Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien

Entwurf des engeren Wettbewerbes zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Von Prof. Fr. Bluntschli in Zürich

Als vor ungefähr 2 Jahren die schöne Wittwe des amerikanischen Senators George Hearst, Frau Phoebe A. Hearst, in seltener Grossmüthigkeit eine sehr bedeutende Summe für die Errichtung einer neuen Universität grössten Umfanges bei, Berkeley in Californien stiftete und die Vertrauensmänner der neuen Universität die Architekten aller Länder zu einem weiteren Wetthewerbe und die Sieger in diesem zu einer engeren Entscheidung aufforderten, da schienen die Pläne in ihrer idealen Konzeption und in ihrer Grossartigkeit soweit über alle erreichbaren Ziele hinauszugehen, dass gewichtge Stimmen bereits von der Aussichtslosigkeit der Unternehmung in dem geplanten Umfange sprachen.

Der französische Architekt E. Bènard, der als Sieger aus dem doppelten Wettbewerbe hervorgegangen ist, hat sich durch seinen Entwurf, von welchem wir von den nachfolgenden Abbildungen eine Darstellung geben, das Verdienst erworben, den Nachweis geführt zu haben, dass es unter verzoicht auf alle Ueberschwänglichkeiten möglich ist, den Plan, wenn auch nicht auf einmal, so doch im Laufe einer Reihe von Jahren zur Ausführung zu bringen. Denn die Ueberschwänglichkeiten und die Steigung des architektonischen Entwurfes ins Maasslose waren es vielfach, welche künstlerisch sonst werthvolle Arbeiten zu Fall gebracht hatten. Freilich waren die ganze Art der Veranstaltung des Wettbewerbes, das in Aussicht genommene Gelände und nicht zuletzt die klimatischen Verhältnisse Californiens durchaus dazu angethan, einen phantasievollen Bewerber in seinen künstlerischen Empfindungen für seine Arbeit so zu berauschen, dass ein ungewöhnliches Maass von Selbstzucht dazu gehörte, den grossen Gedanken des Gesammtplanes so zur Darstellung zu bringen, dass man von ihm die Ueberzeugung gewinnen konnte, ihn mit erreichbaren Mitteln zur Ausführung bringen zu können.

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In dem Siege des französischen Architekten E. Bènard liegt der Sieg der Ecole des Beaux-Arts in Paris und es hat nicht an klugen Personen gefehlt, welche diesen Sieg vorhersagten. In der That ist die ganze künstlerische Vergangenheit dieser hervorragenden französischen Kunstschule eine derartige, dass Aufgaben, wie die inrede stehende, ihr, wie man so sagt, auf den Leib geschnitten sind. Seit langen Jahrzehnten weiss die Ecole des Beaux-Arts ihre um den Rompreis kämpfenden Schüler für Aufgaben zu entflammen, welche so sehr der Sphäre der täglichen Bauaufgaben entrückt sind, dass sich die jugendliche Phantasie ihnen mit besonderer Schaffensfreudigkeit hingiebt.

Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris
Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris
Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris
Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris

Keine andere Architekturschule pflegt in dem Umfange die ideale Seite der architektonischen Entwurfsarbeiten, wie die genannte französische Kunstschule, und keine andere Architekturschule hat damit grössere Erfolge aufzuweisen gehabt, wie die ausgezeichnete Anstalt auf dem linken Ufer der Seine. Freilich lebte und lebt sie stark von der Tradition und man wirft ihr vielleicht nicht ganz mit Unrecht vor, sich den neuen Einflüssen mehr als nöthig zu verschliessen. Nichtsdestoweniger aber hat sie ihre Stellung bis auf unsere Tage behauptet und der Erfolg in Californien ist ein neuer Beweis dafür, dass es doch auch sein Gutes hat, wenn sich eine Bauschule nicht so sehr den Strömungen des Tages überlässt, sondern in gelegentlichem Rückwärtsschauen auf bewährten Erfolgen auf- und weiterbaut und sie zu höherer Vollendung zu bringen trachtet. Denn man kann über die Ursprünglichkeit der Kunst wohl sagen was man will: Weder der Zeustempel in Olympia noch der Florentiner Dom, noch auch der Moses des Michelangelo sind einfach aus der Erdspalte aufgetaucht; diese Werke bezeichnen vielmehr den Gipfelpunkt einer langen Entwicklungsreihe mit unzähligen Zwischenstufen. Deshalb wird man der traditionellen Tendenz der Bauschulen mit jener Zurückhaltung und Achtung begegnen, welche einer Kunst gegenüber, die nicht dem Wechsel des Tages unterworfen sein kann, nothwendig ist. Deshalb wird man ferner auch immer die Bedeutung der Ecole des Beaux-Arts anerkennen müssen, auch wenn sie dem Individualismus nicht beide Thore öffnet. Deshalb wird man endlich auch ihrem Schüler Bènard die Anerkennung nicht versagen können, auch wenn man die Entdeckung machen sollte, dass sein Entwurf an neuen Gestaltungen nicht gerade reich ist. Aber er vereinigt mit einem eisernen Fleisse eine ungewöhnliche Beherrschung der Massen und eine immerhin seltene Grösse der Auffassung. (Schluss folgt.)

Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien.

Schnitt durch die Kuppelhalle
Schnitt durch die Kuppelhalle
Perspektivische Ansicht der Kuppelhalle
Perspektivische Ansicht der Kuppelhalle

Es dürfte nicht ohne Interesse sein, einige Angaben persönlicher Natur über den Sieger in diesem bedeutungsvollen Wettbewerb zu machen. Henri Jean Emile Bènard wurde am 23. Juni 1844 in Goderville, Departement Seine-Inferieure, geboren, hat also die Mitte der fünfziger Jahre eben überschritten. Nach Beendigung seiner Studien auf der Ecole Nationale des Beaux-Arts in Paris als ein Schüler Paccard’s gewann er den ersten grossen Rompreis im Jahre 1867, also schon im Alter von 23 Jahren. Dieser Sieg scheint für seine ganze spätere Entwicklung bedeutungsvoll gewesen zu sein, denn wir sehen ihn im Verlaufe seiner Praxis nur mit grösseren Aufgaben beschäftigt. Das Gebäude der Schönen Künste auf der Weltausstellung in Chicago 1893 ist nach den von ihm gegebenen Grundzügen errichtet worden. Das Haus des franco-amerikanischen Klubs in Paris, das Kasino in Nizza, das Klubhaus von Fécamp, ein Palais in Compiegne, eine Kirche in Blaville und eine Reihe anderer monumentaler Bauwerke Frankreichs sind von ihm erbaut worden.

Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris
Das Ergebniss des Phoebe A. Hearst-Wettbewerbes für Entwürfe zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Achitekt E. Bènard in Paris

Diese reiche Entwicklung wird gekrönt durch den Sieg in einer Aufgabe, welche der kühnsten Phantasie den weitesten Spielraum gelassen hat. Wir wollen es neidlos anerkennen: es ist kein kleiner Erfolg, und wenn die französischen Fachgenossen in den nächsten Tagen ihren siegreichen Mitstreiter auf feierlichem Bankett auszeichnen, so feiern sie damit den unbestrittenen Sieg der Ecole des Beaux-Arts. Und das mit Recht, denn nicht ohne Behagen stellt die „Architecture“ in ihrer No. 42 vom 15. Okt. 1898 fest, dass nicht allein Bénard, sondern auch sämmtliche II. Sieger des ersten Wettbewerbes, also auch die Hrn. Rud. Dick in Wien und Prof. Bluntschli in Zürich Zöglinge der hervorragenden Pariser Schule gewesen seien.

Entwurf des engeren Wettbewerbes zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Von Prof. Fr. Bluntschli in Zürich
Entwurf des engeren Wettbewerbes zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Von Prof. Fr. Bluntschli in Zürich

Die Forderungen des Programmes sind von uns bei Ausschreibung des in Rede stehenden Wettbewerbes so ausführlich besprochen worden, dass wir nicht darauf zurückzukommen brauchen. An der Hand des Lageplanes und der Ansicht aus der Vogelschau sei auch inbezug auf den siegreichen Entwurf nur ganz kurz auf die klare und übersichtliche Gruppirung der einzelnen Gebäude und ihre vorzügliche Anordnung zu geschlossenen Baugruppen hingewiesen. Eine breite Feststrassen-Anlage mit Baumpflanzungen durchzieht das Gelände der Längsausdehnung nach und erweitert sich gleich beim Eintritt in die gesammte Bauanlage zu einer Platzbildung, die von den für die Kunst bestimmten Gebäuden umgrenzt wird und sich nach rechts in einen Naturpark auflöst. Eine zweite, bedeutendere Platzanlage, das Campus, öffnet sich vor dem Gymnasion; sie wird, parallel zu der grossen Feststrasse, von einer kleineren Feststrasse mit Wasserlauf durchschnitten, die gleichfalls reiche Baumanpflanzungen hat und einerseits den Naturpark am Eingang der Universitätsstadt verbindet mit dem hügeligen Gelände am anderen Ende derselben. Dieses Gelände war vollkommen zur Anlage der naturwissenschaftlichen Gruppe ausreichend. Die Stellung der Gebäude zu einander ist aus dem Lageplan zu ersehen, der terrassenförmige Aufbau vom Meere aus gesehen von vorzüglicher Wirkung.

Um die architektonische Formensprache Bènards zu zeigen und seine grosse Auffassung auch im Entwurf der einzelnen Gebäude zu charakterisiren, geben wir nach „The California Architect“ die Grundrisse des Gymnasions und der dasselbe begleitenden Gebäude und Hallen, den Querschnitt durch das Gebäude, eine perspektivische Aussenansicht und ein Bild des grossen Kuppelraumes. Hier kennzeichnet sich auf das schlagendste der an der römischen Antike gebildete Schüler der Pariser Kunstschule. Die Kaiserpaläste, die Thermen, die Foren, kurzum der ganze Aufwand römischer Palast- und Cäsarenarchitektur wirkt hier nach; man glaubt sich in das wiedererstandene Rom der Kaiserzeit versetzt, man glaubt ein Panorama der trajanischen Kaiserstadt am Tiber vor sich zu haben. Und doch ist bei aller Anlehnung viel Selbständiges und Eigenartiges in der Arbeit; ihr grosser Wurf ist nicht zu verkennen, eine starke Gestaltungskraft spricht aus ihr und zwingt dem Beurtheiler die Ueberzeugung auf, dass ihr Verfasser auch in der Lage ist, das Werk seiner reichen Phantasie in die Wirklichkeit zu übertragen. Ob hierzu die 40 Mill. Dollars, die dem Entwurf zugrunde liegen, ausreichen werden, erscheint uns allerdings etwas zweifelhaft, wenn auch nicht zu verkennen ist, dass der Entwurf mit einer anerkennenswerthen Zurückhaltung durchgearbeitet ist.

Bei dem zweiten engeren Wettbewerb war festgesetzt worden, eine Summe von 20 000 Doll. zu vertheilen und daraus einen I. Preis von nicht unter 8000 Doll. zu bilden.

Das Preisgericht bestand aus den Hrn. John Belcher, der für den englischen Architekten Norman Shaw als Ersatzmann eingetreten war, Jean Louis Pascal aus Paris, Paul Wallot aus Dresden, Walter Cook von der Firma Babb, Cook & Willard in New-York und J. B. Reinstein aus San Francisco. Dem vorstehend besprochenen Entwurfe mit dem bezeichnenden Kennworte „Roma“ des Hrn. Bènard wurde der I. Preis von 10 000 Dollar verliehen; ein II. Preis von 4000 Dollar fiel an den Entwurf der Architekten Howells, Stokes & Hornbostle in NewYork; ein III. Preis von 3000 Dollar an die Hrn. Despradelles & Stephen Codman in Boston; ein IV. Preis von 2000 Dollar an die Hrn. Howard & Caldwell in New-York und der V. Preis von 1000 Doll. endlich wurde dem Entwurf der Hrn. Lord, Hewlett & Hull in NewYork zuerkannt.

Entwurf des engeren Wettbewerbes zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Von Prof. Fr. Bluntschli in Zürich
Entwurf des engeren Wettbewerbes zu einer neuen Universität bei Berkeley in Californien. Von Prof. Fr. Bluntschli in Zürich

Es ist nun gewiss von grösstem Interesse, den siegreichen Entwurf Bènards einen anderen gegenüber zustellen, dessen Verfasser aus dem ersten Wettbewerb ehrenvoll hervorrgegangen ist. Die Möglichkeit hierzu gewährt uns die No. 18 vom 4. Nov. 1899 der „Schweizerischen Bauzeitung“, welche den Plan des Hrn. Prof. Bluntschli in Zürich für die Universitäts- Anlage bei Berkeley wiedergiebt: Bluntschli war bekanntlich unter 103 Bewerbern in den engen Kreis der 11 preisgekrönten Bewerber getreten und in der That stellt auch sein Entwurf ein ungemein anziehendes Architekturbild dar, wenn auch zugegeben werden muss, dass die Gruppirung der Gesammtanlage nicht mit jener klaren Uebersichtlichkeit erfolgt ist, die den Bènard’schen Entwurf auszeichnet. Die „Schweiz. Bztg.“ schreibt hierzu: „Die allgemeine Disposition der Anlage im Entwurf des Hrn, Prof. Bluntschli ist nach einigen durchgehenden Hauptaxen so angeordnet, dass der grosse Komplex in einige Unterabtheilungen zerlegt wurde, von denen jede einzelne ein in sich abgeschlossenes Ganze bildet, das nicht grösser ist, als dass es noch gut überblickt werden kann.

Diese einzelnen Theile haben eine Richtung nach einem dominirenden Mittelpunkt, dem Auditorium.“ In der gesperrt gedruckten grundsätzlichen Annahme schon liegt der Nachtheil gegenüber dem Bènard’schen Entwurf, der zweifellos nicht auf einige in sich abgeschlossene Zentren, sondern auf einen grossen Gedanken der Anlage hingearbeitet hat. Die Vogelschauen beider Entwürfe bringen diesen grundsätzlichen Unterschied zu klarem Ausdruck.

Auf die Lage der Gebäude im Einzelnen einzugehen, erübrigt, da bei dem Wettbewerb lediglich die Gesammtanlage ins Auge zu fassen und nur ein Gebäude der Formensprache wegen grösser darzustellen war.

Dieser Artikel erschien zuerst in der deutsche Bauzeitung am 04. & 11.11.1899, er war gekennzeichnet mit „-H.-“.