eine künstlerische That vollbracht ist, welche in einer späteren Geschichte der künstlerischen Bewegung des Endes des 19. Jahrhunderts an erster Stelle zu nennen sein wird, bei der aber keineswegs Alles gewagt und Alles gewonnen ist. Die Baukunst wäre wohl in der Lage, angeben, wie hätte mehr gewagt und mehr gewonnen werden können. Der Wettbewerb des Jahres 1888 hat den Beweis hierfür geliefert.

Reiterstatue von Reinhold Begas

Und nun noch einige technische Angaben. Die Postamente für die Löwengruppen und die Stufen zwischen denselben sind aus rothbraunem, polirtem schwedischem Granit aus den Brüchen bei Wirbo, von Kessel & Röhlg geliefert. Das Denkmal erreicht eine Gesammthöhe von etwa 20 m, die Reiterstatue allein eine solche von etwa 9 m; das Postament schneidet mit der oberen Linie der Attika der Säulenhalle ab; beide haben eine Höhe von nahezu 11 m. Die Löwen, die Viktorien und die Reiterstatuen wurden in der Gladenbeck’schen Bildgiesserei in Friedrichshagen gegossen, die Figuren des Krieges und des Friedens sowie die Stillebengruppen in der Giesserei von Martin & Pilzing in Berlin.

Das Gesammtgewicht des Metalles für das Denkmal wird auf etwa 1770 Ztr. angegeben, und zwar werden 500 Ztr. für die Reiterstatue mit Begleitfigur, wieder 500 Ztr. für das Postament ohne Viktorien, 50 Ztr. für jede der Viktorien gerechnet: ein Löwe mit Kriegstropäen wiegt gegen 130 Ztr., der Krieg 90, der Frieden 80 Ztr.; das Gewicht der Embleme der Vorder- und der Rückseite des Denkmals beträgt gegen 80 Ztr. Diese Gewichtsmengen werden als bescheidene, der Kunstguss als ein hervorragend dünnwandiger bezeichnet, der beim Reiterstandbild eine Dicke von 10-15 mm nicht überschreite. Die Metallmischung für die Bronze wird mit 93 % Kupfer und 7 % Bankozinn angegeben. Sämmtliche Bronzetheile haben eine künstliche Patina von guter Wirkung erhalten.

Es möge hier noch einer Bestrebung Erwähnung geschehen‚welche darauf ausgeht, das Eosander’sche Portal durch einen reicheren Schmuck in eine künstlerische Verbindung mit dem Denkmal zu setzen. Prof. Otto Lessing hat den Aufttrag erhalten, freie Felder des Portales durch Reliefs zu schmücken, von welchen das eine die Grundsteinlegung zum Schloss unter Kurfürst Friedrich II., das andere die Vorführung des Schlossmodelles durch Andreas Schlüter vor König Friedrich I. zur Darstellung bringt. Ausser den Reliefs, die vorläufig nur in Gips eingefügt sind, ist das Portal noch durch Cartouchen und Schriftzüge bereichert worden. Ein endgiltiges Urtheil über die Wirkung wird man erst nach der dauernden Herstellung des Schmuckes haben. Vor der Westfassade des Schlosses sollen sich Gartenstreifen hinziehen und die hohlen Ecken des Säulenvorbaues des Portales Brunnenanlagen erhalten. Die Gefahr ist nicht ganz ausgeschlossen, dass das Portal durch diese Bereicherungen an seiner wuchtigen Grösse einbüsst! –

Wenn es uns nun zum Schlusse dieser Betrachtung gestattet sein möge, ein für uns abschliessendes Urtheil dahin abzugeben, dass nach unserer bescheidenen Auffassung wesentliche objektive Einwendungen gegen das fertige Denkmal nicht zu erheben sein dürften, so ist dabei doch der Kernpunkt der Vorgeschichte des Denkmals, auf den man bei einer zeitgeschichtlichen Würdigung der Denkmalsfrage aus weiten Gesichtspunkten immer wieder zurückzukommen genöthigt sein wird, nicht aus dem Auge zu verlieren. Dieser Kernpunkt ist der, dass das jetzige Denkmal, wie wir es schon wiederholt aussprechen durften, vielleicht das beste ist, was auf dieser Stelle erwartet werden konnte, dass aber die Frage keineswegs eine offene ist, ob nicht bei einem Zurückgreifen auf diesen oder jenen Entwurf des ersten Wettbewerbes, z. B. auf den Entwurf Rettig-Pfann, ein Denkmal gewonnen worden wäre, welches nach Gestalt und Inhalt mehr den natürlichen Forderungen der Nationalempfindung entsprochen haben würde, als das Denkmal, von welchem in diesen festlichen Tagen die Hüllen gefallen sind.

Das bekannte Wort von dem Besseren, welches des Guten Feind ist, ist zwar allmählich etwas abgenutzt und trivial geworden und wir würden Anstand nehmen, es wieder hervorzuholen, wenn es nicht doch treffend ausdrückte, was hier auszudrücken zu unterlassen eine Unterlassung der zeitgeschichtlichen Berichterstattung wäre.

Es ist uns nicht bekannt, ob der erste Kaiser des neuen Reichs je Gedanken über ein Denkmal für ihn geäussert hat. Wenn es der Fall ist, so entsprechen sie jedenfalls seinem ganzen Wesen und der Versuch, auf sie die den Entwürfen des Wettbewerbes gegenüber heutige bescheidenere Anlage zurückzuführen, widerspricht ebenso sehr dem Geiste, der aus dem vollendeten Denkmal spricht, wie dem Orte, auf dem es aufgestellt ist. Auf diese Gründe kann also die Ablehnung einer grösseren Anlage nicht zurückgeführt werden. Auch nicht darauf, dass sie dem ganzen Wesen des Kaisers überhaupt widersprochen haben würde. Denn es giebt eine Grösse, die sich durch ihren Charakter und durch das Hineinwachsen in das Nationalempfinden von selbst des Rechtes entäussert, auf, ersteres einen Einfluss auszuüben. Und wenn je die Kunst mit einem Auftrage bedacht worden ist, in welchem sie ihr volles, durch keine Rücksichten eingeschränktes Können hätte ausleben lassen können, so ist es der Auftrag, eine solche Grösse zu einem sichtbaren und bleibenden Ausdruck zu bringen.

Die inneren Beweggründe für die Gestalt und die Anlage des Denkmals gerade an dieser Stelle liegen auf der Hand. Sie sind weder künstlerische noch historische Gründe; sie sind dieselben Gründe, welche den Feudalhelm an der Rückseite des Denkmals geschaffen und welche an der Vorderseite desselben die Wahlurne und das Kreuz in eine Krone und den Hermelin verwandelt haben. Sie sind die Gründe, welche die Errichtung eines Nationaldenkmals auf dem Königsplatz als einer mit dem Reichshause korrespondirenden Bauanlage nicht gestattet haben. Es sind ferner dieselben Gründe, welche aus dem ursprünglich beabsichtigten Nationaldenkmal der Volksvertretung ein subjektives Denkmal gemacht haben, das es geblieben ist, trotzdem der Reichstag die Mittel für dasselbe bewilligte und trotzdem sich an seiner Rückseite die Worte befinden: „In Dankbarkeit und treuer Liebe das Deutsche Volk“. Es sind die Gründe, welche die in zahlreichen Entwürfen des erwähnten Wettbewerbes gedachten Gedenkhallen für die, welche für die Grösse und Einheit des Reiches gelitten haben und gestorben sind, aus ihrem Zusammenhange dem Denkmal losgelöst und beide zu selbständigen Bauwerken gemacht haben.

Es sind die Gründe, welche der ganzen schlicht und geläuterten Lebensauffassung des alten Kaisers widersprechen, die Gründe einer cäsaristischen Neuvergoldung; eines mittelalterlichen Begriffes in einer Zeit, in welcher alles nach einer Auffassung der Herrscherpflichten drängt, die Friedrich der Grosse einmal in dem Satze zusammenfasste, dass in den Interessen-Gegensätzen zwischen den oberen und den unteren Klassen die Krone immer eher auf der Seite der letzteren stehen müsse. Wenn in die bewegten Tagen der Jubel des Volkes das Denkmal umbraust hat, so jubelte es nicht dem Herrscher entgegen, dessen Gestalt ihm aus dem Denkmal entgegentritt, sondern dem Herrscher, dem Gustav Schmoller die folgenden Worte widmete:

„Es ist für denjenigen. welcher den moralischen Fortschritt der Menschheit glaubt, welcher in einer Zeit des brutalen Materialismus, des Appells an Gewalt und Kampf, des Pochens auf die Leidenschaften, die rohen Instinkte und Interessen den Glauben nicht lassen will, dass das Gute, das Edle immer zuletzt siege, eine unendlich beglückende Empfindung, zu sehen nicht blos, sondern auch allgemein anerkannt zu finden, dass der europäische Fürst des neunzehnten Jahrhunderts, dessen Ruhm heute allerwärts am lautesten verkündigt wird, dessen Name in die ehernen Tafeln der Geschichte mit den glänzendsten Buchstaben verzeichnet wird, dies doch am meisten seinen einfachen männlichen und menschlichen Tugenden, seinem Charakter und seiner sittlichen Würde danke“.

Kann man also annehmen, dass das einsame Denkmal vor dem Eosander’schen Triumphbogen des Schlüterschen Königsschlosses mit seiner imperialistischen Säulenhalle ein Volksdenkmal ist? Das Denkmal ist sicher ein Gewinn für die Kunst, aber kein solcher, an dem man eine reine Freude haben kann. Und es liegt in der menschlichen Natur, dass sie sich angesichts eines guten Werkes nicht einer reinen Freude hingeben kann, wenn sie weiss, dass Besseres und Grössere hätte erreicht werden können.

Dieser Artikel von Albert Hofmann erschien zuerst am 20. & 27.03.1897 in der Deutsche Bauzeitung.