Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris

Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris

Arch: Gaston Redon in Paris.
Als Maria von Medici, die ehrgeizige Gemahlin Königs Heinrichs IV., am 14. Dez. 1621 aus der Verbannung in Angouléme nach Paris zurückgekehrt und wieder in den Besitz der Staatsgewalt gelangt war, beauftragte sie den grössten und berühmtesten der damaligen Maler, Peter Paul Rubens, in einem für das Palais du Luxembourg bestimmten Gemäldezyklus eine „Verherrlichung der Maria von Medici und Heinrichs IV. von Frankreich“ zu malen. Rubens kam dem Auftrage im Verlaufe von vier Jahren nach und überlieferte seiner Gönnerin 21 Gemälde grössten Formates mit lebensgrossen Figuren, die in dem genannten Palais auf dem linken Ufer der Seine Aufstellung fanden. Obgleich bei dem gewaltigen Umfange des Auftrages nur der kleinste Theil der Arbeit von des Meisters eigener Hand herrühren konnte und ein grosser Theil der Arbeit der Schülergruppe des Rubens überlassen war, die Gemälde also von recht ungleichem Werth sind, werden sie doch vonseiten der französischen Kunstverwaltung mit Recht als ein seltener Schatz gehütet.

Als unter Napoleon III. das Palais du Luxembourg dem Senat überwiesen wurde, kamen die Gemälde ins Louvre, wo sie seitdem einen der langen Säle entlang der Seine in stolzer Reihe schmückten. Nach und nach jedoch entwickelte sich der Gedanke, dem Zyklus eine besondere Aufstellung in einem abgeschlossenen Saale zu geben und man wählte hierzu einen Saal in der Verlängerung der grossen Gallerie am Quai du Louvre, einen Saal von rechteckiger Grundform, dem ein Vorsaal vorgelagert ist. Der Saal war im Inneren durch eine ringsum laufende Pfeilerreihe gegliedert. Diesen Umstand und die vorhandenen seitlichen Fenster benutzte der ausführende Architekt, Hr. Gaston Redon, dazu, zunächst eine Reihe kleiner Kabinette mit Seitenlicht abzutheilen, in welchen Niederländer kleineren Formates, Werke von Terburg, Ruysdaél, Hobbema, Rembrandt, Hals, Van Ostade usw. zur Aufstellung kamen, und den mit Oberlicht beleuchteten Mittelsaal für die Rubensbilder einzurichten. Der Symmetrie wegen wurden nicht sämmtliche 21 Bilder hier aufgehängt, sondern nur 18, während ein Bild grössten Formates sowie zwei zu ihm passende Seitenbilder im Vorsaal, welcher dem Van Dyck gewidmet ist, aufgehängt wurden.

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Die Einrichtung. des neuen Saales ist eine ungemein prunkvolle. Vom Vorsaal führt eine doppelte Stellung von jonischen Säulen als eine Art Portikus zum Hauptsaal; das Gesimse ist auf das reichste gegliedert und geschmückt und durch ein Cartouchenornament mit Barockcharakter bekrönt. Dazu haben die 18 Gemälde des Hauptsaales je eine prunkvolle, goldstrotzende Umrahmung erhalten, die zusammen mit der reich geschmückten grossen Hohlkehle des Saales den Eindruck reicher Pracht, den die Gemälde selbst anschlagen, verstärkt und in sich abschliesst. Trotz aller leuchtenden Farbengluth des Rubens’schen Kolorites und trotz der ungemein lebhaften Bewegung seiner Kompositionen will doch der Eindruck nicht weichen, als ob in dieser Umrahmung der Gemälde etwas zuviel gethan sei. Rubens ist ja allerdings kaum zu schädigen, so stark weiss er sich allen dekorativen Mitteln gegenüber zur Geltung zu bringen; aber es wäre doch nicht unmöglich gewesen, dass seine starke und lebhafte Art, die Dinge zu sehen und wiederzugeben, eine gewisse Beruhigung und einen gewissen einheitlichen Zug durch eine weniger prunkvolle Umrahmung erfahren hätte. Doch sei dem, wie ihm wolle, es verdient besondere Anerkennung und Würdigung, dass sich die leitenden französischen Kunstkreise entschlossen haben, eine Gemäldereihe, die trotz ihrer künstlerischen Ungleichartigkeit zu den ersten Schätzen europäischen Kunstbesitzes gehört, aus der korridorartigen Aufhängung zu konzentrirterem Genuss zusammengestellt zu haben. Die Rubens-Gemälde im Van Dyck-Vossaal haben die reichere Umrahmung zunächst noch nicht erhalten, sie werden später damit ausgezeichnet.

Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris
Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris
Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris
Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris

Am 21. Mai 1900 ist der Saal feierlich eröffnet worden. Auf einer Inschrifttafel sind die, zu dieser Zeit im Amte befindlichen Staatsfunktionäre und die Direktoren der schönen Künste und der Kunst-Museen genannt. Mit dem Rubenssaal ist der an Prachtsälen so reiche Gruppenbau des Louvre und der Tuilerien um eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges vermehrt.

Bild-Umrahmung im Rubens-Saal des Louvre zu Paris
Bild-Umrahmung im Rubens-Saal des Louvre zu Paris
Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris
Der neue Rubens-Saal im Louvre zu Paris

Unsere dieser Mittheilung beigegebenen Abbildungen zeigen die Lage des neuen Rubenssaales in dem gewaltigen Baukörper an der Seine, geben die Grundrissform des Saales, den prächtigen Durchgangs-Portikus zu demselben und ein Beispiel der reichen Umrahmung der Bilder. Es ist ohne Zweifel mit hervorragender dekorativer Kunst, dass sich Hr. Redon seiner schönen Aufgabe entledigt hat. Ob aber auch zum Nutzen der Gemälde, steht immerhin dahin. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.09.1900 in der Deutsche Bauzeitung.