Der Umbau des Hauses Heller in Berlin, Unter den Linden 45

Architekt: H. Jassoy in Berlin. Die weltberühmte Strasse „Unter den Linden“ zu Berlin besitzt auch heute noch nicht, weder in der strassenmässigen Anlage, noch in der künstlerischen Gestaltung der meisten an ihr liegenden Geschäfts- und Privathäuser den grossartigen Charakter, welcher ihrem Weltrufe entspricht. Es hat zwar in den letzten Jahren nicht an Neubauten gefehlt, welche in Grösse der Auffassung und Vertiefung der künstlerischen Durchbildung wohl geeignet sind, das Strassenbild zu verschönern, sie sind aber noch zu wenig zahlreich, um im letzteren eine herrschende Rolle zu spielen.

Da die Strasse nicht in dem Maasse Geschäftsstrasse ist, wie die Leipziger- oder die Friedrichstrasse, deren Physiognomie in den letzten 10 Jahren eine wesentliche Veränderung erhalten hat, eine Veränderung, wie sie nur eine frisch aufsteigende geschäftliche Entwicklung mit sich bringen kann, und da man andererseits in unbegreiflicher Weise zögert, die Strasse als solche einer der heutigen Bedeutung von Berlin entsprechenden Umgestaltung zu unterwerfen, so vollzieht sich auch die allerdings fortschreitende Umwandlung des Strassenbildes Unter den Linden langsamer, als in den genannten weltstädtischen Geschäfts- und Verkehrsstrassen. Es mögen hierbei auch private, finanzielle Erwägungen eine Rolle spielen, wie zweifellos bei dem als Umbau bemerkenswerthen inrede stehenden Hause.

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Dasselbe, Eigenthum der 22 Jahre bestehenden Firma Fritz Heller, Lampenfabrik und Bronzewaaren-Lager, stammt aus den 60er Jahren und war so wohl erhalten, dass es möglich war, den Forderungen des Geschäftsbetriebes nach Anlage eines geräumigen, mit Ausnahme des nothwendigen Hauseingangs die ganze Breite der Fassade und das ganze Erdgeschoss einnehmenden Ladens zu erfüllen, ohne das alte Gebäude abzutragen. Der Umbau des letzteren war nicht einmal ein durchgreifender, sondern er erstreckte sich auf das unbedingt Nothwendige. So blieb neben den oberen Geschossen das System der Lichtöffnungen der Fassade über dem Erdgeschoss erhalten und in der künstlerischen Erfüllung der Forderungen einer Geschäftsreklame im besseren Sinne des Wortes in der Fassadengestaltung aufgrund der gegebenen Verhältnisse liegt die eigenartige Bedeutung der Aufgabe, die uns veranlasst, ihre Lösung unseren Lesern vorzuführen.

Auf den Umbau des Ladens brauchen wir nicht weiter einzugehen, er enthält keine Momente, die zu besonderer Erwähnung Veranlassung geben: der Schwerpunkt der Umgestaltung liegt vielmehr in der Fassade. Die Art und Weise, in welcher es hier ohne Zuhilfenahme der bisher gebräuchlichen Kunstmittel, sondern in durchaus neuer und eigenartiger Weise gelungen ist, dem Oeffnungensystem nicht nur eine zusammenfassende architektonisch-ornamentale Gliederung zu geben, sondern auch das sonst schwer zu bewältigende, nicht geringe Flächenmaass der Firmen- und Reklamenschilder künstlerisch so zu beherrschen, dass diese nicht trivial herausfallen, ihren Zweck aber doch erfüllen, dass ferner die Fassade als Ganzes die Aufmerksamkeit des Vorübergehenden im Interesse des Geschäftes fesselt und auf dieses lenkt, ist im höchsten Grade bemerkenswerth.

Geschäftshaus Heller in Berlin. Arch. H. Jassoy in Berlin (Nach einer Aufnahme von E. Wasmuth in Berlin)

Wie diese Wirkung erreicht ist, zeigt die Abbildung. Von der alten Fassade wurden alle Architekturtheile entfernt und dieselbe in schlichtester Weise in grossen Flächen geputzt. Lediglich die Fenster des obersten Geschosses erhielten in den Putz eingeschnittene, kleeblattbogenförmig geführte Profile als Bekrönung. Auf die so gewonnenen glatten Flächen wurde die Fassaden-Dekoration aus geschmiedeten, naturalistisch gehaltenen Blumenranken, etwa 0,12 m von der Wand entfernt aufgesetzt. Die Firmenschilder sind in die schmückende Architektur einbezogen und gleichfalls von geschmiedeten Ranken umgeben. Das ganze Dekorations-System steht auf einem über dem Laden in Brüstungshöhe durch die Breite der Front laufenden Firmenschild auf. Die Brüstungen der seitlichen Fenster haben gedrehten Schmuck erhalten. Das Hauptgesims springt stark vor und wird durch geschmiedete und gebogene Stützen getragen. Ueber dem Hauptgesims, erhebt sich als Attika ein zweites, durch die Breite der Fassade laufendes Firmenschild, das von einer Sonne bekrönt ist. Das Eisen ist polychrom behandelt; ein feiner grüner Ton ist die vorherrschende Farbe: sparsames Gold erhöht die Wirkung in feiner, nicht aufdringlicher Weise, Eine wesentliche Bedeutung ist in dieser Fassade der künstlichen Beleuchtung zugewiesen. Dieselbe ist elektrisch und besteht in Bogen- sowie namentlich Glühlampen, welche letztere in ansprechender Weise in das naturalistische Rankenwerk einbezogen sind. Die Lampen lassen sich in drei Gruppen einschalten.

Der Umbau lag in den Händen des Hrn. Rathsmaurermstrs. Vollmer; der schmiedeiserne Fassadenschmuck wurde vom Hofkunstschlosser P. Marcus angefertigt; die nöthigen Zimmerarbeiten führte die Firma H. Franssen aus. Die elektrische Beleuchtungsanlage hatte die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft auszuführen übernommen. Wie am Tage, so ist auch nach eintretender Dunkelheit unter Mitwirkung der künstlichen Beleuchtung die Wirkung der Fassade eine durchaus eigenartige und dem Geschäftsbedürfniss entsprechend auffallende, ohne aber, wie bemerkt, in die triviale Reklame auszuarten.

Dieser Artikel erschien zuerst am 20.02.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“