1905, vom Geheimen Oberpostrat Borgmann. In diesen Tagen ging durch die Presse die Nachricht, daß ein in Landshut in Bayern von einer Bank zur Post gegebener Einschreibbrief mit einem Inhalt von 10 000 Mk. nach München am Bestimmungsort nicht eingetroffen und verloren gegangen sei.
Es ist nach den begleitenden Umständen anzunehmen, daß es sich um einen Fall handelt, in dem der Absender zur Ersparung der Postversicherungsgebühr bei voller Wertdeklaration (5 Pfg. für je 300 Mk.) auf Grund des Posteinlieferungsscheins den wahren Inhalt bei einer sogenannten Valoren-Versicherungsgesellschaft gegen eine sehr billige Gebühr versichert hat. Da bei der Zuverlässigkeit der Post und der Ehrlichkeit der Beamten solche Verlustfälle sehr selten eintreten, so laufen die Versicherungsgesellschaften kein großes Risiko, derartige Geschäfte zu machen; kommt dann aber mal ein Verlust auf der Post vor, dann ist der Reinfall ein großer.
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Denn die Post ersetzt natürlich nicht den nicht deklarierten Betrag, im vorbesagten Fall 10 000 Mk. Ueber die Ersatzpflicht der Postverwaltung herrscht noch vielfach Unklarheit, selbst in jenen Kreisen, die täglich mit der Post zu tun haben. So mancher ist erst durch Schaden klug geworden. Auf einige Hauptpunkte sei gestattet im allgemeinen Interesse hinzuweisen. Vorweg sei bemerkt, daß die Post keinerlei Garantie leistet für gewöhnliche Briefpostgegenstände aller Art, mögen sie nun während der Postbeförderung verloren gegangen oder durch Zufall oder Versehen in unrechte Hände geraten sein. Bei der ungeheuren Menge der gewöhnlichen Briefe – es sind im Jahr 1902 nicht weniger als 2 334 329 500 Stck. von deutschen Reichspostanstalten im inneren Verkehr befördert worden – ist es überhaupt unmöglich, seitens der Post einen Nachweis über den Verbleib eines einzelnen Briefes zu führen; bei keiner Betriebsstelle werden solche Stücke einzeln eingetragen. Das Postpersonal wird sich bei der gewaltigen Menge von Briefen, die täglich im Fluge durch seine Hände gehen, nur selten eines bestimmten Gegenstandes zu entsinnen vermögen. Wer daher wichtige Dokumente, Wechsel und dergleichen zu verschicken hat, tut gut, die Form des „Einschreibbriefes“ zu wählen. Geht ein solcher Brief während der Postbehandlung verloren, so zahlt die Postverwaltung an den Absender eine Entschädigung von 42 Mk. ohne Rücksicht auf den wirklichen wert des Inhalts. Für Beschädigung oder verzögerte Beförderung von Einschreibbriefen wird dagegen ein Ersatz nicht geleistet. Wenn indes von einem solchen Stück nur das leere, innen unbeschriebene Kuvert ankommt, der gesamte Inhalt also verschwunden ist, wird dies einem völligen Verlorengehen der Sendung gleich geachtet und Ersatz geleistet. Ereignet sich der Verlust im Ausland, so kommen die konventionsmäßigen Bestimmungen in Betracht; der Ersatzbetrag stellt sich im Weltpostvereinsverkehr auf 50 Frank = 40 Mk. Einige ausländische Postverwaltungen, wie die der Vereinigten Staaten von Amerika, leisten indes auch für den Verlust von Einschreibbriefen keinen Ersatz, was schon vielfach von deutschen Absendern als ein großer Uebelstand empfunden worden ist. Die deutsche Reichspostverwaltung hat sich bisher vergeblich bemüht, eine Aenderung dieses Zustandes herbeizuführen.
Von erheblichem praktischem Wert ist die Ersatzfrage bei gewöhnlichen Paketen, von denen innerhalb des Reichspostgebiets im Jahr 1902 nicht weniger als 147 360 469 portopflichtige befördert worden sind. Daß bei so gewaltigen Mengen Verluste und Verzögerungen vorkommen, wenn sie auch in sehr mäßigen Grenzen bleiben, ist nicht zu verwundern. Wer hätte nicht schon gesehen, mit welcher ungeheuren Schnelligkeit die Paketverladung auf den Eisenbahnen während der kurzen Haltezeit der Züge, in der Nacht, bei Wind und Wetter, Schnee und Regen, mitten im Gedränge des reisenden Publikums bewirkt werden muß! Nicht selten sind die Laderäume der Bahnpostwagen überfüllt, es treten Zugverspätungen und verfehlte Anschlüße ein, so daß zahlreiche Sendungen auf großen Uebergangsstationen zurück bleiben müssen. Oft sind auch die Ladeverhältnisse auf den engen Bahnhöfen, das Ueberschreiten der Bahngleise mit den beladenen Postkarren sehr schwierig. Der Höchstsatz der Vergütung für abhanden gekommene gewöhnliche Pakete beträgt nur 3 Mk. für jedes Pfund; ist indes der tatsächliche Wert geringer, so erstattet die Post nur diesen. Sehr oft ist der wirkliche Wert ganz erheblich höher als 3 Mk, für das Pfund, z. B. bei Seidenwaren, Bekleidungs- und besseren Gebrauchsgegenständen. Will man sich da unbedingt vor Schaden behüten, so kann man dies in einfacher Weise erreichen, indem man den Wert auf der Paketadresse und dem Paket selbst angibt. Die besondere Versicherungsgebühr ist äußerst niedrig und beträgt nur 5 Pfg. 300 Mk.,die Mindestgebühr aber beträgt 10 Pfg.
In dem vorbesprochenen Umfang leistet die Post auch dann Ersatz, wenn ein Paket verzögert befördert oder bestellt worden ist und dadurch seinen Wert bleibend, ganz oder teilweise verloren hat. Auf eine Aenderung des marktgängigen Preises wird jedoch hierbei keine Rücksicht genommen. Die Post muß also z . B. Bei verzögerten Eisenbahnanschlüssen, ohne daß sie die geringste Schuld trifft, Ersatz leisten, wenn der Inhalt der Sendung – wie es bei frischen Fleisch- und Fischsendungen im Sommer leicht vorkommen kann – durch die unpünktliche Ankunft verdorben ist oder eine Wertverminderung erfahren hat. Ausgeschlossen ist die Ersatzpflicht der Post, wenn der Verlust usw. durch die unabwendbaren Folgen eines Naturereignisses oder durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes entstanden ist oder sich auf einer ausländischen Beförderungsanstalt ereignet hat, für die die Postverwaltung eine Garantie vertragsmäßig nicht übernimmt.
Häufiger pflegen nur Beschädigungen durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes vorzukommen. Die Post sieht den verschlossenen Inhalt des Pakets nicht und weiß nicht, ob die innere Verpackung gut und zweckentsprechend ist. Wenn daher z. B. ungenügend verpackte Glaswaren bei Oeffnung der äußerlich unbeschädigten Sendung durch den Empfänger zerbrochen vorgefunden werden, so kann die Post für den Schaden nicht aufkommen, es sei denn, daß ihr eine nicht schonende Behandlung des Stücks ausdrücklich nachgewiesen wird.
Leicht zerbrechliche Sachen müssen überhaupt so verpackt sein, daß sie unter Stoß und Druck nicht leiden, da die Pakete in den Bahnpostwagen selbstverständlich übereinander aufgeschichtet werden müssen. Auf dauerhafte und der Länge der Beförderungsstrecke entsprechende Verpackung aller Poststücke ist daher der größte Wert zu legen.
Von hervorragender Bedeutung ist weiterhin die Ersatzfrage bei allen Sendungen mit angegebenem Wert, also den Geldbriefen und Wertpaketen. Es sind von beiden Kategorien im Jahr 1902 7 853 723 innerhalb des deutschen Reichspostgebiets befördert worden.
Geht eine Wertsendung verloren, so wird der in der Aufschrift angegebene Betrag dem zu leistenden Ersatz zugrunde gelegt; beweist jedoch die Postverwaltung, daß dieser Betrag den gemeinen Wert der Sache übertrifft, so hat sie nur diesen zu ersetzen. Letzterer Fall würde z. B. vorliegen, wenn eine Sendung mit feinen Spitzen zu 1000 Mark deklariert, verloren geht, während sie in allen besseren Geschäften für 500 Mark zu kaufen wären. Auch bei Beschädigungen, z. B. teilweisem Fehlen des Wertinhalts wird bis zur Höhe des deklarierten Betrages Ersatz geleitet. In dieser Beziehung ist folgendes hervorzuheben· der Inhalt der Wertsendungen ist der Post unbekannt, ihr werden die Stücke in verschlossenem und versiegeltem Zustand übergeben, sie hat nur dafür zu haften, daß sie die Stücke in dem gleichen verschlossenen und unverletzten Zustand wieder abliefert. Zur größeren Sicherheit wird bei Wertsendungen das Gewicht von der Einlieferungsanstalt genau ermittelt und auf der Adresse notiert; bei der Bestimmungspostanstalt findet ein Nachwiegen statt. Wenn dann bei der Aushändigung des Stücks an den Empfänger Verschluß und Verpackung unverletzt und das Gewicht mit dem bei der Einlieferung ermittelten übereinstimmend befunden werden, so hat die Post ihre pflicht erfüllt. Fehlt dann bei der Oeffung etwas an dem vermerkten Inhalt, so hat das die Postverwaltung nicht zu vertreten. Ist die Annahme von Adressaten ohne Erinnerung geschehen, so begründet dies die Vermutung, daß bei der Aushändigung die Sendung sich in völlig tadellosem Zustand befunden hat. Nun ist der Empfänger bei Geldsendungen aber meist gar nicht in der Lage, Verschluß und Verpackung sogleich sorgfältig zu bescihtigen und kaum bemerkbare Mängel sofort wahrzunehmen; denn er muß erst den Ablieferungsschein vollziehen und erhält dann erst den Brief ausgehändigt. Als unbeanstandete Annahme ist es deshalb nicht anzusehen, wenn erst nach Empfangnahme des Stücks der Schaden entdeckt und davon der postanstanlt, die den gegenstand zugestellt hat, sofort Anzeige erstattet wird. Bei Oeffnung von Geldsendungen vermeide man aber, den ursprünglichen Verschluß – also die Siegel und das Kuvert – zu verletzen, sondern schneide vorsichtig eine Seite auf, damit etwa schon vorhandene, vorher nicht wahrgenommene Verletzungen unverändert sichtbar bleiben. Auch ist zu empfehlen, bei Oeffnung und Feststellung des Inhalts einen Zeugen hinzuzuziehen.
Bei Postanweisungen übernimmt die Postverwaltung die Verpflichtung die tatsächlich eingezahlten Beträge an die Adressaten auszuzahlen, und steht für diese Beträge ein. Da das Geld natürlich nicht von einer zur andern Stelle mitgeschickt, sondern hier eingezahlt und dort ausgezahlt wird, kann es auch nie verloren gehen. Deshalb bleibt bei kleineren Geldbeträgen die Postanweisung auch immer die einfachste, bequemste und sicherste Art der Geldübermittelung. Es kann wohl einmal vorkommen, daß das ausgefüllte Formular zur Postanweisung während der Postbeförderung in Verlust gerät; dann wird es amtlich durch ein Duplikat ersetzt, und der einzige Nachteil liegt in der etwas verzögerten Auszahlung des Betrages. Die Postanweisungen erfreuen sich deshalb auch großer Beliebtheit beim Publikum; im Jahr 1902 sind bei den Reichspostanstalten nicht weniger als 151 145 340 Stück mit 8 971 149 906 Mark vermittelt worden. Ein Umsatz von fast neun Milliarden ist gewiß eine großartige Leistung auf diesem Gebiet.
Bei Postaufträgen leistet die Postverwaltung Garantie einmal für den nach der Bestimmungsanstalt zu befördernden Auftragsbrief wie für einen Einschreibebrief (42 Mark) und dann für die eingegangenen Geldbeträge wie für Postanweisungen. Als Verlust des Postauftragsbriefes ist auch anzusehen, wenn die dem Auftragformular beigefügten einzulösenden Urkunden auf der Post abhanden gekommen oder ohne Einziehung des Betrages dem Schuldner ausgehändigt worden sind. Ebenso leistet die Post Ersatz für eingegangene Nachnahmebeträge wie für eingezahlte Postanweisungen, denn die eingezogenen Beträge werden den Absendern der Postaufträge mittels Postanweisung übermittelt.
Im allgemeinen sei noch bemerkt, daß nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf Schadenersatz stets vom Absender, falls dieser sein Recht nicht etwa dem Empfänger abgetreten hat, zu erheben und bei der Postbehörde anzubringen ist, in deren Bezirk der Ort der Einlieferung der Sendung liegt. Der Anspruch erlischt indes nach sechs Monaten, vom Tag der Einlieferung der Sendung an gerechnet. Durch Anbringung der Reklamation bei der zuständigen Postbehörde wird indes die Verjährungsfrist unterbrochen. Der Absender geht also seines Rechtsanspruch nicht verlustig, wenn die postamtliche Entscheidung auch mehr als sechs Monate auf sich warten lassen sollte, was indes nur bei sehr komplizierten Fällen vorkommen kann.
Dieser Text erschien zuerst 1905 in Die Woche.