Architekt: Geh. Reg.-Rath Professor Johannes Otzen in Berlin. Das kirchliche Leben in den reformirten Gemeinden des Rheinlandes ist ein ausserordentlich reges. Zumtheil ist daran wohl der Umstand mitsprechend, dass die katholische Kirche mit grosser Kraft ihre innerlichen und äusserlichen Machtmittel entfaltet und die evangelischen Bekenntnisse schon durch den Gegensatz zu erhöhter Thätigkeit anreizt; zum grössten Theil aber ist das kirchliche und Gemeindeleben aufgebaut auf den edelsten und besten christlichen Motiven.
Wirkt demnach in dieser Richtung das Nebeneinander der verschiedenen Konfessionen wohlthätig, so hat der durch die kath. Kirche im Ritus und in der Kunst gepflegte Sinnenreiz in dem Bestreben einer Gegensätzlichkeit dahin geführt, dass der Begriff der kirchlichen Kunst den reformirten Gemeinden mehr und mehr abhanden gekommen ist und dass derselbe einer thunlichst nüchternen, selbst profanen Gestaltung der reformirten Kirchen und ihrer rituellen Einrichtungen Platz gemacht hat. Diese Abneigung gegen kirchliche Kunst erstreckt sich auch auf den künstlerischen Kirchengesang und erreicht ihren Höhepunkt bei dem Gebiete figürlicher Darstellungen aus der biblischen Geschichte und der christlichen Symbolik, indem die reformirte Kirche jede Darstellung dieser Art, selbst die des Kreuzes, durchaus verneint.
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Die Einsichtigen unter der Geistlichkeit und den Laien, zwischen denen es bekanntlich im reformirten Bekenntniss eine wirkliche scharfe Grenze nicht giebt haben längst erkannt, dass die Vernachlässigung und Ablehnung jeder Mitwirkung der Kunst eine bedenkliche Lücke darstellt, die man, wie der Mensch einmal beschaffen ist, ungestraft nicht dauernd offen lassen darf, während die Fanatiker unter den Reformirten nach wie vor starr in der Ablehnung des künstlerischen Elementes verharren. Beide Richtungen aber sind einig, wo es sich um Förderung des Gemeindelebens in jeder Form handelt, und die Thätigkeit auf diesem Gebiete kann vielen lutherischen Kreisen als mustergiltiges Vorbild hingestellt werden.
So lagen die Dinge auch in der aufblühenden Industriestadt Elberfeld, als an den Unterzeichneten die Aufgabe herantrat, für die grosse reformirte Gemeinde, welche schon zwei Gotteshäuser besass, eine dritte Kirche zu erbauen. Es lag nahe, dass das Programm für diesen Kirchenbau im wesentlichen sich dem sogenannten Wiesbadener Programm anschmiegte, welches ja recht eigentlich dem reformirten, wenn auch später unirten Bekenntnisse entsprungen war. Schwierigkeiten lagen nur in der baukünstlerischen Auffassung desselben, und es hat vieler Berathungen und der Ueberwindung von vielen Vorurtheilen bedurft, bevor eine durchweg monumentale Gestaltung des Aeusseren und Inneren die Zustimmung der Gemeinde erhielt.
Der Grundriss der in den beistehenden Abbildungen dargestellten Kirche zeigt eine zentrale Anlage, bei welcher nicht nur in den Abmessungen der Flügel, sondern auch in dem nischenartigen Abschluss der Orgel- und Kanzelseite Abweichungen vorkommen. Eine durchaus gegen Zug geschützte Vorhalle vermittelt den Hauptzugang zur Kirche. Dieser gegenüber ist der Kanzelbau in eine Schallnische gestellt, davor der Abendmahlstisch, dahinter das mächtige Orgelwerk. Die Kanzel umgeben monumentale Sitze für die beim Gottesdienst mitwirkenden Kirchmeister, während das Presbyterium auf der Orgelempore seine Sitze bekommen hat und durch die Gallerie der Nische hindurch den Prediger auf der Kanzel und beim Abendmahlstisch sehen und hören kann.
Der Raum unter der Orgel ist für zwei grosse Sakristeien ausgenutzt, Vorhallen und Treppen befinden sich bei den vier Eingängen.
Während das Material des Aeusseren in seinen Hauptmassen aus einer graugrünen kristallinischen Grauwacke besteht, welche in allen Architekturtheilen durch einen gelblichweissen Kohlensandstein ergänzt wird, musste das Innere aus Ersparungsgründen, wenn man es nicht putzen wollte, in einem hellfarbigen Form- und Verblendstein zur Ausführung kommen. Dieser Material-Gegensatz des Aeusseren und des Inneren hat etwas an sich Unkünstlerisches und es kann zweifelhaft werden, ob man in solchem Falle nicht dem Putz, wenn auch mit einer nur geringen Verwendung von Sandstein-Arbeit, den Vorzug geben soll. Im übrigen geben die Abbildungen leider eine falsche Vorstellung von dem Raume. Derselbe wirkt durch das Mitsehen des hohen Kuppelgewölbes viel schlanker und höher, wie es die Abbildungen andeuten. Die Bemalung der Gewölbe und die Ausführung der Fenster bewegen sich in sehr milden Farbengrenzen, um den vorerwähnten bestimmten Wünschen der Gemeinde Rechnung zu tragen.
Die Anordnung des Gestühls, der Gänge, Treppen usw. ergiebt sich aus den Grundrissen und es sei nur noch erwähnt, dass die Akustik des 20,5 m hohen Raumes die denkbar beste, selbst bei ganz leerer Kirche, geworden ist. Die grösste Entfernung der Sitzplätze von der Kanzel beträgt bei einer Zahl von rd. 1100 allerdings auch nur 20 m im Erdgeschoss, auf den Emporen 23,5 m.
In konstruktiver Hinsicht waren Schwierigkeiten wesentlich bei der Gründung und beim Aufbau des massiven Vierungsthurmes zu überwinden. Erstere musste auf die Kappe eines sehr zerklüfteten Kalksteingebirges gesetzt werden und letzterer bedurfte erheblicher Verankerungen der Basis. Das Ergebniss der bei dem spröden Material immerhin schwierigen Bauausführung ist im allgemeinen völlig befriedigend. Die Handhabung des schichtenartig behandelten Bruchsteines war vortrefflich, dagegen ist wie immer der Bruchstein-Maurer nur zu einem recht mittelmässigen Backstein-Maurer zu erziehen und das Ergebniss ist dementsprechend. – Die Ausführung lag in den Händen des Architekten Cornehls, der schon vorher die Stadtkirche in Apolda zur Ausführung brachte und jetzt die sich schon einen guten Namen machende Architekten-Firma Cornehls & Fritsche in Elberfeld gebildet hat Die Bauausführung hat 3 ½ Jahre erfordert und abgesehen von den grossen Terrassen und Gruftbauten, die sich der Kirche anschliessen, sowie von den Kosten der Herrichtung und Einfriedigung des Geländes rd. 396 000 M. Baukosten verursacht. Im Einzelnen haben gekostet die Erd- und Maurerarbeiten rd. 117 000 M., die Verblend- und Formsteine des Innern rd. 15 000 M., die Steinmetzarbeiten 48 600 M., die Verblend -Bruchsteine (Grauwacke) 20 600 M., die Zimmerarbeiten rd. 10 000 M., die Dachdecker- und Klempnerarbeiten 10 200 M., die Eisenkonstruktion von Helm und Glockenstuhl 10 500 M., die Tischler- und Schlosserarbeiten 17 700 M., die Glasmalerei 5400 M., das Orgelwerk 10 000 M., die Malerei und Dekoration 6300 M., das Bronzegeläute 16 900 M.
Berlin, im Januar 1899. J. Otzen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 4. Februar 1899 in der Deutsche Bauzeitung.