Die Griesheimer Brandkatastrophe

Wenig mehr als eine halbe Meile von Frankfurt entfernt ist am Main das etwa 8000 Einwohner zählende Städtchen Griesheim gelegen, ein Fabrikort, mit dem sich das große Publikum im allgemeinen weniger beschäftigt hat, als es seiner Bedeutung nach verdient hätte.

Pikrinsäure und andere Sprengstoffe wurden dort hauptsächlich hergestellt und nicht nur an die deutsche, sondern auch an fremde, selbst an überseeische Armeen geliefert. Die chemische Fabrik „Elektron“ allein beschäftigte tausend Arbeiter.

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Vom grossen Brandunglück in Griesheim – Die chemische Fabrik Elektron am 25. April in Flammen

Hier nun kam am 25-April nachmittags in einem Raum, in dem Füllstoff für Granaten hergestellt wurde, Feuer aus, das fürchterliche Folgen hatte. Schwer lagerte längere Zeit über der Fabrik eine schwarze, undurchdringliche Rauchwolke. Da plötzlich schießt durch sie hindurch, 200 Meter über sie hinaus, ein weißer Dampfstrahl, begleitet von einem furchtbaren Knall, von einem donnernden Getöse. Eine Explosion ist erfolgt. ein Kessel ist gesprengt, nicht mehr sieht man nur Rauch, sondern lodernde Flammen schlagen aus der brennenden Fabrik zum Himmel empor. Eine entsetzliche Panik greift Platz, denn im Nu wird allen die Gefahr klar, die nicht die Fabrik. nein den ganzen Ort, die ganze Gegend bedroht. Der Telegraph brauchte gar nicht nach allen Windrichtungen hin zu spielen, meilenweit sieht und hört man, daß da Entsetzliches vor sich geht, und von allen Seiten rückt Hilfe heran, erst die Feuerwehren, dann auch Militär. Schon will der Gedanke, daß das Schwerste überstanden sei, einigermaßen Ruhe in die geängstigten Gemüter bringen, da ertönt der Schreckensruf, daß eine Explosion des großen Benzinbehälters drohe.

Vom grossen Brandunglück in Griesheim – Der durch die Explosion zerstörte Kesselraum am 26. April
Vom grossen Brandunglück in Griesheim – Die Trümmerstätte am 26. April nach dem Brand

Militär, Gendarmerie, Feuerwehr müssen, um sich selbst zu retten, das Rettungswerk unterbrechen; die Bevölkerung wird aufgefordert, den Ort zu verlassen. Allein das Grausige geschieht nicht, es ist gelungen, das Benzin nach dem Main abzuleiten. Um Mitternacht darf man hoffen, daß weitere Gefahr nicht mehr besteht, wenn auch die aus Phantasie fortwährend neue Schreckenskunden gebärt. Kein Wunder, denn die Elemente haben furchtbar gewütet. Weit über den Main hinüber sind brennende Holzscheite und glühende Eisenscheite geschleudert worden und haben besonders im nahegelegenen Schwanheim, Scheunen- und Waldbrände verursacht. Der materielle Schaden, den die Katastrophe an gerichtet hat, ist riesig, er zählt nach Millionen, aber er bedeutet nichts gegenüber dem Verlust und der Schädigung von zahlreichen Menschenleben. Neunzehn Tote sind gezählt worden, über hundert Schwerverwundete. Der Wohlthätigten ist ein neues Arbeitsgebiet eröffnet, es sind viele Schmerzen, es ist viel Not und Elend zu lindern.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.04.1901 in der Rubrik “Bilder vom Tage” in Die Woche.