Die Entwurfs-Skizzen des Wettbewerbs für das neue Nationalmuseum in München

Wie bekannt, ist die Frage des Neubaues des kgl. bayerischen National-Museums vor bald 2 Jahren in Fluss gekommen; in der Sitzung der bayer. Abgeordnetenkammer vom 17. Mai 1892 wurde aufgrund der in wenig Wochen gefertigten Skizzen (im Maassstab 1: 500) als erste Rate die Summe von 1 100 000 M. bewilligt.

Von einer Wettbewerbung hatte man seitens des Ministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten im Einvernehmen mit Vertretern der Kammer abgesehen, weil man sich von einer solchen keinen Erfolg versprach. Die erste Planskizze, von welcher der Minister Dr. v. Müller damals (laut stenograph. Kammerbericht) sagte, dass sie „schon sehr detaillirt“ sei, wurde im Lauf der darauffolgenden Monate „in grösserem Maassstab gefertigt und durch Herstellung eines Gypsmodells zur besseren Veranschaulichung gebracht“ (Aus dem Protokoll der Kommissionssitzung v. 28 Jan. 1893); diese Aeusserungen haben zu der von uns in No. 12 des letzten Jahrgangs (S. 73 u. 74) ausgesprochenen Ansicht geführt, dass damit zugleich endgiltig über das Schicksal des National-Museums, d. h. über die architektonische Gestaltung des Neubaues entschieden sei. Thatsächlich war dies nicht der Fall, und daher erklärt sich auch, dass die betreffende Baubehörde keine Veranlassung hatte, mit der Museumsbehörde in Fühlung zu treten; es handelte sich nur um den jetzt durch ein Gypsmodell vervollständigten Vorentwurf vom April 1892, welcher dann den Beratungen der am 28. Januar 1893 zusammengetretenen Kommission zugrunde gelegt wurde.

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Zur näheren Bearbeitung des Bauprogramms und des Bauentwurfs wurde dann vom Minister eine kleine Fachkommission eingesetzt, bestehend aus einem Beamten der obersten Baubehörde, Ob.-Brth. Bernatz, aus zwei Beamten des National-Museums, Geh. Rath Dr. v. Riehl und Maler Prof. Rud. Seitz, – und endlich aus drei Vertretern der Münchener Architektenschaft – den Professoren Gg. Hauberrisser, Leonh. Romeis und Gabr. Seidl.

Diese Kommission begann schon wenige Tage nachher ihre umfangreiche Arbeit; da stellte sich denn heraus, dass der zur Verfügung gestellte Bauplatz nur knapp ausreiche und jedenfalls die Möglichkeit ausschliesse, entsprechende Hof- und Gartenflächen frei zu behalten. Der Bauplatz befindet sich an der Nordseite der Prinzregentenstrasse an jener Stelle, wo diese Strasse eine platzartige Erweiterung (zu einem „Forum“) erfährt; die Langseiten dieses Platzes zwischen der Alexandra- und der Bogenhauser Strasse, welche die Prinzregentenstrasse nicht ganz im rechten Winkel durchschneiden, war für das Museum ausersehen; dazu kam noch ein kleines Stück westlich der Alexandrastrasse zur Aufnahme der Verwaltungsräume, welche durch eine Brücke über die genannte Strasse mit dem Museum verbunden werden sollten. Da aber sowohl das Forum selbst noch nirgends bebaut ist, als auch das im Westen anstossende dreieckige Grundstück, dessen schräglaufende Seite längs dem englischen Garten von der Lerchenfeldstrasse begrenzt wird, im Staatsbesitz ist, so war berechtigte Hoffnung dazu vorhanden, dass man die Gestalt des Forums nach dem Neubau des Museums richten und den Neubau selbst ganz über das westlich gelegene Dreiecks-Grundstück sich erstrecken lassen könne. Dies war um so eher zu verwirklichen, als die Alexandrastrasse hier leicht unterbunden werden konnte, da der Zugang zum englischen Garten ohne namhaften Umweg leicht um das Dreiecks-Grundstück herum gewonnen werden kann.

Wie verlautet, nahm der Minister selbst eifrig an den Sitzungen der kleinen Kommission theil und überzeugte sich dabei von der Nothwendigkeit der Vergrösserung des Bauplatzes; demgemäss entschloss man sich an maassgebender Stelle dazu, die Alexandrastrasse nördlich des Forums zu kassiren und das ganze von ihr durchschnittene Grundstück wieder zu vereinigen, wodurch der Bauplatz in seinen Hauptlinien durch die Bogenhauserstrasse (östl.), die Prinzregentenstrasse, bezw. das Forum (süd].) und die Lerchenfeldstrasse (nordwestl.) umschlossen würde.

Lageplan mit dem Entwurf von Gabriel Seidl

Das sehr gründlich durchberathene Bauprogramm wurde Anfangs Juni fertig gestellt, und nun erhielten die drei der Kommission angehörenden Architekten – Hauberrisser, Romeis und Seidl – vom Ministerium den Auftrag, Pläne für den Neubau des National-Museums auszuarbeiten: mit anderen Worten, es wurde unter den betreffenden Herren ein engerer Wettbewerb veranstaltet. Gleichzeitig erging auch an den Vorstand des Münchener Architekten- und Ingenieur-Vereins unter Beigabe des nöthigen Materials die Aufforderung, nunmehr die in der grossen Kommissionssitzung am 28. Januar in Aussicht gestellte „Ideen-Konkurrenz“ zu erlassen; da aber über die Bedingungen derselben zwischen Ministerium und Architektenverein keine Einigung erzielt werden konnte, so unterblieb die Ausschreibung der Ideen-Konkurrenz. Das Ministerium glaubte einerseits, die vom Architektenverein dafür bereit gestellten Geldpreise nicht annehmen, andererseits aber auch keine Zusicherung geben zu können, dass einer der Preisträger bei der Bearbeitung des endgiltigen Entwurfs zugezogen werde; die etwa preisgekrönten Ideen sollten nur dem für den Neubau ernannten Architekten zur freien Benutzung übergeben werden. Ausser diesen Umständen hat zum Fallenlassen des Wettbewerbes wohl auch die Ueberzeugung viel beigetragen, dass gegenüber jenen drei Architekten, welche sich schon seit mehren Monaten eingehend mit dem Studium der Museumsbedürfnisse beschäftigt und bereits vom Ministerium mit Ausarbeitung von Plänen betraut worden waren, andere Theilnehmer allzusehr im Nachtheil gewesen wären.

Die Anfangs September eingelieferten Entwürfe wurden einer Jury von sechs Architekten unterbeitet (Wegen der Zusammensetzung dieser Jury hatte sich das Ministerium mit den konkurrirenden Architekten ins Vornehmen gesetzt.) und zwar in der Weise, dass dieselbe auf Anordnung des Ministers durchs Loos in zwei Gruppen getheilt wurde, deren jede über jeden einzelnen Entwurf ein Gutachten auszuarbeiten hatte. Die eine Gruppe – Oberbaurath Rettig, Prof.

Frhr. v. Schmidt, Prof. Fr. Thiersch – kam zu dem Ergebniss, den Seidl’schen Entwurf, vorbehaltlich einiger Abänderungen zur Ausführung zu empfehlen; die andere G. v. Bezold, Prof, Bühlmann, Prof. Alb, Schmidt schlug eine nochmalige Wettbewerbung unter den Konkurrenten vor. Der endgiltige Entscheid fiel einer auf den 14. Oktober einberufenen Kommission zu, welcher 17 Künstler und Laien angehörten; in der betreffenden Sitzung war auch den konkurrirenden Architekten Gelegenheit geboten, zwar nicht in die Debatte einzugreifen oder etwaige Einwände zu entkräften, wohl aber ihre Entwürfe persönlich zu erläutern. Die Abstimmung ergab zunächst die Ablehnung einer abermaligen Wettbewerbung, dann die grundsätzliche Annahme des Entwurfs von G. Seidl, welcher denn auch alsbald den Auftrag zur endgiltigen Bearbeitung der Pläne erhielt. Entscheidend für die Annahme des Seidl’schen Entwurfs war die Anschauung der Museumsbehörde, dass die Museumsschätze sich in diesem Bau am vortheilhaftesten aufstellen lassen.

Anmerkung der Redaktion. Hoffentlich werden die Gutachten der Preisrichter, sowie der Wortlaut der von dem Gesammt-Ausschuss aufgestellten Entscheidungsgründe noch nachträglich veröffentlicht.

Bevor wir uns der Besprechung der Konkurrenzpläne zuwenden, muss das Bauprogramm kurz erläutert werden.

Der Inhalt des Museums spaltet sich in zwei grosse Gruppen, die kulturgeschichtlichen und die Fach-Sammlungen. Die ersteren zerfallen (in dem jetzigen Bau) wieder in zwei Theile: die älteren Perioden bis zum Ausgang der Gothik und die neuere Zeit, mit der Renaissance beginnend. Für die älteren Perioden waren 18 Säle bezw. Hallen mit 3300 qm Bodenfläche verlangt; davon beanspruchen die grössten Räume die Waffenhalle (500 qm), das römische Lapidariam (300), das romanische und das gothische Lapidarium (je 270), der Kirchensaal (400), wozu noch der Saal mit den Gipsabgüssen kommt (400). Für die Neuzeit waren 3150 qm vorgesehen, 37 Säle, darunter zwei zu 180 qm und mehre zu 120 qm; für die Volkstrachten und Volksalterthümer waren zusammen 360 qm in Anrechnung gebracht. Von ganz besonderer Wichtigkeit für die Gestalt und Anordnung der für die kulturgeschichtlichen Sammlungen bestimmten Säle war die passende Unterbringung vorhandener Bautheile, welche in ihrer ursprünglichen Verwendung aufgestellt werden sollten; dahin gehören ein römischer Mosaikboden, ein über 6 m breites und ebenso hohes Kapellen-Abschlussgitter, mehre grosse Altäre und zahlreiche Vertäfelungen und Decken. Unter den letzteren spielt der aus dem Schlosse in Dachau stammende grosse Holzplafond die Hauptrolle; derselbe ist gegenwärtig in drei Theile zerlegt und mit seinem Hauptstück zum Schmuck des Treppenhauses, im übrigen zu dem zweier Säle verwendet. Das Programm stellte es den Architekten anheim, auf dessen entsprechende wirkungsvolle Wiederverwendung, sei es in einem Stück, sei es – wie bisher getheilt, Bedacht zu nehmen. Nicht minder wichtig war die Unterbringung von nahe an 140 Hautelissen, deren Höhe bei den grösseren Stücken zwischen 3 und 5 m schwankt, bei einer Breite bis zu 8,27 m; im gegenwärtigen Museum ist ein Theil derselben willkürlich umgeschlagen oder den Zimmerecken folgend herumgebogen.

Leichter war jedenfalls die Anordnung der Fach-Sammlungen – 26 Säle mit 4560 qm, zu welchen noch die Folterkammer (80 qm) und die Halle mit den Zinnsärgen (100 qm) kommen – zwei Räume, die bequem unterirdisch untergebracht werden konnten. Den grössten Raum beanspruchen hier: Textilsammlung (zus. 1140 qm), Zeittrachten (550), Keramik (720), Eisenarbeiten (350), Holzschnitzereien (250), Stadt- und Schiffsmodelle (200), Krippen (300).

Für Uneingeweihte sei hier bemerkt, dass man darunter [Krippen] die besonders aus dem 17. Jahrhundert herrührenden Figurengruppen versteht, welche die Geburt Christi (mit der „Krippe“) darstellen.

An Verwaltungsräumen sollten angeordnet werden zwei Kopirsäle mit mindestens je 140 qm, zehn Büreauzimmer (300 qm), Bibliothek (200), Registratur (30) und ein Raum für Spezialausstellungen. Ausserdem waren eine Schreinerei und sonstige Werkstätten (100 qm) verlangt. sowie eine Hausmeisterwohnung, ein Zimmer für den Hausdiener und ein Wachlokal.

Das ganze Gelände für den Neubau misst 18 640 qm; beim alten Museum beträgt die überbaute Fläche 3470 qm; die Sammlungsräume (ohne Vorhalle und Treppenhaus) geben zusammen eine Bodenfläche von ungefähr 5700 qm.

Es giebt wenig bauliche Aufgaben, bei welchen die verschiedenartigsten, oft sehr entgegengesetzten Anforderungen in gleichem Maasse Berücksichtigung fordern, wie ein solcher Museumsbau; es gilt dies in gleicher Weise von dem künstlerischen wie von dem praktischen Moment. Die Lösung dieser Konflikte macht allerdings eine solche Aufgabe besonders interessant, und es ist leicht erklärlich, dass diese Lösungen eine ausserordentliche Mannichfaltigkeit zeigen. Da steht als erstes und wichtigstes praktisches Erforderniss die möglichste Feuersicherheit; ihr entgegen steht das Verlangen nach Unterbringung zahlreicher leicht brennbarer Bautheile und anderer Museumsstücke, sowie die Nothwendigkeit, zwar nicht das ganze Museum (was allerdings sehr erstrebenswerth wäre), aber doch die Bureau-Räumlichkeiten, Kopirsäle und Werkstätten heizbar zu machen. Der Verkehr im Innern des Museums soll ein bequemer und ununterbrochener sein – und doch soll darin für Isolirung einzelner Bautheile durch Brandmauern gesorgt sein. Der Bau soll künstlerisch eine gewisse Bedeutung erhalten, sich aber zugleich – bei voller Erfüllung der räumlichen Erfordernisse – innerhalb einer nicht überschreitbaren Bausumme bewegen; der harmonische Anschluss an den unmittelbar anstossenden „Englischen Garten“ macht nach dieser Seite hin mehr eine malerische Gruppirung wünschenswerth, während die an einer breiten, geradlinigen, modernen Strasse mit bedeutsamem Schlusspunkt (Terrasse jenseits der Isar) gelegene Hauptseite eine strengere Fassadenbildung erheischt. Schliesslich soll der Bau den verschiedenen darin untergebrachten Sammlungstheilen auch ihrer Grösse und ihrem Stil Rechnung tragen und zugleich im Aeussern doch eine gewisse Einheitlichkeit erkennen lassen. Den letzteren Konflikt zu lösen, war wohl der schwierigste Theil der Aufgabe; denn die grosse Zahl der einzelnen, zur Verwendung zu bringenden Bautheile, deren Ausmaasse berücksichtigt werden mussten, war dem freien künstlerischen Flug der Phantasie durchaus hinderlich und es lag bei allzu grosser Rücksichtnahme auf den Stil dieser Einzelheiten die Gefahr sehr nahe, statt eines einheitlichen Ganzen ein Flickwerk von ganz verschiedenartigen Bautheilen zu schaffen, bei welchem keine Unterordnung unter eine höhere Idee zu erkennen war.

Unbeschriftet

Der folgenden Besprechung der Entwürfe liegen u. a. die Erläuterungsberichte zugrunde, welche denselben von ihren Verfassern beigegeben wurden; dieselbe erstrebt mehr eine Erklärung der beigegebenen Planskizzen als eine Kritik.

Ein flüchtiger Blick auf die Grundrisse der drei Entwürfe lässt sofort die grosse Verschiedenartigkeit in der Lösung der Aufgabe erkennen; einig sind eigentlich alle drei Verfasser nur darin, dass sie auf die bisherige Anlage des „Forums“ keine Rücksicht nehmen. Völlig entgegengesetzte Richtungen vertreten die Entwürfe von Seidl und Romeis. Der des ersteren verwirft jeden akademischen Zwang vollständig und stellt sich in scharfen Gegensatz gegen alles, was man bisher bei monumentalen Aufgaben dieser Art als nothwendig angesehen hat; der Mittelbau tritt wohl stark heraus, ist aber nicht dem Rang eines solchen entsprechend ausgebaut. Er bildet überhaupt nur annähernd und wie zufällig die Mitte, während schon in dem gleich dahinter liegenden Treppenhause die malerische Anordnung beginnt, welche in den Flügelbauten vollends so weit getrieben ist, dass das Ganze eher einem im Lauf von Jahrhunderten zusammen gewachsenen Konglomerat mit, all seinen malerischen Vorzügen und seinem Mangel an Einheitlichkeit gleicht, als einem derselben Zeit und demselben Kopfe entsprungenen Gedanken. Romeis dagegen hat es trotz sorgfältigster Berücksichtigung aller räumlicher und stilistischer Forderungen im Innern dahin gebracht, das Aeussere – wenigstens in seinem überwiegenden Theil – einheitlich zu gliedern; von dem mässig vorspringenden Mittelbau aus erstrecken sich lange Flügel nach den Seiten mit weit vorspringenden Abschlussbauten. Zwischen diesen beiden gänzlich verschiedenen Grundgedanken steht Hauberrisser’s Plan; derselbe enthält von beiden etwas, indem er die malerischen Vorzüge, d. h. die freiere Gruppirung des einen mit den monumentalen des anderen zu vereinigen sucht. Er gab dem mehr repräsentativen Haupttheil eine entschieden einheitliche Architektur im Charakter eines grossen Renaissance-Schlosses, mit beherrschendem, weit vorspringendem Mittelbau, hallenbesetzten Flügeln, grossen, gegen das Forum hin offenen Höfen usw. und fügte demselben die übrigen Bautheile jeweils in den ihrem Inhalt entsprechenden Stilen an. Eine besondere Eigenthümlichkeit dieses Entwurfs besteht in dem über der Prinzregentenstrasse geplanten Thorbau, welcher den Platz vor dem Museum noch deutlicher abschliessen und den Anblick der Jenseits der Isar liegenden Terrasse günstiger gestalten sollte.

Bei der Vertheilung der einzelnen Räume war es, im Hinblick auf die Ungleichheit der nothwendigen Bodenfläche für die kulturgeschichtlichen und die Fach-Sammlungen (6450 bez. 4560 qm) – wollte man Raumverschwendung vermeiden – von vornherein fast ausgeschlossen, etwa die eine Sammlung in das Erdgeschoss, die andere in das Obergeschoss zu verlegen. Im alten Museum wurde es aber ebenso stets als ein Mangel empfunden, dass die Fach-Sammlungen auf Erdgeschoss und I. Obergeschoss, die kulturhistorischen auf Erdgeschoss und II. Obergeschoss vertheilt sind; bei den neuen Entwürfen ist vor allem das Streben ersichtlich, die kulturhistorischen Sammlungen ihrer zeitlichen Reihenfolge gemäss zu gruppiren und daran die Fachsammlungen anzuschliessen, so dass der Besucher in der Regel erst den Gang durch erstere Sammlungen macht und dann erst zu letzterem gelangt. Bei Ausbildung der Räume für die kulturgeschichtlichen Sammlungen ergab es sich von selbst, dass die dabei zu schaffenden Räume den Stil der betreffenden Zeit tragen. Wollte man den inneren Organismus nach aussen ungeschminkt zur Schau tragen, so musste man die Einheitlichkeit der äusseren Erscheinung des Baues preisgeben, wie dies Seidl gethan. Bei den Entwürfen von Hauberrisser und Romeis musste sich der Organismus des Innern zumtheil den Forderungen der Monumentalität fügen; nach den Hofseiten zu oder bei den unsymmetrischen Anbauten, wo die Rücksichten auf monumentale Erscheinung geringer waren als jene auf die Uebereinstimmung des Aeussern mit dem Innern, – wo überhaupt eine malerische Gestaltung in Verbindung mit den Garten-Anlagen mehr angezeigt erschien, da tritt in beiden Entwürfen eine wechselvolle Fassadenbildung auf.

Bei den Fachsammlungen ist fast durchweg die Einrichtung getroffen, dass die lichtempfindlichen Schaustücke (Stoffe, Trachten usw.) nach Norden gelegt wurden.

Für möglichste Feuersicherheit ist bei sämmtlichen Entwürfen durch geeignete Anordnung von Brandmauern mit Eisenthüren ausgiebig gesorgt.

Bei unserer Besprechung der Entwürfe im einzelnen mag jener von Seidl voranstehen; er ist der einzige Entwurf, in welchem der Versuch gemacht ist, die so verschieden grossen Hauptgruppen der Sammlungen in zwei Geschosse zu vertheilen. Dies war natürlich nur zu erreichen durch Einschränkung auf der einen, durch Erweiterung auf der anderen Seite, ferner dadurch, dass ein Theil – der westlichste Ausbau mit dem nahezu quadratischen Hof – nur Erdgeschoss erhielt und dass im I. Obergeschoss auch die Kopirsäle und der Saal für Sonder-Ausstellungen angeordnet wurden. Im Untergeschoss sind nicht nur die Folterkammer und die Krypta, sondern auch einzelne Theile der kulturgeschichtlichen Sammlung untergebracht, wie z. B. die Volkstrachten.

Entwurf von Gabriel Seidl

Die etwas allzu knapp bemessenen Verwaltungsräume liegen, durch eine Brandmauer vom Hauptbau geschieden, im Mittelbau vorn am Forum und zwar in beiden Geschossen. Dahinter liegen im Erdgeschoss zunächst das geräumige Haupt-Treppenhaus und die Waffenhalle; im östlichen Flügel sind die Sammlungen des Alterthums und des Mittelalters, im westlichen die der Neuzeit untergebracht. Am Aeusseren, dessen Hauptgesims eine Höhe von 13 m erreicht, sind demgemäss am rechten Flügel vorwiegend romanische und gothische Motive zur Anwendung gebracht, während auf dem linken die Renaissance herrscht mit Anhängseln von Barock und Rococo. Das Obergeschoss enthält die Säle für die Fachsammlungen und (über der Waffenhalle) die Kopirsäle und den Saal für Sonder-Ausstellungen. Die Dachauer Decke wurde hier – wie im alten Bau – theilweise über dem Treppenhaus angeordnet – was vielleicht wegen der Feuergefährlichkeit besser vermieden würde.

Entwurf von Gabriel Seidl

Die Werkstätten sind zusammen mit den Gipsabgüssen auf der Nordseite des östlichen Hofes angeordnet, also möglichst getrennt vom eigentlichen Museum.

Mit Rücksicht auf den intimen Charakter des Baues wurde der Haupttheil desselben von der Strasse ziemlich weit abgerückt und durchweg in den Bauformen gehalten, wie dieselben an den Kloster- und Schlossbauten Altbayerns heimisch sind. Die dadurch entstehenden Höfe und Gärten sollen zur Darstellung der Garten-Anlagen verschiedener Zeitperioden dienen.

Entwurf von G. Seidl

Die Lage der Brandmauern ist aus dem Grundriss leicht zu erkennen. Den Verkehr zwischen den Geschossen vermitteln eine Haupttreppe und fünf Nebentreppen.

An der südwestlichen Ecke des Bauplatzes hat Seidl einen eigenen Bau für Sonder-Ausstellungen angeordnet; der Vorschlag verdient volle Beachtung, umsomehr, als die Ausführung desselben noch innerhalb der genehmigten Bausumme von 4 800 000 M. möglich wäre.

Entwurf von Hauberrisser (Erdgeschoss)

Der hier berührte Punkt, die Einhaltung einer festen Bausumme war von vornherein als sehr wichtig betont und es ist begreiflich, dass der Hauberrisser’sche Entwurf (Die Ansicht das Aeusseren konnte aufolge besonderer Umstände leider nicht rechtzeitig fertig gestellt werden. Wir behalten uns vor, dieselbe spätor nachzuliefern.) schon deshalb keine Aussicht auf Annahme hatte, als dessen Ausführung die Kosten etwa um die Hälfte vermehrt hätte, Es ergiebt sich dies schon aus einer Betrachtung der überbauten Bodenfläche (s. S. 93); die Schuld daran tragen die reichlichen Ausmaasse der einzelnen Räume, die breiten, aber recht wohl entbehrlichen Korridore und die weite Eingangshalle. Das Hauptelement in diesem Bau ist der Mittelbau, welcher äusserlich und innerlich die ganze Bauanlage beherrscht; derselbe sollte nicht nur äusserlich den monumentalen Charakter des Baues kennzeichnen, sondern er sollte auch zugleich im Innern durch eine grosse Eingangshalle den kostbaren Inhalt des Museums repräsentiren. Die perspektivische Innenansicht dieses Raumes zeigt eine zweigeschossige Bogenhalle, welche ihr Licht von den Fenstern des II. Obergeschosses erhält und welche nach hinten malerische Durchblicke nach dem Treppenhaus gewährt. Die eigentliche Haupttreppe endigt im I. Obergeschoss; von da führt rechts eine breite Treppe zum II. Obergeschoss. Rein für sich betrachtet wird niemand die Schönheit dieser Anlage bestreiten wollen; für den vorliegenden Zweck ging die letztere aber wohl etwas zu weit: Die Befürchtung ist nicht unbegründet, dass der Besucher, von der vornehmen Pracht dieses durch die beiden Obergeschosse gehenden Raumes geblendet, den eigentlichen Museumsschätzen nicht mehr die wünschenswerthe Empfänglichkeit entgegenbringt. – Hinter der Treppe ist (durch das I. Obergeschoss reichend) die Waffenhalle angeordnet; unter letzter befindet sich die Krypta mit den Grabsteinen und Zinnsärgen, sowie die Folterkammer.

Grosse Eingangshalle des Entwurfs von G. Hauberrisser

Der Gang durch die kulturgeschichtliche Sammlung beginnt an der linken Seite der Eingangshalle; hier sind die verschiedenen Zeitperioden in einzelne Bauflügel getrennt. Der erste Längsbau enthält das Alterthum, daran schliesst sich nach hinten – in Verbindung mit der romanischen Kirchenanlage – die merovingische und romanische Kunst und in der Längsrichtung eine lange gothische Halle (goth. Lapilarium), fernerhin (längs der schrägen Bauflucht) eine dreischiffige gothische Kirche mit einem Thurm. Letzter sollte u. a. die Glocken, die astronomischen Instrumente usw, beherbergen; die Krypta unter der gothischen Kirche blieb den Gipsabgüssen vorbehalten. Mit dem längs der Prinzregentenstrasse liegenden Theil dieses Flügels, welcher die gothischen Zimmer enthält, bricht der Gang durch die Jahrhunderte plötzlich ab; in dem Querbau, welcher den vorderen Hof nach Westen begrenzt, sind Theile der Fachsammlungen untergebracht. Ihre Fortsetzung finden die kulturhistorischen Sammlungen (Renaissance usw.) im I. Obergeschoss; eingeleitet durch den über dem Treppenhaus angebrachten Dachauer Plafond, sind dieselben in den Sälen über der mittelalterlichen Sammlung angeordnet, wobei indessen zu beachten ist, dass die gothische Kirche über das I. Obergeschoss reicht, also hier ausserbetracht bleiben musste. Der Rest der kulturgegeschichtlichen Sammlung befindet sich im östlichen Flügel, zu welchem man durch den „Wittelsbacher Saal“ (über dem Eingangsvestibül) gelangt. Den Volkstrachten und Volksalterthümern wurde im II. Obergeschoss der über der Waffenhalle, den Krippen der über dem Treppenhaus liegende Saal zugewiesen.

Entwurf zum Nationalmuseum in München von G. Hauberrisser. Fassade

Den Fachsammlungen blieben vorbehalten das ganze II. Obergeschoss und ausserdem im Erdgeschoss und I. Obergeschoss der Querflügel an der Westseite des vorderen Hofes (vergl. oben).

Erregte schon die Gruppirung der älteren kulturgeschichtlichen Sammlungen – trotzdem sie den Stilforderungen in hohem Maasse gerecht wird, wegen ihrer Weitläufigkeit Bedenken, nicht minder die Lösung des Zusammenhanges zwischen Mittelalter und Neuzeit, so widerspricht die Anordnung der Verwaltungsräume einschl. Kopirsäle einigermaassen der ursprünglichen Forderung, dieselben möglichst vom eigentlichen Museumsbau zu trennen. Während die Werkstätten usw. in einen gesonderten Flügel der Nordwest-Ecke verlegt sind, nehmen die Verwaltungsräume einen Theil des östlichen Querbaues ein. Im Untergeschoss befindet sich hier die Wohnung des Hausmeisters, darüber die Büreaus und (am Nordende) die Bibliothek. Im Zusammenhang damit liegen die Kopirsäle im Erdgeschoss des östlichen Längsflügels, wodurch freilich alle besseren Geschäftsräume auf einem Geschoss vereinigt wurden.

Entwurf von Romeis

In Vergleich zu den beiden besprochenen Entwürfen trägt jener von Romeis mehr einen akademischen Charakter. Die lange Reihe fast gleich grosser Säle, besonders im I. und II. Obergeschoss, die streng symmetrische Anordnung und das geringe Relief der Hauptfassade mag denjenigen, welche nun auf ein Mal jeder strengeren Richtung den Krieg erklärt haben, nüchtern, abwechslungslos erscheinen – ein Eindruck, der vielleicht am meisten davon herrührt, weil dieser Entwurf am wenigsten Willkürlichkeiten aufweist. Ein Vergleich mit dem Programm und mit den Maassen der einzelnen Bautheile ergiebt, dass der Verfasser sich mit grosser Gewissenhaftigkeit an das vorhandene Material gehalten hat, wie er überhaupt alle Programmbedingungen aufs peinlichste erfüllt hat. Dass einer vornehmen Strasse eine Museumsfassade vortheilhaft steht, welche sich in strengen architektonischen Linien hält, kann nicht wohl bezweifelt werden; andererseits ist der Forderung nach stilistischer Mannichfaltigkeit bei den übrigen (namentlich den Hof-) Fassaden vollauf Rechnung getragen. Am ansprechendsten ist wohl die Fassade an der Bogenhauserstrasse (Ostseite). Als besonderen Vorzug dieses Entwurfs darf man es auch bezeichnen, dass derselbe die Möglichkeit zu allenfallsigen Vergrösserungen andeutet. Ueberdies wird man bei genauem Studium der Pläne Manches finden, was der Ausführung werth wäre.

Das Zentrum der ganzen Anlage bildet ein Saal, dessen Abmessungen genau denen des grossen Saales im Dachauer Schloss entsprechen; hier sollte nicht allein die mehrmals genannte Holzdecke ungetheilt ihre Stelle finden, sondern es sollten auch die noch vorhandenen Fresken jenes Saales hierher übergeführt und mit dem bereits hier befindlichen Kamin, den Gobelins usw. in diesem Raum wieder vereinigt werden, der dadurch ein würdiger Vertreter altwittelsbachischer Kunstpflege geworden wäre. Schade, dass die Rücksicht auf die lichtempfindlichen Goblins und auf den Zusammenhang mit den anderen Renaissance-Sälen den Verfasser verhindert hat, diesen Saal auf die Südseite des Baues zu legen, wo er inmitten der Hauptfassade mit seinen grossen Axenweiten ein treffliches Mittelmotiv des Ganzen hätte geben können. Auch durch Verlegung des Haupteingangs an die Schmalseite ist dem Künstler ein wichtiges Motiv zur Belebung der Hauptfassade entgangen, wenngleich es berechtigt erscheint, den Eingang an der der Stadt zugekehrten Westseite anzubringen.

Entwurf von L. Romais

Zwischen den nach beiden Seiten ansteigenden Haupttreppen liegt eine weite Vorhalle, deren Breite der Tiefe des Längsbaues entspricht; letzter ist seiner ganzen Länge nach durch eine Scheidewand getheilt, von deren südlicher Seite die kulturgeschichtliche Sammlung ihren Anfang nimmt. Bei der Rückkehr auf der nördlichen Seite schliesst sich an die Gothik die Waffenhalle an, aus welcher man in westlicher Richtung in die Krypta gelangt; über der letzteren und weiterhin bis zur Vorhalle folgen die Volkstrachten und Volksalterthümer, die hier im Anschluss an die Rüstungen sich ganz gut in den Rahmen der kulturgeschichtlichen Sammlung einfügen. Die Fortsetzung der kulturgeschichtlichen Sammlung übernimmt das I. Obergeschoss; hier reihen sich die zahlreichen Renaissance-Räume aneinander, in deren Mitte der „Dachauer Saal“ liegt. Der im Erdgeschos des Ostflügels befindliche gothische Kirchenraum, welcher dort durch die geringere Höhenlage des Fussbodens eine Höhe von 8,5 m besitzt, ist im I. Obergeschoss als Renaissance-Kirche (bis zu 13 m Lichthöhe) ausgebaut, wobei der östlich anstossende (durch das grosse Regensburger Kapellengitter abgetrennte) Theil mit dem Chor der Kirche gewissermaassen als ein Raum wirken würde. Die ganze Vorderfront wird nun von den Fachsammlungen eingenommen, ebenso das I. Obergeschoss; zu letztem ist zu bemerken, dass es an der Ostseite mit der Flucht, der Hof-Fassade abschliesst; der nördliche Flügel besitzt also kein II. Obergeschoss.

Im nordwestlichen Winkel des Bauplatzes, in einem gesonderten Bau, der vom nördlichen Haupt-Treppenhaus zugänglich ist, sind die Neben-Räumlichkeiten sämmtlich vereinigt: im Erdgeschoss die Hausmeister-Wohnung und die Werkstätten, im I. und II. Obergeschoss Bibliothek, Bureaus und Kopirsäle.

Der Hauptbau an der Prinzregentenstrasse ist durch fünf über das Dach hinausgehende Brandmauern, welche nur durch relativ kleine feuersicher schliessbare Thüren durchbrochen sind, in sechs Baukörper zerlegt, jeder der letzten ist genügend mit Nebentreppen versehen. In den letzten Monaten ist der Vorschlag aufgetaucht, das National-Museum an der Stelle der gegenwärtigen Hofgarten-Kaserne zu errichten; dieselbe wurde im letzten Sommer infolge einer Typhus-Epidemie als durchseucht erkannt und sofort verlassen. Da an der Abtragung der Kaserne kein Zweifel besteht und ihre Baustelle an der Ostseite des Hofgartens, in nächster Nähe der Residenz für irgend einen Staats- oder königlichen Bau reservirt bleiben wird, so war der Gedanke wohl der Erwägung werth, ob man nicht dem National-Museum diesen für den Besuch ungleich günstiger gelegenen Platz zuweisen solle, zumal die unmittelbare Nähe der Residenz auch den nahen Beziehungen der Wittelsbacher zum National-Museum entspräche. An maassgebender Stelle scheint man indessen den Gedanken nicht weiter verfolgt zu haben; denn es geht bereits die Nachricht durch die Presse, dass der Grundstein des Museums am Geburtstag des Prinzregenten – am 12. März – gelegt werden solle.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “G.”