Nach einem Vortrage von Julius Faulwasser, gehalten den 14, Januar 1891 im Hamburgischen Architekten- und Ingenieur-Verein unter Mitanwesenheit der Mitglieder des Vereins für hamburgische Geschichte. Als die beiden ältesten Pfarrkirchen Hamburgs im Jahre 1842 beim grossen Brande ein Raub der Flammen geworden waren, nahm der Verein für hamburgische Geschichte als eine seiner vornehmsten Fragen die Ausführung einer umfassenden Studie bezgl. der übrigen alten Hauptkirchen auf, deren Archive noch erhalten sind.
Die Inangriffnahme eines solchen Unternehmens verzögerte sich aber Jahrzehnte lang, weil die einschlägigen Arbeiten von Pastor Wendt über den St. Katharinen-Kirchthurm und von Pastor Geffken über die St. Michaelis-Kirche, trotz allen Interesses, das sie erregen mussten, doch nur zeigen konnten, dass zur Ermöglichung weiter gehender Schlussfolgerungen vorher eine vollständige zeichnerische Aufnahme der Bauwerke vorhanden sein müsse und dass auch in geschichtlicher Beziehung nur ein Architekt imstande sein würde, die wenigen, sich über das 16. Jahrhundert zurück noch vorfindenden Angaben zu einer übersichtlichen Geschichte der Bauwerke zusammen zu fassen.
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Zur Bewerkstelligung einer Arbeit nach so erweitertem Programm sah sich der Verein für hamburgische Geschichte aber erst in der Lage, als ihm 1889 zu seinem 50jährigen Stiftungsfest abseiten der obersten Kirchenbehörde als Honorar für den Verfasser einer Spezialarbeit über jede der hamburgischen Hauptkirchen ein Geldbeitrag in Aussicht gestellt wurde, Der Geschichts- Verein hat hierauf mit dem Vortragenden einen Vertrag geschlossen, wonach letzterer, wenngleich unbekannt mit dem Zeitaufwand, den solche Arbeit erfordern würde, sich verpflichtete, in gedachtem Sinne mit einer Studie über die St. Katharinen-Kirche den Anfang zu machen.
Diese Arbeit liegt nunmehr druckfertig vor. Die Aufnahme des ganzen Bauwerks mit seinem gegenwärtigen Zustand ist im Maassstab 1:100 und die muthmaassliche Darstellung des ursprünglichen Zustandes im Maassstab 1:250 auf 18 Blatt Zeichnungen aufgetragen.
Ausser diesen Blättern konnten zur Illustration des Vortrags auch bereits einige von den übrigen 32, mittels photographischer Reproduktion in Aussicht genommenen bildlichen Beigaben der Monographie zur Ausstellung gebracht werden.
Die litterarische Arbeit erstreckt sich ausser auf die Geschichte der vorzüglichen Orgel und der grossen Zahl der in der Kirche enthaltenen Einzelkunstwerke, auf den werthvollen Altarschmuck, auf die Bibliothek, auf die interessante Geschichte der Brauerknecht-Brüderschaft in der Kirche, und, als im weiteren Sinne von mehr oder weniger grosser Bedeutung für das Bauwesen derselben, auf das Siel unter der Kirche, die Anbauten an die Kirche, die Häuser und Erben der Kirche, auf das Feuerlösch- und Beerdiguugswesen der Kirche und auf die Verwaltung und die Kosten des Bauwesens derselben. Das Ergebniss muss demnach als ein sehr reichhaltiges und für die hamburgische Geschichte in sehr vieler Hinsicht bedeutendes bezeichnet werden. Was eine Fortsetzung der Arbeit inbezug auf die übrigen Kirchen betrifft, so muss solche demnach als in hohem Grade wünschenswerth erscheinen und wir hoffen, dass der Fortgang des Unternehmens nicht dadurch behindert wird, dass, wie sich freilich gezeigt hat, zur Deckung der Kosten mindestens das Doppelte des bis jetzt bewilligten Geldbetrages sicher zu stellen sein wird.
In den Bereich der Mittheilungen des Vortrags konnte natürlich nur der erste Theil der Arbeit, das Bauwerk von Kirche und Thurm selbst betreffend, hinein bezogen werden und es war auch hier nur möglich, einen ganz allgemeinen Ueberblick über die hauptsächlichsten Ergebnisse der Studie zu bieten.
Was zunächst die Lage der Kirche anbetrifft, so steht dieselbe auf der Südspitze der sog. Grimminsel, deren Eindeichung schon in das Jahr 1050 gesetzt wird. Infolge mehrfacher Zerstörungen der Stadt, sowie infolge der 1072 erfolgten Verlegung des Erzbischofsitzes nach Bremen verzögerte sich aber die weitere kulturelle Entwickelung dieses niedrig gelegenen Stadtgebietes bis nach Abbruch der neuen Burg Adolf III und Eindeichung des rechten Alster-Ufers 1195 endlich auch die Cremoninsel eingedeicht und südlich derselben das Mührenflet und die Stadtbefestigung bis zur Alstermündung fortgeführt wurden, so dass hinter deren Schutze sich zu Anfang des 13. Jahrhunderts endlich die Ansiedler zu mehren begannen.
Etwa in die Jahre zwischen 1230 und 1240 ist die Ausführung der ersten St. Katharinen-Kapelle zu setzen, deren früheste Erwähnung im Stadt-Erbebuch sich 1250 nachweisen lässt. Sowohl über die genaue Lage, wie über die Bauart können bestimmte Vermuthungen eingehend begründet werden. Zum Theil stützen sich dieselben auf die mehr oder weniger gleichzeitig erbaute St. Nicolai- und St. Marien-Magdalenen-Kapelle und zum anderen Theil auf die Grösse und Eintheilungsart der Gräber, die auf dem vermuthlichen Grund der Kapelle wesentlich von der Form der übrigen Kirchengräber abweichen. – Während die genannten beiden Kapellen aber schon nach Verlauf von verhältnissmässig nur kurzer Zeit zu Kirchen umgebaut wurden, standen der Vergrösserung der St. Katharinen-Kapelle mehre Schwierigkeiten entgegen, so dass mit diesem Unternehmen erst nach etwa 100 Jahren, d. i. ungefähr 1330, vorgegangen ist, als die Kirche, wie sich aus der 1274 erfolgten Einrichtung eines eigenen Grundbuches ergiebt, schon seit mehr als 50 Jahren zu einer selbständigen Pfarrkirche erhoben war. Der gewünschten Vergrösserung stand besonders die eigenartige Lage der Kirche entgegen, die nördlich durch die Privatgrundstücke zweier Gemüsebauern, östlich durch einen, diese scheidenden Wassergraben, südlich durch die Stadtmauer und westlich durch das Steckelhörn-Flet eng begrenzt war. Als die Nothwendigkeit einer Erweiterung der Kapelle gebietend wurde, konnte man daher nicht, wie bei den genannten beiden anderen Kapellen, nach Westen weiter bauen, wobei erstere als Chor sich mehr oder weniger erhalten liessen, sondern die Erweiterung musste nach der Ostseite zu geschehen, und zwar war es, da man andernfalls zu nahe an die Stadtmauer gekommen wäre, ausserdem unumgänglich, die Längenaxe der grösseren Kirche gegen diejenige der Kapelle um etwa 2 m zu verschieben. Der für solche Lage der neuen Kirche erforderliche Platz wurde gewonnen, indem die Eigenthümer der nördlich gelegenen beiden Gehöfte ein Stück ihres Gartenlandes abtraten; derselbe erheischte aber als weitere, vor der Bebauung zu überwindende Schwierigkeit die unterirdische Abführung des erwähnten Grenzgrabens, welche ungefähr an derselben Stelle, wo der offene Graben sich befunden haben mag, mittels einer aus 7 cm starken Eichenholzbohlen konstruirten, 43 zu 43 cm weiten Sielleitung bewerkstelligt wurde, die als Ableitung des Hafenmores am Grimm bis 1723 bezw. bis 1875 in Betrieb gestanden und für die Kirche vielerlei Schwierigkeiten nach sich gezogen hat. Auf dem so geschaffenen Grundstück wurde von dem bei 30 m Breite auf 58 m Länge geplanten Kirchbau zunächst der Chortheil in Länge von 34 m oder 4 Gewölbejochen in Angriff genommen, und bis etwa 1360 vollendet, wobei einem der Kirche ertheilten Ablassbrief vom 28. Mai 1354 wesentliche Bedeutung für die Herbeischaffung der letzten Baumittel beizulegen ist.
Eine Ansicht der älteren Kapelle mit Chorstumpf der neuen Kirche scheint sich in dem Bilde von Hamburg wieder erkennen zu lassen, welches (Staphorst III), in der ehem. St. Petrikirche hinter der Taufe hing. Mit dem Bau des westlichen Theiles der Kirche, der sich noch heute in mehren Stücken von jenem ersterbauten Chortheil unterscheidet, beginnt die durch die erhaltenen Memorial-Bücher der Kirche mit Sicherheit nachweisbare historische Zeit derselben. Demnach ist der Beginn des Weiterbaues in das Jahr 1377 zu setzen, wo Wilken Rodenborch und Johann Hesebeck als damalige Besitzer der mehrerwähnten beiden Bauernhöfe, gegen Zuerkennung bestimmter Gerechtsame, weitere Stücke ihres Gartenlandes an die Kirche abtreten mussten. Von 1384 an finden sich dann fortgesetzt grössere und kleinere Gaben, meistens in Form von gegen 6 2/3 %, auf Leibrenten gegebenen Kapitalien für den Bau der Kirche verzeichnet. Die Kapelle ist so lange wie möglich, wahrscheinlich bis 1407, wo das nördliche Seitenschiff schon vollendet wurde, erhalten geblieben. An der Südseite ist erst 1402 mit dem Fundament begonnen. Durch die Cäcilien-Fluth, eine grosse Ueberschwemmung im Jahre 1412, ist der Bau nachhaltig unterbrochen, so dass das Dach des Mittelschiffes erst 1425 gerichtet ist, worauf im folgenden Jahre die Gewölbe geschlossen wurden. 1433 soll der Thurmbau begonnen sein, für welchen die Fundamente der früheren Kapelle benutzt wurden. Hierdurch musste sich die Längenaxe des Thurmes wie oben begründet, um rd. 2 m gegen diejenige der Kirche versetzen. – Im Vergleiche zu den älteren hamburgischen Haupt-Kirchen St. Petri und St. Nicolai ist die St. Katharinen-Kirche an Grösse freilich nicht als bedeutender zu bezeichnen, übertrifft dieselben aber wesentlich inbezug auf ihre Höhe, da die Scheitel der Mittelschiffgewölbe jener Kirchen nur 20 m bezw. 22 m Höhe erreichen, diejenigen der St. Katharinenkirche aber auf 29 m über dem Fussboden liegen. Dennoch muss der Eindruck ihres Innenraums leider als einigermaassen plump bezeichnet werden, da die Durchmesser der schlichten runden Pfeiler mit 2,6 m etwas übertrieben gross angenommen sind. – Schnell ist nach Vollendung der Kirche der Innenraum sehr reich ausgeschmückt worden, indem vor allem allein 19 Altäre errichtet wurden, über deren zahlreiche und kostbare Kleinodien und schätzbare Reliquien sich noch vielerlei Nachrichten aufgefunden haben.
Ueber die Lage des Hauptaltars, der Sakristei usw. lassen sich noch ganz bestimmte Mittheilungen machen; auch mehre Epitaphien und Gemälde können schon in jener frühen Zeit nachgewiesen werden und die Orgel ist zuerst 1433 erwähnt.
Die Bewegung der Reformation hat sich dann an der St. Katharinen-Kirche früher als an irgend einer andern hamburgischen Hauptkirche geltend gemacht und nachdem die neue Kirchenordnung 1528 offiziell in Hamburg eingeführt war, veränderte sich plötzlich das Ansehen des Inneren der Kirche in durchgreifender Weise. Die Altäre wurden beseitigt, mancher Schmuck zerstört und von etwa 1540 an sind die werthvolleren Kleinodien verkauft worden. Dafür liess man Gestühle errichten und vervollkommnete vor allem die Orgel. – Der Thurm war während über 100 Jahren in Höhe des Kirchendaches mit einem Nothdach abgedeckt geblieben und es wurde an ihm erst 1565 weiter gebaut, als infolge einer frommen Stiftung zur Erinnerung an die furchtbare Pest, welcher 1564 bis 65 über 20 000 Menschen zum Opfer gefallen waren, die Thurmfront durch den Bildhauer Wentzel mit einer Anzahl grösserer Reliefs bezw. Statuen geschmückt werden sollte. Zwecks Schaffung eines geeigneten Hintergrundes für diesen Schmuck verblendete Wentzel die ganze Thurmfront mit 4 übereinander angeordneten Säulenstellungen im Renaissance-Stil. Da seine Ausführungsweise dem Kollegium aber nicht gefiel, so musste er die Arbeit verlassen, welche dann durch den Bildhauer Sprenger vollendet wurde. Sowie dieselbe zum Abschluss gebracht war, erhielt 1568 der berühmte Maler Daniel Frese den Auftrag, die ganze Thurmfront, sowohl die Gesimse und Säulen, wie auch die Bildhauerwerke mit lebhaften Farben und unter reicher Verwendung von Gold bunt zu bemalen, Die Nachrichten üher diese Thatsache dürften dadurch noch bemerkenswerther erscheinen, dass sich auch alle einzelnen Farbenrechnungen im Kirchenarchiv noch aufgefunden haben. Das reizvolle Ergebniss dieser Ausführung wurde aber leider schnell wieder preisgegeben, indem man 1596 beschloss, den Thurm zu erhöhen, was durch Hinzufügung von noch 2 weiteren eben solchen Säulenstellungen geschah, so dass die Front nunmehr durch eine ganz unverständliche Häufung kleinlicher Motive, trotz neuerlich hinzu gefügter weiterer Vergoldung, einen niedrigen und unschönen Eindruck gemacht haben muss. 1602 und 1603 hat der Thurm dann durch den Zimmermeister Joachim Behn oberhalb eines aus Holz konstruirten Oktogons einen schlanken, pyramidenförmigen Helm erhalten, dessen Baukosten etwa 38 400 M. betragen haben. Bezüglich des Inneren der Kirche wurde inzwischen 1593 der Altar auf seinen jetzigen Platz gestellt und innerhalb des 2. Gewölbejochs, wo derselbe sich vorher befunden hatte, wurde 1599 ein Chorlettner erbaut, dessen Brüstungs-Füllungen der Bildhauer Jürgen Baumann im Auftrage der Kirche mit 12 Alabaster-Reliefs schmücken musste. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts sind ferner nochmals grosse Summen auf Vervollkommnung der Orgel verwendet und 1619 erhielt die Kirche als Geschenk vom Bürgermeister Beumann den prächtigen, marmornen Taufstein, der lange Zeit für eine der grössten Sehenswürdigkeiten unserer Stadt gegolten hat. Mindestens ebenso schätzenswerth aber ist die Kanzel, die, gleichfalls ganz aus Marmor und mit den Statuen der 12 Apostel geschmückt, 1633 von der Familie von Uffeln geschenkt wurde und sich zum Glück bis jetzt erhalten hat. 1638 liess das Kollegium zur weiteren Ausschmückung des Gotteshauses auch einen neuen Altar erbauen, der im ganzen aus Holz hergestellt, aber doch auch in reicher Weise mit Alabaster-Reliefs und figürlichem Bildschmuck geziert wurde. Zur Gewinnung einer grösseren Anzahl von Sitzplätzen war an der Nordseite schon 1603 eine Empore eingebaut und 1669 ist eine solche ebenfalls auch an der Südseite errichtet, wonach die Kirche 1316 feste Plätze und 270 Stuhlsitze enthielt. Die Brüstungen beider Emporen wurden mit Bildern geschmückt, für deren Aufnahme dieselben in 55 bezw. 25 Füllungen getheilt sind.
Inzwischen war das Bauwerk vielfach von Unglücksfällen betroffen worden. 1604, 1613 und 1622 fuhren Blitzschläge in den Thıurm und 1625 wurde die Kirche durch eine Ueberschwemmang so arg verwüstet, dass die Särge aus den Gräbern empor trieben, die Grabmauern einstürzten und lange Zeit erforderlich war, ehe alles wieder hergestellt werden konnte. Zur Sicherung gegen ähnliche Unglücksfälle wurde der Fussboden damals um 0,36 m höher gelegt, welche Vorsorge sich bei den grade während des 17. Jahrhunderts noch mehrfach auftretenden hohen Fluthen bestens bewährte. Schutzlos dagegen preisgegeben war die Kirche, als im Februar 1648 eine Ueberschwemmung in Begleitung eines so heftigen Nordweststurmes eintrat, dass der Thurmhelm, vermuthlich weil das Oktogon mangelhaft konstruirt gewesen sein mag, vom Mauerwerk losgerissen und auf die Kirche und den Kirchhof geschleudert wurde. Dach und Gewölbe der Kirche waren natürlich arg zerstört; besonders mussten im Süden die Seitenschiff-Dächer ganz neu hergestellt werden, wobei ein Umbau derselben in der Weise bewerkstelligt wurde, dass man sie ganz fortnahm und durch eine Verlängerung der Mittelschiff-Dachfläche ersetzte. Bei dem nördlichen Seitenschiff haben die Querdächer der einzelnen Gewölbejoche mit ihren Giebeln noch bis 1774 bestanden. Dann wurden sie auch hier aus Baufälligkeits-Gründen beseitigt, wonach zugleich die letzten Ziegeldachflächen der Kirche durch Kupferdach ersetzt sind. – Was den Wiederaufbau des Thurmes betrifft, so wurde es durch den Ertrag einer Subskription ermöglicht, schon im folgenden Jahre einen Oktogonbau wieder zu errichten, der nunmehr in Ziegel- Mauerwerk ausgeführt wurde. Einschliesslich der Wiederherstellungs-Arbeiten an der Kirche betrugen die 1648 und 1649 hierfür aufgewendeten Bauausgaben beinahe 78 000 M. Der Thurmhelm wurde erst 1656 von Peter Marquardt aus Plauen i. V. für die Summe von 88 400 M. wieder erbaut. Dieser Helm steht noch jetzt, er erreicht eine Höhe von 112 m, ist ganz aus Eichenholz konstruirt und bildet in seinem zart gegliederten Aufbau, der zwei mal durch eine freie Durchsicht unterbrochen ist, eines der schönsten, unserer Stadt aus jener Blüthezeit der Renaissance erhalten gebliebenen Bauwerke. 1658 wurde die Spitze mit einer aus Kupferblech getriebenen, vergoldeten Krone geziert. – Für die bei dem Umsturz zertrümmerten Glocken wurden 1649 eine und 1657 zwei neue wieder beschafft. Von den älteren Glocken sind noch 4 vorhanden, eine aus dem Jahr 1457, eine von 1598 und 2 von 1625 bezw. 1626.
Eine grosse Sorge entstand für die Erhaltung der Kirche im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts daraus, dass nach einander 3 Innenpfeiler neu aufgemauert werden mussten. Die Arbeit ging indess glücklich von statten; nur ergaben sich bei den zuerst wiederhergestellten Pfeilern sehr grosse Unzuträglichkeiten daraus, dass die umliegenden Gräber ausgeräumt wurden, um die Abstützung auf dem Grunde derselben vorzunehmen.
Die beiden anderen Pfeiler wurden ebenso wie ein vierter, 1794 erneuter Pfeiler glücklich ersetzt, während die Abstützung nur oberhalb des Kirchen – Fussbodens bewerkstelligt war. Kaum hatte man aber somit den Bestand der Kirche von neuem gesichert, so musste sich die Aufmerksamkeit des Kollegiums schon wieder dem Thurm zuwenden, bei dem sich schon in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts ein Ueberhang des unteren Mauerwerkkörpers nach Westen zunehmend so sehr geltend machte, dass die zahlreichen kleinen Säulen der Westfront barsten und von den Bildwerken und Gesimsen mehr oder weniger grosse Stücke herab zu fallen begannen. In den Jahren 1732 bis 1737 wurde infolge dessen diese ganze Sandstein-Verblendung beseitigt und die Front dem Ueberhang entsprechend unten 1,2 m tief und nach oben keilförmig auslaufend neu und lothrecht aufgeführt. Durch diesen Bau hat der Thurm seine gegenwärtige, der Höhe nach nur in 2 Hauptpartien angeordnete Ausbildung durch den damals hierorts berühmten Baumeister Kuhn erhalten. Als technisch bemerkenswerth muss hervor gehoben werden, dass die Thurmfront sich bis jetzt unversehrt erhalten hat, trotzdem das gesammte Mauerwerk schon damals so abgängig war, dass sich der erwünschte Zusammenhalt nur unter Aufwendung einer jede Vorstellung übersteigenden Verankerung erzielen liess. Die Baukosten haben im ganzen 132 000 M. betragen, von welcher Summe auf die Schmiederechnungen für Lieferung der Anker über 40 000 M. entfallen. 80 Jahre später wurde es dann unerlässlich, auch den Thurmhelm zu richten, da dessen Ueberhang sich ebenfalls bis auf etwa 1,2 m gesteigert hatte; diese Arbeit hat der Baumeister Sonnin 1769 bis 1770 einschl. der neuen Kupferdeckung der Thurmspitze für 33 600 M. bewerkstelligt. Noch einmal mussten endlich Knopf und Fahne 1792 herabgenommen werden, da ein Sturm die Federn der Helmstange gelöst hatte. Nur andeutungsweise konnte abseiten des Vortragenden auf die interessante Geschichte der Anbauten an die Kirche und der grossartigen Orgelumbauten, sowie auf die zahlreichen Einzelkunstwerke an Epitaphien und Bildern eingegangen werden, wobei bezüglich letzterer besonders die grossen Verluste bedauert werden müssen, welche die Kirche während der Franzosenzeit erlitten hat, wo sie vom 10. Dezember 1813 bis Ende Mai 1814 zum Pferdestall ausgeräumt werden musste, und u. a. auch den kostbaren Taufstein einbüsste. Die Kosten der Ausräumung haben 767 M. betragen, die Baukosten der Wiederherstellung beliefen sich auf 16 800 M. Es ist leicht erklärlich, dass das Gebäude noch Jahrzehnte unter der Vernachlässigung gelitten hat, bei der während jeder Kriegsperiode auch die wichtigsten Bautheile nur äusserst provisorisch in Stand erhalten waren. Bezüglich der Kupferdeckung von Dach und Thurm wurde dieser Ausfall freilich allmählich wieder eingeholt, weniger leicht aber war es inbezug auf den Fussboden der Kirche, welcher, da die Franzosen die meisten Grabsteine zertrümmert hatten, aus Holz hergestellt war, wobei man verabsäumt hatte die Verwesungsstoffe zu beseitigen.
Eine wesentliche, äussere Veränderung erlitt die Kirche i.J.1828 durch den Abbruch des Beinhauses und der St. Margarethen-Kapelle, zweier Anbauten im Süden, die noch aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammten und an deren Stelle Architekt Burmester ein neues Schulhaus anbaute. Mit der erforderlichen Wiederherstellung der Kirchmauer und der Einsetzung der 5 neuen gusseisernen Fenster bat dieser Bau 136 000 M. verschlungen. Bei dem grossen Brand 1842 blieb die Kirche glücklich beschützt und nach demselben erwuchs der Gemeinde die Freude, infolge freigebiger Schenkungen reicher Gönner, ihr Gotteshaus in weitgehender Weise neu ausschmücken zu können. Zunächst sind hiernach die solange in den östlichen und nördlichen Fenstern noch erhalten gewesenen Backstein-Maasswerke beseitigt und die Fenster in Werkstein-Wandungen neu verglast worden. Das Chorfenster wurde 1854 von Konsul Vorwerk mit Aufwand von 24000 M. mit einem Glasgemälde von Ainmüller in München geschmückt, und im folgenden Jahr erbaute Architekt Luis aus dem Ertrag einer allgemeinen Subskription für 28 200 M. den neuen Altar in reicher gotischer Ausbildung. Weniger geglückt ist leider die 1866 für 8700 M. von Architekt Glüer erbaute Orgelempore. – 1855 erhielt die Kirche eine Gasheizung, deren Einrichtung 13 500 M. kostete, sich aber sehr schlecht bewährte, sodass 1862 unter Architekt Averdiek die jetzige Ofenheizung eingeführt wurde, deren Anlage 10400 M. gekostet hat. – Im letztverflossenen Jahrzehnt musste die Kirche dann nochmals einem weitläufigen Umbau unterzogen werden, weil infolge der Zollanschluss- Umwälzungen der Abbruch der ringsherum angebauten kleinen Buden nothwendig wurde, und weil nach der Aufhöhung der Strassen, die am Chor rd. 1,3 m. betrug, alle Kircheneingänge entsprechend zu ändern waren. Diese Arbeiten sind 1888 bis 1890 unter Architekt Hastedt ausgeführt und haben, einschl. eines nothwendigen Reparaturbaues der Thurmfront und der Herstellung der Anpflanzungen um die Kirche rd. 120 000 M. erfordert.
Im ganzen hat die Erhaltung des Kirchgebäudes im jährlichen Durchschnitt während des 17. Jahrhunderts 3000 M.,während des 18. Jahrhunderts 3960 M. und während des gegenwärtigen 5040 M. erfordert. Dies ergiebt für die letzten 3 Jahrhunderte eine Gesammtsumme von 1 200 000 M., welcher Betrag etwa 2/3 von dem gegenwärtigen Neuausführungswerth des Bauwerks betragen dürfte, der sich für 1980 qm Kirche und Thurm auf rd. 900 M. und für 350 qm Anbauten auf rd. 240 M. geschätzt, auf 1 830 000 M. belaufen würde. Die jährlichen Unterhaltungskosten des gegenwärtigen Jahrhunderts stellen sich demnach trotz des grossen Aufwandes für die Wiederherstellungs-Arbeiten nach der Franzosenzeit und trotz der hohen Ausgaben für die Ausschmückung der Kirche auf nur ein Viertel Prozent jener Werthsumme.
Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung.