Die Passage der Firma Dickson & Talbott in Indianapolis

Architekten: Vonnegut & Bohn in Indianapolis. Gegen Schluss des Jahres 1895 ist in Indianapolis nach den Entwürfen der. Architekten Vonnegut & Bohn ein Bauwerk vollendet und der Benutzung übergeben worden, welches in vielfacher Hinsicht an die die Behrenstrasse in Berlin mit den Linden verbindende Passage der Architekten Kyllmann & Heyden erinnert.

Im Mittelpunkt der verkehrsreichen Hauptstadt des nordamerikanischen Staates Indiana, in unmittelbarster Nähe des von Bruno Schmitz im Circle-Park errichteten Kriegerdenkmals gelegen, verbindet die Passage die hervorragendste Geschäftsstrasse der ‚Stadt, die Washington-Street, mit der Virginia-Avenue, einer der grossen Diagsnalstrassen, welche das Schachbrettartig gebaute Indianapolis von Nordost nach Südwest und von Nordwest nach Südost durchqueren und in deren Kreuzungspunkt der Circle-Park mit dem genannten Denkmal liegt. Indianapolis ist eine rege Handelsstadt, in welche 18 Eisenbahnlinien münden; ihre sich schnell vermehrende Einwohnerzahl erreichte 1890 100 000 Seelen, war 1893 auf 132 000 Seelen gestiegen und dürfte heute gegen 180 000 Köpfe betragen. Nicht gering an Zahl sind die grösseren Handelshäuser, zahlreich die Office buildings.

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Ein Mangel dagegen herrschte an kleinen, gut gelegenen und gut eingerichteten Kaufläden, Diesem Mangel wollte die Firma Dickson & Talbott begegnen durch die Anlage der inrede stehenden Passage.

Abbildg. 4 – Längsschnitt (aufgerollt)

Die Washington-Street und die Virginia-Avenue laufen unter einem spitzen Winkel zusammen; unweit des Schnittpunktes stellt die Passage die Verbindung her. Die Folge eine geknickte Mittelaxe der Anlage. Die Abmessungen sind nicht u nbeträchtliche. Die Fassade in der Washington Street misst nahezu 23 m, die in der Virginia-Avenue 32,3 m.

Die Breite des Durchganges beträgt etwa 6 m. Die Anlage enthält 28 unter sich annähernd gleiche Läden von durchschnittlieh 4,45 m Weite. Der Ausgang der Passage in der Virginia-Avenue liegt etwa 0,8 m tiefer, als der Eingang in der Washington-Street. Der Höhenunterschied ist nicht durch Stufen, sondern durch eine schiefe Ebene ausgeglichen. Die Grundriss-Eintheilung ist aus Abbildg. 1 ersichtlich; sie ist die gleiche im Keller und in dem einzigen Obergeschoss. Jeder Laden hat einen Unter- und einen Obergeschossraum; jeder Miether hat somit 3 unter sich durch Treppen verbundene Räume zur Verfügung. Den Keller durchzieht ein langer Gang, welcher mit Waarenaufzügen in Verbindung steht, die sich auf den Strassentrottoirs befinden. Jeder Miether hat das Recht der Benutzung dieses Gänges zum Zecke des Waarentransportes und zur Verbindung mit den Bedürfnissanstalten und anderen kleinen Wirthschaftsräumen, die im Keller in der Nähe der kleinen dreieckigen Höfe liegen. Unter dem Trittoir der Virginia-Avenue liegen der Dampfkessel und das Gebläse für die Zentralheizung.

Abbildg. 1 – Erdgeschoss
Abbildg. 3 – Fenster-Konstruktion

Wie aus dem Querschnitt Abbildg. 2 und aus der grösseren Zeichnung Abbildg. 3 zu ersehen ist, sind die vorderen Wände des Obergeschosses aus künstlerischen Gründen – um die Halle breiter erscheinen zu lassen – zurückgerückt. So entstand eine durchlaufende Gallerie, deren Boden mit Glasplatten belegt ist, um den Läden mehr Licht zu verschaffen.

Abbildg. 2 – Querschnitt

Das Oberlicht der Halle hat die Form eines Tonnengewölbes und folgt in bescheideneren Abmessungen der Umrisslinie des Einganges. Es besteht aus gepressten quadratischen Glasplatten von 15:15 cm Seite, die in gusseisernen Rahmen liegen. Verstellbare eiserne Jalousien (Abbildg. 3) haben den Zweck, die nöthige Lüftung zu ermöglichen. Die Architektur der Halle besteht aus Gusseisen, welches mit Kupfer bekleidet ist; der Boden ist ein Marmor-Terrazzo-Boden. Sämmtliche Scheiben sind Spiegelglasscheiben.

Da der ganze Bau feuersicher angelegt ist, so besteht die Konstruktion der Decken und Dächer aus I-Trägern mit Wellblecheinlage, auf welche Zementbeton aufgebracht ist. Die Fussböden der Läden bestehen aus Eichenholz, die Dächer sind mit einer Art Holzzement gedeckt. Die Höhenabmessungen der Läden und ihrer Nebenräume sind bescheidene. Sie betragen im Kellergeschoss mit Decke 2,87 m, im Erdgeschoss i. L. 3,92 m und im Obergeschoss 3,05 m. Weitaus stattlichere Abmessungen haben nach Abbildg. 2 und 4 die Schauseiten der beiden Eingänge erhalten. Hier galt es, dem amerikanischen Reklamebedürfniss ohne Rücksicht auf die organische Entwickelung der Architektur Rechnung zu tragen. Das erstere ist verständlich und bei seinem überwiegenden Gewicht die mangelnde Rücksicht auf die letztere gewiss entschuldbar.

Abbilddung 5 – Fassade an der Washington-Street

Abbildg. 5 giebt ein anschauliches Bild der interessanten Fassadenlösung an der Washington-Street. Die Fassadenhöhe beträgt einschliesslich der Attika an den seitlichen Theilen 10 m, der Halbmesser des grossen Bogens etwa 7,4 m,. Die gesammte Höhe der Fassade. erreicht bis zur Spitze der Laterne etwa 24 m. Beide Fassaden bestehen einschliesslich der Bögen aus röthlich-brauner Terrakotta; in den Bögen ist dieselbe an die dahinterliegende Eisenkonstruktion aufgehängt. Die Eindeckung der Bögen und der sie bekrönenden Laternen erfolgte in getriebenem Kupfer. Die Kuppel der Laterne und das die Bögen begleitende Ornament ist vergoldet. Die Dächer sind, soweit sie in der Fassade zur Mitwirkung gelangen, mit rothem Schiefer eingedeckt. Das farbige Element spielt-somit eine Hauptrolle und kommt in künstlerischer Weise dem Reklamebedürfniss entgegen. Die Stilfassung ist die einer freien Vermischung der Formen der italienischen Renaissance mit maurischen Elementen.

Die gesammten Baukosten sollten den bescheidenen Betrag von 125 000 Dollars oder etwa 550 000 M. nicht überschreiten. –

Hoffen wir, dass der fertige Bau die Zuversicht der Besitzer, dass die Anlage „leaves nothing to be desired in point of location for almost any business interest“ nicht getäuscht hat.

Dieser Artikel erschien zuerst am 10.04.1897 in der Deutsche Bauzeitung.