Der Präsident von Mexiko

Blick auf die Stadt Mexiko

Der Präsident von Mexiko Porfirio Diaz hat seit Beginn seiner Amtszeit stets auf gute Beziehungen zu dem Deutschen Reich gehalten.

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Wie sich die Republik unter der Leitung dieses intelligenten Staatsmann zu ihrem Vorteil entwickelt hat, ist in einem besonderen Artikel geschildert. Es sei an dieser Stelle noch erwähnt, daß der Präsident bei aller Schätzung der friedlichen Entwicklung des Landes doch auch dessen militärischen Schutz nicht vernachlässigt. Auf unserm Bild sehen wir ihn gemeinsam mit dem deutschen Geschäftsträger von Flöckher beim Versuchsschießen mit neuen Schnellfeuergeschützen.

Präsident von Mexiko Profirio Diaz (1) und der deutsche Geschäftsträger von Flöckher (2) beim Versuchssschiessen mit dem neuen Schnellfeuergeschützen in Mexiko
Präsident von Mexiko Profirio Diaz (1) und der deutsche Geschäftsträger von Flöckher (2) beim Versuchssschiessen mit dem neuen Schnellfeuergeschützen in Mexiko

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 46/1903 unter „Unsere Bilder“

Mexiko und sein Präsident.

Von Dr. Karl Wiegand.

Mexiko ist heute der bedeutendste spanisch sprechende Staat Amerikas, ein Land, das die größte Zukunft hat und im stetigen Aufschwung begriffen ist. Anders wird das Bild, wenn wir uns im Geist um 50 Jahre zurückversetzen. Kriege und Revolutionen hatten die einst so blühende Kolonie der spanischen Krone an den Rand des Abgrundes gebracht.

Präsident Porfirio Diaz (x) nebst Gefolge bei einer Parade
Präsident Porfirio Diaz (x) nebst Gefolge bei einer Parade

Ein unglücklicher Krieg war eben beendet – die kräftig aufstrebenden Vereinigten Staaten von Amerika hatten ein großes Stück Landes sich angeeignet. Von 1848 bis 1857 erfreute sich das Land einer kurzen Ruhe, da begannen aber auch die inneren Zwistigkeiten, die zur Revolution und zum bewaffneten Eingreifen des französischen Kaiserreichs führten – im Jahr 1867 wurde der unglückliche Kaiser Maximilian auf Befehl des Präsidenten Juarez erschossen. Weiter folgte noch eine Reihe größerer und kleinerer Revolutionen. Im Jahr 1876 wurde General Porfirio Diaz zum Präsidenten der Republik erwählt und verblieb in diesem Amt mit Ausnahme der Periode 1880-84 bis zum heutigen Tag.

Porfirio Diaz wurde im Jahr 1830 in Oaxaca im südlichen Mexiko geboren und schlug die in den spanischen Republiken für Präsidentschaftsanwärter übliche Laufbahn ein. Advokat und Soldat zu gleicher Zeit, beteiligte er sich schon frühzeitig am politischen Kampf und nahm im Krieg gegen die Franzosen hervorragenden Anteil. Er ist ein Mann von außerordentlicher Klugheit und Energie, er sah, was dem Land fehlte: Frieden und Ruhe um jeden Preis, und seien diese auch mit der äußersten Strenge und Härte zu erzwingen.

Wenn wir die Zustände im heutigen Mexiko betrachten, dann müssen wir sagen, daß das Lebenswerk des nun Dreiundsiebzigjährigen vom schönsten Erfolg gekrönt war.

Ein Offizier der rurales
Ein Offizier der rurales
Eine Zapoticaindianerin (Vom Istmus von Tehuatepec)
Eine Zapoticaindianerin (Vom Istmus von Tehuatepec)

Noch 1884 waren die Kassen des Staates leer, niemand wollte ihm Kredit gewähren; heute beweist der Stand der mexikanischen Staatsanleihen, wie groß das Vertrauen des Auslandes geworden ist. Das Land besitzt eine Regierung, die sich ihrer Macht bewußt ist und die oberste Gewalt mit niemand, auch nicht mit der Kirche teilt. Man muß sich vergegenwärtigen, was das in einem spanisch-katholischen Land heißt, in einem Land, das jahrhundertelang unter der härtesten geistlichen Herrschaft gestanden hat; eine Unzahl von Kirchen erinnert noch an diese Zeiten.

Das mexikanische Militär steht durchaus auf der Höhe der Zeit. Es ist ausgerüstet mit den modernsten Errungenschaften der Waffentechnik, es fehlen weder Hotchkißmaschinengewehre noch Schnellfeuergeschütze der besten Konstruktionen. Besonders interessant ist die Organisation der „rurales“, einer Art von Landgendarmerie, die, in Regimenter eingeteilt, über das ganze Land zerstreut ist. Die rurales sind im Vergleich mit unserer Gendarmerie sehr zahlreich, kleine Orte haben oft ganze Kompagnien davon; es werden nur ausgesuchte weiße Männer dazu eingestellt – das übrige Militär besteht zum großen Teil aus Indianern – die vorzüglich bewaffnet und beritten sind. Man trifft sie überall im Land an mit ihren malerischen grauen riesenhaften Hüten.

Transport von Trinkwasser
Transport von Trinkwasser
Obstmarkt in der Stadt Mexiko
Obstmarkt in der Stadt Mexiko

Auf jeder Bahnstation liegt ein Pikett von 4 bis 8 Mann; beim Einlaufen der Züge stellen sie sich mit Gewehr bei Fuß und dem Säbel an der Seite dort auf, wo die Türen der Durchgangswagen sich nach dem Perron zu öffnen. In dieser Weise wird der ganze Zug besetzt, und man kann beruhigt über das Schicksal seines Handgepäcks sich im Freien ergehen. Die Eingeborenen haben eine große Neigung zum „Verschwindenlassen“ von allerlei nützlichen Gegenständen, und so ist eine derartige Bahnhofswache sehr angebracht.

Unter dem Schutz der starken Regierung haben sich Handel und Verkehr sehr gehoben. Die Ausländer wissen, daß ihr Eigentum sicher ist, und haben große Summen in Unternehmungen aller Art angelegt. An erster Stelle stehen die Amerikaner in deren Händen die meisten Eisenbahnen und eine große Reihe namentlich bergmannischer Unternehmungen sind; Engländer sind gleichfalls stark beim Bergbau engagiert, Deutsche treiben mehr Handel.

Die Haupterwerbsweige des Landes sind der Bergbau und die Landwirtschaft doch mehrt sich von Jahr zu Jahr auch die Zahl der Fabriken. Die Silber- und Goldschätze des Landes sind berühmt; mit Maschinen der besten Konstruktion beginnt man jetzt wieder die alten, oft verlassenen Gruben zu bearbeiten und erzielt trotz des stark gefallenen Silberpreises noch reichlichen Gewinn. Einzelne Gruben zeichnen sich durch geradezu märchenhaft hohen Gehalt an Edelmetall aus, es ist zum Beispiel in einigen Gruben von Pachuca ein Silbergehalt von drei Kilogramm auf die Tonne verhältnismäßig häufig, ein solcher von 30 Kilogramm auch noch nichts Unerhörtes. – Auch die Landwirtschaft liefer reiche Erträge: Pferde- und Rinderzucht sind auf den Hochebenen des Nordens weit verbreitet, die heißen Länder des Südens bauen vornehmlich Tabak, Kaffee Kakao und Zuckerrohr für den Export.

Mexikanische Artillerie
Mexikanische Artillerie
Blick auf die Stadt Mexiko
Blick auf die Stadt Mexiko

Die Bevölkerung des Landes besteht zum großen Teil aus Indianern und Mischlingen. Im Süden liegen ganze Landstriche mit etwa 99 Prozent Indianern in Norden und auf den Hochebenen herrscht der Weiße vor. Die „indios“ sind ein gutmütiges Völkchen, die möglichst wenig arbeiten, aber auch dementsprechend wenig Bedürfnisse haben. Ungemütlich werden sie nur, wenn sie ihrem Nationalgetränk, der „pulque“, aus gegorenem Aloesaft hergestellt, zu stark zugesprochen haben, dann ist Streit und Totschlag nichts Seltenes.

Auffallend ist die Begabung und Vorliebe der gesamten Bevölkerung für Musik. Jedes auch noch so kleine Städtchen hat seine Stadtkapelle, die auf der Plaza öffentlich und unentgeltlich spielt. Namentlich Sonntags hört die Musik vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein nicht auf. Die Leistungen der gewöhnlichen Kapellen sind recht anerkennenswert, in den größeren Städten ist ein Konzert auf der Plaza ein Kunstgenuß; der Vortrrag ist außerordentlich lebendig, die Technik oft ausgezeichnet. Besonders interessant waren dem Verfasser stets die indianischen Kapellen, namentlich die Militärkapellen des Südens. Kaum drei Monate ist so ein „mit dem Lasso eingefangener“ Indio beim Kommiß, und er spielt öffentlich mit bei Ouvertüren von Verdischen und Meyerbeerschen Opern. Ganze Dorfschaften kommen z. B. in die großen, meistens Deutschen gehörigen Musikinstrumentengeschäfte und kaufen Instrumente für großes Blasorchester, und zwar nur bester Qualität, was auf die Sachkenntnis schließen läßt. Der Preis von zwei bis dreitausend Mark wird derart erlegt, daß nach einer größeren Anzahlung das ganze Dorf in corpore sich verpflichtet, nach jeder Ernte so und soviel zu bezahlen; die Bedingungen werden stets pünktlich eingehalten.

Der Diebsmarkt in der Stadt Mexiko
Der Diebsmarkt in der Stadt Mexiko
Der Istmus von Tehuatepec
Der Istmus von Tehuatepec

Für Musik und Blumen, für schöne Gartenanlagen, kostbare Kleider, Schmuck, schöne Pferde und Equipagen schwärmt der Mexikaner, beide Geschlechter wetteifern darin. Die Hauptstadt des Landes läßt dieses recht deutlich erkennen; namentlich kann man beim Nachmittagskorso auf dem „Paseo de la Reforma“ einen Luxus sich entfalten sehen, wie ihn sonst nur Paris aufzuweisen hat.

Prächtige Toiletten der Damen, elegante Wagen mit wertvollen Pferden, Reiter in der schönen Landestracht mit kostbarster Stickerei auf Pferden, denen man ihre spanisch arabische Abstammung ansieht, das Sattelzeug über und über mit Silberstickereien und Lederschnittarbeiten bedeckt, das lebhafte Wesen des ganzen Volks geben zusammen ein Bild von unvergeßlicher Wirkung.

Die Kathedrale der Stadt Mexiko
Die Kathedrale der Stadt Mexiko

Dieses Bedürfnis nach Luxus bringt es mit sich, daß eine große Zahl von Ausländern, Deutsche und Franzosen, namentlich durch Import von allerlei Gegenständen des täglichen Gebrauchs und der reicheren Lebenshaltung einen guten Gewinn erzielt. Fast alle besseren Läden sind in Händen von Ausländern, in der Hauptstadt namentlich in deutschem Besitz. Eine starke deutsche Kolonie hält fest zusammen, der deutsche Klub besitzt ein prächtiges Heim, in dem reges Leben und Treiben herrscht.

Der Deutsche hat es verstanden, sich ein großes Ansehen zu erobern – mit Stolz kann man sich in Mexiko als Deutscher bezeichnen. Es ist erfreulich, zu sehen, wie der Import aus Deutschland steigt, und augenblicklich ist es die Maschinenindustrie, deren Absatz nach Mexiko stark zunimmt. Die Berg- und Hüttenwerke werden jetzt vielfach, nachdem sie in die Hände von ausländischen Gesellschaften gelangt sind, mit vollständig neuer Maschinerie versehen, die Wasserkräfte werden zur Erzeugung von elektrischer Kraft für Beleuchtungs- und Arbeitszwecke herangezogen. Ein großer Teil der Aufträge hierfür ging nach Deutschland, und allenthalben hat die deutsche Arbeit der Auftraggeber voll befriedigt. Wie die wirtschaftlichen sind auch die politischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Mexiko die denkbar besten. Hat doch gerade in neuster Zeit der Präsident Porfirio Diaz sich für Kaiser Wilhelm II. malen lassen und diesem sein Bild bereits übersandt, nachdem es zuvor je einen Tag in den beiden deutschen Vereinen der Stadt Mexiko ausgestellt war. Der Vorgang ist deshalb von Bedeutung, weil der Präsident hier zum erstenmal einem fremden Staatsoberhaupt eine derartige Aufmerksamkeit erwiesen hat.

Dieser Artikel von Dr. Karl Wiegand erschien zuerst in Die Woche 46/1903.